FGSV-Nr. FGSV 002/124
Ort Bergisch Gladbach
Datum 27.03.2019
Titel Evaluierung der Maßnahmenwirkung aus der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Potsdam 2015 / 2016
Autoren Dr. rer. nat. Ingo Düring, Wolfram Schmidt, Uwe Friedrich, Tobias Schönefeld
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Wegen der anhaltenden Überschreitung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) wurde der Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Potsdam in den Jahren 2015/16 fortgeschrieben. Zentrales Maßnahmenbündel ist die verkehrliche Umgestaltung der bisher vierstreifigen Zeppelinstraße. In stadtauswärtiger Richtung fällt ein Fahrstreifen zu Gunsten eines eigenen Radfahrstreifens weg. In stadteinwärtiger Richtung erfolgt die Führung des Verkehrs teilweise auf einen gemeinsamen Fahrstreifen für Tram, Bus und Kfz. Es wurde zusätzlich eine T30-Regelung in den Plan aufgenommen.

Ziel ist die wirksame Verringerung des Kfz-Verkehrsaufkommens und der Emissionen in der Zeppelinstraße einschließlich der Breiten Straße sowie in weiteren kritischen Straßenabschnitten innerhalb der Landeshauptstadt Potsdam. Die Maßnahme wird seit Mai 2017 umgesetzt. Erste Untersuchungen der Stadtverwaltung Potsdam zur Evaluation der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich der Wirkungen auf Verkehr und Luftschadstoffemissionen zeigten, dass es neben den beabsichtigten verkehrlichen Auswirkungen auf die Zeppelinstraße auch Auswirkungen auf das weitere Straßennetz im Untersuchungsraum der Zeppelinstraße gibt. Aus diesem Grund führen das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg und die Landeshauptstadt Potsdam ein umfassendes, verkehrsträgerübergreifendes Evaluierungsprojekt durch, in dem die Maßnahmenwirkung detailliert quantifiziert und bewertet werden soll.

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Einführung

Wegen der anhaltenden Überschreitung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) wurde der Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Potsdam in den Jahren 2015/16 fortgeschrieben. Zentrales Maßnahmenbündel ist die verkehrliche Umgestaltung der bisher vierstreifigen Zeppelinstraße. In stadtauswärtiger Richtung fällt ein Fahrstreifen zu Gunsten eines eigenen Radfahrstreifens weg. In stadteinwärtiger Richtung erfolgt die Führung des Verkehrs teilweise auf einen gemeinsamen Fahrstreifen für Tram, Bus und Kfz. Es wurde zusätzlich eine T30-Regelung in den Plan aufgenommen.

Ziel ist die wirksame Verringerung des Kfz-Verkehrsaufkommens und der Emissionen in der Zeppelinstraße einschließlich der Breiten Straße sowie in weiteren kritischen Straßenabschnitten innerhalb der Landeshauptstadt Potsdam. Die Maßnahme wird seit Mai 2017 umgesetzt. Erste Untersuchungen der Stadtverwaltung Potsdam zur Evaluation der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich der Wirkungen auf Verkehr und Luftschadstoffemissionen zeigten, dass es neben den beabsichtigten verkehrlichen Auswirkungen auf die Zeppelinstraße auch Auswirkungen auf das weitere Straßennetz im Untersuchungsraum der Zeppelinstraße gibt. Aus diesem Grund führen das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg und die Landeshauptstadt Potsdam ein umfassendes, verkehrsträgerübergreifendes Evaluierungsprojekt durch, in dem die Maßnahmenwirkung detailliert quantifiziert und bewertet werden soll. 

Ausgangssituation

Die Zeppelinstraße in der Landeshauptstadt Potsdam ist durch hohe Verkehrsaufkommen sowie eine dichte Blockrandbebauung gekennzeichnet (siehe Abb. 1). Dies hat in der Vergangenheit zu Überschreitungen der NO2-Luftschadstoffgrenzwerte geführt.

Die Abb. 2 zeigt für die Messstation Zeppelinstraße die NO2-Zusammensetzung, bestehend aus der regionalen Hintergrundbelastung (Messstation Lütte), der städtischen Zusatzbelastung (Messstation Potsdam-Zentrum) und der Kfz-bedingten Zusatzbelastung (Messstation Zeppelinstraße) für den Zeitraum 2008 bis 2015. Die Analyse dieser Messdaten in der Zeppelinstraße zeigte, dass der regionale Hintergrund im Mittel ca. 18 %, die städtische Zusatzbelastung (inkl. Kfz-bedingte Einträge aus dem städtischen Straßennetz) ca. 26 % und die Kfz-bedingte lokale Zusatzbelastung durch die Zeppelinstraße ca. 55 % an der Gesamtbelastung ausmachte. Damit trug der Kfz-Verkehr an der Messstation Zeppelinstraße ursächlich zur NO2-Grenzwertüberschreitung (rote Linie in Abb. 2) bei.

Abb. 1: Foto der Situation am Messcontainer Zeppelinstraße in Potsdam im September 2015

Abb. 2: Zusammensetzung NO2-Jahresmittelwert Messstation Zeppelinstraße für den Zeitraum 2008 bis 2015. Als rote Linie ist der NO2-Jahresmittelgrenzwert eingezeichnet.

Untersuchungsgebiet und umgesetzte Maßnahmen

Hauptuntersuchungsgegenstand bildet die Zeppelinstraße in Potsdam. Darüber hinaus werden die potenziellen Ausweichstrecken für den Kfz-Verkehr mit betrachtet. Konkret betrifft dies im Bereich Brandenburgische Vorstadt bzw. Potsdam West den Straßenzug Geschwister-Scholl-Straße / Werderscher Damm, die Forststraße und die Kastanienallee. Weiterer Bestandteil des Kernuntersuchungsgebietes (siehe Abb. 3) ist die Breite Straße.

Abb. 3: Kernuntersuchungsgebiet Evaluation Modellversuch Zeppelinstraße Kartengrundlage: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA (bearbeitet), http://www.openstreetmap.org/

Zur Senkung der Luftschadstoffkonzentration im Stadtgebiet sowie speziell in den Hot-Spot-Bereichen beinhaltet der Luftreinhalteplan ein Bündel verschiedener Maßnahmen. Eine wesentliche Zielstellung des Kurzfrist- bzw. Sofortmaßnahmenkonzeptes bildet dabei die Verringerung der Kfz-Verkehrsaufkommen in der Zeppelinstraße. Das Maßnahmenbündel beinhaltet neben der Reduzierung der Fahrstreifenanzahl von 4 auf 3 Streifen für den Kfz-Verkehr folgende weitere Maßnahmenbausteine:

  • Markierung eines stadtauswärtigen Radfahrstreifens im Abschnitt Kastanienallee – Geschwister-Scholl-Straße
  • Markierung einer ÖPNV-Spur im Abschnitt Forststraße – Kastanienallee
  • Optimierung der Signalsteuerung im Abschnitt Forststraße – Breite Straße
  • Erweiterung und Qualitätssteigerung der Bike & Ride-Anlage am Bahnhof Charlottenhof
  • Optimierung des P+R-Standorts am Bahnhof Potsdam - Pirschheide (Markierung und Wegweisung)
  • Verlängerung der Busspur im Bereich Pirschheide bis zum Ortseingang Potsdam
  • Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h
  • Verbesserung des ÖPNV-Angebotes durch Taktverdichtung der Buslinien 631 und 580

Für die Umsetzung der Maßnahme war gemäß Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam vom 07.10.2015 (DS 15/SVV/0620) eine abgestufte Vorgehensweise vorgesehen. Im Rahmen eines temporären Modellversuches sollte geprüft werden, welche verkehrlichen und lufthygienischen Effekte durch die Reduzierung der Fahrstreifenanzahl in der Zeppelinstraße entstehen. Erst danach soll über eine dauerhafte Umsetzung der Maßnahme entschieden werden.

Die für die Umsetzung des temporären Modellversuches erforderlichen Ummarkierungsarbeiten wurden im Juni 2017 abgeschlossen. Die Situation im September 2018 zeigt die Abb. 4. Zu erkennen ist, dass die stadtauswärtigen zwei Fahrstreifen zugunsten eines abmarkierten Radfahrstreifens auf einen Fahrstreifen reduziert wurden.

Abb. 4: Zeppelinstraße auf Höhe des Messcontainers nach der Ummarkierung. Linker Fahrstreifen=stadtauswärts, rechte Fahrstreifen=stadteinwärts

Durch die getrennte Führung von Fuß- und Radverkehr sollen, neben der o.g. Reduzierung der Kfz-Verkehrsmengen, auch die Nutzungsüberlagerungen und Konflikte minimiert werden (Abb. 5).

Abb. 5: Vorher-Nachher-Situation Radverkehr auf der Zeppelinstraße in stadtauswärtiger Richtung

Untersuchungsumfang

Ergänzend zu den o.g. Maßnahmen sieht der Luftreinhalteplan eine Evaluation der Luftschadstoffsituation für die Zeppelin- und für die Breite Straße vor. Diese Evaluierung wird im Auftrag der Landeshauptstadt Potsdam und des Umweltministeriums Brandenburg durch das Ing.-Büro Lohmeyer Radebeul und das Büro SVU Dresden mit fachlicher Unterstützung des Landesamtes für Umwelt Brandenburg durchgeführt.

Hauptzielstellung ist es dabei, die Wirkung der Maßnahmen sowie den Zielerreichungsgrad zu überprüfen. Als Indikatoren werden neben den Luftschadstoffmesswerten u. a. die Entwicklung von Verkehrs-, Unfall- und Fahrgastzahlen benannt. Dabei wurden und werden u.a. durchgeführt:

  • Durchführung und Auswertung von NO2-Messungen an mehreren Messpunkten vor und nach der Maßnahmenumsetzung
  • Verkehrliche Erhebungen und Analysen im relevanten Straßennetz bzgl. der Situation vor und nach Umsetzung des Maßnahmenbündels
  • Betrachtungen zur Entwicklung der Fahrgastzahlen und Behinderungen im ÖPNV und der Radverkehrsnutzung
  • Mobile Messfahrten zur Erfassung des Verkehrsflusses vor (Tempo 50) und nach Umsetzung des Maßnahmenbündels (Tempo 30)
  • Detaillierte Emissions- und Immissionsberechnungen für das relevante Straßennetz
  • Kennzeichenerhebungen der Kfz und daraus Ableitung ortsspezifischer Emissionsfaktoren vor und während der Maßnahme.

Untersuchungsmethodik bzgl. Luftschadstoffe

Im Rahmen der Luftschadstoffberechnungen wurden auf der Grundlage der Verkehrsmengen für die betrachteten Abschnitte des Hauptstraßennetzes die von den Kraftfahrzeugen emittierten Schadstoffmengen ermittelt. Die Berechnungen erfolgten mit dem Emissionsmodul PROKAS_E. Berücksichtigt wurden neben den verschiedenen Verkehrsaufkommen, Schwerverkehrsanteile sowie Linienbuszahlen auch die unterschiedlichen Verkehrssituationen für jeden Streckenabschnitt.

Die mittleren spezifischen Emissionen der Fahrzeuge wurden mit Hilfe des „Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs HBEFA“ Version 3.3 (UBA, 2017) bestimmt. Analog zu den Berechnungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Potsdam wurde eine regionalisierte Zusammensetzung der Kfz-Flotte verwendet. Bezugsjahr ist das Jahr 2015. Dies stellt zunächst sicher, dass die Wirkung der Maßnahme(n) allein auf die Veränderung in den Verkehrsmengen der Fahrzeuggruppen und nicht aufgrund der ohnehin stattfindenden Modernisierung der Fahrzeugflotte quantifiziert werden kann.

Die Ausbreitungsmodellierung wurde mit PROKAS durchgeführt. PROKAS ist in der Lage, alle berücksichtigten Straßenzüge gleichzeitig für jede Stunde der Woche mit ihrer jeweiligen Emission emittieren zu lassen. Die mit PROKAS berechnete Kfz-bedingte Zusatzbelastung aus dem betrachteten Straßennetz wurde für jeden Straßenabschnitt zusammen mit der städtischen Hintergrundbelastung zur Gesamtbelastung addiert. Die Randbebauung der jeweiligen Straßenabschnitte wurde bei der Ausbreitungsrechnung mit PROKAS_B über sog. Bebauungstypen abgebildet. Die chemische Umwandlung von NO zu NO2 wurde mittels eines vereinfachten Chemiemodells nach (Düring et al., 2011) berechnet. In die Bestimmung der Bebauungstypen gehen die Gebäudehöhe, der Lückenanteil, die Schluchtbreite sowie die Ein- oder Beidseitigkeit der vorhandenen Bebauung ein. Diese idealisierten Straßenrandbebauungstypen wurden für jeweils ca. 100 m lange Straßenabschnitte aus den Berechnungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Potsdam übernommen.

Im Rahmen der Vorher-Nachher-Betrachtungen wurden in den Luftschadstoffberechnungen folgende Effekte durch die Umsetzung des Maßnahmenbündels berücksichtigt:

  • Änderung der Verkehrsmenge (DTV)
  • Änderung in Verkehrszusammensetzung (Anteil LKW und Busse)
  • Änderung in Emissionsfaktor (Verkehrsfluss, Verkehrssituation)
  • Änderung der Ausbreitungsverhältnisse (Abstand Emission von Immissionsort)

Die lufthygienischen Wirkungen des Maßnahmenbündels werden dabei überlagert durch:

  • Änderung im Wind (Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Ausbreitungsklasse)
  • Änderungen in den Temperaturen (Veränderung der Kfz-Emissionen wegen temperaturabhängiger Abgasreinigung)
  • Änderungen in der Hintergrundbelastung (NOX, NO2)
  • Änderung in der Photochemie (O3, Strahlung)
  • Modernisierung der Fahrzeugflotte

In der Auswertemethodik und Interpretation der Ergebnisse werden diese Einflüsse berücksichtigt.

Betrachtet werden die Luftschadstoffsituationen im Nullfall sowie in drei Vergleichszeiträumen (VGZ). Diese Zeiträume sind in der Tab. 1 aufgezeigt. Während die VGZI und VGZII kurze Zeiträume über jeweils wenige Wochen darstellen, um eine erste Einschätzung der Wirkung der Maßnahme(n) möglich zu machen, stellt VGZIII einen 12 Monats-Zeitraum dar, in dem analog zum Nullfall gleitende Jahresmittelwerte betrachtet werden.

Tab. 1: Untersuchungsfälle und betrachtete Zeiträume

Meteorologie in den Untersuchungszeiträumen

Grundlage für die Bewertung der Luftschadstoffsituation bilden die jeweiligen meteorologischen Rahmenbedingungen. Speziell sind hierbei die nachfolgend im Detail beschriebenen Kriterien zu berücksichtigen:

Windverhältnisse

Für die Berechnung der Luftschadstoffausbreitung werden so genannte Ausbreitungsklassenstatistiken benötigt. Das sind Angaben über die Häufigkeit bestimmter Ausbreitungsverhältnisse in den unteren Luftschichten, die durch Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Stabilität der Atmosphäre definiert sind. Eine Ausbreitungsklassenstatistik enthält somit auch Informationen über die Verdünnungsfähigkeit der Atmosphäre. Dieser Parameter berücksichtigt, dass für eine gegebene Windrichtung und Windgeschwindigkeit die Verdünnung der Abgase auch noch vom Sonnenstand (der Tageszeit) und der Bewölkung abhängt.

Für das Stadtgebiet von Potsdam stehen meteorologische Messdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) der Station Potsdam zur Verfügung. Sie befindet sich in exponierter Lage des Telegrafenberges und besitzt eine hohe jahresmittlere Windgeschwindigkeit von ca. 4.7 m/s sowie sehr geringe Anteile der Ausbreitungsklassen der stark stabilen und stabilen Schichtung. Für die Ausbreitungsrechnungen wurden deshalb auf Empfehlung des Gutachtens „Einfluss des Verkehrs und seiner Entwicklung auf die Luftqualität des Landes Brandenburgs“ (IVU Umwelt, 2012) sowie analog zu den Berechnungen zum Luftreinhalteplan Potsdam Winddaten der Station Grunewald in Berlin verwendet. Diese Winddaten repräsentieren die Windverhältnisse im innerstädtischen unbebauten Gebiet, das heißt bei weitgehend ungestörten Verhältnissen.

Diese Daten wurden für die Untersuchungszeiträume aufbereitet und sind in den Abb. 6 bis Abb. 9 grafisch dargestellt. Es zeigen sich in diesen Windstatistiken vor allem bei den kurzen VGZ I und VGZ II deutliche Unterschiede, insbesondere in den Windrichtungsverteilungen aber auch in den Ausbreitungsbedingungen (Ausbreitungsklasse). So waren im VGZ II deutlich häufiger Winde aus südwestlichen bis westlichen Windrichtungen zu verzeichnen, als in den anderen beiden Zeiträumen. Im Vergleichszeitraum I zeigten sich dagegen vermehrt Winde aus südsüdöstlichen Richtungen. Der Anteil neutraler Ausbreitungsbedingungen war in VGZ II ebenfalls deutlich höher, als in den beiden anderen Zeiträumen. Auch die mittlere Windgeschwindigkeit war gegenüber dem Nullfall und dem VGZ I erhöht. Die Windverteilungen zwischen Nullfall und VGZ III sind ähnlich, da sie jeweils einen Zeitraum von 12 Monaten umfassen. Bei Berücksichtigung dieser Windstatistiken in den Ausbreitungsberechnungen können diese Effekte bei der Interpretation der Messwerte berücksichtigt werden.

Temperatur und Strahlung

Es lagen für die Untersuchungszeiträume auch stündliche Angaben von Temperatur und Globalstrahlung an der Wetterwarte Potsdam vor. Die Auswertung dieser Daten ergab die in Tab. 2 zusammengefassten Mittelwerte:

Tab. 2: Mitteltemperatur und mittlere Globalstrahlung in den Vergleichszeiträumen

Die Mitteltemperatur war im Vergleichszeitraum II mit ca. 4 °C deutlich niedriger als im Vergleichszeitraum I sowie im Nullfall. Die Mitteltemperatur war im Vergleichszeitraum III mit ca. 11 °C nur leicht höher als die im Nullfall (+0.6 K) und niedriger als im Vergleichszeitraum I.

Auch das Strahlungsangebot war erwartungsgemäß in VGZ II am niedrigsten. Es unterscheidet sich zwischen VGZ III, VGZ I und Nullfall nicht wesentlich. Die Relevanz dieser Unterschiede auf die Effekte wird bei der Interpretation der Messergebnisse diskutiert.

Abb. 6: Wind- und Ausbreitungsklassenstatistik an der Station Grunewald für den Zeitraum des Nullfalls

Abb. 7: Wind- und Ausbreitungsklassenstatistik an der Station Grunewald für den Vergleichszeitraum I

Abb. 8: Wind- und Ausbreitungsklassenstatistik an der Station Grunewald für den Vergleichszeitraum II

Abb. 9: Wind- und Ausbreitungsklassenstatistik an der Station Grunewald für den Vergleichszeitraum III

Verkehr in den Untersuchungszeiträumen

Die für den Nullfall und in den Vergleichszeiträumen erfassten Verkehrsmengen sind beispielhaft für den Bereich der Zeppelinstraße am Messcontainer in der Tab. 3 zusammengestellt.

Tab. 3: In den Vergleichszeiträumen erfasste Verkehrsdaten für den Bereich der Zeppelinstraße am Messcontainer im Vergleich zum Nullfall

Es zeigt sich, dass das umgesetzte Maßnahmenbündel insgesamt zu einer Verringerung der Verkehrsmenge geführt hat. So reduzierte sich (gewollt) der DTV im VGZIII um ca. 3500 Kfz/d (-13 %) gegenüber dem Nullfall. Auch der Schwerverkehr nahm ab (-24 %). Die Anzahl von Linienbusfahrten nahm (gewollt) zu.

Neben den Verkehrsmengen- und -zusammensetzungen sind für die Emissionsberechnung auch Angaben über den Verkehrsfluss (sogenannte Verkehrssituationen) nötig. Diese wurden für den Nullfall aus den Berechnungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Potsdam übernommen und wurden dort u.a. anhand von Messfahrten und mikroskaligen Emissionsberechnungen mit PHEM abgeleitet (Sonderuntersuchung siehe Lohmeyer, 2015).

In den Berechnungen zu den Vergleichszeiträumen wurden folgende Maßnahmen spezifische Veränderungen im Verkehrsfluss relativ zum Nullfall berücksichtigt:

  • Tempo 30 auf der Zeppelinstraße
  • Auf der Zeppelinstraße hat sich der Rückstaubereich in Richtung Geltow verändert. Während im Nullfall bedingt durch die Zuflussdosierung der Hauptrückstaubereich im Wesentlichen westlich der Einmündung Forststraße lag, wird in VGZ I, VGZ II und VGZ III der Stauraum bereits ab der Einmündung Kastanienallee genutzt. Ursache ist die zwischen Kastanienallee und Forststraße neu eingerichtete Busspur, welche die Behinderungen für den ÖPNV minimieren soll.
  • In stadtauswärtiger Fahrtrichtung wurden in der Zeppelinstraße selbst keine wesentlichen Veränderungen bezüglich des Verkehrsflusses festgestellt.
  • Eine Verschlechterung hat sich für den Zufluss in die Zeppelinstraße aus Richtung Breite Straße ergeben. In Richtung Lange Brücke gab es dort keine Veränderungen.

Diese Einflüsse wurden in den Berechnungen und Bewertungen des Maßnahmenbündels parametrisiert berücksichtigt. Im Rahmen der noch laufenden Evaluierungsarbeiten werden demnächst die Messfahrten und mikroskaligen Emissionsberechnungen mit PHEM unter Realverkehr Tempo 30 wiederholt und die Veränderungen gegenüber dem Nullfall im Detail quantifiziert.

Stand der Ergebnisse für die Messstelle Zeppelinstraße

Für die Messstelle Zeppelinstraße wurde eine Auswertung der Messergebnisse sowie der durchgeführten Berechnungen erstellt. Die Ergebnisse sind in der Abb. 10 für die NOX-Zusatzbelastung dargestellt. Diese lassen sich wie folgt interpretieren:

Die Messwerte zeigen ein Absinken der NOX-Zusatzbelastung im VGZ I von ca. 21 % und im VGZ II von ca. 35 % relativ zum Nullfall, wobei die NOX- Zusatzbelastung in VGZ II ca. 14 %-Punkte geringer ist als in VGZ I. Im 12- Monatsmittelwert des VGZ III zeigen die Messwerte ein Absinken der NOX- Zusatzbelastung von ca. 33 % relativ zum 12-Monatsmittelwert des Nullfalls

Die Emissions- und Ausbreitungsberechnungen mit PROKAS zeigen unter Ansatz des Windes aus dem Nullfall für VGZ I und VGZ II eine ca. 15 % geringere NOX-Zusatzbelastung in VGZ I relativ zum Nullfall (rote Kurve). Dies ist durch die entsprechend niedrigeren Verkehrsmengen begründet. Im VGZ II steigen die Verkehrsmengen relativ zu VGZ I wieder an. Dies bedingt eine ca. 4 %-Punkte höhere Zusatzbelastung, welche aber noch ca. 11 % niedriger als im Nullfall liegt. Im VGZ III hat sich der Verkehr im Vergleich zu VGZ II etwas reduziert, und liegt deutlich unter dem des Nullfalls. Dies bedingt ca. 14 % niedrigere NOx-Zusatzbelastungen als im Nullfall bzw. eine um 3 %-Punkte geringere NOx-Zusatzbelastung als im VGZ II.

Abb. 10: Berechnete normierte Mittelwerte NOX-Zusatzbelastung (ZB) [µg/m³] für die Messstelle Zeppelinstraße im Vergleich zu den Messwerten. Erläuterung siehe Text.

Bezieht man in die Berechnungen, die in den Vergleichszeiträumen aufgetretenen realen Windverhältnisse ein (grüne Kurve), dann zeigt sich, dass der Wind für die Messstation Zeppelinstraße in VGZ I ungünstiger als im Nullfall war (Grüne Kurve liegt dort höher, als rote Kurve). In VGZ II ist der Wind für die Messstelle Zeppelinstraße günstiger als im Nullfall (Grüne Kurve liegt dort unter der roten Kurve). In VGZ III ist der Wind für die Messstelle Zeppelinstraße etwas ungünstiger als im Nullfall (Grüne Kurve liegt dort über der roten Kurve). (Achtung: Für andere Immissionsorte im Straßennetz Potsdam kann dies je nach räumlicher Lage zur Emissionsquelle anders sein).

Bezieht man noch den Einfluss des Tempolimits auf 30 km/h in die Berechnungen ein, entsprechend der durchgeführten Sonderuntersuchung mit mobilen Messfahrten wurde im Querschnitt der Zeppelinstraße im Bereich des Messcontainers ein Minderungspotenzial von ca. 6 % abgeleitet (Lohmeyer, 2015), so ergeben sich in VGZ I ca. 10 %, in VGZ II ca. 22 % sowie im VGZ III ca. 16 % Minderung relativ zum Nullfall.

Bisher noch nicht in den Berechnungen berücksichtigt, ist u. a. die Veränderung des Straßenraumes. Mit dem Abrücken der Emissionsquelle von der Messstelle, der Verringerung der Emissionen infolge der Modernisierung der Fahrzeugflotte zwischen 2015 und 2017 bzw. 2018 sowie dem Einfluss unterschiedlicher Luft-Temperaturniveaus (insbesondere zwischen VGZ II und Nullfall) auf das NOX-Abgasverhalten sind weitere Minderungspotenziale zu berücksichtigen.

Geht man davon aus, dass die Differenz zwischen der lila Kurve und den Messwerten maßgeblich diesen drei Effekten zugesprochen werden kann, sind die aufgezeigten Veränderungen der NOX-Zusatzbelastung plausibel und es ergibt sich im 12 Monatsmittelwert des VGZ III eine Immissionsminderung bei gleichen Windverhältnissen von

  • ca. 11 % durch Minderung in den Verkehrsstärken,
  • ca. 6 % durch Tempo 30 und
  • ca. 17 % durch Straßenraumumgestaltung, Flottenerneuerung und unterschiedlicher Umgebungstemperatur.

Die in VGZ III leicht höhere mittlere Lufttemperatur relativ zum Nullfall (+0.6 K) bedingt entsprechend HBEFA3.3 (UBA, 2017) tendenziell leicht geringere NOX-Emissionen für Euro-4, Euro-5 und Euro-6-Diesel-PKW (und auch leichten Nutz-fahrzeugen). Bei gleicher Temperatur in VGZ III wie im Nullfall wären ggf. die NOX-Emission etwas geringer ausgefallen, das Gesamtminderungspotenzial läge damit etwas niedriger.

In Summe liegt das Minderungspotenzial der NOX-Zusatzbelastung durch die Minderung der Verkehrsstärken sowie das Tempo 30 bei ca. 17 %. Berücksichtigt man noch Straßenraumumgestaltung, Flottenerneuerung und unterschiedliche Umgebungstemperatur liegt die Minderung bei ca. 34 %.

Die Differenz der NO2-Messwerte der Zeppelinstraße zwischen VGZ III (ca. 36 µg/m³) und Nullfall (ca. 43 µg/m³) liegt bei ca. 7 µg/m³. Davon sind ca. 3 µg/m³ Minderung durch die in VGZ III geringere Hintergrundbelastung (Potsdam-Zentrum) bedingt. In VGZ III war der Wind für die Messstelle Zeppelinstraße etwas ungünstiger als im Nullfall (siehe oben), was auch zu geringfügig höheren NO2-Konzentrationen geführt hat (Einfluss ca. 1 µg/m³).

Abschätzungen mit dem vereinfachten Chemiemodell zeigen, dass die in VGZ III um ca. 11 µg/m³ höhere Ozonbelastung als im Nullfall zu ca. 4 µg/m³ höheren NO2-Werten geführt hat, als wenn die Ozonbelastung des Nullfalls eingetreten wäre. Die Globalstrahlungen waren im Nullfall und in VGZ III vergleichbar, so dass hier keine relevanten Auswirkungen zu erwarten waren.

D.h. ohne Maßnahme und Flottenerneuerung hätte der NO2-Mittelwert in VGZ III bei 43 µg/m³ + 4 µg/m³ (höheres Ozon) + 1 µg/m³ (ungünstigerer Wind) - 3 µg/m³ (geringere Hintergrundbelastung= 45 µg/m³ gelegen. Der Messwert war aber 36 µg/m³, d.h. die Maßnahmen bezogene Reduktion (inkl. Flottenerneuerung) lag bei ca. 9 µg/m³, also bei ca. 20 %. Eine sichere NO2-Grenzwerteinhaltung ist damit bei vergleichbarer Meteorologie und Hintergrundbelastung sowie einer dauerhaften Reduzierung der Verkehrsmengen entsprechend VGZ III an der Messstelle Zeppelinstraße sehr wahrscheinlich.

Die gemessenen NO2-Jahresmittelwerte bestätigten mit 34 µg/m³ (Jahr 2017) bzw. 36 µg/m³ (Jahr 2018) diese Erwartung und zeigten erstmals die Einhaltung des Grenzwertes.

Ausblick

Im Rahmen der noch laufenden Evaluierungsarbeiten werden demnächst die Messfahrten und mikroskaligen Emissionsberechnungen mit Phem unter Realverkehr Tempo 30 wiederholt und die Veränderungen gegenüber dem Nullfall im Detail quantifiziert.

Diese Daten werden dann in eine mikroskalige Ausbreitungsbetrachtung mit MISKAM für die Zeppelinstraße sowie das umliegende Straßennetz (siehe Abb. 3) einfließen, um

  • den Einfluss des Tempolimits im Realverkehr auf die Emissionen zu überprüfen,
  • den Einfluss der Veränderung der Straßenraumgestaltung auf die Messstelle zu quantifizieren und
  • die Veränderungen im umliegenden Straßennetz näher zu quantifizieren und zu bewerten.

In diesem Zug werden auch die (maßnahmenunabhängigen) Veränderungen in der Fahrzeugflotte infolge der ,,natürlichen“ Erneuerung der Fahrzeugflotte zwischen 2015 und 2018 quantifiziert, um diese von der eigentlichen Maßnahmenwirkung zu separieren.

Sollten für das umliegende Straßennetz signifikante Verschlechterungen beobachtet werden, z.B. durch neue Verdrängungs- bzw. Schleichverkehre, dann werden verkehrsplanerische bzw. –organisatorische Maßnahmen abgeleitet, um diesen negativen Einflüssen zu begegnen. Zur Absicherung der Befunde werden dazu auch projektbegleitende NO2-Passivsammlermessungen an 10 Standorten über ein Jahr durchgeführt. Diese wurden im Oktober 2018 begonnen.

Literatur

  1. Düring, I., Bächlin, W., Ketzel, M., Baum, A., Friedrich, U., Wurzler, S. (2011): A new simplified NO/NO2 conversion model under consideration of direct NO2-emissions. Meteorologische Zeitschrift, Vol. 20 067-073 (February 2011).
  2. IVU Umwelt GmbH (2012): Endbericht Verkehrsgutachten Einfluss des Verkehrs und seiner Entwicklung auf die Luftqualität im Land Brandenburg. Auftraggeber: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Potsdam. Freiburg, 26.03.2012 unter Mitarbeit des Planungsbüros Dr.-Ing. D. Hunger, Dresden.
  3. Lohmeyer (2015): LRP Potsdam, Durchführung und Auswertung von Messfahrten zur T30 Wirkungsuntersuchung. Ingenieurbüro Lohmeyer GmbH & Co. KG, Radebeul. Projekt 71114-14-10, September 2015. Gutachten im Auftrag von: Umweltministerium Brandenburg über SVU Dresden, Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger, Dresden.
  4. UBA (2017): Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, Version 3.3 (HBEFA 3.3) (aktualisierte Version vom April2017). Dokumentation zur Version Deutschland erarbeitet durch INFRAS AG Bern/Schweiz in Zusammenarbeit mit IFEU Heidelberg. Hrsg.: Umweltbundesamt Berlin.