FGSV-Nr. FGSV B 34
Ort Aschaffenburg
Datum 26.09.2020
Titel Bestimmung streckenspezifischer Verkehrslastdaten auf allen Netzebenen
Autoren Dipl.-Ing. Karl Villaret
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Die Verkehrsbelastung ist eine der maßgebenden Einwirkungen auf Straßenkonstruktionen. Somit ist sie von großer Bedeutung für die Dimensionierung und Substanzbewertung von Straßenkonstruktionen aller Bauweisen. Im Rahmen eines Forschungsthemas wurden detaillierte und aktuelle Achslastverteilungen auf Grundlage von Achslastwägungen im deutschen Autobahnnetz bestimmt. Diese sind nicht flächendeckend vorhanden. Es wurde eine Methode zur flächendeckenden Projektion der Achslastwägungen entwickelt, die die nahezu flächendeckend vorhandenen Daten der Dauerzählstellen nutzt. Mit dieser Methode können, bei vorhandenen Dauerzählstelldaten, streckenspezifische Verkehrslastkollektive in Form von:

– B-Zahl und Achslastverteilung für semiprobabilistische bzw.

– Achslastverteilungsfunktion für probabilistische

Dimensionierungs- und Substanzbewertungsverfahren bereitgestellt werden. Des Weiteren werden repräsentative Achslastverteilungen für Autobahnen des Fern-, Misch- und Nahverkehrs sowie für Straßen des nachgeordneten Netzes vorgestellt.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Ausgangslage

Im Rahmen eines von der BASt betreuten Forschungsthemas FE 04.0285 sollten aktualisierte Verkehrslastannahmen für die Regelwerke RStO 12, RDO Asphalt 09, RDO Beton 09, RSO-Asphalt sowie RSO-Beton bestimmt werden. Die Forschung wurde von einem Konsortium aus DTV-Verkehrsconsult GmbH, Ingenieurbüro Axel Riwe, ISAC der RWTH Aachen und Villaret Ingenieurgesellschaft mbH durchgeführt.

Verkehrslastannahmen für die Dimensionierung und Substanzbewertung beschreiben den Schwerverkehrsanteil des Verkehrslastkollektivs auf dem Hauptfahrstreifen, da die sonstigen Anteile Verkehrskollektiv nur vernachlässigbare Achslasten aufweisen und der Hauptfahrstreifen am stärksten durch den Schwerverkehr belastet wird. Als Datengrundlage dienten die Achslastdaten der Achslastmessstationen im deutschen Autobahnnetz sowie die Daten der Dauerzählstellen.

Achslastmessstationen erfassen die einzelnen Fahrzeuge eines Verkehrslastkollektivs und wiegen jede einzelne Achse, sodass jede Achslast einem Fahrzeug und somit einem Fahrzeugtyp gemäß TLS 12 zugeordnet werden kann. Die Kategorisierung von Fahrzeugen nach Fahrzeugtypen gemäß TLS 12 ist sehr detailliert. Alternativ kann die weniger detaillierte Kategorisierung von Fahrzeugen nach 8+1 Fahrzeugklassen gemäß TLS 12 erfolgen davon 4+1 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs. Somit kann jede gemessene Achslast einer Fahrzeugklasse zugeordnet werden.

Aufgrund der geringen Anzahl an Achslastmessstellen im Autobahnnetz bzw. in Ermangelung von Achslastmessstellen im nachgeordneten Netz (Bild 1) können netzweite Aussagen ohne die Verwendung weiterer Daten nicht vorgenommen werden.

Die Dauerzählstellen sind auf allen Netzebenen vorhanden und können im Autobahnnetz als flächendeckend vorhanden angesehen werden. Sie erfassen das Verkehrskollektiv als stündliche Anzahlen von Fahrzeugen der 8+1 Fahrzeugklassen gemäß TLS 12 davon 4+1 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs (Tabelle 1, Bild 1).

Im FE 04.0285 wurde eine Methode entwickelt, die die Daten der Achslastmessstellen und der Dauerzählstellen miteinander verknüpft, sodass erstmals eine einfache Möglichkeit besteht, eine streckenspezifische Achslastverteilung bzw. Achslastverteilungsfunktion zu bestimmen.

Tabelle 1: Achslastmessstellen und Dauerzählstellen mit zugeordneten Datencharakteristika

Bild 1: Achslastmessstellen (Fitschen, 2016) und Dauerzählstellennetz (Fitschen/Nordmann, 2014) in Deutschland

2 Methode zur Projektion von Achslastkollektiven

Eine Dauerzählstelle liefert punktgenaue Informationen über die Anzahl an Fahrzeugen des Schwerverkehrs, aufgeschlüsselt nach den 4+1 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs: Bus, Lastkraftwagen ohne Anhänger (LoA), Lastkraftwagen mit Anhänger (LmA), Sattelfahrzeuge (Sat) und Sonderfahrzeuge (Bild 2). Das Aufkommen von Sonderfahrzeugen ist stark streckenspezifisch und auf den meisten Strecken vernachlässigbar.

Summiert man alle Fahrzeuge der 4 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs, erhält man die Anzahl der erfassten Fahrzeuge des Schwerverkehrs N.

Gleichung (2-1) siehe PDF

Die Schwerverkehrszusammensetzung N̅ s=1…4 beschreibt die Zusammensetzung des Schwerverkehrs aus den 4 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs (Bild 3).

Gleichung (2-2)siehe PDF

Ist die Schwerverkehrsmenge und -zusammensetzung für eine Strecke bekannt, können streckenspezifische Achslastverteilungen bzw. Achslastverteilungsfunktionen p(L) ermittelt werden. Hierfür wurden im Rahmen des FE 04.0285 4 repräsentative, fahrzeugklassenspezifischer Achslastverteilungen bzw. -verteilungsfunktionen ps = 1…4 (L) anhand der Achslastdaten der Achslastmessstationen bestimmt (Bild 3).

Bild 2: Schwerverkehrszusammensetzung N̅ des von Dauerzählstellen erfassten Verkehrs (Beispiel)

Bild 3: Achslastverteilung der 4 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs auf Basis der Achslastmessdaten

Des Weiteren wurden aus den Achslastmessdaten die durchschnittlichen Achszahlen As = 1…4 der 4 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs bestimmt. Eine streckenspezifische Achslastverteilung bzw. -verteilungsfunktion kann mit der Überlagerung von an den Achslastmessstellen bestimmten 4 repräsentativen Achslastverteilungen ps (L) mit den 4 repräsentativen Achszahlen As und der Schwerverkehrszusammensetzung N̅ s einer Dauerzählstelle bestimmt werden.

Gleichung (2-3) siehe PDF

Bild 4: Superposition von Verteilungen

3 Eingangsgrößen für die Methode

Zur Verwendung der in Kapitel 2 aufgeführten Methode wurden im Rahmen des FE 04.0285 anhand der Daten der Achslastmessstellen im deutschen Autobahnnetz repräsentative Achsanzahlen As (Tabelle 2) und repräsentative Achslastverteilungen für die 4+1 Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs (Bus, LoA, LmA, Sat und Sonderfahrzeuge) bestimmt (Tabelle 3).

Tabelle 2: Repräsentative Achsanzahlen As für die 4+1 SV-Klassen

Tabelle 3: Repräsentative Achslastverteilungen (Achslastklassen k mit den zugeordneten relativen Häufigkeiten hk) der vier Schwerverkehrsklassen

Die Achslastmessstationen haben einen abgesicherten Messbereich bis 16 t, sodass Achslasten von über 16 t nicht zuverlässig direkt aus den Achslastmessstationsdaten abgelesen werden können. Auf Basis der repräsentativen Achslastverteilungen wurden Achslastverteilungsfunktionen bestimmt, die sich für jede Fahrzeugklasse aus 3 logarithmischen Normalverteilungen zusammensetzen. Dies ermöglicht eine bessere Anwendbarkeit sowie die Beachtung von Achslasten größer als 16 t bei den Verkehrslastannahmen in den Regelwerken. Die Parameter der fahrzeugklassenspezifischen Achslastverteilungsfunktionen sind in der Tabelle 4 aufgeführt.

Gleichung (3.1) siehe PDF

Tabelle 4: Parameter der schwerverkehrsklassenspezifischen Achslastverteilungsfunktionen ps(t)

Im Bild 5 ist die repräsentative Achslastverteilung sowie 2 nach unterschiedlichen Kriterien angepasste Achslastverteilungsfunktionen der Fahrzeugklasse Sattelzug exemplarisch dargestellt. Augenscheinlich bildet die ungewichtete Achslastverteilungsfunktion (Bild 5, rote Kurve) die Achslastverteilung (blaues Histogramm) sehr gut ab. Bei genauerer Betrachtung kann jedoch festgestellt werden, dass die gewichtete Achslastverteilungsfunktion (grüne Kurve) die Achslastverteilung in den kleinen Achslastklassen zwar schlechter, in den viel relevanteren höheren Achslasten dennoch deutlich genauer abbilden kann und als Achslastverteilungsfunktion besser geeignet ist.

Bild 5: Mittlere Achslastverteilung (Histogramm) mit identifizierter gewichteter und ungewichteter Verteilungsfunktion – Fahrzeugklasse Sattelzug

4 Weitere vorausgewertete Eingangsgrößen für die Regelwerke

Im Rahmen des FE 04.0285 wurden die Daten der Dauerzählstellen detailliert ausgewertet und gruppiert, um für den Fern-, Misch- und Nahverkehr auf deutschen Autobahnen sowie für Straßenklassen des nachgeordneten Netzes repräsentative Schwerverkehrszusammensetzungen zu bestimmen (Tabelle 5). Entsprechend der Methode aus Kapitel 2 können dazugehörige Achslastverteilungen (Tabelle 6) bzw. Achslastverteilungsfunktionen bestimmt werden (Tabelle 7).

Tabelle 5: Repräsentative Schwerverkehrszusammensetzungen verschiedener Straßenklassen auf Basis der Daten der Dauerzählstellen

Tabelle 6: Achslastverteilungen für unterschiedliche Straßenklassen

Tabelle 7: Parameter der Achslastverteilungsfunktionen für Fern-, Misch- und Nahverkehr auf BAB

5 Fazit

Innerhalb dieser Forschungsarbeit wurde eine Methode erarbeitet, mit der die punktuell vorhanden Achslastmessdaten unter Zuhilfenahme der Daten der Dauerzählstellen flächendeckend auf das deutsche Straßennetz projiziert werden können.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Achslastdaten aus dem bundesdeutschen Straßennetz ausgewertet. Dabei standen die Daten aus zwei Quellen zur Verfügung:

– Daten aus Achslastwägungen an den Achslastmessstellen der Bundesanstalt für Straßenwesen (33 Richtungsmessstellen auf BAB)

– Daten aus den Zählungen der Dauerzählstellen (1.750 Zählstellen auf BAB und Bundesstraßen).

Die Analyse der Daten aus beiden Datenquellen ermöglichte es, eine Methodik zu entwickeln, mit der auf praktikable Art und Weise objektspezifische Achslastverteilungen für Autobahnen und das nachgeordnete Netz gefunden werden können.

Grundlage für das Verfahren ist die aus der Datenanalyse gewonnene Erkenntnis, dass für die vier Fahrzeugklassen des Schwerverkehrs repräsentative Achslastverteilungen definiert werden können.

Weiter konnte gezeigt werden, dass sich die Zusammensetzung des Schwerverkehrs auf einem beliebigen Streckenabschnitt mit hinreichender Genauigkeit durch die Kombination dieser Fahrzeugklassen abbilden lässt. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Achslastverteilung für einen konkreten Fahrbahnabschnitt durch Kombination der repräsentativen Verteilungsfunktionen für die vier Fahrzeugklassen zu gewinnen. In der Praxis ist damit allein die Zählung der Fahrzeugtypen, verbunden mit der Zuordnung zu den Fahrzeugklassen, notwendig.

Die beschriebene Methodik wurde weiterhin benutzt, um repräsentative Achslastverteilungen für den Fern-, Misch- und Nahverkehr auf deutschen Autobahnen zu definieren.

In einem weiteren Bearbeitungsschritt wurden für aktuelle bzw. zukünftige Regelwerke zu verwendende Parameter berechnet.

Literaturverzeichnis

Villaret, K.; Kathmann, T.; Ueckermann, A.; Riwe, A.; Oeser, M.; Schroeder, S.; Villaret, S.: Aktualisierung und Anpassung der Straßenbelastungsdaten für die Dimensionierung, FE 04.0285/2014/ORB, Bergisch Gladbach, Entwurf des Schlussberichts 2019

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Ausgabe 2009, Köln (FGSV 498)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO Beton 09), Ausgabe 2009, Köln (FGSV 497)

Richtlinien für die Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RSO Asphalt), FGSV (in Vorbereitung)

Richtlinien für die Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen mit unbewehrter Betondecke (RSO Beton), FGSV (in Vorbereitung)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Ausgabe 2012, Köln (FGSV 499)