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1 Einleitung
In Nordrhein-Westfalen fallen bei Bautätigkeiten und bei industriellen Prozessen erhebliche Mengen an mineralischen Stoffen an. Diese Stoffe werden hier im Weiteren mit dem Oberbegriff ,,Ersatzbaustoffe" angesprochen. Die Verwertung der Ersatzbaustoffe im Straßenbau ist in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren gängige Praxis.
Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) ist ein Teil der Landesverwaltung. Straßen.NRW plant, baut und betreibt das Nordrhein-Westfälische Netz von Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen. Das gesamte Streckennetz umfasst rund:
– 2.200 Kilometer Autobahnen
– 4.800 Kilometer Bundesstraßen
– 12.900 Kilometer Landesstraßen
– 13.000 Bauwerke (Brücken, Tunnel und Verkehrszeichenbrücken). Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (BGBl, 2012) verpflichtet dazu, Abfälle zu verwerten, ,,soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnenen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann." Durch die Verwertung von Ersatzbaustoffen im Straßenbau können natürliche Baustoffe substituiert und natürliche Ressourcen geschont werden. Bereits 1991 wurde in Nordrhein-Westfalen gemeinsam von dem Umweltministerium und dem Verkehrsministerium die Verwendung dieser Stoffe im Straßenbau umfassend geregelt. Im Jahre 2001 erfolgte die Fortschreibung und Neufassung der so genannten ,,Verwertererlasse" (Gem. RdErl 2001 / 2004)).
Im Zuständigkeitsbereich von Straßen.NRW sind in den Jahren 2004 bis 2014 insgesamt rund 4 Millionen Tonnen Steinkohlenflugasche, Hausmüllverbrennungsasche und andere Ersatzbaustoffe im Erdbau vorwiegend bei der Herstellung von Straßendämmen eingebaut worden.
2 Grundlagen
2.1 Verwertererlasse
Bei den Verwertererlassen handelt es sich um insgesamt fünf Gemeinsame Runderlasse.
Diese Länderregelungen bilden die Grundlage für das Handeln des Landesbetriebes Straßenbau NRW, wenn es um den Einsatz von industriellen Nebenprodukten und Recycling-Baustoffen geht.
Die Einhaltung von Grenzwerten für die umweltrelevanten Inhaltsstoffe der vorgenannten Baustoffe ist durch eine Güteüberwachung sicherzustellen und Grundvoraussetzung für eine Verwertung. Die Verwertererlasse sprechen in diesem Zusammenhang von den ,,wasserwirtschaftlichen Merkmalen". Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass der Hersteller eine Eigenüberwachung der wasserwirtschaftlichen Merkmale installieren muss.
Während die TL BuB E-StB 09 (FGSV 2009) diesen Aspekt der Qualitätssicherung nicht beinhaltet, regeln die Verwertererlasse Prüfumfang und -häufigkeit der Eigenüberwachung des Produzenten für jeden einzelnen Ersatzbaustoff. Der Einsatz von Ersatzbaustoffen im Straßenbau ist aber nicht nur gekoppelt an eine funktionierende Güteüberwachung, sondern auch abhängig von den projektspezifischen Randbedingungen. Wo liegt die Maßnahme, wie sind die wasserwirtschaftlichen Randbedingungen, die hydrogeologischen und hydrologischen Verhältnisse im Einbaubereich? Lassen die Verwertererlasse unter Berücksichtigung der vorliegenden Standortbedingungen den Einsatz dieser Baustoffe als Dammbaustoff zu, muss der Einbau in einer Bauweise, die die Infiltration von Wasser in den Dammkörper bzw. in den Baustoff minimiert, erfolgen.
2.2 Erfahrungen
Die Kernbauweise, bei der nur im Kernbereich des Straßendammes unterhalb einer dichten Fahrbahnbefestigung ein Ersatzbaustoff eingebaut wird, stellt eine der möglichen Bauweisen dar. Diese Bauweise ist im Zuständigkeitsbereich von Straßen.NRW mehrfach erfolgreich ausgeführt worden und hat sich dabei als praxisgerecht erwiesen. Einbau und Verdichten der Baustoffe erfolgen mit den üblichen Baugeräten und Verfahren.
Folglich hat sich die Kernbauweise bei Straßen.NRW zur Standardbauweise für Straßendämme entwickelt, sofern Ersatzbaustoffe eingesetzt werden.
Mit der Aufnahme in das ,,Merkblatt über Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen" (M TS E), (FGSV, 2009) wurden zusätzlich Anforderungen an die Durchlässigkeitsbeiwerte der verwendeten Materialien formuliert, die auch von Straßen.NRW herangezogen werden.
Danach soll der Durchlässigkeitsbeiwert k1 des Stützkörpermaterials (Dammbaustoff in den Seitenbereichen) deutlich größer als der Durchlässigkeitsbeiwert k2 des Materials im Kern. Empfohlen wird ein Verhältnis k1 ≥ 50 · k2. Bild 1: Damm mit Kern aus Boden oder Baustoff mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen gemäß M TS E Obwohl Straßen.NRW von langjährigen Erfahrungen beim Einsatz von Ersatzbaustoffen sprechen kann, liefern neue Bauprojekte stets weitere Erkenntnisse, die wiederum Auswirkungen auf künftige Baumaßnahmen haben können.
3 Beispiel aus der Praxis
3.1 Aspekte für die Ausschreibung
Für Bauprojekte mit einem großen Bedarf an Zuliefermassen bedeuten Ersatzbaustoffe eine wirtschaftliche Alternative zu natürlichem Boden.
Bei der Aufstellung der Ausschreibungsunterlagen wird zunächst hinterfragt, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Baustoffe verwendet werden können.
Wird diese Frage unter Berücksichtigung der zuvor erläuterten Aspekte und aller Besonderheiten der konkreten Baumaßnahme mit einem ,,Ja" beantwortet, wird der Einsatz der zulässigen Ersatzbaustoffe in Kernbauweise ermöglicht.
In der Vergangenheit erfolgte dies durch das Zulassen von entsprechenden Nebenangeboten.
Aus vergaberechtlichen Gründen lässt Straßen.NRW seit einiger Zeit keine Nebenangebote nicht mehr zu. Stattdessen werden nun die Leistungen für die Kernbauweise als Wahlposition (gegenüber der Grundposition mit zu lieferndem Boden) ausgeschrieben.
Diese Ausschreibungsform wurde bei dem Neubau der L 585, Ortsumgehung Wolbeck angewandt und hat sowohl in der Angebotsphase als auch im Vergabeverfahren keine Probleme bereitet.
3.2 Neubau der L 585, Ortsumgehung Wolbeck
Der hier betrachtete Bauabschnitt der Ortsumgehung Wolbeck, südöstlich von Münster, hat eine Länge von rund 6,0 km.
Die Trasse der L 585 verläuft teilweise durch Hochwasser-Retentionsbereiche. Die Grundwasserstände sind als ungünstig zu bezeichnen. Zum größten Teil befindet sich die Trasse in einer geringen Dammlage von ca. 1 m. In Kreuzungs- bzw. Anschlussbereichen steigt die Gradiente an und führt zu Dammhöhen von maximal 6 m.
Bei dieser Maßnahme wurde auf der gesamten Dammaufstandsfläche eine Vorschüttung aus natürlichem Boden in mindestens 1,30 m Dicke vorgesehen. Diese Vorschüttung mit Boden, der die Zuordnungswerte Z 0 der Technischen Regeln der LAGA M 20 (Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, 2004) einhält, diente auch dazu, den erforderlichen Abstand zwischen Schüttkörperbasis eines Ersatzbaustoffes und dem höchsten Grundwasserstand zu gewährleisten. In den Bereichen mit ausgeprägten Dammhöhen, außerhalb der Retentionsbereiche, wurde dann der zu liefernde Boden oberhalb der Vorschüttung als Boden Z 1.1 ausgeschrieben. Für diesen Bereich des Straßendammes wurde zusätzlich die Kernbauweise durch Wahlposition ermöglicht. Dabei waren die Leistungen für den Materialeinbau im Kern, der Einbau von Boden in den Seitenbereichen (Stützkörper) sowie das Herstellen von Abdichtungen mit geosynthetischen Tondichtungsbahnen (Betonitmatten) im Bereich eines Kreisverkehres zu berücksichtigen.
Zur Bauausführung kam letztendlich die Kernbauweise mit Hausmüllverbrennungsasche (HMVA). Bei früheren Bauprojekten von Straßen.NRW hat sich dieser Ersatzbaustoff bereits als bautechnisch geeignet bewährt. HMVA wird in der Regel mit der Lieferkörnung 0/32 vermarktet und ist aufgrund der Korngrößenverteilung der Bodengruppe GU zuzuordnen.
Die Prüfzeugnisse der Fremdüberwachungen von der für den Einbau vorgesehenen HMVA wurden für die Beurteilung der Eignung herangezogen. Die Fremdüberwachung ist Teil der Güteüberwachung (Bild 2). Besonderes Augenmerk wurde auf die Raumbeständigkeit und die Eigenüberwachung des Herstellers für die wasserwirtschaftlichen Merkmale gelegt. Bild 2: Qualitätssicherung von Ersatzbaustoffen am Beispiel Hausmüllverbrennungsasche Die Eignungsprüfung enthielt auch den Nachweis des geforderten Verhältnisses zwischen den Durchlässigkeitsbeiwerten der HMVA und des Bodens für die Seitenbereiche (Stützkörper).
Der Bauvertrag forderte ausdrücklich, dass die wasserwirtschaftlichen Parameter durch eine anerkannte Prüfstelle als Eigenüberwachungsprüfungen des Auftragnehmers zu untersuchen waren. Kontrollprüfungen wurden durch das Prüfcenter von Straßen.NRW durchgeführt. Deutliche Schwankungen in den Analyseergebnissen führten zu intensiven Diskussionen über Probenahme, Probezeitpunkt, Elutionsverfahren und tolerierbare Überschreitungen. Bemüht um einen störungsfreien Bauablauf waren sich letztendlich alle Beteiligten einig, dass die Probenahme nicht erst auf der Baustelle, sondern eher erfolgen sollte.
Eine Zwischenlagerung der für den Einbau vorgesehenen Massen wurde daraufhin zwischen Straßen.NRW und Baufirma vereinbart. Die Beprobungen fanden im weiteren Verlauf an dem Zwischenlager statt, wo die Hausmüllverbrennungsasche in mehreren Boxen bereitgestellt wurde (Bild 3). Die Ergebnisse dieser Beprobungen waren dann ausschlaggebend für den Einbau. Bild 3: Probenahme am Zwischenlager (Quelle: Straßen.NRW)
3.3 Erkenntnisse aus dem Bauprojekt
Durch detaillierte Ausschreibungskonzepte kann der Einsatz von Ersatzbaustoffen als Dammbaustoff ermöglicht und Teil des Wettbewerbes werden. Die Ausschreibung der Kernbauweise mit Hilfe von Grund- und Wahlposition ist möglich (Bild 4). Bild 4: Luftaufnahme L 585 OU Wolbeck (Quelle: M. Neuhaus) Zusätzlich zu einer konsequent durchzuführenden Güteüberwachung der Ersatzbaustoffe sollten bauvertragliche Prüfungen der umweltrelevanten Parameter durchgeführt werden. Probenahmen bei der Anlieferung an der Baustelle oder beim Einbau sind in diesem Kontext zu spät. Bei künftigen Baumaßnahmen sollen vielmehr Zwischenlager (z. B. auf dem Betriebsgelände der Produktionsstätte) vorgesehen werden, die für die Untersuchungen dienen. Der Transport zur Einbaustelle darf nur dann erfolgen, wenn die Untersuchungsergebnisse der anerkannten Prüfstelle vorliegen und die Einhaltung der Grenzwerte für das zwischengelagerte Material belegen.
4 Projektunabhängige Bausteine zur Qualitätssicherung
4.1 Informationen des Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen
Seit Anfang 2014 veröffentlicht das Verkehrsministerium NRW quartalsweise das Heft ,,Güteüberwachung im Straßenbau Nordrhein-Westfalen", in dem Listen mit den in NRW nach RAP Stra (FGSV 2010) anerkannten Prüfstellen sowie den anerkannten Prüfstellen für wasserwirtschaftliche Merkmale abgebildet sind. Darüber hinaus sind Informationen zu güteüberwachten Ersatzbaustoffen mit sogenannten ,,Testaten" enthalten.
Für güteüberwachte Ersatzbaustoffe sind von den RAP Stra Prüfstellen, die die Fremdüberwachung durchführen, ergänzend zu den Prüfberichten ,,Testate" zu erstellen. Die Testate enthalten auf einem Deckblatt zusammengefasst wesentliche Angaben zu dem jeweiligen Ersatzbaustoff und der regelmäßigen Fremdüberwachung (Bild 5). Bild 5: Struktur eines Testates Mit den Testaten wurde eine größere Transparenz bei der Güteüberwachung und Verfügbarkeit von Ersatzbaustoffen in NRW geschaffen. Die Veröffentlichung des Heftes erfolgt auf der Internetseite des Verkehrsministeriums NRW (www.mbwsv.nrw.de).
4.2 Vergleichsuntersuchungen 2014
Auf Veranlassung des Verkehrsministeriums NRW hat das Prüfcenter von Straßen.NRW 2014 Vergleichsuntersuchungen für das Fachgebiet ,,wasserwirtschaftliche Merkmale und andere umweltrelevante Merkmale" initiiert. Von den 18 durch das Verkehrsministerium NRW anerkannten Prüfstellen haben sich 13 an den Vergleichsuntersuchungen beteiligt. Fünf Prüfstellen nahmen nicht an der Vergleichsuntersuchung teil und verzichten zukünftig auch auf die entsprechende Anerkennung.
Die Vergleichsuntersuchungen dienen dazu, die Arbeitsweisen von Laboratorien/Prüfstellen zu überprüfen. Insbesondere sollten die Ergebnisse und deren Streuungen bewertet werden, die Prüfzeugnisse qualitätsgesichert und ggf. Defizite bei der Probenbearbeitung erkannt werden. Gegenstand der Untersuchungen waren Proben einer Hausmüllverbrennungsasche.
Es wurden Unterschiede bei der Probenvorbereitung festgestellt, dies hat einen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis. Einige Labore nahmen vorschriftswidrig ein Zerkleinern der Probe vor. Materialbedingt streuen die Ergebnisse sehr, dadurch werden prüfungsbedingte Streuungen überlagert. Das untersuchte Material entsprach insgesamt einer HMVA II.
Die Vergleichsuntersuchungen sind die Grundlage für eine Empfehlung zur Überarbeitung der TP Gestein-StB, Teil 7.1.1 (FGSV 2008), da erkannt wurde, dass einzelne Vorgaben der Prüfvorschrift nicht ausreichend präzise sind. Mehrere Prüfstellen sind gehalten, ihre Standardarbeitsanleitungen für Güteüberwachungsprüfungen im Straßenbau zu überarbeiten bzw. neu zu erstellen.
5 Zusammenfassung
Mit der Verwertung von Ersatzbaustoffen kommt der öffentlich-rechtliche Straßenbaulastträger den Pflichten des KrWG nach und kann dabei wirtschaftliche Lösungen für den Straßenbau erzielen.
In Nordrhein-Westfalen ist die Verwertung von Ersatzbaustoffen durch Erlasse geregelt und seit vielen Jahren gängige Praxis.
Exemplarisch wurden eine erfolgreiche Baumaßnahme und die dabei gewonnenen Erkenntnisse dargestellt. Durch Vorgaben für baubegleitende Untersuchungen der umweltrelevanten Inhaltsstoffe können Verzögerungen im Bauablauf verhindert werden.
Vergleichsuntersuchungen sind ein Instrument, das hilfreich ist, die Prüftätigkeiten im Bereich der wasserwirtschaftlichen Merkmale auf ein hohes Niveau zu stellen. Ein Überarbeitungsbedarf bei der Technischen Prüfvorschrift wurde erkannt.
Vergleichsuntersuchungen und Testate für güteüberwachte Ersatzbaustoffe unterstützen die projektunabhängige Qualitätssicherung.
Literaturverzeichnis
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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Technische Lieferbedingungen für Böden und Baustoffe im Erdbau des Straßenbaus (TL BuB E-StB 09), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 597 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2008): Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbaus TP Gestein-StB, Teil 7.1.1. Modifiziertes DEV-S4-Verfahren, Ausgabe 2008, Köln, FGSV 610
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Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz KrWG) vom 24. Februar 2012, Bundesgesetzblatt (BGBl) I, 2012, S. 212 ff.
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (2004): Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen Technische Regeln: Boden -, Stand 5. 11. 2004, nicht als Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall veröffentlicht |