Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Die Autobahndirektion Nordbayern betreut ein Netz von 1320 Kilometern Bundesautobahnen. Der Betriebsdienst wird auf diesem Netz wahrgenommen von 16 Autobahnmeistereien und 5 Straßenmeistereien. Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD) werden in der Regel mit Personal und Gerät des Straßenbetriebsdienstes abgesichert. Seit dem Jahr 2005 hat die Anzahl der Auffahrunfälle auf Sicherungsfahrzeuge, die bei AkD eingesetzt waren, erheblich zugenommen. Im Jahr 2005 waren insgesamt 22 Auffahrunfälle zu verzeichnen. In den Folgejahren stieg die Anzahl der Unfälle stetig an und erreichte 2008 einen bisherigen Höchststand von 41 Unfällen. Dabei trat Totalverlust von 37 fahrbaren Absperrtafeln, 3 Vorwarntafeln und 1 Anpralldämpfer ein. Gleichzeitig wurden die eingesetzten Zugfahrzeuge erheblich beschädigt.
Das Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) hat im Jahr 2007 im Rahmen des FE-Vorhabens „Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals in Arbeitsstellen kürzerer Dauer“ das Unfallgeschehen in AkD statistisch untersucht [1]. Dabei wurde der Lkw mit einem Anteil von 60 % am Gesamtunfallaufkommen als Hauptverursacher identifiziert. Die Unfälle ereigneten sich überwiegend bei Sperrung des Hauptfahrstreifens oder des Seitenstreifens. Bei den im Bereich der Autobahndirektion Nordbayern erfassten Unfällen zeigt sich ein ähnliches Bild. In der Mehrzahl fuhren Lkw (meist ungebremst) auf das Sicherungsfahrzeug auf.
Wegen der großen Masse der auffahrenden Fahrzeuge sind von Lkw verursachte Unfälle für die beteiligten Personen besonders kritisch zu bewerten – und zwar sowohl für das Betriebsdienstpersonal als auch für den unfallverursachenden Lkw-Fahrer.
Es soll hier nicht untersucht werden, worauf der starke Anstieg der Auffahrunfälle auf Sicherungsfahrzeuge in AkD zurückzuführen ist. Gegenstand des Beitrags ist vielmehr die weitere Optimierung von Sicherungsmaßnahmen an der Arbeitsstelle selbst, um möglichst schnell eine Verbesserung der Gefährdungssituation zu erreichen.
2 Erkennbarkeit von Arbeitsstellen
Grundlage der gesamten Sicherheitsphilosophie im Straßenverkehr ist das Sichtfahrgebot. Sowohl die Straßenverkehrsordnung als auch die Regelwerke des Straßenbaus beruhen darauf. Demgemäß wird auch in den „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen“ (RSA) seit jeher auf optischem Wege mittels Verkehrszeichen der Verkehrsteilnehmer auf die Arbeitsstelle aufmerksam gemacht und ihm das richtige Verhalten vorgeschrieben. Betrachtet man die einschlägigen Regelpläne der RSA, müsste man zum Schluss kommen, dass durch die Vielzahl der aufzustellenden Schilder die rechtzeitige Erkennbarkeit der Arbeitsstelle in jedem Fall gegeben ist. Die Praxis zeigt aber insbesondere auf den sehr schnell befahrenen und mit hohen Lkw-Verkehrsmengen belasteten Autobahnen, dass die optische Erkennbarkeit nicht immer ausreicht. Anderseits erscheinen die optischen Informationsmöglichkeiten weitgehend ausgereizt, abgesehen von einer noch möglichen Verbesserung durch Überkopfbeschilderung.
Aufbauend auf Erfahrungen im Ausland, insbesondere den Niederlanden, wurden im § 43 StVO [2] als zusätzliches Sicherungselement die Warnschwellen eingeführt. Sie sollen beim Versagen aller optischen Informationen dem sich der Arbeitsstelle gefährlich nähernden Fahrer durch einen haptischen Reiz die Möglichkeit geben, sozusagen in letzter Sekunde die Gefahrenstelle zu erkennen und noch richtig zu reagieren. Leider können Warnschwellen nur begrenzt eingesetzt werden. Insbesondere bei beweglichen Arbeitsstellen ist ihr Einsatz nicht möglich.
Ein weiterer Ansatz ist die zusätzliche akustische Warnung an Arbeitsstellen kürzerer Dauer. Bisherige Versuche mit akustischen Warnsystemen sollten das Personal in der Arbeitsstelle vor dem kurz bevorstehenden Unfallereignis warnen. Wegen unzuverlässiger Detektion und zu kurzer Vorwarnzeiten konnten solche Systeme sich nicht durchsetzen. Bei der Autobahndirektion Nordbayern wurde deshalb auf Anregung des Leiters einer Autobahnmeisterei ein neuer Ansatz entwickelt und mit Unterstützung durch eine Fachfirma umgesetzt. Die direkte akustische Warnung des sich der Arbeitsstelle nähernden Fahrers.
Durch die Kombination von optischer, haptischer und akustischer Information werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die Fahrer auf Arbeitsstellen aufmerksam zu machen.
3 Akustisches Warnsystem
Ausgangspunkt der Überlegungen war die in der Tunneltechnik seit langem gebräuchliche Praxis, im konkreten Gefahrfall auf der Frequenz eines Verkehrsfunksenders Durchsagen in die Autoradios der Fahrzeuge zu übertragen. Diese Lösung schied jedoch schnell aufgrund der rundfunkrechtlichen Gegebenheiten aus. Ausschlaggebend für ein neues akustisches Warnsystem waren dann folgende Erkenntnisse:
- das eigentliche Gefahrenpotenzial stellen Auffahrunfälle mit Lkw-Beteiligung dar,
- so gut wie jeder Lkw-Fahrer nutzt CB-Funk,
- CB-Funk ist jederzeit und für jedermann frei verfügbar.
Bei der weiteren Projektbearbeitung wurde bald ein weiterer Vorteil des CB-Funks erkannt: Jede Nationalität nutzt einen eigenen Funkkanal. Damit ist es möglich, den Lkw-Fahrer direkt in seiner Muttersprache auf die Arbeitsstelle akustisch aufmerksam zu machen.
Als Ergebnis eines intensiven Entwicklungsprozesses kann jetzt ein neuartiges akustisches Warnsystem vorgestellt werden, das folgende Merkmale besitzt:
- CB-Funksender mit kleiner Leistung, direkt am Fahrzeug oder Sicherungshänger angebracht,
- Reichweite 300 Meter,
- Übertragung eines Alarmtons und Warndurchsage „Achtung, Gefahrenstelle“ direkt an sich annähernde Lkw-Fahrer in bis zu 8 Sprachen,
- Uneingeschränkt einsetzbar bei statischen und mobilen Arbeitsstellen,
- Automatisches Abschalten der Warnung bei Stau.
Bild 1: Fahrbare Absperrtafel mit CB-Funk-Warnsender (2 x 4 Kanäle)
4 Erfahrungen und Ausblick
Das neue Funkwarnsystem ist bei einigen Autobahnmeistereien seit Mitte 2008 im Einsatz. Das System funktioniert zuverlässig ohne zusätzliche Belastungen für das Betriebsdienstpersonal, sowohl in stationären als auch mobilen Arbeitstellen kürzerer Dauer. Seit Einsatzbeginn sind Auffahrunfälle von Lkw, die mit CB-Funk ausgestattet waren und deren Fahrer eine der ausgesendeten Sprachen verstanden, nicht mehr vorgekommen. In bisher 3 Fällen fuhren trotz Einsatz des Funkwarnsystems Lkw auf. Davon besaß in einem Fall der Fahrer kein CB-Funkgerät, in den beiden anderen Fällen entsprach keine der ausgesendeten Sprachen der Muttersprache des verunglückten Fahrers.
Direkte Befragungen von Lkw-Fahrern ergaben, dass sie die akustische Warnung vor Arbeitsstellen über CB-Funk positiv aufnehmen.
Wegen der relativ kurzen Zeitdauer seit Einsatzbeginn können noch keine statistisch gesicherten Aussagen über die Unfallentwicklung bei Sicherungsfahrzeugen getroffen werden. Es wird aber ein deutlicher Rückgang der Unfallzahlen erwartet, wenngleich systembedingt niemals alle Lkw-Fahrer mit der Funkwarnung erreicht werden können. Eine weitere Verbesserung kann aber mit Hilfe eines Vorwarngeräts erreicht werden, das über Lasertechnik sich gefährlich annähernde Fahrzeuge erfasst und den Fahrer mit einem Blinksignal und einem Hupton vor der Gefahrenstelle warnt.
Alle zusätzlichen Vorwarnsysteme können aber nur weitere Hilfsmittel für die Erkennung von Arbeitsstellen sein. Zur Vermeidung eines Unfalls ist es weiterhin erforderlich, dass der Fahrer noch rechtzeitig reagiert und einen Aufprall auf das Sicherungsfahrzeug vermeidet.
Eine wirklich durchgreifende Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals wird erst dann eintreten, wenn alle schweren Fahrzeuge mit abstandsgeregeltem Tempomat (ACC) ausgerüstet sind. Im Interesse unserer Mitarbeiter wäre es eine lohnende Aufgabe, für dieses Ziel einzutreten.
Literaturverzeichnis
- Zimmermann, M.; Riffel, S.; Cypra, T.: Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals in Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Bundesautobahnen: Schlussbericht FE-Vorhaben 03.0403/2005/LRB im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Karlsruhe, 2007
- Amtliche Begründung zur Siebzehnten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. 11. 2007 (BGBl I S. 2774), VkBl. 2008, S. 4
|