Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Steigende Anforderungen an Fahrbahnbefestigungen aus Asphalt erfordern neben verbesserten Mischgutzusammensetzungen auch leistungsfähigere Bindemittel. Bitumen für den Asphaltstraßenbau bestehen weitestgehend aus Rückständen der Erdöldestillation, werden jedoch technisch aufwändig zu höherwertigen Produkten aufbereitet. Der mögliche Anwendungsbereich von Bitumen ergibt sich dabei insbesondere durch seine Temperaturempfindlichkeit. Bei hohen Temperaturen ist ein steifes Bitumen von Vorteil, da so die Gefahr von Verformungen infolge Verkehrsbelastung geringer ist und bei abnehmenden Temperaturen soll das Bitumen möglichst lange flexibel bleiben, damit thermisch induzierte Verformungen (Schrumpfen) keine hohen Spannungen aufbauen, die zu Kälterissen führen könnten (Alisov & Wistuba, 2016).
Zur Beurteilung der Güte verwendeter Bitumen stehen diverse Prüfverfahren zur Beurteilung der mechanischen Bindemitteleigenschaften bei unterschiedlichen Temperaturen zur Verfügung. In vielen Bereichen bei der Abwicklung von Bauleistungen in Deutschland erfolgt jedoch lediglich eine Überprüfung des Bindemittels mit dem Erweichungspunkt Ring und Kugel (EP RuK), beispielsweise
- zur Wareneingangskontrolle bei der Anlieferung von Bitumen an der Asphaltmischanlage,
- zur Erstellung von Asphaltrezepturen bei der Mitverwendung von Asphaltgranulat,
- zur werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) bei der laufenden Überprüfung der Asphaltmischguteigenschaften an der Asphaltmischanlage sowie
- zur Durchführung von Kontrollprüfungen als Grundlage der Abnahme.
Durch die Modifizierung von Bitumen mittels Polymeren soll eine Aufweitung der Plastizitätsspanne mittels einer Erhöhung des EP RuK erzielt werden. Dadurch ist es möglich, tendenziell weichere Grundbitumen zu verwenden, die durch die Polymermodifizierung auch bei hohen Gebrauchstemperaturen einen ausreichenden Widerstand gegen bleibende Verformungen aufweisen. Mit zunehmender Komplexität bitumenhaltiger Bindemittel wird allerdings deren physikalische Differenzierung mittels konventioneller Prüfverfahren erschwert. Infolge einer Polymermodifizierung werden das Tieftemperaturverhalten (Brechpunkt nach Fraaß – als Maß für die Brüchigkeit bei niedrigen Gebrauchstemperaturen) und die Konsistenz bei mittlerer Gebrauchstemperatur (Nadelpenetration – als Maß für die Bitumenhärte) weitestgehend nicht verändert, jedoch wird der EP RuK (als Maß für die Verformungsbeständigkeit bei höherer Gebrauchstemperatur) stark angehoben. Bei Polymermodifizierten Bitumen (PmB) wird daher zur Kennzeichnung bei der Sortenbezeichnung zusätzlich ein Mindestwert für den EP RuK angegeben (Alisov & Wistuba, 2016).
Dieses bekannte Materialverhalten zeigt, dass es bei PmB keinen Zusammenhang zwischen den Kennwerten Nadelpenetration und EP RuK gibt. Dennoch wird oft versucht, die Bitumenhärte aus dem Ergebnis des EP RuK abzuleiten. Das Bild 1 verdeutlicht den exponentiellen Zusammenhang zwischen Nadelpenetration und EP RuK für Straßenbaubitumen und zeigt, dass dieser für PmB nicht hinreichend gegeben ist.
Das Bild 2 zeigt, dass auch kein Zusammenhang zwischen dem Verhalten bei hohen Temperaturen und dem Tieftemperaturverhalten von Bitumen besteht. Erstaunlicherweise wird dennoch häufig der EP RuK als ein Indikator für das Tieftemperaturverhalten von Bitumen angesehen. Ein Bitumen mit hohem EP RuK wird fälschlicher Weise oft ein hartes Materialverhalten bei mittlerer Gebrauchstemperatur und ein besonders sprödes Materialverhalten im Bereich tiefer Gebrauchstemperaturen unterstellt, ohne den jeweiligen Temperaturbereich direkt angesprochen zu haben.
Bild 1: Zusammenhang zwischen Nadelpenetration und Erweichungspunkt Ring und Kugel
Bild 2: Zusammenhang zwischen Erweichungspunkt Ring und Kugel und dem Brechpunkt nach Fraaß (links aus Renken et al., 2000) sowie zwischen der Temperatur bei einer Biegekriechsteifigkeit S = 300 MPa ermittelt im Biegebalkenrheometer (BBR) (rechts)
Dass der EP RuK zudem nur bedingt geeignet ist, Bitumen in den Hochtemperatureigenschaften zu differenzieren, ist in der Literatur oft beschrieben (z. B. Guericke, 2010; Radenberg et al., 2014; Mattischek et al., 1996; Alisov et al., 2016). Insbesondere mit Polymeren oder anderen organischen Zusätzen modifizierte Bitumen zeigen z. T. widersprüchliche oder unplausible Ergebnisse dieser Prüfgröße auf. Beispielsweise kann ein höhermodifiziertes Bitumen nach Alterung einen geringeren Wert für den EP RuK aufweisen als ein lieferfrisches Produkt.
Ursächlich für die vorbehaltlose Anwendung des EP RuK ist vermutlich das fehlende Hinterfragen der eigentlichen Aussage des EP RuK für Destillationsbitumen. Für PmB wurde dieses Prüfverfahren lediglich übernommen, ohne dass eine verlässliche und validierte Ergebnisgrundlage bestand (vgl. Morea et al., 2010).
2 Aufgabe des Erweichungspunktes Ring und Kugel
Der EP RuK beschreibt näherungsweise die Konsistenz von Asphaltbefestigungen bei erhöhter Gebrauchstemperatur. Nach Guericke (2010) gibt er den Übergang vom festen in den flüssigen Zustand an. Je höher der EP RuK ist, desto widerstandsfähiger ist eine Asphaltbefestigung gegen bleibende Verformungen bei sommerlichen Temperaturen. Dieser empirische Kennwert lässt nur bedingt eine Ableitung von Zustandsgrößen des Bitumens für andere Temperaturbereiche zu. Dem Gedanken des EP RuK liegt die Bestimmung der Temperatur eines äqui-charakteristischen Zustands zugrunde und wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in den USA entwickelt. Die erste Prüfvorschrift (ASTM, American Society for Testing and Materials) für den EP RuK aus dem Jahr 1916 wurde in Deutschland im Jahr 1928 umgesetzt. Seither hat sich das Prinzip der Prüfung nicht verändert, jedoch wurden die Bindemittel für den Straßenbau stetig weiterentwickelt.
Der Zustand des Bitumens bei der Temperatur des EP RuK ist nicht klar definiert, wird aber als viskositätsbeschreibende Kenngröße herangezogen. Aufgrund der Versuchsanordnung ist dies aus rheologischer Sicht nachvollziehbar, da die Verformung des Probenmaterials bei konstanter Belastung der Messprobe als ein Indiz für eine Viskosität angesehen werden kann. Mattischek et al. (1996) beschreiben den Zustand bei der Temperatur des EP RuK über die mittels Magnetviskosimeter gemessene Nullscherviskosität mit näherungsweise η0 = 780 Pa·s, Guericke (2010) beschreibt den Zustand bei der Temperatur des EP RuK mit der komplexen Viskosität von η* = 1,3 kPa·s aus Oszillationsmessungen im Dynamischen Scherrheometer (DSR) bei einer Frequenz von f = 0,0159 Hz und Radenberg et al. (2014) ermittelten eine Zustandsgröße des komplexen Schermoduls von G* = 15 kPa, ebenfalls aus Oszillationsmessungen mit dem DSR. Diese Erkenntnisse beziehen sich auf Messungen an reinen Destillationsbitumen. Sofern PmB einbezogen werden, können keine verlässlichen Korrelationen aus rheologischen Größen und dem Ergebnis des EP RuK abgeleitet werden (Alisov & Wistuba, 2016).
Eigene Untersuchungen bestätigen diese Zusammenhänge. Im Bild 3 sind Ergebnisse des komplexen Schermoduls bei der Temperatur des EP RuK im DSR bei einer Frequenz von f = 1,59 Hz aufgezeigt. Bei einer Reihe von reinen Destillationsbitumen (70/100, 50/70, 30/45) ergibt sich ein G* von näherungsweise 15 kPa. Die PmB weisen teilweise einen deutlich geringeren Wert für G* auf. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei PmB der EP RuK meist eine zu hohe Temperatur als Äqui-Zustands-Temperatur angibt.
Wird die Differenz des höchsten und niedrigsten gemessenen Schermoduls auf den logarithmischen Zusammenhang zwischen Temperatur und Eigenschaftsänderung übertragen, so ergibt sich für die hier angegebenen Beispiele eine Spanne von ca. 12,5 °C. Unter Berücksichtigung der hier dargestellten Ergebnisse kann festgehalten werden, dass der EP RuK als Kennwert für eine nährungsweise rheologische Größe nur mit einer Genauigkeit von maximal 12,5 °C angesehen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass bei größerem Stichprobenumfang unter Einbeziehung weiterer Bitumen die Spanne deutlich größer wird. Für Straßenbaubitumen beträgt die Spanne weniger als 1,5 °C.
Aus diesen Untersuchungen lässt sich ableiten, dass der EP RuK eine Temperatur gleichen Zustands angeben soll, der durch eine Größe von G* = 15 kPa gut beschrieben werden kann. Bei komplexeren PmB kann diese Temperatur jedoch nur mit unzureichender Genauigkeit bestimmt werden. Durch Messungen im Dynamischen Scherrheometer können die rheologischen Eigenschaften von Bitumen deutlich präziser beschrieben werden.
Bild 3: Komplexer Schermodul gemessen im Dynamischen Scherrheometer bei der Temperatur des Erweichungspunktes bei f = 1,59 Hz für verschiedene Bitumenarten und -sorten
3 Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren (BTSV)
Beruhend auf den oben dargelegten Erkenntnissen wurde am Institut für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig ein Verfahren am Dynamischen Scherrheometer entwickelt, welches eine schnelle Bestimmung der Temperatur bei G* = 15 kPa ermöglicht. Zusätzlich ermöglicht die gleichzeitige Aufzeichnung des Phasenwinkels eine Unterscheidung der Bitumen hinsichtlich der Wirkung der enthaltenen Polymere. Mit beiden Kenngrößen kann der Bitumentyp eindeutig und mit geringem Versuchsaufwand bestimmt werden. Das Verfahren wird Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren benannt, kurz BTSV.
Das BTSV beruht auf dem Gedanken des historischen Verfahrens EP RuK, erfolgt jedoch mit zeitgemäßem Prüfequipment, sodass auch komplexe Bindemittel zuverlässig beschrieben werden können. Das Prüfgerät „Dynamisches Scherrheometer“ (DSR) lässt eine präzise Beschreibung rheologischer Eigenschaften einfacher und komplexer Bindemittel über weite Temperaturbereiche zu und wird daher als geeignet angesehen, Bindemittel sicher voneinander zu differenzieren. Die Europäische Prüfnorm DIN EN 14770 beschreibt die Bestimmung des komplexen Schermoduls G* und des zugehörigen Phasenwinkels δ mittels DSR unter isothermen Bedingungen. Es ist dabei sowohl die Spannungsregelung als auch die Deformationsregelung zulässig.
Die nationale Umsetzung der DIN EN 14770 ist die AL DSR-Prüfung (T-Sweep) (FGSV, 2014). Darin ist die zulässige Regelung auf die Deformationsregelung bei einer Frequenz von f = 1,59 Hz beschränkt, da hierzu bereits ein großer nationaler Erfahrungshintergrund hinsichtlich Deformationsvorgaben besteht.
Sofern die Regelungsvorgaben innerhalb des linear-viskoelastischen Bereichs (LVE) erfolgen, ist das Ergebnis der Oszillationsmessung von der Regelungsart unabhängig. Geräte- und bindemittelabhängig kann die Genauigkeit der Regelung bei niedrigen Temperaturen (z. B. T < 50 °C bei harten Bindemitteln) durch eine Scherspannungsregelung und bei höheren Temperaturen (z. B. T > 40 °C bei weichen Bindemitteln) durch eine Deformationsregelung erreicht werden.
Beim BTSV erfolgt – abweichend von den Vorgaben der DIN EN 14770 und der AL DSR-Prüfung – die Messung nicht unter isothermen Bedingungen. Stattdessen wird die Temperatur – ähnlich wie beim Verfahren EP RuK (∆T = 5 K/min) – während der Messung stetig erhöht (jedoch im geringeren Maß von ∆T = 1,2 K/min). Folglich ist die Probe während der gesamten Messdauer einem instationären Temperaturzustand ausgesetzt, was sich dadurch kennzeichnet, dass sich in der Probe ein Temperaturgefälle einstellt. Die Regelung der Temperatur erfolgt von 20 °C bis max. 90 °C, woraus sich eine maximale Prüfdauer von ca. 60 min zur Charakterisierung eines Bindemittels ergibt. Um ein konstantes Temperaturgefälle in der Messprobe zu erhalten, muss das Prüfgerät ebenfalls ein konstantes Temperaturgefälle aufweisen. Ab einer Temperatur von 30 °C ist diese Randbedingung im Regelfall gegeben.
Während der Temperierung wird die Bitumenprobe kontinuierlich durch Oszillation bei f = 1,59 Hz beansprucht, wobei die Werte für G* und δ kontinuierlich im Abstand von 1 bis maximal 2,5 s aufgezeichnet werden. Für einen Messpunktabstand von 1 s bedeutet dies, dass das DSR innerhalb von 1,59 Schwingungen die Belastungsgröße einregelt und das Ergebnis anhand der Verformungsreaktion berechnet. Während dieses Regelungsvorgangs mit der Dauer von 1 s erhöht sich die Temperatur um 0,02 K.
Die Beanspruchung der Probe soll über den gesamten Messzeitraum mit konstanter Größe erfolgen und dabei den LVE-Bereich nicht überschreiten. Wird der LVE-Bereich überschritten, wird die Probe geschädigt und die darauffolgend gemessenen Werte sind vermutlich mit großen Fehlern behaftet. Die Deformationsregelung im LVE-Bereich mit konstanter Größe über den Temperaturbereich von 70 K wird durch den LVE-Bereich bei der niedrigsten Temperatur (20 °C) vorgegeben. Bei 20 °C sind jedoch nur sehr geringe Deformationen innerhalb des LVE-Bereichs möglich, sodass die Gefahr besteht, bei höheren Temperaturen das Drehmoment nur mit unzureichender Präzision erfassen zu können. Zudem wäre zuvor eine Kontrolle des LVE-Bereichs bei 20 °C durch einen Amplitudensweep bei jeder unbekannten Probe erforderlich. Es wird daher eine spannungsgeregelte Oszillationsbeanspruchung mit einer Größe von 500 Pa vorgegeben. Die Vorgabe der Scherspannung führt automatisch zu einer Deformation innerhalb des LVE-Bereichs, sofern für G* der Wert von 15 kPa nicht unterschritten ist. Bei zunehmenden Temperaturen nimmt folglich auch die resultierende Deformation aus der spannungsgeregelten Oszillation zu.
Nach Durchführung des BTSV kann der temperaturabhängige Verlauf von G* und δ dargestellt werden (Bild 4). Es wird jene Temperatur bestimmt, bei der der komplexe Schermodul auf einen Wert von G* = 15 kPa abgesunken ist. Diese Temperatur wird als TBTSV bezeichnet. Die zweite abzulesende Größe ist der zu dieser Temperatur korrespondierende Phasenwinkel δBTSV.
Bild 4: Beispiel zur Ableitung der BTSV-Ergebnisse aus den Isochronen des komplexen Schermoduls und des Phasenwinkels: TBTSV und δBTSV bei G* = 15 kPa
3.1 Ableitung von Sortenspannen
Dass die Kenntnis über die Kennwerte TBTSV und δBTSV genügt, um Bitumen zielsicher hinsichtlich ihrer Härte und der Wirkung einer Modifizierung mit Polymeren zu differenzieren, wird im Folgenden deutlich. Im Bild 5 sind BTSV-Ergebnisse aus Reihenuntersuchungen an verschiedenen Straßenbaubitumen (ca. 10 Ergebnisse je Bitumensorte) in einem Diagramm zusammenfassend dargestellt. Die aufgezeigten Kästchen kennzeichnen die resultierenden Spannweiten von TBTSV und ?BTSV je Bitumensorte. Der schwarze Punkt innerhalb eines Kästchens kennzeichnet den jeweiligen Mittelwert aus den Messungen je Bitumensorte.
Es zeigt sich, dass die Straßenbaubitumen in Abhängigkeit ihres Härtegrads über den Kennwert TBTSV gut voneinander differenziert werden können. Je härter das Bindemittel ist, desto höher liegt die Temperatur bei G* = 15 kPa. Weiterhin ist festzuhalten, dass der Phasenwinkel δBTSV für Straßenbaubitumen einen ähnlichen Wert von ca. 80° annimmt.
Zur Kennzeichnung des Wirkungsgrades einer Modifizierung durch Polymere bzw. Gummipartikel wurden Bitumenmischungen mit einem Straßenbaubitumen 70/100 und einem bekannten Anteil des jeweiligen Modifizierungsmittels hergestellt und die BTSV-Kennwerte bestimmt. Die Ergebnisse sind ebenfalls im Bild 5 angegeben. Es lässt sich ableiten, dass ein höherer Anteil Modifizierungsmittel zu einem geringen Anstieg von TBTSV und zu einer Verringerung von δBTSV führt. Die zunehmende Wirkung einer Modifizierung wird demnach durch einen abnehmenden Phasenwinkel aufgezeigt.
Bild 5: Beispiele zu mittels BTSV erzielten Ergebnissen: sortenabhängige Spannweiten von Straßenbaubitumen und Wirkung von Modifizierungen
Im Bild 6 sind die mittels BTSV erhaltenen Sortenspannen der Straßenbaubitumen um die Sortenspannen verschiedener PmB ergänzt. Es zeigt sich, dass die PmB generell einen kleineren Phasenwinkel als die Straßenbaubitumen aufweisen und somit sicher von jenen abgegrenzt werden können. Die Spanne des Bitumens der Sorte 40/100-65 A weist den geringsten Phasenwinkel und somit die stärkste Wirkung der Modifizierung auf. Die Bitumensorten 45/80-50 A, 25/55-55 A und 10/40-65 A weisen hingegen auf eine vergleichsweise moderate Wirkung der Modifizierung hin. In einigen Bereichen des 25/55-55 A ergeben sich Überlappungen zu den angrenzenden Sortenspannen. Hier ist eine Differenzierung nur eingeschränkt möglich, es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass die Bindemittel in den Überlappungsbereichen gleiche Härte und gleiche Wirkung der Modifizierung aufweisen, da sich die Anforderungen an diese Bindemittel in den TL Bitumen-StB ebenfalls in weiten Bereichen überschneiden.
Bild 6: Beispiele zu mittels BTSV erzielten Ergebnissen: sortenabhängige Spannweiten von Straßenbaubitumen und Polymermodifizierten Bitumen
3.2 Prognose der Bindemittelhärte
Das Bild 7 zeigt den Zusammenhang zwischen dem konventionellen Kennwert der Nadelpenetration und dem Kennwert TBTSV. Sowohl für Straßenbaubitumen als auch für PmB kann der Zusammenhang durch eine Exponentialfunktion gut beschrieben werden. Der Kennwert TBTSV ist demnach gut geeignet, den Härtegrad eines Bitumens zu beschreiben, die Bestimmung der Nadelpenetration wird obsolet.
Bild 7: Zusammenhang zwischen Nadelpenetration und der mittels BTSV abgeleiteten Temperatur TBTSV
3.3 Alterungsverhalten von Bitumen
Das Bild 8 zeigt die charakteristische Verschiebung der BTSV-Kennwerte infolge mehrfacher Laboralterung. Die gezeigten Bitumen wurden sowohl im Anlieferungszustand als auch nach einfacher und mehrfacher Beanspruchung mittels Rolling Thin Film Oven Test (RTFOT) geprüft. Es zeigt sich, dass die Änderung der BTSV-Kennwerte eine bitumen-spezifische Proportionalität aufweist und sich daher immer entlang einer Geraden verändert. Die bitumenspezifische Steigung der Geraden ist dabei durch die Art der Beanspruchung geprägt und wird im Folgenden als Verhaltensfunktion bezeichnet.
Bild 8: Beispiele zu dem mittels BTSV festgestellten, charakteristischen Alterungsverhalten von Bitumen nach mehrfacher Beanspruchung mittels Rolling Thin Film Oven Test (RTFOT)
3.4 Mischungsverhalten von Bitumen
Das BTSV kann auch genutzt werden, um bitumenhaltige Bindemittel im Rahmen eines Bindemittel-Design gezielt zu vermischen. Die Änderung der BTSV-Ergebnisse erfolgt abhängig vom jeweiligen Mischungsverhältnis entlang einer Geraden zwischen den Punkten der Ausgangskomponenten (Bild 9).
Bild 9: Beispiel für die Anwendung des BTSV zum Vermischen von gealtertem Bitumen mit weichem Bitumen oder Rejuvenator
Im Beispiel ist der Versuch dargestellt, ein PmB (rot), rückgewonnen aus Ausbauasphalt, mit einem weichen Straßenbaubitumen 160/220 derart zu kombinieren, dass sich ein Gemisch mit dem Härtegrad eines 25/55-55 A ergibt. Dieses Ziel wird knapp durch Zugabe von 82,0 M.-% erreicht. Der resultierende Punkt im BTSV-Diagramm liegt auf der Geraden zwischen den Punkten der Ausgangsmaterialien. Allerdings ist erkennbar, dass durch die hohe Zugabemenge an Straßenbaubitumen die Konzentration und dadurch die Wirkung der Polymere des Bitumens aus dem Asphaltgranulat deutlich reduziert wird. Der Phasenwinkel liegt nicht mehr in einem Bereich, der für PmB typisch ist.
Ferner zeigt Bild 9 die Wirkung der Zugabe eines Rejuvenators (Verjüngungsmittel) zum Bindemittel des Ausbauasphaltes. Die BTSV-Ergebnisse sind nach Zugabe des Rejuvenators horizontal nach links verschoben. Die Größe des Phasenwinkels bleibt weitestgehend unverändert. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass durch die Zugabe des Rejuvenators eine Verdünnung des Ausgangsbitumens erfolgt. Eine tatsächliche Verjüngung des Ausgangsbitumens findet nicht statt, denn dann hätte der zugegebene Rejuvenator eine Alterungsumkehr hervorrufen und folglich eine Verschiebung der BTSV-Kennwerte entlang der bitumenspezifischen Verhaltensfunktion nach links oben bewirken müssen.
4 Zusammenfassung und Ausblick
Es wird aufgezeigt, in welchem Maße der Erweichungspunkt Ring und Kugel an Aussagekraft bei der Prüfung von Polymermodifizierten Bitumen verliert. In Folge wird mit dem Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren (BTSV) ein neues Laborprüfverfahren beschrieben, welches die Idee des konventionellen Verfahrens auf aktuelle Möglichkeiten der Prüftechnik überträgt. Mittels einem Dynamischen Scherrheometer erfolgt eine scherspannungsgeregelte Oszillationsprüfung bei einer Frequenz von f = 1,59 Hz, wobei die Temperatur von 20 °C bis 90 °C stetig (1,2 K/min) erhöht wird und eine Vielzahl von Messwerten aufgenommen werden. Als Ergebnis wird die Temperatur TBTSV abgelesen, bei der der komplexe Schermodul auf eine Größe von G* = 15 kPa abgefallen ist. Als zusätzliche Information zu Beurteilung der Wirkung einer eventuellen Modifizierung durch Polymere wird der zu TBTSV korrespondierende Phasenwinkel δBTSV abgelesen. Beide Größen gemeinsam lassen eine Beurteilung von Bitumen gemäß TL Bitumen-StB hinsichtlich Bindemittelhärte und Modifizierungsgrad zu.
Die aufgezeigte Methodik kann beispielsweise gut für eine schnelle Wareneingangskontrolle bei der Anlieferung von Bitumen genutzt werden. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind das Blenden oder Verschneiden von Bindemitteln z. B. bei der Verwendung von Asphaltgranulat sowie im Rahmen von Kontrollprüfungen.
Literaturverzeichnis
Aliso v, A.; Hagne r, T.; Walthe r, A. (2016): Quantification of Polymer Content in Binder by modified MSCR-Test, 6th Eurasphalt & Eurobitume Congress, accepted for Proceedings, Prag
Aliso v, A.; Wistuba, M. (2016): Von der Differenzierung komplexer Bitumen, Asphalt & Bitumen, Ausgabe 4/2016, Giesel Verlag GmbH, Hannover
DIN EN (14770:2012), Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung des komplexen Schermoduls und des Phasenwinkels – Dynamisches Scherrheometer (DSR)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Verformungsverhaltens von Bitumen und bitumenhaltigen Bindemitteln im Dynamischen Scherrheometer (DSR) – Durchführung im Temperatursweep (AL DSR-Prüfung (T-Sweep)), Ausgabe 2014, Köln, FGSV 722
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Straßenbaubitumen und gebrauchsfertige Polymermodifizierte Bitumen (TL Bitumen-StB 07/13), Ausgabe 2007/ Fassung 2013, Köln, FGSV 794
Guerick e, R. (2010): 100 Jahre Erweichungspunkt Ring und Kugel – Was kommt danach?, Straße und Autobahn 7/2010, S. 481–491
Mattische k, H.-P.; Sobcza k, R.; Bleie r, J. 1(996): Der Einsatz eines neuen Meßgerätes in der Bitumenprüfung – Korrelation der Nullviskosität mit dem Erweichungspunkt Ring und Kugel, Bitumen 1/1996, S. 8–12
More a, F.; Agnusde i, J. O.; Zerbin o, R. (2010): Comparison and methods for measuring zero shear viscosity in asphalts. Materials and Structure, Vol. 43, pp. 499–507, Springer-Verlag, Heidelberg
Radenberg M.; Nytu s, N.; Gehrk e, M. (2014): Chemische und physikalische Eigenschaften der in Deutschland verwendeten Straßenbaubitumen, Straße und Autobahn 11/2014, S. 851–860
Renke n, P.; Hagne r, T.; Feße r, A. (2000): Veränderung der Eigenschaften polymermodifizierter Bitumen während Herstellung, Lagerung, Transport und Einbau von Asphaltmischgut, Bundesministerium für Verkehr, Forschungsbericht FE-Nr. 07.179/1997/BGB
|