Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Grundsätze zur Behandlung und Rückhaltung des SOW
Wird Straßenoberflächenwasser (SOW) in Gewässer (Oberflächengewässer oder Grundwasser) eingeleitet, stellt dies eine Benutzung dar, die der wasserrechtlichen Erlaubnis bedarf. Die möglichen Auswirkungen der Straßenentwässerung und die Benutzung der Gewässer werden im Genehmigungsverfahren im Gesamtkontext des Straßenbauvorhabens betrachtet. Dies gilt auch für SOW, welches ungesammelt breitflächig über Bankette und Böschungen versickert, eine Benutzung im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) also nicht vorliegt.
Ziel der Überarbeitung des bisherigen gleichnamigen Kapitels der RAS-Ew 2005 war es, mit einer neuen Struktur die Übersichtlichkeit zu verbessern und den Planer mit den notwendigen Informationen schrittweise zu einer passenden Regenwasserbehandlung und ggf. -rückhaltung zu führen.
2 Behandlungserfordernis und -ziel
Im Abschnitt 8.1.2 „Behandlungserfordernis und -ziel“ der REwS wird erläutert, wann in Abhängigkeit von der durchschnittlichen täglichen Verkehrsbelastung (DTV) der Straße eine Behandlung des Straßenoberflächenwassers erforderlich wird und was das Ziel der Regenwasserbehandlung ist.
Die effektivste und wirtschaftlichste Form der Entwässerung von Außerortsstraßen ist die breitflächige Versickerung des ungesammelten SOW über Bankette und Böschungen:
„Das Behandlungsziel ist erreicht, wenn durch breitflächige Ableitung und Versickerung auf Straßenböschungen, Mulden und Gräben der rechnerische Nachweis entsprechend der REwS erbracht wird, dass sich für die kritische Regenspende rkrit (meist 15 l/(s∙ha)) kein abzuleitender Oberflächenabfluss ergibt. Eine kritische Regenspende von 15 l/(s∙ha) wird in der Regel von ≤ 10 % des Jahresniederschlagsabflusses überschritten. In der Regel kann dann auf eine Regenwasserbehandlungsanlage verzichtet werden.“
Dieser wichtige Hinweis ist bereits in der RAS-Ew 2005 enthalten ist, findet aber bisher zu wenig Beachtung, was häufig zu unwirtschaftlichen Entwässerungslösungen führt.
Die Belastung der Straßenabflüsse in 3 Kategorien eingeteilt:
- Kategorie I: SOW von Außerortsstraßen mit einer DTV von weniger als 2.000 Kfz/d weist i. d. R. keine nennenswerten Verunreinigungen auf und kann im Allgemeinen ohne Behandlung in offene Gewässer eingeleitet werden.
- Kategorie II: SOW von Außerortsstraßen mit ≥ 2.000 Kfz/d bis ≤ 15.000 Kfz/d gilt als mäßig belastet und soll vor Einleitung in das Gewässer anderweitig behandelt werden.
- Kategorie III: SOW von Außerortsstraßen mit > 15.000 Kfz/d gilt als stark belastet und soll vor Einleitung in das Gewässer anderweitig behandelt werden.
Die der Einteilung zugrunde gelegten DTV entsprechen der RiStWag 2016.
Im DWA-A102 „Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetter-abflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer“ wurde der Referenzparameter AFS63 (abfiltrierbare Stoffe mit Korngrößen 0,45 bis 63 μm (Feinanteil, Ton, Schluff)). Gröbere Partikel verbleiben zu einem großen Teil bereits auf dem Fließweg und erreichen die Behandlungsanlage nicht. Deshalb überwiegt der feinkörnige Anteil im Zufluss der Behandlungsanlagen deutlich. Diese feinkörnigen Partikel weisen eine spezifisch größere Oberfläche auf und können deshalb bei gleicher Masse mehr Schadstoffe binden als grobe Partikel (Sand, Kies).
Die Tabelle 4 zeigt die Frachten, die jährlich von Straßen der jeweiligen Kategorie abgetragen werden. Die ausgetragenen Frachten sind unabhängig vom jährlichen Niederschlag. Es handelt sich explizit um Rechenwerte. Die tatsächlichen Abtragsfrachten schwanken sehr stark und können bei Planungsvorhaben nicht exakt vorausgesagt werden.
Tabelle 4: Mittlere AFS63 Abtragsfrachten von Außerortsstraßen
In der Kategorie III weicht die REwS aufgrund vorliegender Untersuchungsergebnisse von dem im DWA-A 102 (Gelbdruck) angegebenen Wert (760 kg/(ha*a)) ab.
Die Tabelle 5 der REwS zeigt die erforderlichen Wirkungsgrade, die eine Behandlungsanlage erreichen muss, um eine Einleitung in ein Oberflächengewässer aus emissionstechnischer Sicht grundsätzlich zu ermöglichen.
Tabelle 5: Erforderliche Wirkungsgrade AFS63 für die Behandlungsanlagen
Die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) kann zu deutlichen höheren Wirkungsgraden führen, um die beispielsweise die Umweltqualitätsnormen (UQN) der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) einzuhalten (Immissionsbetrachtung).
3 Auswahl der Behandlungs- und Rückhalteanlagen
Die in den vergangenen Jahren stattgefundene Entwicklung im Gesetzes- und Regelwerk führte dazu, dass den Behandlungsanlagen Wirkungsgrade zugewiesen werden müssen. Bei Anlagen, die das Niederschlagswasser über eine Bodenpassage filtern, ist das stoffliche Rückhaltevermögen durch Untersuchungsergebnisse gut belegt. Sedimentationsanlagen, also Absetz- und Regenklärbecken, hingegen unterlagen seit ihrer Anwendungen einer ständigen Weiterentwicklung. Dadurch sind die Untersuchungsergebnisse nicht immer vergleich- oder übertragbar. Die Datengrundlagen sind folglich etwas dünner. Dennoch kann im Abschnitt 8.1.5 der REwS die Tabelle 6 den Planer bei der Auswahl einer geeigneten Regenwasserbehandlungsanlage unterstützen.
Im gesamten Entwurf der REwS wird stets auf die anzustrebende breitflächige Versickerung als die wasserwirtschaftlich und ökonomisch sinnvollste Lösung hingewiesen. Ist eine Versickerung jedoch nicht möglich und wird eine zentrale Regenwasserbehandlung erforderlich, stellen Retentionsbodenfilter in Bezug auf den Rückhalt von AFS63 die Anlagen mit der größten Reinigungsleistung dar. Betrieblich haben sie den Vorteil, dass der beim Betrieb von Sedimentationsanlagen entstehende hohe Aufwand für die Entnahme der abgesetzten wässrigen Schlämme und deren Entsorgung (i. d. R. Deponierung) entfällt bzw. minimiert wird. Retentionsbodenfilter sollten daher nach Möglichkeit bevorzugt eingesetzt werden. (REwS)
Tabelle 6: Wirkungsgrade AFS63 für die Behandlungsanlagen und Eignung für die Straßenkategorien
Auch mit Blick auf die Genehmigungsverfahren ist diese Empfehlung der REwS sinnvoll. Bei weitgehend gleichem Flächenbedarf wird der Schadstoffrückhalt im Vergleich zu großvolumigen Absetzbecken noch einmal deutlich verbessert. Bei wenig verfügbarem Gefälle kann sich der für die vertikale Sickerpassage erforderliche Höhenunterschied nachteilig auswirken und eine Pumpanlage notwendig machen.
4 Versickerung – Grundsätze
Im Abschnitt 8.2.1 definiert die REwS erstmalig die bewachsene Bodenzone und beschreibt ihre erforderlichen Eigenschaften. Außerdem wird aufgezeigt, welche Anlagen bzw. Einrichtungen die Funktion einer bewachsenen Bodenzone erfüllen können.
Die Funktionen einer bewachsenen Bodenzone können z. B. durch begrünte
- Oberböden,
- Böschungen mit oder ohne Oberbodenauftrag,
- Mulden und Gräben,
- Versickerungsbecken und Bodenfilter,
- Bankette,
- Rohböden mit Wasserspeichervermögen
erfüllt werden. Eine Oberbodenandeckung ist nicht zwingend erforderlich.
5 Dränierte Versickerungsanlagen
Der Abschnitt 8.2.3.4 „Dränierte Versickerungsmulden“ beschreibt eine Entwässerungsanlage, die im Prinzip nicht neu ist, der aber in Zukunft zu mehr Bedeutung verholfen werden soll. Ableitung, Zwischenspeicherung und Regenwasserbehandlung erfolgen (weitgehend) straßenparallel und zentrale Behandlungsanlagen können kleiner hergestellt werden bzw. können ganz entfallen.
Dränierte Versickerungsmulden nach REwS können als Entwässerungssystem der Straße angewendet werden, wenn der Untergrund nicht ausreichend durchlässig oder inhomogen ist und somit eine vollständige Versickerung in tiefere Bodenschichten nicht gewährleistet ist. Das Straßenoberflächenwasser wird über Bankett und Böschung abgeleitet, der restliche Abfluss in Mulden zwischengespeichert, in diesen durch eine bewachsene Bodenzone gereinigt und versickert. Es wird nur der Teil im Filter zur Vorflut abgeleitet, der vor Ort nicht versickert und verdunstet. Der Nachweis eines ausreichend durchlässigen Untergrundes ist somit nicht notwendig. Gleichzeitig wird der Straßenoberbau trocken gehalten.
Bild 63: Querschnitt dränierte Versickerungsmulde
Sozusagen folgerichtig gibt es zukünftig nicht nur dränierte Versickerungsmulden, sondern auch dränierte Versickerungsbecken, welche im Abschnitt 8.2.3.5 beschrieben werden. An Standorten, bei denen aufgrund der Durchlässigkeiten die Bodenverhältnisse keine vollständige Versickerung im Versickerungsbecken zulassen, können dränierte Versickerungsbecken zum Einsatz kommen. Bei dränierten Versickerungsbecken werden Regenabflüsse neben der Versickerung in den Untergrund auch gedrosselt in ein Oberflächengewässer eingeleitet.
6 Retentionsbodenfilteranlagen
Im Abschnitt 8.3 werden Retentionsbodenfilter kompakt beschrieben. Die Ausführungen greifen auf das neue Arbeitsblatt DWA-A 178 „Retentionsbodenfilteranlagen“ zurück.
Retentionsbodenfilteranlagen bestehen aus einer Vorstufe und dem Retentionsbodenfilter. In der Vorstufe mit integriertem Leichtflüssigkeitsrückhalt werden aus betrieblichen Gründen gut absetzbare Feststoffe der Sand- und Kiesfraktion sowie Schwimmstoffe zurückgehalten. Für diese Aufgabe sind i. d. R. unbelüftete Geschiebeschächte mit einer Tauchwand einzusetzen. Für die Straßenentwässerung sind Retentionsbodenfilter in der Regel ohne Vorentlastung auszulegen (Vollstrombehandlung). (REwS)
Entsprechend DWA-A 178 wird im Abschnitt 8.4.4 ein Geschiebeschacht beschrieben, der den Anforderungen einer Vorstufe vor einem RBF in der Straßenentwässerung genügt. Die Geschiebeschächte müssen nicht bemessen werden, die Vorgaben sind konstruktiver Art.
Bild 68: Geschiebeschacht
7 Tausalz
Tausalz (überwiegend NaCl, weniger CaCl und andere) wird bisher in der RAS-Ew 2005 nicht behandelt. Es ist gut wasserlöslich und kann deshalb nicht (dauerhaft) zurückgehalten werden. Dennoch spielt die Wahl des Entwässerungssystems eine wichtige Rolle, wie die Gewässer durch die Einleitung von Tausalz stofflich belastet werden. In dem neuen Abschnitt 8.1.4 „Tausalz“ werden deshalb einige grundlegende Informationen zum Thema Tausalz gegeben und wie sich Regenwasserbehandlungsmaßnahmen dämpfend auf die Konzentrationsspitzen in den Straßenabflüssen auswirken.
8 Kompaktanlagen/dezentrale Anlagen
Behandlungsanlagen, die nicht entsprechend der Vorgaben in den Abschnitten 8.1 bis 8.4 bemessen sind (sogenannte dezentrale und semizentrale Behandlungsanlagen oder Kompaktanlagen), sind grundsätzlich nicht zulässig. (REwS)
In Ausnahmefällen sind der Funktionssicherheit und dem Wartungsaufwand besonderes Augenmerk bei der Planung zu schenken. |