FGSV-Nr. FGSV A 37
Ort Bremen
Datum 01.06.2006
Titel Die Untersuchungsstrecken "Temperaturabgesenkte Asphalte" auf der BAB A 7 und B 106
Autoren Prof. Dr. Ing. Klaus-Werner Damm
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Auf der BAB A 7 und der B 106 wurden im Jahr 2004 Untersuchungsstrecken für temperaturabgesenkte Walzasphalte Asphaltbinder 0/16 S und Splittmastixasphalt 0/11 S und 0/8 S eingerichtet, bei denen sowohl handelsfertige viskositätsabsenkende Bindemittel als auch Additive an der Asphaltmischanlage zur Temperaturabsenkung eingesetzt wurden. Bei den Additiven handelt es sich um verschiedene Wachse bzw. ein spezielles Haftmittel. Die Walzasphalte lassen sich zielsicher mit Temperaturen von 140 bis 145 °C herstellen und verarbeiten, wobei ein erhöhter Dichtungsaufwand erforderlich werden kann. Die beim Einbau auftretenden Emissionen in Form von Bitumendämpfen und Aerosolen liegen unterhalb der Nachweisgrenze. Die Energieeinsparung beträgt ca. 10 %. Alle Varianten sind wärmestandfest, ihre Eigenschaften bei tiefen Temperaturen lassen keine vorzeitige Rissbildung erwarten. Die umfangreichen erweiterten Bindemitteluntersuchungen lassen keine vorzeitige Alterung oder andere Nachteile gegenüber herkömmlichen Asphalten erwarten.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erteilte dem asphalt-labor Arno J. Hinrichsen GmbH & Co 2004 den Forschungsauftrag 7.203 zur Ausrichtung und Betreuung zweier Untersuchungsstrecken für temperaturabgesenkte Walzasphalte, nachfolgend TAA genannt, auf der BAB A 7 bei Flensburg und der B 106 zwischen Ludwigslust und Schwerin, um eine gezielte Temperaturabsenkung bei der Herstellung und der anschließenden Verarbeitung auf < 145 °C zu erproben. Durch umfangreiche labortechnische Untersuchungen der Asphalt- und Bindemitteleigenschaften sollte untersucht werden, ob eine Gleichwertigkeit dieser TAA mit herkömmlichen Walzasphalten zu erwarten ist. Der Ausschreibung der Untersuchungsstrecken ging eine Präqualifikation der einzusetzenden Bindemittelsysteme und der Einbaufirmen voraus. Allen Beteiligten wurde eine 8jährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche abverlangt. Die umfangreichen erweiterten Eignungsprüfungen wurden vertragsgemäß vom Forschungsnehmer erstellt, der dadurch eine besondere Verantwortung zu übernehmen hatte.

Auf der BAB A 7 kamen nur handelsfertige viskositätsabsenkende Bindemittel zum Einsatz, während auf der B 106 eine Additivierung an der Asphaltmischanlage erfolgte. Als Referenzbindemittel wurde auf beiden Untersuchungsstrecken ein PmB 45 A für Asphaltbinder- und deckschicht aus Splittmastixasphalt eingesetzt. Insbesondere den SBA Flensburg und Schwerin, der BASt und den beiden Einbaufirmen Eurovia (BAB A 7) und Strabag (B 106) wird ein besonderer Dank ausgesprochen für die außergewöhnlich kompetente und pragmatische Zusammenarbeit bei der Abwicklung des praktischen Teils des Forschungsvorhabens.

2 Besondere Anforderungen an die Bauausführung

Im Bauvertrag wurde für den Asphalteinbau auf voller Fahrbahnbreite von 8,50 m ein dem Asphaltfertiger vorgeschalteter Shuttle verlangt, um eine Arbeitslängsnaht zu vermeiden und eine möglichst gute Ebenflächigkeit in Längsrichtung zu erreichen. Die Verdichtung wurde flächendeckend mit der Troxlersonde während des Einbaues kontrolliert.

Als vertragliche Innovation wurde im Bauvertrag für eine „gute“ Verdichtung eine Zulage auf den Einheitspreis vereinbart: liegt der mittlere Verdichtungsgrad eines Untersuchungsabschnittes über dem Wert von 98 %, so erhöht sich der Einheitspreis um jeweils 4 % für jedes Prozent des erhöhten Verdichtungsgrades, der nach oben auf maximal 101 % begrenzt wurde. Auf der B 106 konnte diese neue Regelung weitestgehend ausgeschöpft werden.

3 Viskositätsabsenkende Bindemittelsysteme

Nach einer Präqualifikation kamen die Bindemittelsysteme gemäß Tabelle 1 zum Einsatz.

Tabelle 1: Bindemittelsysteme für die Temperaturabgesenkten Asphalte der Unterschungsstrecken (siehe bitte PDF)

4 Eignungsprüfungen

In den Tabellen 2 und 3 sind die Ergebnisse der Eignungsprüfungen zusammengestellt.

Tabelle 2: Werte der Eignungsprüfungen für den Asphaltbinder 0/16 S (siehe bitte PDF)

Tabelle 3: Werte der Eignungsprüfungen für den Splittmastixasphalt 0/11 S bzw. 0/8 S (siehe bitte PDF)

Im Rahmen der erweiterten Eignungsprüfungen wurden neben den konventionellen Prüfverfahren – einige Ergebnisse sind in den Tabellen 2 und 3 aufgeführt – noch folgende Prüfungen durchgeführt:

  • Druckschwellversuche zur Optimierung der Korngrößenverteilung
  • Verdichtbarkeit
  • Biegebalkenrheometer zur Beurteilung des Tieftemperaturverhalten der eingesetzten Bindemittel
  • Polierversuch nach Wehner/Schulze zur Beurteilung des Griffigkeitsverhalten.

Aus den Eignungsprüfungen wurde deutlich, dass es nicht einfach möglich ist, aus der Referenzmischung mit einem PmB 45 den optimalen Bindemittelgehalt für die viskositätsabsenkenden Bindemittel zu übernehmen. Er ist vielmehr individuell für das verwendete TA-Bindemittel zu ermitteln. Alle Mischgutvarianten sind sehr wärmestandfest, neigen kaum zur Nachverdichtung und weisen ein gutes Verhalten bei tiefen Temperaturen auf.

5 Temperaturmessungen

Beide Untersuchungsstrecken wurden von zwei Asphaltmischanlagen beliefert. Die Mischguttemperaturen wurden an der Mischanlage, beim Abkippen in den Shuttlekübel und hinter der Fertigerbohle gemessen. In den Bildern 1 und 2 sind beispielhaft die Ergebnisse der BAB A 7 dargestellt.
Die geforderte Herstellungstemperatur von 140 °C bis 145 °C wurde sehr gut eingehalten. Der Temperaturverlust bis zur Einbaustelle war wegen der kurzen Transportwege von weniger als 15 km vernachlässigbar klein. Die erste Verdichtung mit der Stampferbohle des Fertigers fand bei rund 130 °C statt.
Gegenüber dem Referenzmischgut mit PmB 45 A konnte eine Temperaturabsenkung von rund 30 K zielsicher erreicht werden.

Bild 1: Mischguttemperaturen des Asphaltbinders 0/16 S, BAB A 7 (siehe bitte PDF)

Bild 2: Mischguttemperaturen des Splittmastixasphaltes 0/11 S, BAB A 7 (siehe bitte PDF)

6 Bitumendämpfe und Aerosole

Ziel der TAA ist eine deutliche Absenkung der Bitumendämpfe und Aerosole, um den zwischenzeitlich ausgesetzten Grenzwert von 10 mg/m³ Luft zielsicher einzuhalten. Im Bild 3 sind die Messergebnisse aller Abschnitte als Mittelwerte dargestellt. In keinem Fall wurde der Grenzwert auch nur annähernd erreicht. Bei den TAA liegen die Werte praktisch im Bereich der Messgrenze.

Bild 3: Bitumendämpfe und Aerosole, gemessen an der Fertigerbohle (siehe bitte PDF)

Aus den Messungen ist ersichtlich, dass eine Temperaturabsenkung auf 140 °C nicht notwendig ist, um die Grenzwerte bei Walzasphalten einzuhalten.

7 Ebenheit und Griffigkeit

Mit dem Planographen wurden auf beiden Untersuchungsstrecken keine Bereiche festgestellt, in denen die Längsunebenheit > 4mm innerhalb einer 4 m-Strecke ist, außer an den Tagesansätzen.

Tabelle 4: Griffigkeitswerte (siehe bitte PDF)

Innerhalb der Untersuchungsabschnitte variieren die Griffigkeitswerte µ SCRIM nur sehr gering (Tabelle 4). Die erhöhte Griffigkeit auf der B 106 ist vorrangig auf die Verwendung eines SMA 0/8S anstelle eines SMA 0/11S zurückzuführen. Die in der Poliermaschine Wehner/Schulze gefundenen Werte ergeben die gleiche Wertung.

8 Eigenschaften an den verdichteten Schichten und am Mischgut

8.1 Verdichtung und Hohlraumgehalt

Die Gebrauchsdauer einer Asphaltdecke wird neben der Mischgutzusammensetzung ganz wesentlich von dem Verdichtungszustand und dem verbleibenden Endhohlraumgehalt bestimmt. Je näher der Verdichtungszustand an dem höchstmöglichen Dichtezustand liegt, umso höher ist die innere Reibung des Kornhaufwerkes und umso geringer ist eine mögliche Nachverdichtung infolge Verkehrseinwirkung. Häufig wird diese an sich triviale Feststellung als erfüllt angesehen, wenn ein hoher Verdichtungsgrad von mindestens 97 % der Marshalldichte erreicht worden ist. Nach Marshall wird der Verdichtungsgrad mittels einer Referenzraumdichte bei 135 °C (bzw. 145 °C für polymermodifizierte Bindemittel) bei 2 - 50 Schlag errechnet. Renken [1] hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass damit insbesondere bei schwer verdichtbaren Asphaltmischgutsorten noch längst nicht der Endverdichtungszustand und damit die höchste Wärmestandfestigkeit erreicht sein muss. Für das Marshallverfahren gibt er eine Schlagzahl von 2 - 100 Schlag an, um den Endverdichtungszustand zu erreichen. Dieser liegt nach eigenen Untersuchungen um ca. 2 % über dem normengerechten Dichtezustand bei 2 - 50 Schlag und um ca. 5 % über dem Mindestanforderungswert von 97 % Verdichtungsgrad. Ein Beispiel ist im Bild 4 dargestellt. Vor diesem Grund erscheint es sinnvoll, den Verdichtungsgrad auf den Endverdichtungszustand zu beziehen, wenn man überhaupt mit der „Hilfskrücke“ Verdichtungsgrad arbeiten will, was zurzeit in den deutschen Normen noch der Fall ist.

Bild 4: Abhängigkeit der Raumdichte von der Verdichtungsarbeit, ausgedrückt durch die Anzahl von Marshallschlägen, SMA 0/8 S, B 106, B 50 / 70+ 3% Licomont, 135 °C (siehe bitte PDF)

Die erreichbare Dichte wird aber auch maßgeblich von der Verdichtungstemperatur beeinflusst, wie das Bild 5 exemplarisch für einen SMA 0/8 S mit dem Bindemittel Sübit VR 35 zeigt.

Bild 5: Abhängigkeit der Raumdichte von der Verdichtungstemperatur, BAB A 7, SMA 0/11 S, Bindemittel Sübit VR 35 (siehe bitte PDF)

Für TAA ist es nunmehr von großer Bedeutung, bei welcher Verdichtungstemperatur die Referenzraumdichte im Labor ermittelt wird, um den für die bauvertragliche Abwicklung erforderlichen Verdichtungsgrad zu berechnen. Da sich bei einem Asphaltbinder 0/16 S aufgrund der relativ geringen Menge an Bindemittel die Viskositätsabsenkung des Bindemittels selbst nur marginal auswirkt, wurde für den Binder eine Verdichtungstemperatur von 135 °C für TAA mit Normenbitumen und 145 °C für TAA mit PmB festgelegt. Bei dem Splittmastixasphalt 0/11 S der BAB A7 wurden einvernehmlich mit der BASt und dem SBA Flensburg als bauausführende Dienststelle Verdichtungstemperaturen für die Marshallprobekörper festgelegt, bei denen sich am MPK ein Hohlraumgehalt von 4 Vol.-% ergibt.

Diese pragmatische Vorgehensweise in Anlehnung an die ZTV Asphalt-StB 01 ist berechtigt, weil bei TAA die Walzverdichtung im Felde in einem Temperaturbereich von ca. 100 °C bis max. 130 °C stattfindet.
In der Tabelle 5 sind die mittleren Verdichtungsgrade für die einzelnen Abschnitte aufgeführt.

Die Verdichtungstemperaturen für die Referenzraumdichten liegen bei dem TAA-SMA 0/11 S zwischen 116 °C und 130 °C. Dieser Umstand weist bereits darauf hin, dass die unterschiedlichen viskositätsabsenkenden Bindemittel ganz offensichtlich zu einem unterschiedlichen Verdichtungsverhalten führen. Aus diesem Grund ist es unbedingt erforderlich, in der Bauausführung auch das Bindemittel zu verwenden, mit dem die Eignungsprüfung durchgeführt worden ist. Auf keinen Fall darf ein TAA-Bindemittel von einem anderen Bitumenlieferanten verwendet werden, ohne die Eignungsprüfung zu wiederholen.

Die Verdichtung jedes Abschnittes wurde an zwei Profilen über Bohrkerne sowie flächendeckend mittels Troxlersonde überprüft. Die Troxlerwerte wurden an mehreren Bohrkernen kalibriert, so dass eine repräsentative Aussage über die Verdichtung möglich ist.

Tabelle 5: Mittlere Verdichtungsgrade, ermittelt an Bohrkernen (siehe bitte PDF)

In den Bildern 6 und 7 sind beispielhaft die Werte für einen Abi 0/16 S und für einen SMA 0/8 S dargestellt.

Bild 6: Verdichtungsgrad aus kalibrierten Troxlerwerten, BAB A 7, ABi 0/16 S, Caribit 45 S (siehe bitte PDF)

Bild 7: Verdichtungsgrad aus kalibrierten Troxlerwerten, B 106, SMA 0/8 S, Licomont (siehe bitte PDF)

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass TAA ein sorgfältiges Verdichtungsmanagement erfordern. Wie der Verlauf der Verdichtungskurve im Bild 5 zeigt, wirkt sich ein Temperaturabfall im Bereich > ca. 140 °C wesentlich geringer auf die Verdichtbarkeit aus als im Temperaturbereich von 110 °C bis 130 °C, in dem die Verdichtung vor Ort bei den TAA stattfindet. Es muss daher darauf geachtet werden, direkt hinter dem Fertiger sofort mit der Walzverdichtung zu beginnen und ausreichend viele Walzen einzusetzen. Auf der BAB A 7 waren vier 9,5 t-Walzen und ein bis zwei 12,5 t-Walzen im Einsatz, auf der B 106 sogar fünf bis sechs 9,5 t-Walzen und zwei 13 t-Walzen. Die positive Auswirkung des erhöhten Walzeneinsatzes ist aus den flächenhaften Verdichtungskontrollen abzulesen.

Wie bereits ausgeführt, ist für Asphaltdeckschichten der Verdichtungsgrad nicht als vergleichendes Qualitätsmerkmal geeignet, weil gleiche Verdichtungsgrade nicht auch gleich hohes Verdichtungsniveau bedeuten. Als Gebrauchskriterium ist vielmehr der tatsächliche Hohlraumgehalt in der verdichteten Schicht geeignet. Dem Verfasser scheint es sehr lohnenswert, darüber nachzudenken, ob man nicht wie seit neuestem in Österreich als alleinige Verdichtungsanforderung an die Deckschicht den Hohlraumgehalt heranzieht.

Im Bild 8 sind die Hohlraumgehalte in der Deckschicht dargestellt. Nach der ZTV Asphalt-StB 01 ist für Splittmastixasphalt ein Hohlraumgehalt von 6 Vol.-% zulässig. Bei den TAA-Varianten wird er in 4 von 8 Fällen überschritten. Dies zeigt in aller Deutlichkeit, dass bei diesen Asphalten der sofortigen Verdichtung besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.

Bild 8: Hohlraumgehalt in der verdichteten Deckschicht (siehe bitte PDF)

8.2 Wärmestandfestigkeit

Sowohl an der Binder- als auch an der Deckschicht wurden Spurbildungsversuche durchgeführt, deren Ergebnisse im Bild 9 dargestellt sind.

Bild 9: Spurtiefen an den Asphaltdeckschichten SMA 0/11 S und SMA 0/8 S (siehe bitte PDF)

Aus dem Bild ist ersichtlich, dass erwartungsgemäß die Prüfungen mit dem Stahlrad bei 50 °C zu höheren Spurtiefen und einer stärkeren Spreizung führen als die Prüfungen mit dem Gummirad bei 60 °C. Die sehr hohen Spurtiefen mit dem Stahlrad an den Bohrkernen der BAB A 7, Abschnitt 5 und B 106, Abschnitt 1 werden bei 60 °C mit dem Gummirad nicht bestätigt. Im Rahmen der 8-jährigen Beobachtung beider Strecken wird sich zeigen, welche der beiden Prüfmethoden das Gebrauchsverhalten besser prognostizieren.

8.3 Schichtenverbund

An Bohrkernen 225 mm wurde der Schichtenverbund nach Leutner bei 20 °C geprüft. Die Mittelwerte der Scherkraft zwischen Deck- und Binderschicht sind im Bild 10 wiedergegeben.

Bild 10: Schichtenverbund nach Leutner bei 20 + 1 °C, Deck-/Binderschicht (siehe bitte PDF)

Der vertraglich vereinbarte Mindestwert von 19,6 KN wurde von allen Untersuchungsabschnitten unproblematisch erreicht. Bei der B 106 regnete es zeitweise während des Einbaues des Abschnittes 1, was zur Folge hatte, dass der Schichtenverbund in diesem Bereich nicht mehr zustande kam. Auch der Schichtenverbund zwischen der Binder- und der gefrästen Tragschicht war mit einer mittleren Scherkraft von 20 KN ausreichend hoch.

8.4 Hafteigenschaften

Zur Beurteilung der Haftung der einzelnen Bindemittelsysteme wurden an Marshallprobekörpern Spaltzugprüfungen bei +5 °C vor und nach 96-stündiger Wasserlagerung bei 40 °C durchgeführt, deren Ergebnisse im Bild 11 dargestellt sind. Die Marshallprobekörper wurden bei den in der Tabelle 5 angegebenen Temperaturen aus Mischgutproben hergestellt, so dass sich durchaus unterschiedliche Hohlraumgehalte ergeben haben. Sie liegen bei dem Asphaltbinder zwischen 4,0 und 7,0 Vol.-% und bei dem Splittmastixasphalt zwischen 3,0 und 5,1 Vol.-%. Als kritisch wird ein Spaltzugfestigkeitsabfall von mehr als 30 % angesehen. Bei den Deckschichten wird dieser Wert weit, bei den Asphaltbindern mit Ausnahme von dem Abschnitt 4 deutlich unterschritten. Es ist aber auch festzustellen, dass die Referenzstrecken hier am günstigsten abschneiden, gefolgt von dem als Haftverbesserer anzusehendem Colzuphalt.

Bild 11: Abfall der Spaltzugfestigkeit bei 5 °C vor und nach Wasserlagerung (96 h bei 40 °C) (siehe bitte PDF)

9 Bindemitteleigenschaften

Die eingesetzten viskositätsabsenkenden Bindemittelsysteme werden bis auf eine Ausnahme mit Wachsen additiviert, die je nach Länge der Kohlenwasserstoffketten einen Tropfpunkt von ca. 90 °C bis 145 °C haben [2,3]. Kühlen die Wachse ab, so liegt der Erstarrungspunkt um ca. 5 bis 10 K unterhalb des Tropfpunktes. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die unterschiedlich langen Molekülketten eine gewisse Zeit benötigen, um voll auskristallisieren zu können. Im flüssigen Zustand liegt die Viskosität der Wachse i. d. R. unterhalb jener des Grundbindemittels, warum in [2] vorgeschlagen wird, von Bitumenverflüssigern zu sprechen. Nach der Auskristallisation, die unter Wärmeabgabe erfolgt, bilden die Wachse eine räumliche Struktur, die sowohl zu einer Versteifung des Bindemittelsystems als auch zu einer erhöhten Strukturelastizität führt. Allen Wachsen ist gemeinsam, dass sie sich sehr leicht und schnell bei den entsprechenden Temperaturen in Bitumen lösen und nach Verteilung lagerstabil sind. Ist die Additivmenge nicht zu groß – im Allgemeinen sollten 3 M.-% bezogen auf die Bindemittelmenge nicht überschritten werden – wird das Verhalten bei tiefen Temperaturen nicht nachteilig beeinflusst.

Im Bild 12 sind die Erweichungspunkte R&K der Bindemittel für die SMA-Deckschicht im frischen, extrahierten und nach RFT (Rotierender Kolben) und PAV (Pressure Ageing Vessel) gealterten Zustand dargestellt. Die RFT-Alterung soll die Asphaltherstellung und Verarbeitung simulieren, während der PAV-Alterung eine Nutzungsdauer von ca. 8 bis 12 Jahren zugeordnet wird.

Zunächst ist festzustellen, dass bei mehreren TAA-Bindemitteln der EP R&K nach der Extraktion niedriger ist als am frischen Bindemittel. Ganz offensichtlich gelingt es nicht immer, die Additive vollständig zurückzugewinnen.

Bild 12: Erweichungspunkt R&K bei verschiedenen Alterungsstufen (siehe bitte PDF)

Dabei kann zusätzlich eine Rolle spielen, dass Polymerketten durch thermische Beanspruchung verkürzt werden, was nicht zwangsläufig eine qualitative Verschlechterung des Bindemittels bedeuten muss.
Alle viskositätsabsenkenden Bindemittel haben bereits im frischen Zustand einen EP R&K deutlich über 70 °C. Mit der Versteifung des Bindemittels im oberen Gebrauchstemperaturbereich ist u. a. die gute Wärmestandfestigkeit der damit hergestellten Asphalte zu erklären.

Interessant ist die oxidative Alterung der Bindemittel: gegenüber dem Referenzbindemittel PmB 45 A altern die viskositätsabsenkenden Bindemittel in einem geringeren Umfang. Diese Beobachtung wird bei den Kennwerten für das Verhalten bei tiefen Temperaturen bestätigt.

Im Bild 13 sind die Penetrationswerte in Abhängigkeit von der Alterung dargestellt. In Bezug zu den sehr hohen Erweichungspunkten R&K sind die Penetrationswerte auch nach Alterung vergleichsweise hoch. Die Bindemittel sind also bei Raumtemperatur noch relativ „weich“. Bereits hier wird erkennbar, dass die TAA-Bindemittel sich vollkommen anders verhalten als Normenbitumen oder polymermodifizierte Bitumen: bei hohen Gebrauchstemperaturen sind die Bindemittel noch sehr steif, während der Einfluss der Additivierung mit abnehmenden Temperaturen geringer wird. Dies wird im Bild 14 besonders deutlich: alle Brechpunkte liegen selbst nach Alterung noch in einem Bereich, der nicht als kritisch zu bezeichnen ist.

Dies wird bestätigt durch die Steifigkeit bei –16 °C, die mit dem Biegebalkenrheometer ermittelt wird. Eine Steifigkeit kleiner als 300 MPa bedeutet, dass bei einer tatsächlichen Gebrauchstemperatur von –26 °C noch keine thermisch induzierte Rissbildung zu befürchten ist.

Die Steifigkeiten sind im Bild 15 graphisch dargestellt. Bis auf eine Ausnahme bei dem Bindemittel Caribit 45 S liegen alle Steifigkeiten auch nach PAV-Alterung deutlich unter 300 MPa. Auf den Untersuchungsstrecken ist innerhalb der Gewährleistungszeit von 8 Jahren nicht mit Rissen zu rechnen.

Bild 13: Penetrationswerte bei verschiedenen Alterungsstufen (siehe bitte PDF)

Bild 14: Brechpunkt nach Fraass bei verschiedenen Alterungsstufen (siehe bitte PDF)

Bild 15: Biegebalkensteifigkeit bei – 16 °C bei verschiedenen Alterungsstufen (siehe bitte PDF)

Im Bild 16 ist die Korrelation zwischen Brechpunkt nach Fraass und der Biegebalkensteifigkeit dargestellt.

Bild 16: Zusammenhang zwischen dem Brechpunkt nach Fraass und der Biegebalkensteifigkeit bei –16 °C (siehe bitte PDF)

Es ist eine deutliche Korrelation zwischen den beiden Prüfwerten zu erkennen, wobei jedoch der Zusammenhang mit einem Bestimmtheitsmaß von 68,7 % noch nicht als sehr gut zu bezeichnen ist. Das liegt sicherlich an der großen Prüfstreuung des Brechpunktes. Zur Beurteilung des Verhaltens bei tiefen Temperaturen ist daher die Steifigkeit bei –16°C besser geeignet, zumal diese Prüfmethode eine echte Performance-Prüfung ist.

Bild 17: Prozentuale Veränderung der Steifigkeit bei – 16 °C infolge Alterung (siehe bitte PDF)

Aus dem Bild 17 ist zu entnehmen, dass die viskositätsabsenkenden Bindemittel bis auf eine Ausnahme ein günstigeres Alterungsverhalten aufweisen als die Referenzbindemittel PmB 45 A. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sich derartige Bindemittel im Langzeitverhalten zumindest nicht ungünstiger verhalten als die herkömmlichen Bindemittel. Die PAV-Alterung für die Untersuchungsstrecke B 106 lag zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch nicht vollständig vor.

Im Bild 18 ist der Penetrationsindex PI der verschiedenen Bindemittel dargestellt. Für „normale“ Bindemittel liegt er zwischen –1 und +1. Je negativer der PI-Wert ist, umso temperaturempfindlicher ist ein Bindemittel, d. h. umso stärker sind seine Eigenschaften von der Temperatur abhängig. Ein hoher PI-Wert – z. B. > + 3 – bedeutet, dass ein solches Bindemittel bei hohen Temperaturen oder bei langer Belastung steifer reagiert und somit weniger zu dauerhaften Verformungen neigt. Bei tiefen Temperaturen ist das Bindemittel weicher und damit unempfindlicher gegenüber Rissbildung.

Bild 18: Penetrationsindex PI (siehe bitte PDF)

Alle additivierten Bindemittel außer Caribit 45 S und Colzuphalt weisen PI-Werte auf, die deutlich über 3 liegen, was als positiv zu bewerten ist. Beim Colzuphalt ist ein „normaler“ PI-Wert zu erwarten, da die Wirkung der Additivierung nach einer gewissen Zeit abgeklungen ist, d. h. die Bindemitteleigenschaften verändern sich nicht wesentlich. Gegenüber dem Ausgangswert beim frischen Bindemittel liegen die Werte nach der Extraktion niedriger; offensichtlich werden bei der Extraktion die Additive nicht im vollen Umfang zurückgewonnen.

Aus der Graphik kann noch ein anderer, sehr wichtiger Rückschluss gezogen werden: mit Hilfe des PI-Wertes lassen sich offensichtlich mit Wachsen additivierte Bindemittel leicht identifizieren und von stark gealterten Normenbitumen unterscheiden.

Im Bild 19 sind die mit dem DSR gemessenen dynamischen Viskositäten der frischen Bindemittel der Deckschichten dargestellt. Nur bei drei Bindemittelsystemen ist im Herstellungs- und Verarbeitungstemperaturbereich eine deutliche Viskositätsabsenkung gegenüber den Referenzbitumen PmB 45 A festzustellen, nämlich bei SmB 35, Licomont und Sübit VR 35. Bei den beiden letztgenannten Bindemitteln ist aber auch deutlich der Erstarrungspunkt der Additive zu erkennen, der bei 110 bis 120 °C liegt. Hier weist die Kurve einen Knick nach oben auf. Unterhalb dieser Temperatur tragen die Bindemittel nicht mehr zu einer besseren Verdichtbarkeit bei, im Gegenteil, die Verdichtung wird erschwert. Sie sollte daher bei dieser Temperatur möglichst weitgehend abgeschlossen sein.

Bild 19: Dynamische Viskosität am frischen Bindemittel, gemessen mit dem DSR, SMA 0/11/ S bzw. SMA 0/8 S (siehe bitte PDF)

10 Zusammenfassung und Empfehlungen

Walzasphalte – hier Asphaltbinder 0/16 S und Splittmastixasphalt 0/11 S und 0/8 S mit viskositätsabsenkenden Bindemitteln durch Additivierung mit verschiedenen Wachsen bzw. Haftverbesserer – lassen sich zielsicher bei einer Temperatur von 140 – 145 °C herstellen, verarbeiten und verdichten. Es können sowohl handelsfertige Produkte verwendet werden als auch eine Additivierung an der Mischanlage erfolgen. Bei einer Additivierung an der Mischanlage ist mit einem Leistungsabfall der Mischanlage von ca. 30 % zu rechnen. Insbesondere bei viskositätsabgesenkten PmB ist die Mischzeit an der Chargenmischanlage um ca. 10 sec. zu verlängern. Die durch die Temperaturabsenkung erzielte Energieeinsparung geht dadurch weitestgehend wieder verloren, so dass in der Gesamtbilanz eine Energieeinsparung von ca. 10 % erreicht worden ist.
Durch die Temperaturabsenkung werden hingegen die Emissionen an Dämpfen und Aerosolen drastisch gesenkt und liegen weit unter dem bisher gültigen Grenzwert von 10 mg/m³ Luft.

Der Verdichtung ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der erste Verdichtungsvorgang mit der Stampferbohle des Asphaltfertigers beginnt bei ca. 130 °C. Es ist ein erhöhter Walzeneinsatz erforderlich, um bei dem geringeren Wärmepotenzial noch eine ausreichende Verdichtung zu erzielen.

Es ist erforderlich, erweiterte Eignungsprüfungen durchzuführen, die das unterschiedliche Verdichtungsverhalten derartiger Asphalte bei niedrigeren Temperaturen erfassen. Dies gilt insbesondere für Asphalte mit einem hohen Bindemittelgehalt, also z. B. für Splittmastixasphalt, bei denen sich der Einfluss der Viskositätsabsenkung besonders stark bemerkbar macht.

Hinsichtlich Ebenflächigkeit und Griffigkeit der eingebauten Schichten sind keine Beeinträchtigungen festzustellen.

Die hier untersuchten Asphalte weisen alle eine erhöhte Wärmestandfestigkeit auf, ohne dass das Verhalten bei tiefen Temperaturen nachteilig beeinflusst wird. Die erhöhte Wärmestandfestigkeit ist besonders bei den Bindemittelsystemen mit Wachsen festzustellen.

Der Schichtenverbund und die Haftung des Bindemittels am Gestein ist den Nullvarianten mit PmB 45 A gleichwertig.
Bei der Festlegung der Verdichtungstemperatur zur Ermittlung der Referenzraumdichte am Marshallprobekörper zur Berechnung des Verdichtungsgrades sind die individuellen Eigenschaften des Bindemittelsystems zu berücksichtigen. Sie lagen hier zwischen 116 und 130 °C. Die nach der DIN 1996-4, Ziffer 6.3 heranzuziehende Viskosität von 0,5 bis 0,6 Pa·s ist leider nicht zielführend. Es wird ein anderes Verfahren unter Berücksichtigung der Hohlraumverhältnisse beschrieben, um eine praxisnahe Verdichtungstemperatur der Marshallprobekörper zu ermitteln.

Durch die Additivierung mit Wachsen steigt der Erweichungspunkt R&K in der Regel auf über 70 °C an, was bei Kontrollprüfungen zu berücksichtigen ist. Ein derart additiviertes Bindemittel lässt sich von einem gealterten und stark nachgehärteten Bindemittel leicht über den Penetrationsindex oder über die Eigenschaften bei tiefen Temperaturen identifizieren, wobei das Letztere einen höheren labortechnischen Aufwand erfordert.

Das elastische Verhalten wird durch die Additivierung mit geeigneten Wachsen leicht nachteilig beeinflusst, wobei jedoch kein kritischer Zustand erreicht wird.

Zur Beurteilung der elastischen Eigenschaften ist neben der elastischen Rückstellung die Messung mit dem dynamischen Scherrheometer besonders geeignet.

Zur Beurteilung des Verhaltens bei tiefen Temperaturen eignet sich besonders die Steifigkeit bei –16 °C, ermittelt im Biegebalkenrheometer. Alle untersuchten Systeme weisen ein günstiges Verhalten bei tiefen Temperaturen auf, so dass auf den Versuchsstrecken keine thermisch bedingte Rissbildung zu befürchten ist.

Die mit Wachsen additivierten Bindemittel weisen bis auf eine Ausnahme ein günstigeres Langzeitalterungsverhalten auf als die Referenzbindemittel PmB 45 A.
Folgende Empfehlungen können gegeben werden:

  • Durchführen einer erweiterten Eignungsprüfung nach MTA [4]
  • Besonders sorgfältiges Verdichtungsmanagement mit erhöhtem Walzeneinsatz
  • Temperaturabsenkung auf 145 bis 155 °C für additivierte Normenbitumen und 150 bis 160 °C für additivierte PmB, um das dann günstigere Verdichtungspotenzial voll ausnutzen zu können, was zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung der Walzasphalte und damit zu einer längeren Nutzungsdauer führt.

Literaturverzeichnis

  1. Renken: Verdichtung von Walzasphalt im Laboratorium und im Felde, Schriftenreihe des Institutes für Straßenwesen der TU Braunschweig, Heft 18, 2002
  2. Damm et al.: Asphaltverflüssiger als „intelligenter Füller“ für den Heißeinbau – ein neues Kapitel in der Asphaltbauweise, Bitumen 1/2002
  3. Radenberg: Zwischenbilanz und Ausblick – Temperaturabsenkung bei Herstellung und Einbau von Asphalt, asphalt 4/2005
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Temperaturabsenkung und Verbesserung der Verarbeitbarkeit von Asphalt, M TA, Entwurf 2005