FGSV-Nr. FGSV 002/94
Ort Karlsruhe
Datum 15.09.2009
Titel Neue Entwicklungen im europäischen Winterdienst
Autoren Prof. Dr.-Ing. Christian Holldorb
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Von April 2004 bis April 2008 lief unter deutscher Leitung die europäische COST Aktion 353 „Winterdienststrategien zur Verbesserung der Sicherheit auf Europas Straßen“, an der Delegierte aus 17 europäischen Staaten aktiv teilnahmen. In dieser COST Aktion wurden aktuelle Entwicklungen im europäischen Winterdienst zusammengestellt. Darüber hinaus war es wesentliche Aufgabe der Aktion, künftige Handlungsschwerpunkte und Entwicklungspotenziale aufzuzeigen. Wichtiger Punkt der COST Aktion war die Frage, inwieweit eine Harmonisierung des Winterdienstes in Europa zielführend und überhaupt möglich ist. Weiterhin wurden neue Technologien, die in Pilotanwendungen oder anderen Fachdisziplinen angewendet werden, hinsichtlich möglicher Nutzenpotenziale für den Winterdienst analysiert. Dritter Schwerpunkt war die Bewertung von existierenden Winterdienst-Management-Systemen, um hieraus Empfehlungen für künftige Entwicklungen und die Implementierung solcher Systeme abzuleiten.

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1  Einleitung

Im Rahmen der europäischen COST Aktion 353 „Winterdienststrategien zur Verbesserung der Sicherheit auf Europas Straßen“, die von 2004 bis 2008 durchgeführt wurde, wurden derzeitige und künftige Entwicklungen im europäischen Winterdienst zusammengetragen. Die Aktion unter deutscher Leitung lief von 2004 bis 2008; aktiv waren Delegierte aus 17 europäischen Staaten sowie von der europäischen Salzindustrie an ihr beteiligt.

Wesentliche Aufgabe der COST Aktion war die Entwicklung einer grundlegenden Struktur für das Verkehrsmanagement im Winter zur Optimierung der Verkehrssicherheit; somit hatte die COST Aktion sowohl Winterdienst als auch Verkehrsmanagement bei winterlichen Straßenzuständen zum Inhalt. Weiteres Ziel ist die Integration neuer Verfahren des Winterdienstmanagements durch den Einsatz aktueller Technologien für Datenmanagement, Kommunikation und Fahrzeugortung. Darüber hinaus war es wesentliche Aufgabe der Aktion, künftige Handlungsschwerpunkte und Entwicklungspotenziale aufzuzeigen, wobei auch neue Technologien hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit für den Winterdienst analysiert wurden.

Die Ergebnisse wurden in einem Schlussbericht [1] zusammengestellt, der im Internet (www.fehrl.org; Path: file zone\Projects\COST 353\Public; File: Final Report COST 353.zip) verfügbar ist. Weiterhin wurden die Ergebnisse ausführlich auf der dreitägigen Abschlusskonferenz „Neue Entwicklungen für den Winterdienst in Europa“ in Bad Schandau bei Dresden vorgestellt, wo auch weitere aktuelle Entwicklungen und Forschungsergebnisse aus Europa präsentiert wurden [2].

2 Harmonisierung des Winterdienstes in Europa

Bei der Frage, inwieweit eine Harmonisierung des Winterdienstes in Europa möglich und sinnvoll ist, ist die sehr heterogene Ausgangssituation in Europa zu berücksichtigen. Erhebliche Unterschiede gibt es in Europa bei den klimatischen Bedingungen und den daraus resultierenden Anforderungen an den Winterdienst. Das winterliche Klima variiert nicht nur erheblich von Norden nach Süden, sondern auch stark von Westen mit starkem maritimem Einfluss nach Osten, wo ein kontinentales Klima vorherrscht. Zusätzlich sind in Europa zahlreiche Hoch- und Mittelgebirge bei der Bewertung des Klimas zu berücksichtigen. Im Bild 1 ist eine vereinfachte Einteilung Europas in sechs Klimazonen bezüglich der winterlichen Witterung dargestellt.

Bild 1: Vereinfachte Klimatologie für den Winterdienstauf Basis der mittleren Anzahl an Frosttagen in den Wintermonaten (Dezember bis März) [1]

Aber nicht nur hinsichtlich des winterlichen Klimas gibt es erhebliche Unterschiede in Europa. Auch die Netzdichte variiert stark und ist in den zentralen und westeuropäischen Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte weitaus höher als in dünn besiedelten Regionen, z. B. in Nordeuropa. Ähnlich differieren auch die Verkehrsbelastungen auf den Straßennetzen, die für großräumige Fernverbindungen in entlegenen Regionen häufig nur wenige Tausend Fahrzeuge pro Tag betragen, in Metropolregionen jedoch leicht 100 000 Fahrzeuge täglich übersteigen.

Erhebliche Unterschiede sind in Europa auch zu verzeichnen, wenn man sich betrachtet, wie der Winterdienst organisiert und durchgeführt wird. Die Organisationsformen der Straßenbauverwaltungen in den europäischen Staaten unterscheiden sich ähnlich stark wie zwischen den 16 Bundesländern innerhalb Deutschlands mit seiner föderalen Struktur. Allerdings sind in vielen Staaten – hier ist Deutschland eine Ausnahme – nationale Straßenbauverwaltungen für das hochrangige Autobahn- und Fernstraßennetz verantwortlich. Große Unterschiede existieren bei der Betreuung der nachgeordneten Netze und hinsichtlich des Einsatzes privater Unternehmer, wobei in den skandinavischen Staaten Norwegen, Finnland und Schweden die weitreichendste Aufgabenübertragung erfolgt [3].

Deutlich variieren auch die finanziellen Leistungsfähigkeiten der Straßenbauverwaltungen innerhalb Europas und somit die verfügbaren Ressourcen, die für den Winterdienst eingesetzt werden können. Hiermit korreliert vielfach auch der Qualitätsstandard des Straßennetzes, der ganzjährig erreicht wird, so dass einheitliche Qualitätsstandards im Winterdienst nicht losgelöst von ganzjährig erreichbaren Qualitätsstandards gesehen werden dürfen.

Berücksichtigt man diese sehr heterogene Ausgangssituation, wird klar, dass eine weitreichende Harmonisierung im Bereich des Winterdienstes in ganz Europa weder möglich noch zielführend ist. Allerdings sollte nach Meinung der Mitglieder der COST Aktion eine gewisse Harmonisierung der Winterdienststrategie und auch operativer Grundsätze im Winterdienst erreicht werden. Hierzu zählt eine einheitliche Zielsetzung für den Winterdienst: Die Optimierung der Verkehrssicherheit und die Bereitstellung eines Straßenzustandes, der für den Verkehrsteilnehmer berechenbar und vorhersehbar ist. Dabei sollen gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden. Diese optimale Strategie kann mit Unterstützung durch ein umfassendes sozio-ökonomisches Modell umgesetzt werden.

Für die stark frequentierten europäischen Netze (transeuropäische Netze, paneuropäisches Straßennetz, internationale Europastraßen) soll ein gleichbleibender Qualitätsstandard eingehalten werden. Hierfür müssten sich die staatlichen Regierungen auf einen einheitlichen Qualitätsstandard verständigen und gewährleisten, dass die für den Winterdienst verantwortlichen Institutionen die Straßen im vereinbarten Zustand betreiben. Dieser vereinbarte Qualitätsstandard hat sicherlich eine gewisse „Leitfunktion“ für die nationalen nachgeordneten Netze. Für diese ist in erster Linie die Verkehrssicherheit auch bei winterlichen Straßenzuständen zu gewährleisten.

Um einheitliche Qualitätsstandards für die europäischen Netze festlegen zu können, ist in einem ersten Schritt eine Festlegung auf die gleichartige Art der Definition des Qualitätsstandards erforderlich. Diese variiert derzeit zum Teil erheblich wie nachfolgende Beispiele zeigen:

  • Definition von maximalen Umlaufzeiten (Bsp. Deutschland, Österreich, …),
  • Definition von maximalen Reaktionszeiten (Bsp. Deutschland, …),
  • Festlegung von minimalen Griffigkeitswerten (Bsp. Norwegen, …),
  • Festlegung maximaler Schneehöhen (Bsp. Schweden, …),
  • Definition von Streustoffen.

Die ersten beiden Beispiele stellen eher inputorientierte Qualitätsstandards dar, da bei ihnen nicht der Zustand der Straße, sondern Anforderungen an die einzusetzenden Ressourcen definiert sind. Diese Qualitätsstandards werden in Regionen mit hohen Verkehrsmengen und stark wechselnden, jedoch eher moderaten winterlichen Bedingungen eingesetzt, da hier nicht die Frage, ob eine vollständige Befahrbarkeit erreicht wird, sondern vielmehr wann diese erreicht werden kann, im Vordergrund steht. Die Output orientierte Definition von einzuhaltender Griffigkeit oder maximaler Schneehöhe kann bei geringen Verkehrsmengen und starker winterlicher Witterung zweckmäßig sein.

Bei der Festlegung von einheitlichen Qualitätsstandards ist auch zu berücksichtigen, wie diese überwacht und kontrolliert werden können, wofür neben den technischen Spezifikationen Aufwand und Organisation der Qualitätsüberwachung betrachtet werden müssen.

Weiterer operativer Grundsatz, der in ganz Europa umgesetzt werden soll, ist die Bereitstellung von Informationen über winterliche Straßenzustände für die Verkehrsteilnehmer und Dritte auf Basis der verfügbaren Straßenwetterinformationen. Hierfür sollen die nationalen Straßenwetter- und Verkehrsinformationssysteme genutzt werden, so dass für die grenzüberschreitende Bereitstellung von Informationen zahlreiche inhaltliche und technische Schnittstellen zu definieren sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in zahlreichen europäischen Staaten - insbesondere bei geringer Verkehrs- und Netzdichte - weitaus umfassender und automatisierter Informationen über den Straßenzustand und über aktuell durchgeführte Winterdienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Hier spielt die Information der Bevölkerung, ob, wann und wie eine Straße wieder passierbar ist, eine wichtige Rolle, während in dicht besiedelten Gebieten mit hoher Verkehrsdichte die generelle Verfügbarkeit der Straßen in der Regel nicht eingeschränkt ist.

3  Neue Technologien für den Winterdienst

Neue Technologien werden erheblichen Einfluss auf künftige Entwicklungen im Winterdienst und bei der Straßenverkehrssicherheit haben. Neue Materialien, Sensoren und andere elektronische Komponenten basierend auf der Nanotechnologie, satellitengestützte grafische Informationssysteme und weitere Erfassungssysteme, schneller Datentransfer, Software für die Unterstützung von Entscheidungsprozessen sowie Modelle für lokale Wetterprognosen sind nur einige der zahlreichen neuen Entwicklungen, die die Straßeninfrastruktur verändern, die neue Strategien ermöglichen, den Winterdienst optimieren sowie die Straßenverkehrssicherheit verbessern.

Wie die Arbeit der COST Aktion gezeigt hat, werden in Europa, aber auch im außereuropäischen Ausland zahlreiche Technologien erforscht und für die praktische Anwendung weiterentwickelt. Zum Teil ist das primäre Einsatzgebiet dieser Technologien nicht der Winterdienst, sondern es sind andere Fachdisziplinen, wie z. B. die Landwirtschaft. Ausgewählte Einsatzbereiche, für die derzeit in verschiedenen europäischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben neue Technologien untersucht und entwickelt werden sind:

  • Bewertung des Straßenzustandes: Hierbei stehen einerseits Verfahren zur Restsalzmessung im Vordergrund, wobei berührungslose Messverfahren zur mobilen Messung im Mess- oder Einsatzfahrzeug ein Schwerpunkt der Entwicklung Zum anderen werden – in erster Linie in Skandinavien – verstärkt Verfahren zur Messung der Griffigkeit bei winterlichen Straßenzuständen entwickelt.
  • Optimierung der Streustoffe: Schwerpunkt ist die Entwicklung von Streustoffen, die eine verbesserte Wirksamkeit ermöglichen und die sich besser und noch gleichmäßiger ausbringen lassen. Weiterhin ist der Trend hin zu einer stärkeren Differenzierung der Streustoffe, gegebenenfalls auch zu belagsspezifischen Streustoffen zu sehen. Es werden weniger alternative Streustoffe für den Winterdienst gesucht, sondern verstärkt Ansätze für die Optimierung des Streustoffes, z. B. durch Additive zur Verbesserung der Materialeigenschaften,
  • Daten- und Informationsaustausch: Aufgrund der derzeit rasanten Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie stehen hier neben den technischen Fragestellungen vor allem Fragen der sinnvollen Nutzung im Vordergrund. Schwerpunkt sind mögliche Nutzungen der Daten von Fahrzeugen aus dem fließenden Verkehr (Floating Car Data), mit denen z. B. Informationen über den Witterungs- und Straßenzustand gewonnen werden können, ohne diese vor Ort zu messen. Daneben steht die Information der Verkehrsteilnehmer im Blickpunkt, wobei nicht mehr nur die hierarchische Informationsübermittlung von Straßenverwaltung an Verkehrsteilnehmer, sondern auch die Information zwischen den Verkehrsteilnehmern an Bedeutung gewinnt (Car to Car Information).
  • Verhalten von Mitarbeitern und Verkehrsteilnehmern: Wie auch in Deutschland, zeigt sich auch in vielen anderen Ländern Europas, dass ein wesentliches Potenzial zur Verbesserung der Verkehrsbedingungen bei winterlichen Straßenzuständen und des Winterdienstes bei Mitarbeitern und Verkehrsteilnehmern liegt. Daher rückt die Entwicklung umfassender Schulungs- und Trainingsprogramme stärker in den Vordergrund, damit die in Fachkreisen erzielten Erkenntnisse auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Eine interessante Möglichkeit ist der Einsatz von Simulatoren.

Wie vorstehend erwähnt, werden insbesondere in Skandinavien Systeme zur Griffigkeitsmessung bei winterlicher Fahrbahn für die praxisgerechte Anwendung entwickelt. Hintergrund ist, dass hier die Griffigkeit zur Beurteilung der Winterdienstqualität herangezogen wird und somit bei der Vergabe der Winterdienstleistungen an private Winterdienstbetreiber als ein vertragsrelevantes Qualitätskriterium zu überwachen ist. Allerdings wird die praktikable Anwendung dadurch erschwert, dass winterliche Straßenzustände und die damit verbundene Griffigkeit schon auf kurzen Abschnitten und auch im Straßenquerschnitt sehr stark schwanken.

Somit werden beispielsweise in Norwegen mobile Messverfahren bevorzugt. Die Messung der Bremsverzögerung mit dem Decelerometer ist ein relativ kostengünstiges Verfahren, dass aber nur geringe Genauigkeit aufweist und aufgrund des starken Abbremsens des Messfahrzeugs nur bei geringen Verkehrsdichten angewendet werden kann. Daher werden verstärkt Messgeräte eingesetzt, die ähnlich wie bei in Deutschland angewendeten Messverfahren die Griffigkeit kontinuierlich mit fest oder variabel eingestelltem Schlupf messen (Bild 2).

Bild 2: Griffigkeitsmessungen mit System RoAR Mark III – Messanhänger und Darstellung der Messergebnisse [1]

Eine Alternative zur direkten Messung der Griffigkeit ist die Ableitung der Griffigkeit aus der berührungslosen Messung des Fahrbahnzustandes (Bild 3). Hierfür wird mit Hilfe einer spektroskopischen Messung der Fahrbahnzustand sowie die Wasserfilm- bzw. die Eisdicke gemessen. Mit Hilfe eines Bewertungshintergrundes, der aus zahlreichen Vergleichsmessungen ermittelt wurde, kann aus den Messdaten die Griffigkeit abgeleitet werden. Derzeit wird dieses Messverfahren stationär eingesetzt, Ziel ist die mobile Messung vom Mess- oder Winterdienstfahrzeug aus, um die Variation des Straßenzustandes abbilden zu können.

Bild 3: Messstation des Landes Salzburg zur berührungslosen Messung des Fahrbahnzustandes mit dem System DSC 111 (Vaisala)

4  Einsatz von Winterdienst-Management-Systemen (WMS)

Sehr breiten Raum bei der Entwicklung des Winterdienstes nimmt in vielen europäischen Staaten derzeit der Einsatz von Winterdienst-Management-Systemen (WMS) und einzelner Komponenten ein. Daher wurden im Rahmen der COST Aktion 353 Systeme aus unterschiedlichen Ländern beschrieben und evaluiert. Um eine vergleichbare Bewertung zu ermöglichen, wurden die Systeme und ihre einzelnen Komponenten in sechs Bereiche gegliedert (Bild 4).

Die Systeme wurden in eintägigen Workshops durch Nutzer und Teilnehmer der COST Aktion bewertet. Hierbei wurden für jede Komponente auf einer einheitlichen Punkteskala von 1 bis 10 Nutzen und Kosten in die Bewertung einbezogen. Weiterhin wurde die Bedeutung der einzelnen Komponenten für den Winterdienst individuell festgelegt, um die spezifischen Verhältnisse vor Ort und den Mehrwert, der durch die jeweilige Nutzergruppe gesehen wird, abbilden zu können. Hierdurch wird die subjektive Einschätzung der Anwender in die Bewertung aufgenommen, so dass das Ergebnis der Evaluation keine objektive Bewertung der Systeme und ihres Nutzens, sondern die subjektive Bewertung der Anwender widerspiegelt.

Bild 4: Evaluierte Komponenten der WinterdienstManagement-Systeme [1]

Da die Systeme in der Regel fortlaufend weiter entwickelt und erweitert werden, wurden neben der Bewertung der aktuell vorhandenen Systeme auch eine Einschätzung zu Nutzen und Kosten der zukünftig vorgesehenen Komponenten vorgenommen. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf die wesentlichen Entwicklungsschritte ableiten.

Es wurden Systeme aus folgenden Staaten einbezogen [4]:

  • Belgien,
  • Dänemark,
  • Deutschland,
  • Finnland,
  • Island,
  • Norwegen,
  • Österreich,
  • Rumänien,
  • Spanien,
  • Tschechien.

Eine bereichsweise Zusammenfassung der Evaluation der vorhandenen Systeme zeigt das Bild 5. Dargestellt ist das Evaluationsergebnis für die bereits im Einsatz befindlichen Komponenten sowie die zukünftig vorgesehenen Komponenten, woraus die in der Zukunft erwarteten Potenziale abgeleitet werden können. Es wird deutlich, dass der derzeitige Schwerpunkt in den Komponenten der Straßen-Wetter-Informations-Systeme (SWIS) sowie der Aufbereitung administrativer Daten gesehen wird. Von geringerer Bedeutung sind die Systeme zur Unterstützung der Einsatzauslösung sowie die intelligente Ausstattung im Einsatzfahrzeug, die nicht mehr nur eine Datenaufzeichnung, sondern vielmehr auch eine aktive Unterstützung des Fahrers ermöglicht. Allerdings wird durch den Einsatz von Komponenten in diesen Bereichen ein größeres Nutzenpotenzial in der Zukunft gesehen, während für die anderen Bereiche die weitere Verbesserung etwas geringer eingeschätzt wird.

Aus den Erfahrungen mit den WMS, die in Europa bereits im Einsatz sind, lässt sich ableiten, dass diese Systeme effizient zur Verbesserung des Winterdienstes beitragen. Winterdiensteinsätze werden schneller ausgeführt, da vor allem die Reaktionszeiten reduziert werden. Weiterhin sind sie notwendige Voraussetzung, um vorbeugende Streueinsätze durchführen zu können, da nur mit den Daten aus SWIS ausreichende Prognosedaten zu Wetter und Fahrbahnzustand vorliegen. Insgesamt wird durch den Einsatz von WMS und ihrer Komponenten die Verkehrssicherheit gesteigert, da Winterdiensteinsätze schneller erfolgen, bzw. durch die Präventiveinsätze Glätte gänzlich vermieden werden kann. Für den Winterdienstbetreiber reduzieren sich Einsatz- und Bereitschaftskosten, da Kontroll- und Überwachungsaufwand vor Ort reduziert werden und das Winterdienstpersonal anforderungsgerechter in

Bild 5: Zusammenfassendes Evaluationsergebnis für Winterdienst-Management-Systeme in Europa [1]

Bereitschaft eingeteilt werden kann. Die Einsatzstrategie lässt sich durch WMS optimieren, insbesondere sind eine Differenzierung der Einsätze sowie Präventiveinsätze möglich. Auch der Salzverbrauch kann infolge geringerer Streudichten und weniger Fehleinsätze reduziert werden. Nicht zuletzt werden WMS für eine effiziente Information von Verkehrsteilnehmern und Bevölkerung eingesetzt, was vor allem in den dünn besiedelten Regionen Skandinaviens mit den harten winterlichen Bedingungen von Bedeutung ist.

Folgende Empfehlungen wurden im Rahmen von COST für den Einsatz von WMS in Europa erarbeitet:

  • Auf Grundlage der vielfältigen Mess- und Prognosedaten zu Witterung und Straßenzustand können automatisierte Empfehlungen zu Zeitpunkt und Art des Winterdiensteinsatzes sinnvoll sein; die Einsatzentscheidung sollte jedoch beim Einsatzleiter verbleiben.
  • Die Einsatzauslösung sollte durch einen Einsatzleiter Dieser kann hierbei effizient durch eine automatisierte Kommunikation mit den Einsatzkräften und die Überwachung der Rückmeldung unterstützt werden.
  • Einsatzdaten, aber in Zukunft auch Messdaten zu Straßenzustand und Witterung sollen im Einsatzfahrzeug automatisch erfasst werden. Diese Informationen können zur unmittelbaren Information und gegebenenfalls Steuerung im Einsatzfahrzeug genutzt werden; darüber hinaus sollten sie aber auch in der Einsatzzentrale für die Beurteilung des Straßenzustandes im gesamten Netz sowie zur Ermittlung eines umfangreichen Bewertungshintergrundes genutzt werden.
  • WMS sollen auch zur unmittelbaren Unterstützung des Winterdienstfahrers eingesetzt werden, um so eine anforderungsorientierte flexible Routenzuordnung durch individuelle Navigation zu ermöglichen. Weiterhin können einzelne Einstellungen des Streugerätes (Streubreite, Streubild, Streudichte) automatisiert werden, was zum einen den Fahrer entlastet, zum anderen die Qualität des Winterdiensteinsatzes sowie den Streustoffverbrauch reduziert.
  • Nicht nur die Datenerfassung, sondern auch die Datenaufbereitung müssen automatisiert werden, um den steigenden Anforderungen an die Dokumentation (Nachweis von Leistung und Qualität, Abrechnung von privaten Betreibern, Nachweis des Materialverbrauchs) gerecht zu werden. Hierbei sind die Schnittstellen zu nachfolgenden EDV-Systemen, z. B. zur Kosten- und Leistungs-Rechnung, zu berücksichtigen, die in der Regel anwenderspezifisch zu konfigurieren sind. Standardisierte Auswertungen können hierfür vielfach nicht verwendet werden und erhöhen den Aufwand für die Auswertung.
  • Die erfassten Daten können für die automatisierte Information der Straßennutzer über Straßenzustand und Winterdienstaktivitäten genutzt werden. Diese wird in vielen europäischen Staaten auch unter rechtlichen Aspekten unkritisch gesehen.
  • WMS können nicht einmalig als Komplettsysteme implementiert werden, da sich Anforderungen und technische Möglichkeiten weiter entwickeln. Daher ist eine modulare Struktur mit standardisierten Schnittstellen sinnvoll, wodurch auch Komponenten unterschiedlicher Anbieter in ein Gesamtsystem integriert werden können. Die Standardisierung der Schnittstellen wurde auf europäischer Ebene im Rahmen der Normung im CEN Projekt 337 bereits begonnen.
  • Mit der Einführung von WMS oder einzelner Komponenten sind die Mitarbeiter umfassend zu schulen und einzuweisen. Für die unterschiedlichen Nutzergruppen sind anwenderspezifische Schulungen erforderlich, die nicht nur die Bedienung des Systems bzw. der Software umfassen, sondern insbesondere auch auf die Nutzungsmöglichkeiten und die Winterdienststeuerung eingehen.
  • Mit der Einführung von WMS ist eine fortlaufende Qualitätskontrolle zu implementieren. Diese soll zum einen zum Ziel haben, Nutzen und Aufwand des Systems zu dokumentieren, zum anderen sind jedoch auch frühzeitig Mängel des Systems erkennbar, die dazu führen, dass das System nicht so wie geplant eingesetzt wird.

5 Ausblick

Aus den derzeitigen Entwicklungen des Winterdienstes, die in den vorherigen Abschnitten exemplarisch aufgezeigt wurden, lassen sich eine Vielzahl offener Fragen in technologischer konzeptioneller und auch strategischer Sicht ableiten, die die zukünftigen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte für den Winterdienst in Europa bestimmen werden.

Ein Schwerpunkt wird die Weiterentwicklung von Messverfahren zum Straßenzustand sein, wobei Griffigkeit und Restsalzgehalt von besonderer Bedeutung sind, um die Winterdiensteinsätze zu optimieren und eine wirksame Qualitätskontrolle durchzuführen. Hierbei sind vor allem Verfahren für die mobile Messung erforderlich, um der großen Inhomogenität dieser Parameter gerecht werden zu können. Aber auch die mobile Messung von atmosphärischen Witterungsparametern gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Bei den Streustoffen sind Schwerpunkte im Bereich der Wirkungsoptimierung sowie der optimierten Ausbringung zu sehen. Hierfür sind jedoch zahlreiche offene Fragen zu den Wirkungsmechanismen bei unterschiedlichen Randbedingungen zu analysieren, bevor Streustoffe wirksam optimiert werden können. Optimierte auftauende Streustoffe können durch gezielte Modifikation des Grundprodukts „Salz“ bzw. „Feuchtsalz“ entwickelt werden, dass sicherlich ein sehr gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweist.

Der praxisgerechten Umsetzung der Erkenntnisse und Erfahrungen, die in neuen Forschungs- und Entwicklungsprojekten gewonnen werden, wird zukünftig eine größere Bedeutung beigemessen werden. Hierzu ist es notwendig, entsprechende Trainingsprogramme auszuarbeiten; auch die Entwicklung von Simulatoren kann hierfür zielführend sein. Aber nicht nur für künftige Erkenntnisse, auch für das bereits vorhandene Know How ist eine praxisgerechte Aufbereitung vielfach erforderlich.

Das Fahrverhalten bei winterlichen Fahrbahnzuständen sowie ihre Auswirkungen auf den Verkehrsfluss gewinnen immer stärker an Bedeutung, um zum einen den Winterdienst zu optimieren, zum anderen aber auch die Verkehrslenkung der Witterung besser anpassen zu können. Ein intelligentes Verkehrsmanagement erfordert umfassende Kenntnisse über Fahrverhalten, den Einfluss von Verkehrs- und Wetterinformationen sowie optimale Strategien bei extremen Witterungsbedingungen. Daneben werden die Möglichkeiten neuer Technologien im Bereich Information und Kommunikation fortlaufender Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt sein.

Auch wenn durch den Klimawandel mit einer globalen Erwärmung zu rechnen ist, rücken die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Winterdienst zunehmend in den Blickpunkt. Insbesondere in Skandinavien wird durch die Erwärmung und andere klimatische Bedingungen der Winterdienst erheblich beeinflusst, so dass in diesen Staaten hierzu mehrere Forschungsprojekte angelaufen sind. Beispielsweise wird in Schweden untersucht, wie die globalen und sehr großräumigen Prognosen zur Klimaentwicklung auf kleine Betrachtungsräume und damit einzelne Straßennetze übertragen werden können.

In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung im Bereich Winterdienst auf dem Kraftfahrzeugverkehr. Zunehmend rücken die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer, Fußgänger und Radfahrer in den Mittelpunkt des Interesses, da für diese kaum Erkenntnisse über Mobilitätsverhalten und Unfallrisiken bei winterlichen Wegen zur Verfügung stehen. Nutzen-Kosten-Betrachtungen zum Winterdienst für Fußgänger und Radfahrer können daher erst dann erfolgreich sein, wenn hierzu belastbare Daten zur Verfügung stehen.

Vorgenannte und weitere Forschungs- und Entwicklungsprojekte werden in Europa auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt. Bezüglich der Standardisierung und technischen Harmonisierung ist die Normung im Rahmen des CEN/TC 337 zu nennen, durch den vornehmlich technische Schnittstellen und Spezifikationen genormt werden. Eine Vielzahl von Projekten wird auf nationaler oder auch multi-nationaler Ebene umgesetzt, z. B. im Rahmen von FEHRL oder dem ERA-NET Transport bzw. ERA-NET Roads. Hierdurch kann auf die unterschiedlichen Schwerpunkte und Zielsetzungen einzelner Staaten eingegangen werden. Umfassende, gesamteuropäische Forschungsprojekte zum Winterdienst, z. B. im Rahmen des Europäischen Forschungsprogramms, sind derzeit nicht vorgesehen.

Weiterhin werden einzelne Fragestellungen im Kontext von Winterdienst und Verkehrsmanagement im Rahmen der neuen COST Aktion TU 0702 „Echtzeitüberwachung und -steuerung von Straßennetzen unter extremen Witterungsbedingungen“. behandelt, die im März 2008 begann und 2012 abgeschlossen werden soll. Zielsetzung dieser Aktion ist die Untersuchung des Einflusses von extremen Witterungsbedingungen (Schnee, Eis, Nebel, Sturm, Regen etc.) auf den Straßenverkehr. Es sollen Strategien zum Umgang mit extremen Witterungsbedingungen entwickelt und verbreitet werden, um so z. B. auch auf Auswirkungen des Klimawandels besser reagieren zu können. Derzeit sind 15 europäische Staaten, unter anderen Deutschland, an der COST Aktion beteiligt, assoziierte Mitglieder sind darüber hinaus Australien und Japan. Winterliche Straßenzustände werden hierbei neben anderen extremen Witterungsereignissen betrachtet, wobei der Schwerpunkt weniger auf dem operativen Winterdienst, sondern vielmehr auf dem Verkehrsmanagement liegt.

Literaturverzeichnis

  1. COST Action 353 (2008): New Developments for Winter Service on European Roads – Final Report COST Action 353 Winter Service Strategies for Increased European Road Safety, Brussels 2008
  2. COST Action 353 (2008): COST 353 – Documentation for the Final Seminar COST 353, Winter Service Strategies for Increased European Road Safety, Bad Schandau/Dresden 2008
  3. Karjalainen, J.; Holldrob, C.: Internationale Entwicklungen bei der Vergabe von Winterdienstleistungen – Finnland als Beispiel für die nordischen Länder. Straße und Autobahn 1/2009
  4. Holldorb, C.: Forschung und Entwicklung zur Verbesserung des Winterdienstes in Europa – Das COST Projekt 353. Straße und Autobahn 2/2008