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1 Einleitung
Seit der Einführung von zahlenmäßigen Anforderungen an die Griffigkeit von Fahrbahnoberflächen in Deutschland sind nunmehr 4 Jahre vergangen. Viele – zum Teil sehr emotional geführte – Diskussionen in dieser Zeit entsprachen vom Inhalt her eher Grundsatzdiskussionen über das Messverfahren SCRIM, die letztlich vor Festlegung der Anforderungen hätten geführt werden müssen.
Trotzdem konnten einige Dinge angeschoben werden, die ohne die Festlegung von Griffigkeitsanforderungen mit Sicherheit nicht angepackt worden wären.
2 SCRIM, Griffigkeit und Regelwerk
Hinsichtlich der Messung im Rahmen des Bauvertrages mit der SCRIM bestehen nach wie vor unterschiedliche Auffassungen unter den Fachleuten. Diese äußerten sich unter anderem in einer jeweils mehrheitlich angenommenen gemeinsamen Resolution der Arbeitsausschüsse 7.5 und 7.6 sowie der Arbeitsgruppe „Asphaltstraßen“ der FGSV. In diesen Gremien besteht überwiegend die Auffassung, dass das Messverfahren SCRIM derzeit nicht in der Lage ist, die Griffigkeit wiederholbar zu messen und deshalb gegenwärtig nicht für die Messung vertragsgerechter Anforderungen geeignet ist. Die Resolution bezieht sich ausdrücklich auf die vertragliche Bewertung der mit der SCRIM gemessenen Griffigkeit im Rahmen von Kontrollprüfungen; sie stellt die grundsätzliche Festlegung von Anforderungen an die Griffigkeit bei Nässe nicht in Frage [1].
Wie kommt es zu solch unterschiedlichen Auffassungen?
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Griffigkeit jahreszeitlich bedingt schwankt. Huschek trug unter anderem darüber auf dem Deutschen Straßen- und Verkehrskongress 1994 in Karlsruhe vor (Bild 1). Er führte dabei auch folgendes aus: „Allerdings ist die Griffigkeit eine sehr „launische“ Oberflächeneigenschaft, denn sie unterliegt nicht nur langfristigen, sondern auch mittelfristigen (Wochen) und sogar erstaunlich kurzfristigen Schwankungen (Tage und Stunden) ...“ [2].
Hinsichtlich der Größenordnung konnten die Werte der englischen Richtlinie, der die im Bild 1 gezeigte Kurve ursprünglich entstammt, in einem Forschungsvorhaben an der RWTH Aachen grundsätzlich bestätigt werden [3].
Bild 1: Jahreszeitliche Schwankungen der Griffigkeit
Die Ursachen für Schwankungen der Griffigkeitsmesswerte können vielfältig sein. In Bezug auf den Bauvertrag stellen sich dabei vor allem folgende Fragen: Verändert sich hauptsächlich der Prüfgegenstand oder spielen andere Faktoren, die z. B. das Messverfahren oder dessen Auswertung betreffen, eine wesentliche Rolle?
Bei Betrachtung der jahreszeitlichen Schwankungen spielt bekanntermaßen die Veränderung des zu messenden Objektes eine erhebliche Rolle, da im Winter durch Abwitterung, Splitt, Salz und Klima eine gewisse Aufrauung der Deckschicht eintritt und – zumindest bei Asphalt – im Sommer durch den Verkehr Texturänderungen an der Oberfläche erfolgen. Andererseits ist seit langem bekannt, dass Griffigkeitsmessverfahren temperaturabhängig sind. Im Forschungsbericht „Griffigkeitsschwankungen von Fahrbahndecken“ aus dem Jahr 1996 heißt es bezüglich der SCRIM-Messungen: „Hier zeigen die Korrelationen ... mit steigender Temperatur eindeutig eine fallende Tendenz der Seitenkraftbeiwerte und bestätigen damit den allgemeinen Erkenntnisstand zum Einfluss der Temperatur bei Griffigkeitsmessungen“ [4]. Aus diesem Grund existieren für die Griffigkeitsmessverfahren SCRIM und SRT Temperaturkorrekturfunktionen. Die gegenwärtige Temperaturkorrektur der TP Griff-StB (SCRIM), Abschnitt 7.3.2, stellt eine Funktion dar, bei der die geschwindigkeitskorrigierten Griffigkeitsmesswerte in Abhängigkeit von der Temperatur der Fahrbahnoberfläche in drei unterschiedlichen Stufen auf die Bezugstemperatur von TFb = 20 °C korrigiert wird (Bild 2) [5].
Griffigkeitsschwankungen treten – wie bereits zitiert – auch im Laufe eines Tages auf. In [6] wurde diesbezüglich auf der Betonstraßentagung 2003 eine Auswertung vorgestellt, die aus Messungen der Gütegemeinschaft Verkehrsflächen aus Beton e.V. entstanden war. In diesen Untersuchungen ergaben sich Differenzen beim Mittelwert einer Strecke innerhalb eines Tages von bis zu μSCRIM = 0,054. Die zugehörigen Messungen waren in allen Fällen nach den Vorgaben des ARS 24/2003 von einem durch die BASt zugelassenen Messgerät eines erfahrenen Betreibers durchgeführt worden [7]. Folglich können die gefundenen Abweichungen bei gleichen Bedingungen auch im Rahmen von Messungen bei Kontrollprüfungen vorkommen.
Bild 2: Temperaturkorrektur der TP Griff-StB (SCRIM)
Dass diese Unterschiede auf Betonfahrbahnen ermittelt wurden, ist von besonderem Interesse, denn Veränderungen des Prüfgegenstandes durch temperaturabhängige Baustoffe wie Bitumen bzw. Asphaltmörtel konnten in diesem Fall keinen Einfluss auf das Messergebnis ausüben. Ebenso sollte bei Betonfahrbahnen der Einfluss der Fahrbahntemperatur auf die vorhandene Griffigkeit (nicht auf den Messwert) zu vernachlässigen sein. In [6] wird geschlussfolgert, dass die Abweichungen ihre Ursache im Temperatureinfluss des Messverfahrens bzw. seiner Korrekturfunktion haben müssen und vorgeschlagen, eine lineare Funktion für die Temperaturkorrektur einzuführen.
Sofern an dieser Stelle eingewendet wird, dass die Präzision des Prüfverfahrens mit dem FA 4.185 „Aktualisierung der Ermittlung von Vergleichs- und Wiederholstreubereichen von Griffigkeitsmesssystemen SCRIM“ an der TU Darmstadt hinreichend bestimmt wurde und innerhalb der in den ZTV´en angegebenen Toleranz von 0,03 läge, müssen einige Inhalte aus dem Forschungsbericht zitiert werden [8]:
In der Auswertung des Schlussberichtes, Abschnitt 3b) „Folgerungen aus den Forschungsergebnissen“ heißt es: „Es wurde mit den vorliegenden Ergebnissen unter den gegebenen Bedingungen der Nachweis erbracht, dass mit dem SCRIM-Messverfahren zuverlässig reproduzierbare Werte mit einer ausreichenden Genauigkeit erzielbar sind. Bei darüber hinausgehenden Bedingungen sind weitergehende Betrachtungen erforderlich (s. dazu auch Abschnitt 3d)).“ Dort befinden sich „Vorschläge für ergänzende oder neue Forschungsthemen und deren Prioritäten“: „Bezüglich der statistischen Absicherung der Präzision des Prüfverfahrens SCRIM sind weiterführende Untersuchungen erforderlich ... zu äußeren Prüfbedingungen (z. B. Reifentemperatur, Lufttemperatur, Wassertemperatur, Temperatur der Straßenoberfläche, Korrektur der Temperaturfunktion, Fertigkeiten der Fahrer, Anzahl des Personals auf dem Messgerät, Messgeschwindigkeit) ...“
Weiterhin konnte im Rahmen des Forschungsvorhabens lediglich in einem Temperaturfenster (Luft und Fahrbahn) von 18 bis 29 °C gemessen werden. Damit lagen alle Messungen innerhalb eines Abschnitts der Temperaturkorrekturfunktion der TP Griff-StB (SCRIM) und mussten nicht korrigiert werden.
Im Ausland wurden Forschungen durchgeführt, die sich mit dem gleichen Thema beschäftigten. Beispielhaft werden im Bild 3 Temperaturkorrekturkurven aus Frankreich und Australien gezeigt. [9] Diese Kurven verlaufen linear; erkennbar ist die deutliche Differenz zur in Deutschland angewandten Stufenfunktion. Trägt man in diese Grafik die Schlussfolgerung von [6] ein, so liegt diese Funktion durchaus im Bereich der Erfahrungen, die im Zuge der ausländischen Forschungen gewonnen werden konnten, wenn auch mit etwas steilerem Anstieg. Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass sich die Funktion aus [6] auf die Temperatur der Fahrbahnoberfläche und die ausländischen Funktionen auf die Lufttemperatur beziehen.
Bild 3: Temperaturkorrektur für SCRIM-Ergebnisse
Bild 4: Differenz zwischen der Temperaturkorrektur nach TP-Griff-StB (SCRIM) und der Empfehlung aus [6]
Im Bild 4 sind die Vorgaben der TP Griff-StB (SCRIM) ergänzt durch den Vorschlag in [6] dargestellt. Hinzugefügt wurden die zahlenmäßigen Abweichungen zwischen beiden Funktionen, die im Abstand von 5 °C aufgetragen sind. Jeweils am Ende einer Stufe der Korrekturfunktion der TP Griff-StB können Größenordnungen auftreten, die weit über die Präzision des Prüfverfahrens hinaus gehen.
Gegenwärtig erhält man auf der Grundlage der Funktion aus [6] im Bereich zwischen 20 und 50 °C zu niedrige temperaturkorrigierte Werte. Andererseits würden im Bereich zwischen 5 und 20 °C zu hohe Werte ausgewiesen, wenn auch in geringerer Größenordnung. Die Untersuchungen von [6] basieren auf einer Spannweite der Fahrbahntemperatur von 14,3 K (20,4 °C bis 34,7 °C); im darüber hinausgehenden zulässigen Messbereich nach TP Griff-StB (SCRIM) wurde eine lineare Extrapolation vorgenommen.
Wenn die geschilderten erheblichen Differenzen bei den korrigierten Messwerten in Abhängigkeit von der Temperatur über den Tag verteilt auftreten, müssen deren Ursachen ergründet und zahlenmäßig untermauert werden. Da diese Erscheinungen sowohl bei Beton- als auch bei Asphaltoberflächen auftreten und durch Messungen eindeutig belegt sind, ist davon auszugehen, dass die Veränderungen nicht ausschließlich im Messgegenstand, sondern in hohem Maße in der Systematik der Messung und/oder deren Auswertung begründet liegen. Solch extreme Abweichungen stellen das Messverfahren bzw. sein gegenwärtiges Auswerteverfahren für Bauverträge in Frage, womit sich auch die oben zitierte Resolution rechtfertigen lässt.
Inwieweit die in [6] vorgestellte Funktion repräsentativ ist, kann vom Autor nicht beurteilt werden. Es muss jedoch nochmals darauf hingewiesen werden, dass bei der Erhebung dieser Daten die geltenden Rahmenbedingungen für Griffigkeitsmessungen für Bauverträge eingehalten wurden.
Im Rahmen der Tätigkeit des Arbeitsausschusses 4.3 Rauheit bestand die Möglichkeit, die Ergebnisse aus [6] zu diskutieren. Von einer Seite wurde dort aufgrund noch nicht veröffentlichter Messwerte die Ansicht vertreten, dass sich die Temperaturkorrekturfunktion im Wesentlichen bestätigt habe, sie müsse lediglich von der Stufenfunktion in eine lineare Funktion umgewandelt werden.
Beide Untersuchungen stützen sich bislang auf eine Temperaturspanne, bei der die Extremtemperaturen sowohl im unteren als auch im oberen Bereich des zulässigen Messbereiches nicht erfasst werden konnten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich die Funktion im oberen Temperaturbereich aufgrund der temperaturabhängigen elastischen Eigenschaften des Messreifens (Gummi) nicht linear verhält.
Daten aus über 10 Jahren Kontrollprüfungsmessungen, die dem Verfasser vorliegen, ergaben tendenziell bei hohen Messtemperaturen deutlich niedrigere Griffigkeiten. Eine systematische Auswertung dieser Daten ist im Hinblick auf den einmaligen Messvorgang jedoch nicht möglich.
Wie die tatsächliche Korrekturfunktion mathematisch beschrieben werden kann und auf der Basis welcher Temperatur (Fahrbahn-, Reifen-, Luft-, Annässwassertemperatur) korrigiert werden muss, ist derzeit noch nicht bekannt. Die geschilderten Zusammenhänge deuten darauf hin, dass eher die Reifen- als die Fahrbahntemperatur relevant sein könnte. Es besteht die Notwendigkeit, die Zusammenhänge um die Temperaturkorrektur schnellstmöglich zu erforschen und zu überarbeiten, da momentan beim Auftreten eines Mangels bezüglich der Griffigkeit juristische Auseinandersetzungen zwangsläufig folgen.
Den „richtigen“ Wert bei einer Griffigkeitsmessung kann es – auch und gerade aufgrund der Veränderung des Prüfgegenstandes – möglicherweise nur angenähert geben. Es darf jedoch nicht dem Zufall des Messzeitpunktes überlassen werden, ob eine Oberfläche als griffig angesehen wird oder nicht. Wenn sich die Oberflächeneigenschaften nicht wesentlich ändern, muss das Messverfahren unabhängig von Temperatureinflüssen dasselbe Ergebnis erbringen. Diese Aussagen beziehen sich im Übrigen ausdrücklich nicht nur auf Bauverträge, sondern treffen für Messungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht im selben Maße zu.<br
>Abschließend sei zu diesem Themenkomplex noch angemerkt, dass Messungen im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) keiner Temperaturkorrektur unterzogen werden. Folglich lassen sich solche Messungen für bauvertragliche Aspekte (z. B. als Messung zum Ende der Verjährungsfrist) nicht heranziehen.
3 Einfluss der Bindemittelviskosität
Trotz heftiger Diskussionen über das Prüfverfahren konnten eine Vielzahl an Erkenntnissen bestätigt oder neu gewonnen werden. Hierbei sind vor allem die Abhängigkeit der Griffigkeit vom Größtkorn, bei grobkörnigen sandarmen Gemischen vom PSV-Wert des verwendeten Gesteins sowie von der Viskosität des verwendeten Bindemittels zu nennen.
Auf der Asphaltstraßentagung 2003 in Dresden wurde von Praxisbeispielen berichtet, bei denen die Verwendung von Bitumen 50/70 in Splittmastixasphalt bei Verkehrsflächen mit hoher Beanspruchung zu Griffigkeitsproblemen geführt hatte [10].
Diesen Erkenntnissen trägt das 2004 erschienene „Merkblatt für den Bau griffiger Asphaltdeckschichten“ Rechnung: Im Abschnitt 3.5 „Einfluss des Bindemittels“ heißt es: „Bei hohen Verkehrsbelastungen kann sich die Verwendung höherviskoser Bindemittel günstig auf die Griffigkeitsentwicklung auswirken“ [11]. Zudem wurde zu Beginn des Jahres 2005 eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe „Asphaltstraßen“ in Straße und Autobahn veröffentlicht, die sich mit dem Einfluss der Bindemittelsorte auf die Griffigkeit von Asphaltdeckschichten aus Splittmastixasphalt beschäftigt [12].
Die wesentlichen Punkte dieser Stellungnahme lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die gegenwärtig geltenden ZTV Asphalt-StB 01 legen für Splittmastixasphalt 0/8 S und 0/11 S die Verwendung von Bitumen 50/70 als Regelfall fest; der Einsatz eines PmB 45 ist nur in besonderen Fällen vorgesehen [13]. Bei Anwendung der Regelbauweise ist es in der Vergangenheit bei hoher Verkehrsbelastung und hohen Temperaturen vermehrt zu Mörtelanreicherungen und damit Texturveränderungen in den Radrollspuren gekommen. Nennenswerte Spurrinnen entstanden dabei nicht, jedoch verschlechterte sich die Griffigkeit deutlich und dauerhaft. Diese Vorgänge sind messtechnisch durch die Bestimmung der Rautiefe nachweisbar.
Deckschichten, bei denen statt des Straßenbaubitumens 50/70 ein polymermodifiziertes Bitumen PmB 45 eingesetzt wurde, wiesen die Veränderungen nicht oder allenfalls in einem die Griffigkeit nicht nennenswert beeinflussendem Maße auf.
Daher empfiehlt die Arbeitsgruppe „Asphaltstraßen“ künftig bei Straßen der Bauklassen SV, I und II sowie bei Vorliegen besonderer Beanspruchungen für Deckschichten aus Splittmastixasphalt im Regelfall ein PmB 45 A auszuschreiben.
4 Regionale Änderungen
Die bundesweit geltenden Rahmenbedingungen für die Griffigkeit wurden in einigen Regionen nach Inkrafttreten 2001 verändert und auf die jeweiligen Vorstellungen angepasst. In Regelungen zur Griffigkeit ergänzend zu den ZTV/St-Hmb01 der Hansestadt Hamburg wird z. B. ausgeführt, dass das Messverfahren SCRIM für den Stadtstraßenbau nicht praktikabel und stattdessen bei Straßen mit einer maximal zulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h die kombinierte Messmethode SRT-Pendel/Ausflussmesser anzuwenden ist.
In Bayern, wo bekanntermaßen schon über einen längeren Zeitraum vertragliche Anforderungen an die Griffigkeit von Fahrbahnoberflächen gestellt werden, wird das Messverfahren SCRIM für Kreisverkehre, Anschlussstellen, Kreuzungen, Bahnübergänge, steile Bergstrecken und Ortsdurchfahrten mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von £ 50 km/h nicht angewandt. Stattdessen ist auch hier die kombinierte Messmethode anzuwenden. Für zweibahnige Bundesfernstraßen werden für das Messverfahren SCRIM um 0,03 erhöhte Anforderungen (bezogen auf die ZTV Asphalt-StB) aufgestellt. Bei geringfügiger Unterschreitung der geforderten Werte für die Abnahme kann ein monetärer Abzug anhand einer vorher vertraglich zu vereinbarenden Formel vorgenommen werden.
Die Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses auf die Bindemittelviskosität wurden in Bayern bereits umgesetzt; hier ist im Regelfall PmB 45 A als Bindemittel für Splittmastixasphalt bei den Bauklassen SV, I und II sowie bei Vorliegen besonderer Beanspruchungen auszuschreiben.
5 Griffigkeit herstellen
Wie hat sich die Festlegung der Griffigkeitsanforderungen auf die Herstellung und den Einbau von Asphaltdeckschichten ausgewirkt? Die entsprechenden Fachkreise und Arbeitsgruppen in der Bauindustrie, im Baugewerbe und im Deutschen Asphaltverband sind tätig geworden und haben im Jahr 2002 einen Leitfaden „Asphaltstraßen anforderungsgerechter Griffigkeit“ für die Praxis erarbeitet [14].
Das Thema wurde in allen Gremien und Veranstaltungen diskutiert; es erfolgte ein stetiger Wissenszuwachs auf breiter Ebene. Insofern waren die Regelungen der ZTV Asphalt-StB 01 ein bedeutender Erfolg. Es ist mehr als fraglich, ob gleiche Erfolge ohne Festlegung von Griffigkeitsanforderungen erzielt worden wären.
Bei der Erarbeitung der Rezepturen und der Mischgutherstellung wird der Auswahl der Gesteinskörnungen inzwischen mehr Gewicht beigemessen. Viele Mischguthersteller weisen heute ihre Kunden darauf hin, wenn ein Bindemittel nach Lage der Dinge für den vorgesehen Verwendungszweck nicht geeignet ist. Zusätzlich werden Splittlieferanten in die vertragliche Verantwortung über die Dauer der Verjährungsfrist eingebunden, wenn es darum geht, konkrete Anforderungen z. B. an den PSV-Wert einzuhalten.
Die Abstumpfung von Asphaltbeton und Splittmastixasphalt ist in vielen Regionen zwischenzeitlich auch im untergeordneten Netz Standard. Wo dies nicht der Fall ist, liegt es vielfach daran, dass im Rahmen der Kontrollprüfung die Griffigkeit nicht gemessen wird.
War es anfangs noch ein fast unlösbares Problem, technisch einwandfreies Abstumpfungsmaterial der Körnung 1/3 zu bekommen, so hat sich dies grundsätzlich geändert. Auch die maschinelle Ausstattung wurde den Erfordernissen angepasst. Alle Walzenhersteller und viele Zulieferer haben mittlerweile präzise Streugeräte im Angebot. Weiterentwicklungen verfolgen das Ziel, die Abstreuvorrichtung serienmäßig am Fertiger zu integrieren. Bei großen Maßnahmen werden einbaubegleitende Verdichtungskontrollen durchgeführt, um Überverdichtungen und damit schädliche Auswirkungen auf die Griffigkeit zu vermeiden. Insgesamt ist das Firmenpersonal sensibler für die Materie Griffigkeit geworden. Dies zeigt sich auch darin, dass mehr Augenmerk auf eine ausreichende Frist zur Auskühlung bis zur Verkehrsfreigabe gelegt wird. Gegebenenfalls (bei warmer Witterung mit hohen Nachttemperaturen) müssen die in den ZTV Asphalt-StB angegebenen Fristen verlängert werden [11].
Bis auf wenige Ausnahmen wird die Eigenüberwachung der Griffigkeit üblicherweise in Papierform durchgeführt. Die Durchführung von Messungen zur Sicherstellung der Anfangsgriffigkeit hat sich als nicht praktikabel und auch nicht als nicht notwendig erwiesen.
6 Vier Jahre Griffigkeit im Bauvertrag – Messergebnisse in Bayern
Das Thema Anfangsgriffigkeit stellte sich bereits nach kurzer Zeit als beherrschbar heraus, wenn Mischgutkonzeption, -herstellung und Einbau den Regeln der Bautechnik entsprechen. Beispielhaft für diese Aussage steht eine Auswertung der Autobahndirektion Südbayern, in die Maßnahmen von Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Staatsstraßen eingeflossen sind (Bild 5). Die Messdaten zum Zeitpunkt der Abnahme beruhen auf einer Streckenlänge von über 1.500 km. Grün und Gelb entspricht den Anforderungen des Bauvertrages; das sind im vorliegenden Fall deutlich über 95 %. Orange steht für die bayerische Sonderregelung, nach der für eine geringfügige Unterschreitung ein Abzug getätigt werden kann (durch die erhöhten Anforderungen für zweibahnige Bundesfernstraßen in Bayern wäre dieser Wert zumindest zum Teil bundesweit ebenfalls in der Toleranz). Lediglich knapp 2,5 % aller in dieser Auswertung gemessenen Strecken erreichten die Anforderungswerte nicht.
Bild 5: Auswertung von Griffigkeitsmessungen
Die Betrachtung der Messung zum Ende der Verjährungsfrist für Mängelansprüche basiert auf einer noch deutlich niedrigeren Datenmenge, da auch in Bayern noch nicht viele Strecken diesen Zeitpunkt überschritten haben. Es zeigt sich allerdings, dass der Prozentsatz der vertraglichen Nichterfüllung auf deutlich über 5 % angestiegen ist. Dies scheint bei statistischer Betrachtungsweise ein zu vernachlässigender Wert zu sein. Im Hinblick auf den Wunsch nach dauerhaft griffigen Deckschichten kann diese Zahl keinesfalls zufriedenstellen. Zudem steht hinter jeder Unterschreitung die finanzielle Auswirkung für eine Firma, die Mangelfreiheit herstellen muss – sofern die Unterschreitung auf ihre Leistungen zurückzuführen ist.
Aufgrund der kurzen Zeitdauer seit Einführung der vertraglichen Anforderungen an die Griffigkeit können noch keine ausführlichen Auswertungen mit Ursachenforschung für die gezeigten Grafiken vorliegen. Hier wird zunächst eine Zeit der Erfahrungssammlung notwendig sein.
7 Einfluss der Gesteinskörnungen
Der Einfluss der Gesteinskörnungen auf die Griffigkeit findet sich im Technischen Regelwerk gegenwärtig vorwiegend über Anforderungen an den PSV-Wert der Splitte. Die Dominanz des PSV ist für Splittmastixasphalte und offenporige Asphalte berechtigt, weisen doch deren Zusammensetzungen nahezu keine bzw. sehr niedrige Sandanteile auf. Vereinzelt scheinen jedoch Grenzbereiche hinsichtlich der gleichzeitigen Anforderungen an Fehlförmigkeit, PSV und Affinität an die groben Gesteinskörnungen, z. B. bei offenporigen Asphalten, erreicht. Auch aus diesem Grund müssen z. B. Bestrebungen nach einem Splittmastixasphalt 0/16 für Verkehrsflächen mit hoher Polierbeanspruchung aus Sicht der Griffigkeit und Verkehrssicherheit sehr kritisch gesehen werden.
Die diesbezügliche Rolle des Sandes wird im Regelwerk vernachlässigt; lediglich aus den Anforderungen an das Brechsand-/Natursand-Verhältnis könnten Auswirkungen auf die Griffigkeit abgeleitet werden. Mit dem Einfluss der Gesteinskörnungen auf die Griffigkeit beschäftigten sich umfangreiche Veröffentlichungen. Bereits 1963 wurden in [15] Untersuchungen über die Ursachen hoher und niedriger Kraftschlussbeiwerte auf Asphaltfeinbetondecken in „Straße und Autobahn“ vorgestellt, speziell was die Rolle des Sandes anbelangte.
Im Bericht über die so genannte Splittversuchsstrecke auf der BAB A 70 bei Bamberg ist nachzulesen: „ Es zeigt sich, dass die größere Wirkung von den feineren Körnungen ausgeht mit dem Ergebnis, dass in erster Linie die Gesteine der Sand- und Feinsplittfraktion die Griffigkeit einer Asphaltdeckschicht bestimmen und weniger der Polierwiderstand des Splittes über 8 mm“ [16].
Voraussetzung für die Wirkung des Sandes bzw. des Feinsplittes ist ein entsprechender Anteil im Asphaltgemisch. Eine Darstellung der in Deutschland üblichen Mischgutsorten im Bild 6 zeigt, dass bei Splittmastixasphalt 0/11 S und 0/8 S sowie bei offenporigen Asphalten nahezu ausschließlich der Splitt den Einfluss auf die Griffigkeit ausüben kann. Der in der Forschung mehrfach beschriebene Einfluss des Sandes bei Asphaltbeton ist mit Anteilen zwischen 30 und 50 M.-% plausibel.
Bild 6: Anteil an Gesteinskörnungen 0,09 ≤ x ≤ 5,0 mm
Interessanterweise fällt der Splittmastixasphalt 0/5 bei dieser Betrachtung aus dem Rahmen. Ebenso verhält es sich mit Mischgut für Dünne Schichten im Kalteinbau und Mischgut für Dünne Schichten im Heißeinbau auf Versiegelung. Diesen Deckschichtmischgutarten sollte deshalb künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, sind sie doch alle als griffigkeitsverbessernde Maßnahmen einzusetzen.
8 Wege in die Zukunft
Wo wollen, wo müssen wir dem Thema Griffigkeit in Zukunft hin:
Griffigkeit ist nicht gleichbedeutend mit SCRIM. Sich mit der Griffigkeit zu beschäftigen bedeutet nicht, in 4-Jahres-Abschnitten bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zu denken, sondern langfristig über den Zeitraum der Lebensdauer von Deckschichten.
Gegenüber Splittmastixasphalt weisen Mischgutsorten mit erhöhtem Anteil an Gesteinskörnungen zwischen 0,09 und 5 mm (neue relevante Siebweiten 0,063 und 5,6 mm) langfristig bessere Griffigkeiten auf; Schwachstellen sind (insbesondere bei Asphaltbeton) hinsichtlich der Verformungsbeständigkeit (Spurrinnen) und Sprühfahnenbildung durch geschlossenere Oberflächen vorhanden.
Asphaltbeton 0/16 S und 0/11 S erlebt derzeit auf Industrieflächen mit hohen Beanspruchungen eine regelrechte Renaissance. Hier werden andere Bindemittelsysteme (z. B. PmB-H) eingesetzt; weiter ist die Verwendung wirklicher stabilisierender Zusätze in Form von speziellen Fasern denkbar, um eine bessere Verformungsbeständigkeit zu erreichen. Solche Asphalte können dann auch für die Bauklassen SV und I eingesetzt werden.
Die Tatsache, dass Deckschichtmischgut mit kleinerem Größtkorn eine bessere Griffigkeit aufweist, fordert Gedankenspiele in Richtung Splittmastixasphalt 0/5 ausdrücklich heraus. Da diese Mischgutsorten neben guten Griffigkeitseigenschaften und guter Verformungsbeständigkeit auch Vorteile hinsichtlich der Lärmminderung aufweist, können Lösungen für Flächen gefunden werden, wo offenporige Asphalte nicht geeignet sind.
Momentan werden in Bayern Erprobungsstrecken mit Splittmastixasphalt der Körnungen 0/8 und 0/5 mit erhöhtem Hohlraumgehalt eingebaut. Ziel ist es, bei diesen Strecken Erkenntnisse über die Lärmminderung zu gewinnen. Als Nebeneffekt werden auch über die Griffigkeit Erfahrungen gesammelt. Über die Ergebnisse wird nach entsprechender Liegezeit berichtet werden.
Mischgut für Dünne Schichten im Heißeinbau auf Versiegelung kann grundsätzlich auch beim Neubau von Verkehrsflächen die bekannten Vorteile (Griffigkeit, Lärmminderung, Optimierung der Reflexionseigenschaften) einbringen; Voraussetzung sind stabile, tragfähige und saubere Unterlagen. Witterungsbedingt können solche Schichten nur jahreszeitlich eingeschränkt eingebaut werden.
Für spezielle Anwendungen, z. B. bei Verkehrsflächen, die aus Gründen der Verkehrsmenge und der Verkehrssicherheit nachts gebaut werden müssen, ist der Einsatz viskositätsvermindernder Zusätze möglich. Die in den ZTV Asphalt-StB vorgesehene Mindestauskühlzeit kann durch niedrigere Misch- und Einbautemperaturen verringert werden, gleichzeitig ergibt sich bei einigen Zusätzen eine erhöhte Sicherheit bezüglich Griffigkeit und Verformungsbeständigkeit.
Literaturverzeichnis
- Vorschlag des AA 7.5 „Technische Vertragsbedingungen – Asphaltstraßen“ für eine gemeinsame Resolution der Arbeitsgruppen 7 und 8 zur Griffigkeit, Sitzung des Lenkungsausschusses der Arbeitsgruppe „Asphaltstraßen“, 16.11.2004
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- Van der Sluis, S.; Platen, C.; Steinauer, B.: Abnahmewerte für die Griffigkeit von Fahrbahndecken, Forschungsbericht zum FA 4.182, Teil 1, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn 1999
- Huschek, S.; Dames, J.; Rittershofer, M.: Griffigkeitsschwankungen von Fahrbahndecken, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Bundesministerium für Verkehr, Bonn, 1996
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- Franke, H.-J.: Griffigkeit von Fahrbahndecken aus Beton, Betonstraßentagung Stuttgart 2003, Straße und Autobahn, Heft 4/2004
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- Bald, J. S.; Lutz, P.; Weidich, P.: Aktualisierung der Ermittlung von Vergleichs- und Wiederholstreubereichen von Griffigkeitsmesssystemen SCRIM, Forschungsbericht zum FA 4.185 der Bundesanstalt für Straßenwesen, 2003
- Huschek, S.: Temperaturkorrektur für SCRIM-Ergebnisse, Tischvorlage im AA 4.3,
25. März 2004
- Schellenberger, M.: Die Herstellung dauerhafter Griffigkeit in der Praxis, Asphaltstraßentagung Dresden 2003, Straße und Autobahn, Heft 11/2003
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für den Bau griffiger Asphaltdeckschichten (M BgA), Köln, 2004 (FGSV 758)
- Stellungnahme der Arbeitsgruppe Asphaltstraßen: Einfluss der Bindemittelsorte auf die Griffigkeit von Asphaltdeckschichten aus Splittmastixasphalt, Straße und Autobahn Heft 1/2005
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Fahrbahndecken aus Asphalt, (ZTV Asphalt-StB 01), Köln, 2001 (FGSV 799)
- Asphaltstraßen mit anforderungsgerechter Griffigkeit – Maßnahmen zur Planung und Ausführung: Deutscher Asphaltverband e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., 2001
- Crantz, R.: Untersuchungen der Ursachen hoher und niedriger Kraftschlussbeiwerte auf Asphaltfeinbetondecken, Straße und Autobahn Heft 4/1963 und 5/1963
- Dames, J.; Huschek, S.; Lindner, J.: Untersuchungen über den Einfluss unterschiedlicher Mineralstoffe auf das Gebrauchsverhalten von Asphaltdeckschichten hinsichtlich Griffigkeit, Querebenheit und Reifengeräuschen, Heft 754, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Bundesministerium für Verkehr, Bonn, 1997
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