FGSV-Nr. FGSV A 37
Ort Bremen
Datum 01.06.2006
Titel Die dynamischen Prüfverfahren zur Ansprache der Gebrauchseigenschaften von Asphalt
Autoren Priv. Doz. Dr.-Ing. habil. Peter Renken
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Der Aufsatz befasst sich mit den dynamischen Prüfverfahren, die in der ersten Generation der Europäischen Normen – also ab 2008 – relevant sein werden. Dabei wird versucht, die beiden unterschiedlichen europäischen Systeme der Asphaltspezifikation transparent zu machen. Deutschland hat sich für das empirische Spezifikationssystem entschieden, andere europäische Nachbarn dagegen für das fundamentale Spezifikationssystem. Beide Systeme greifen für die Beurteilung wesentlicher Asphalteigenschaften auf dynamische Prüfverfahren zurück, die in den einzelnen Teilen der EN 12697 beschrieben sind.

Für die empirische Spezifikation (Deutschland) wird dynamisch lediglich das Verformungsverhalten geprüft: Für Walzasphalt mittels Spurbildungsversuch und für den steif konzipierten Gussasphalt mittels dynamischem Stempeleindringversuch. Man spricht hier von „performance-related“ Prüfverfahren.

Für die fundamentale Spezifikation sind neben der Verformungsbeständigkeit auch die Asphalteigenschaften Ermüdung und Steifigkeit anzusprechen. Für die Beurteilung der Steifigkeit wird eine ganze Reihe von Prüfverfahren angeboten, aus welchem noch kein Verfahren ausgewählt wurde. Für die Beurteilung der Verformungsbeständigkeit gelten bei der fundamentalen Spezifikation als „performance-based“ Prüfverfahren der Triaxialversuch mit konstantem Radialdruck und für die Beurteilung der Ermüdungseigenschaften der 4-Punkt-Biegeversuch am Trapezoid. Die Festlegung für ein einziges Prüfverfahren zur Beurteilung der Ermündungseigenschaften ist bisher nicht erfolgt. Da die Entscheidung noch offen ist, müssen auch die von deutscher Seite favorisierten Verfahren, nämlich insbesondere der Zug-Schwellversuch aber auch der dynamische Spalt-Zugversuch, für die zweite Normengeneration in Diskussion gebracht werden.

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1 Einführung

Zu den wesentlichen Eigenschaften von Asphalt gehören neben den Oberflächeneigenschaften der Deckschicht

  • das Verformungsverhalten
  • die Rissempfindlichkeit
  • die Ermüdungsbeständigkeit
  • das Alterungsverhalten und letztlich das Haftverhalten.

Daher gilt es, diese Eigenschaften im Rahmen einer Art Systemprüfung, auch typetesting genannt, zu optimieren.

Bisher wurde in Deutschland ein Asphalt aufgrund von Erfahrungen gestaltet; insbesondere über die Zusammensetzung, also über den Bindemittelgehalt, die Korngrößenverteilung und letztlich über den Hohlraumgehalt, gegebenenfalls auch unter Heranziehung der sekundären Dichtemerkmale. Die Europäische Norm eröffnet nunmehr auch die Möglichkeit, die Gebrauchseigenschaften des zu optimierenden Asphaltes unmittelbar zu prüfen. Bei den dann anzuwendenden spricht von performance-orientierten Prüfverfahren.

Einige dieser performance-orientierten Prüfverfahren sind der breiten Fachöffentlichkeit weniger bekannt, da sie dynamisch arbeiten und die erforderlichen Geräte nicht zur Standardausrüstung deutscher Asphaltlaboratorien gehören. Konsequent ist die Anwendung dynamischer Prüfungen aber allemal, weil das Asphaltelement in der Straßenbefestigung durch den rollenden Reifen auch dynamisch beansprucht wird.

Es soll versucht werden die wichtigsten dynamischen Prüfverfahren, die die Europäische Norm anbietet, zumindest ansatzweise vorzustellen. 

2 Umsetzungsstrategien der Euronorm

Dazu muss kurz auf die Umsetzungsstrategien innerhalb der Europäischen Norm zurückgegriffen werden. Danach besteht mindestens innerhalb der ersten Generation der Europäischen Norm ein gewisser Spielraum für die Umsetzung. Zurzeit kann sich ein europäisches Land noch für ein bestimmtes System der Erstellung von Asphaltspezifikationen entscheiden – nämlich für die

  • empirische Spezifikation oder für die
  • fundamentale Spezifikation.

Während sich die fundamentale Spezifikation insbesondere auf performance-basierende Anforderungen (performance-based) – flankiert von verhältnismäßig weiten, zulässigen Bereichen für die Zusammensetzung – stützt, greift die empirische Spezifikation auf verhältnismäßig enge Vorgaben für die Zusammensetzung des Asphalts zurück.

Unterstützt wird die empirische Spezifikation von einigen wenigen Prüfungen an Asphalt, die aber erst auf Umwegen – also nur mittelbar – Asphalteigenschaften ansprechen. Als Beispiel zu nennen sind Marshall-Stabilität und Marshall-Fließwert. Aber auch der Spurbildungsversuch und der dynamische Stempeleindringversuch gehören europäisch gesehen zu den mittelbaren Prüfverfahren. Man spricht dann vom „performance-related“ Prüfverfahren, also von Verfahren, die lediglich auf indirektem Wege die Gebrauchseigenschaften des Asphaltes ansprechen können (Bild 1).

Bild 1: Spezifikationssysteme der Europäischen Norm

Die deutschen Entscheidungsträger waren der Meinung, dass sich der deutsche Asphaltstraßenbau in der empirischen Spezifikation besser wiederfindet als in der fundamentalen Spezifikation. Daher hat Deutschland sich zur Umsetzung der ersten Normengeneration für die empirische Spezifikation entschieden.

3 Die dynamischen Prüfverfahren

Aufgrund der unterschiedlichen Spezifikationssysteme gibt es dynamische Prüfverfahren, die als performance-related eingestuft und im Zusammenhang mit der empirischen Spezifikation angewendet werden müssen (wie in Deutschland) und es gibt performance-basierende dynamische Prüfverfahren, die im Zusammenhang mit der fundamentalen Spezifikation Anwendung finden. Das Bild 2 veranschaulicht die Zuordnung der einzelnen Prüfverfahren zu den unterschiedlichen Spezifikationssystemen.

Im europäischen Regelwerk erscheinen dynamische Prüfverfahren zunächst für die Ansprache der Verformungseigenschaften und zwar sowohl performance-related – nämlich mit dem Spurbildungsversuch für Walzasphalt und für Gussasphalt mit dem dynamischen Stempeleindringversuch – als auch performance-based; performance-based aber dann nur mittels Triaxialversuch. Des Weiteren erscheinen dynamische Prüfverfahren zur Ansprache der Steifigkeit und zur Ansprache der Ermüdungsbeständigkeit; in beiden Fällen aber nur als performance-based Prüfverfahren.

Die performance-related Anforderungen für die Steifigkeit und für die Ermüdung werden nur für die fundamentale Spezifikation benötigt. Für die in Deutschland zur Anwendung kommenden empirischen Spezifikation werden Steifigkeit und Ermüdung ohne Durchführung von Asphaltprüfungen lediglich indirekt durch die Festlegungen der Korngrößenverteilung, des Bindemittelgehaltes und der Hohlraumverhältnisse am Marshall-Probekörper beurteilt. Damit gibt sich die deutsche Asphalttechnologie zurzeit zufrieden.

Bild 2: Zuordnung der dynamische Prüfverfahren der Europäischen Norm zu den Spezifikationssystemen

Wie dem Bild 2 weiter zu entnehmen ist, beschäftigt sich Europa nicht mit den Kälteeigenschaften. Daher müssen die in den maßgebenden Gremien tätigen Fachleute dafür sorgen, dass eine neue Europäische Norm zur Beurteilung der Rissempfindlichkeit gegenüber Kältebeanspruchung auf jeden Fall in die zweite europäische Normengeneration eingearbeitet wird. 

4 Details der dynamischen Prüfverfahren

4.1 Verformung  

4.1.1 Performance-related

In der ersten Generation der Europäischen Norm ist für den von Deutschland gewählten empirischen performance-related Ansatz als dynamisches Prüfverfahren für Walzasphalte (AC aber auch SMA) zunächst der Spurbildungsversuch [1,2] zu finden, ein Versuch, der den deutschen Asphalttechnologen auf den ersten Blick aus jahrelanger Arbeit bestens vertraut ist. Als Prüfkörper wird entweder eine Walzsektor-verdichtete Asphaltprobeplatte oder eine Bohrkernprobe aus der Straße verwendet (Bild 3). Geprüft wird mit einem Gummirad mit definierten Abmessungen und einer bestimmten Shore-Härte in einem Luftbad. Die Temperatur ist in der Europäischen Norm nicht genau festgelegt; sie soll aus dem Temperaturbereich zwischen 45 °C und 60 °C gewählt werden.

Bild 3: Spurbildungsversuch nach EN 12697-22 als performance-related Prüfung zur Beurteilung der Verformungseigenschaften

Ein am Institut Gauer in Regenstauf aktuell bearbeitetes Forschungsvorhaben soll helfen, die optimalen Temperaturen für die deutschen Asphaltgemische herauszufinden und die Präzision des Verfahrens bei dieser Temperatur zu ermitteln. Die Versuchsbedingungen sind gegenüber der zurzeit noch geltenden Technischen Prüfvorschrift – dort wird mit einem Stahlrad im Wasserbad bei einer Temperatur von 50 °C geprüft – völlig anders und führen auch auf ganz andere Werte für die Spurrinnentiefe (Bild 4). 

Bild 4: Beispiele für den Einfluss der „neuen“ Prüfbedingungen nach EN 12697-22 des Spurbildungsversuch auf das Prüfergebnis 

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Gummirad und die Prüfung im Luftbad bei einer Temperatur von 50 °C viele Asphaltvarianten nicht ausreichend differenziert, so dass wahrscheinlich mit höheren Temperaturen gearbeitet werden muss.

Auch für Gussasphalte sind dynamische Versuche zur Beurteilung der Verformungsbeständigkeit vorzusehen und zwar immer dann, wenn für die statische Stempeleindringtiefe ein Wert von 2,5 mm oder weniger in der empirischen Spezifikation angegeben ist. Zu prüfen ist dann der Gussasphalt nach EN 12697-25 [3] nach der Methode A bei vorgegebenen Versuchsbedingungen für die Temperatur, Vorlast, Hauptlast und die Belastungsart (Bild 5).

Bild 5: Dynamischer Stempeleindríngversuch an Gussasphalt nach EN 12697-25 als performance-related Prüfung zur Beurteilung der Verformungseigenschaften

Spezifikationsmerkmal für Gussasphalt ist die dynamische Eindringtiefe Idyn am Ende des Versuchs in mm.

Sehr misslich sind die Abweichungen gegenüber der Technischen Prüfvorschrift „Dynamischer Eindringversuch mit ebenem Stempel an Gussasphalt“ aus dem Jahr 2003 [4]. Abgesehen von der Tatsache, dass nach EN 12697-25 gegenüber dem in Deutschland favorisierten Sinusimpuls der Blockimpuls vorgesehen ist, sind eine ganze Reihe von Unterschieden zu beklagen, wie beispielsweise Temperaturhöhe, Höhe der axialen Belastung und Verhältniswert der Durchmesser von Probekörper und Stempeldurchmesser. 

4.1.2 Performance-based

Zur Beschreibung der Verformungseigenschaften von Walzasphalt wird als performance based Verfahren der einfache Triaxialversuch genannt (Bild 6). Einfacher Triaxialversuch deswegen, weil gemäß EN 12697-25 Teil B etwas realitätsfern der seitliche Stützdruck nicht dynamisch, sondern nur statisch – mit einem mehr oder weniger frei gegriffenen Wert – aufgebracht wird. Die axiale Belastung erfolgt mit vorgegeben Werten für die Unter- und Oberlast dynamisch mit Sinusimpulsen. Als Probekörper werden zylindrische Proben verwendet; Gyratorprobekörper (keine Marshall-Probekörper) oder Bohrkerne aus der Straße oder aus Walzsektor-verdichteten Asphaltprobeplatten. In der Spezifikation werden Anforderungen für die Kriechrate fc in einem quasi linearen Bereich der Kriechkurve formuliert.

Bild 6: Triaxialversuch nach EN 12697-25 (Methode B) als performance-based Prüfung zur Bestimmung der Verformungseigenschaften 

Mit den Triaxialversuchen muss sich Deutschland noch intensiver auseinandersetzen, da sich gezeigt hat, dass für die deutschen Asphaltarten und -sorten die Festlegung eines definierten Stützdruckes über die Variationsvielfalt einer Asphaltart nicht möglich sein wird. Zur Beantwortung dieser Frage erhoffen wir uns Erkenntnisse aus einem Forschungsauftrag des BMVBW, welcher aktuell an der RWTH Aachen zum Abschluss kommt. Anzumerken ist, dass der in Deutschland verbreitete Druck-Schwellversuch nach Technischer Prüfvorschrift [5] kein Sonderfall des Triaxialversuches ist und streng gesehen somit nicht in der Europäischen Norm berücksichtigt ist.

4.2 Steifigkeit

Für die Bestimmung der Steifigkeit als perfomance-based Prüfgröße von Asphalt bietet die EN 12697-26 [6] eine ganze Reihe von Prüfverfahren an, die in den einzelnen Ländern zur Anwendung kommen. Bei allen Verfahren handelt es sich um dynamisch arbeitende Prüfungen bei Temperaturen von 15 °C oder 20 °C. Sie lassen sich gliedern in:

  • Biegeprüfungen (2-Punkt-Biegungen, 3-Punkt-Biegungen oder 4-Punkt-Biegungen)
  • indirekte Zugprüfungen (darunter werden Spaltzugprüfungen an zylindrischen Probekörpern verstanden) und
  • direkte einaxiale Prüfungen mittels Zug-Druckbeanspruchung oder als reine Zugprüfung, dann aber nur statisch.

Eine Zusammenstellung der einzelnen Prüfverfahren und ausgewählte Angaben zu den Versuchsbedingungen enthält das Bild 7. In allen Fällen wird eine Steifigkeit S berechnet, für welche in den maßgebenden Teilen der Europäischen Mischgutnorm EN 13108 Anforderungen enthalten sind.

Bild 7: Bestimmung der Steifigkeit nach EN 12697-26 für die fundamentale Spezifikation 

4.3 Ermüdung

Für die Überprüfung der Ermüdungseigenschaften wird vom Grundsatz her auf das gleiche Prüfinstrumentarium wie bei der Prüfung der Steifigkeit zurückgegriffen. Die Verfahrensmöglichkeiten wurden aber unter der Prämisse „eine Asphalteigenschaft – ein Prüfverfahren“ erheblich eingeschränkt.
Übrig geblieben sind nur noch der

  • 2-Punkt-Biegeversuch und der
  • 4-Punkt-Biegeversuch.

Beschrieben sind diese Versuche in der EN 12697-24 [7]. Warum zwei so unterschiedliche Prüfverfahren noch im „Rennen“ sind, kann nur mit der Durchsetzungsfähigkeit unterschiedlicher nationaler Interessen begründet werden. Eine Korrelation zwischen den beiden Prüfverfahren gibt es sicherlich nicht, dazu sind Prüfkörper und Prüfbedingungen doch zu unterschiedlich. Erfahrungen in Deutschland liegen mit keinem der beiden Verfahren vor.

Bei den 2-Punkt-Biegeversuchen wird ein trapezoider Probekörper mit der breiten Unterseite auf einen Sockel geklebt und auf der schmalen Oberseite eine Abdeckung angebracht. Über diese Abdeckplatte wird hydraulisch oder mittels Pleuelstange eine Verschiebung erzwun-gen, so dass weggeregelte Versuche durchgeführt werden können (Bild 8). Experimentell ist der Prüfvorgang etwas ungewöhnlich, da in Vorversuchen die Verschiebungsamplitude und damit die Verformung ε der Seitenfläche solange verändert werden muss, bis eine von der Lastgröße abhängige Verformung gefunden wird, bei der der anfängliche komplexe Steifigkeitsmodul durch das Aufbringen von i 106 Lastwechseln auf die Hälfte reduziert wird.

Bild 8: 2-Punkt-Biegeversuch nach EN 12697-24 als performance-based Prüfung zur Bestimmung der Ermüdungsbeständigkeit

Beim 4-Punkt-Biegeversuch ist die Prüfgeometrie eine völlig andere. Geprüft werden prismatische Probekörper, also Asphaltbalken, die in Abhängigkeit vom Größtkorndurchmesser unterschiedlich groß sind. Die Balken werden waagerecht gelegt und über zwei Punkte in einer entsprechenden Apparatur dynamisch einer Wechselbeanspruchung unterzogen (Bild 9). Danach erfolgt die Biegung je nach Vorgabe last- oder weggeregelt bei einer Temperatur von T = 30 °C mit einer Prüffrequenz von 30 Hz. Als Ermüdungskriterium gilt auch hier die Dehnung, die für die gewählten Versuchsbedingungen bei 106 Lastwechseln auf eine Halbierung der Anfangssteifigkeit führt.

Bild 9: 4-Punkt-Biegeversuch nach EN 12697-24 als performance-based Prüfung zur Bestimmung der Ermüdungsbeständigkeit

Zufrieden sein kann man mit diesen Versuchen zur Ansprache der Ermüdungseigenschaften nicht. Die Versuche sind zum einen allesamt mit einer Probkörperzahl von über 18 je Temperaturstufe sehr aufwendig, zum anderen sind die Prüfbedingungen nicht sauber definiert, so dass im Grunde genommen alles auf eine „Probiererei“ hinausläuft, solange bis der Ermüdungsfall in ein bestimmtes Raster fällt. Der entscheidende Mangel dieser europäischen Ermüdungsversuche ist aber darin zu sehen, dass während des Versuches – praxisfern – keine Unterspannung angelegt wird. Das Problem sei kurz erläutert:

Die Asphaltschichten der Straßen unterliegen bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich großen Grundspannungen einzig aus dem Lastfall Temperatur heraus. Diese Grundspannung ist bei tiefen Temperaturen erheblich größer als bei hohen Temperaturen. Man nennt diese Spannungen thermisch induzierte oder auch kryogene Spannungen [8]. Bleibt diese kryogene Spannung bei der Ermüdungsprüfung nicht berücksichtigt und ausschließlich die Spannung aus der Verkehrslast – also die mechanogene Spannung – angesetzt, prüft man den Asphalt bei tiefen Temperaturen viel zu moderat und kommt zu Ergebnissen (Bild 10 obere Kurve), wie sie in der europäischen, aber auch in der deutschen Literatur immer wieder zu finden ist: Dass nämlich ein Asphalt bei hohen Temperaturen in der Größenordnung von T = + 20 °C erheblich ermüdungsempfindlicher ist als bei tieferen Temperaturen in der Größenordnung von – 10 °C.

Erst bei zusätzlichem Aufbringen der kryogenen Spannung als Unterlast zu der mechanogen Spannung (Bild 10 untere Kurve) sind die Ermüdungseigenschaften plausibel anzusprechen. Dann ist auch nachvollziehbar festzustellen, dass Asphalte bei tiefen Temperaturen in der Regel ermüdungsempfindlicher sind als bei hohen.

Dem Bild 10 ist aber auch zu entnehmen, dass es beinahe schon grob fahrlässig ist, die Ermüdungseigenschaften bei nur einer einzigen Temperatur problemgerecht beurteilen zu wollen. Da sich die Ermüdungskurven asphaltspezifisch im Koordinatennetz verschieben können, kann es passieren, dass bei einer definierten Versuchstemperatur nicht das kritische Maximum trifft, sondern bei einem gleichen Zahlenwert für das Ermüdungskriterium bei dem einen Asphalt der Ermüdungsfall links, bei einem anderen Asphalt der Ermüdungsfall aber rechts des Maximums eintritt. Daher konzentrieren sich Anstrengungen deutscher Forschungsstellen auf Ermüdungsversuche mittels Zug-Schwellversuchen oder alternativ mittels dynamischen Spaltzugversuchen bei mehreren Temperaturstufen bis hinein in den Minusbereich.

Bild 10: Einfluss von kryogener Spannung und Temperatur auf den Ermüdungsfall

Bei den dynamischen Spalt-Zugversuchen werden zylindrische Proben – gebohrt aus Bohrkernen oder aus Walzsektor-verdichteten Asphaltprobeplatten – über die Mantelfläche sinusförmig dynamisch belastet. Zuvor wird eine Unterspannung aufgebracht, die der kryogenen Spannung des Asphaltes bei der betrachteten Temperatur nachempfunden wird. Die Oberlast wird versuchstechnisch optimiert (Bild 11). Ergebnis ist letztlich eine Ermüdungskurve, aus welcher sich zwei materialspezifische Regressionsparameter gewinnen lassen. Für diesen Versuch existiert bereits der Entwurf einer auf der EN 12697-24 aufbauenden Arbeitsanleitung [9].

Bild 11: Dynamischer Spaltzugversuch nach ALP A-StB (Entwurf 2004) zur Beurteilung der Ermüdungsbeständigkeit 

Beim Zug-Schwellversuch werden prismatische Probekörper über die Stirnseite einer sinusförmigen Schwellbelastung ausgesetzt, wobei die applizierte Unterlast exakt der kryogenen Spannung – bestimmt aus einem Abkühlversuch – entspricht. Die aufgelegte, verkehrslastbedingte oder auch mechanogene Spannung wird in Abhängigkeit von konventionellen asphalttechnologischen Kenngrößen und der Temperatur mit Hilfe des BISAR-Programms berechnet. Im einfachsten Fall kann diese mechanogene Spannung auch aufgrund von Erfahrungswerten geschätzt werden (Bild 12).

Bild 12: Zugschwellversuch nach TP A-StB (Entwurf 2003) zur Beurteilung der Ermüdungsbeständigkeit

Das Ergebnis des Ermüdungsversuches ist die Anzahl der Lastwechsel bis zum Bruch des Probekörpers und ein dynamischer E-Modul kurz vor Bruch. Für dieses Verfahren existiert der Entwurf einer Technischen Prüfvorschrift [10]. Europäisch ließ sich dieses Verfahren mit der Begründung bisher nicht durchsetzen, „es sei zu aufwändig“. Aber genau das Gegenteil ist richtig: Gegenüber allen anderen vorgestellten Prüfverfahren zeichnet sich dieses Prüfverfahren durch den geringsten Prüfaufwand aus.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es mit einem dieser beiden Versuche besser gelingen wird, Ermüdungseigenschaften anzusprechen und bemessungsrelevante Daten zu gewinnen.

Zum Nachweis der Eignung dieser Prüfverfahren zur praxirelevanten Ansprache der Ermüdungseigenschaften von Asphalt wurde vom Arbeitsausschuss 7.3 der FGSV ein Forschungsprojekt konzipiert in der Hoffnung, dass es zeitnah zur Bearbeitung freigegeben wird. Es ist ferner zu hoffen, dass dann mindestens eines dieser Prüfverfahren in die zweite europäische Normengeneration eingebracht werden kann. Dafür müssen die deutschen Vertreter aber sehr gut vorbereitet und mit sicheren Untersuchungsergebnissen versorgt werden.

Dringend werden aussagefähige Ermüdungsversuche benötigt, um beim Einsatz der Asphalte für Betreibermodelle für 30 Jahre die erforderliche Sicherheit bei der Bemessung und letztlich bei der Kalkulation geben zu können. 

5 Zusammenfassung

Für das deutsche Asphaltprüfwesen ändert sich auf den ersten Blick nicht allzu viel, da Deutschland noch beim empirischen Spezifikationssystem geblieben ist:

  • Mit dem Spurbildungsversuch an Walzsektor-verdichteten Asphaltprobeplatten liegen vom Grundsatz her umfangreiche Erfahrung vor: ersetzt wurden allerdings das Stahlrad durch das Gummirad, das Wasserbad durch das Luftbad und gegebenenfalls wird die Prüftemperatur geändert.
  • Auch der dynamische Stempeleindringversuch für die Prüfung von Gussasphalt ist vom Prinzip her bekannt. Allerdings führen die anderen Versuchsbedingungen, nämlich der Blockimpuls, die anderen Belastungsgrößen, die reduzierte Prüftemperatur und die anderen Auswerteverfahren zu völlig anderen Prüfwerten.

Für beide Verfahren, obwohl mit diesen bestens vertraut, fehlt der Bewertungshintergrund, den es schnell zu schaffen gilt. Mit den für die fundamentale Spezifikation geforderten dynamischen Prüfverfahren besteht bisher kein unmittelbarer Zwang der Auseinandersetzung. Da Europa aber auch prüftechnisch gesehen immer mehr zusammenwachsen wird und sich Deutschland auch für neue Bauweisen und Asphalt-Optimierungssysteme öffnen muss, werden zukünftig verstärkt performance-basierende Prüfverfahren für fundamentale Spezifikationen gebraucht, mit denen die wesentlichen Asphalteigenschaften sicher angesprochen werden können. Dazu gehören zuverlässige Verfahren zur Prognostizierung der

  • Verformungsbeständigkeit mit Hilfe des Triaxialversuches (alternativ dynamischer Stempeleindringversuch)
  • Steifigkeit
  • Ermüdungsbeständigkeit und
  • Widerstandsfähigkeit gegenüber Kältebeanspruchung.

Je früher man sich mit diesen Verfahren intensiv auseinandersetzt, umso besser ist es. Denn mit der Durchführung von Betreibermodellen im Straßenbau hat Deutschland bereits begonnen. So gesehen werden sehe schnell sichere Prognosemodelle gebraucht, insbesondere auch was die Ermüdung anbelangt.

Literaturverzeichnis

  1. DIN EN 12697-22: Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 22: Spurbildungstest (Deutsche Fassung 2004)
  2. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau (TP A-StB), Teil: Spurbildungsversuch – Bestimmung der Spurrinnentiefe im Wasserbad, Köln 1997
  3. DIN EN 12697-25: Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 25: Druckschwellversuch (Deutsche Fassung Entwurf 2002)
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau TP A-StB, Teil: Dynamischer Eindringversuch mit ebenem Stempel an Gussasphalt, Köln 2003
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau (TP A-StB), Teil: Einaxialer Druckschwellversuch – Bestimmung des Verformungsverhaltens von Asphalten bei Wärme, Köln 1999
  6. DIN EN 12697-26: Asphalt- Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 26: Steifigkeit (Deutsche Fassung 2004)
  7. DIN EN 12697-24: Asphalt- Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 24: Beständigkeit gegen Ermüdung (Deutsche Fassung 2004)
  8. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschrift – Verhalten von Asphalten bei tiefen Temperaturen, Köln 1994
  9. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitsanleitungen zur Prüfung von Asphalt ALP A-StB), Teil: Beurteilung des Ermüdungsverhaltens von Asphalt mit dem dynamischen Spaltzugversuch (Entwurf 2004)
  10. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau (TP A-StB), Teil: Beständigkeit von Asphalt gegen Ermüdung bei mittleren und tiefen Temperaturen mittels Zugschwellversuch (Entwurf 2003)