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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Das Interesse der Presse an der Baustelle
„Das Leben ist eine Baustelle“ war ein 1997 durchaus erfolgreicher deutscher Spielfilm. Mit Baustellen im eigentlichen Sinn hatte der Streifen nichts zu tun, aber der Titel zeigt, wie umfassend der Begriff „Baustelle“ sein kann. Die Baustelle ist sozusagen das pure Leben, denn gebaut wird immer und überall. Wenn gebaut wird, ist das noch lange nicht allen recht, wenn nicht gebaut wird aber auch nicht. Damit hätten wir schon alle wichtigen Klischees zum Thema Baustelle versammelt – und damit die Gründe, warum Medien sich für Baustellen interessieren.
Baustellen betreffen eben unheimlich viele Menschen – und damit unheimlich viele Nutzer von Medien. Und Journalisten bemühen sich eben, die Themen aufzugreifen, von denen sie annehmen, dass sie für viele Leser, Hörer oder Zuschauer bedeutend sind und bei diesen auch auf Interesse stoßen. Fast jeder ist Verkehrsteilnehmer, egal ob im Auto, auf dem Fahrrad, in Bus und Bahn oder schlichtweg zu Fuß. Und fast jeder trifft auf seinen Wegen eben mehr oder weniger regelmäßig auf Baustellen, wird dadurch aufgehalten, ärgert sich über die Verspätung, schaut vielleicht neugierig den Bauarbeitern zu oder freut sich, dass eine marode Fahrbahn endlich saniert wird.
Baustellen sind Gesprächsstoff. Bei wenigen Themen findet man so schnell einen gemeinsamen Nenner, wie bei Straßenbauarbeiten. Dass die Fahrbahnen in der eigenen Stadt bekanntlich die schlechtesten weit und breit sind, ist selbst unter Menschen, die sich gerade drei Minuten kennen, Konsens. Auch abseits aller Ironie: Emotionen und Alltagserfahrungen, die sich mit dem Thema „Baustelle“ verbinden, machen es zu einen naheliegenden Beschäftigungsfeld für die Medien.
2 Journalistische Herangehensweisen ans Thema Baustelle
Grundsätzlich kann man dabei aus Journalistensicht drei Herangehensweisen unterscheiden.
2.1 Der Service-Faktor
Baustellen sind üblicherweise mit Einschränkungen für Verkehrsteilnehmer verbunden. Die gewohnte Fahrt zur Arbeit dauert länger, der gewohnte Parkplatz fällt weg, die Haltestelle wird verlegt, statt der Straßenbahn fährt nur ein Bus. Wer vorher weiß, dass es an einer bestimmten Stelle eng wird, womöglich Staus zu erwarten sind, kann über Alternativen nachdenken. Journalisten sehen ihre Rolle hier darin, praktische Alltagshilfe zu leisten.
Für Bauträger ist es daher sinnvoll, bereits im Vorfeld einer Baumaßnahme an die Medien heranzutreten, üblicherweise in Form einer Pressemitteilung. Hier sollte aufgeführt werden, wer wann, wo und warum (et)was zu bauen beabsichtigt. Eine solche Information kann durchaus mehrmals erfolgen, besonders, wenn genaue Baudaten zunächst nicht feststehen. Zudem bewahren Redaktionen Pressemitteilungen aufgrund der Materialflut, mit der sie konfrontiert werden, selten für längere Zeit auf. Eine Information, die zwei Wochen vor Baubeginn vesandt wurde, kann zwei Tage vorher durchaus wiederholt werden.
Wichtig sind exakte Angaben. Eine angekündigte Sperrung, die dann nicht stattfindet, oder eine unpassierbare Umleitung beschädigen die Glaubwürdigkeit des Mediums und die des Bauträgers. Zudem empfiehlt es sich, die Grunddaten zur Baustelle schriftlich zu fixieren und eine Telefonnummer für Nachfragen zu hinterlassen. Das vermindert – auch bei Presse- oder Informationsgesprächen – Übertragungsfehler. Nicht alles, was besprochen wird, kommt beim Journalisten immer „richtig“ an, manche Fragen ergeben sich erst im Nachhinein. Im Zweifel ist es besser, später nochmal auf eine Übersicht schauen zu können.
2.2 Der politische Faktor
Beim Straßenbau geht es wie bei allen Bauvorhaben nicht zuletzt um Geld, üblicherweise um Steuergeld. Kommunale Baustellen haben deshalb auch immer eine politische Dimension. Hier wird das Geld der Bürger verbaut, und vielleicht nicht immer so, wie manche Bürger sich das wünschen. Muss die eine Straße wirklich lärmmindernden Asphalt bekommen, wenn die andere noch Schlaglöcher hat? Hier setzt die Berichterstattung von Redaktionen üblicherweise an, wenn Baumaßnahmen noch in der Planungsphase sind und die Politik darüber zu entscheiden hat.
Auch hier kann Pressearbeit sinnvoll sein: Journalisten sind – gerade im lokalen Bereich – eher Generalisten als Spezialisten und mit den Details des Planungswesens meist nur vage vertraut. Warum bei einem Straßenausbau nicht nur die Fahrbahn, sondern auch der Unterbau erneuert werden muss, warum ein Vorhaben sich über Jahre hinzieht, wo die Geldmittel dafür herkommen, all das lässt sich erklären. Die Nachfrage eines Journalisten nach einem Projekt kann eine gute Gelegenheit sein, hier auch grundsätzliche Informationen anzubieten.
2.3 Der Skandal-Faktor
Wo gebaut wird, geht auch einiges schief. Die Öffentlichkeit wird das bei Straßenbaustellen nur selten mitbekommen. Doch es gibt natürlich „Klassiker“, über die jede Lokalzeitung schon berichtet hat: Die Baustelle, auf der wochenlang niemand zu sehen ist. Die gerade fertiggestellte Fahrbahn, die wieder aufgerissen wird, weil Baumaßnahmen nicht aufeinander abgestimmt wurden. Die Kosten, die „explodiert“ sind und nun die Anliegerbeiträge nach oben treiben. Und – die schlimmste Wendung – der Unfall, bei dem Arbeiter oder Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen.
Redaktionen werden in solchen Fällen schnelle und vorbehaltlose Antworten auf ihre Fragen erwarten. Und die sind auch der beste Weg, um Gerüchte zu entkräften oder Verdachtsfällen entgegenzutreten. Wie in allen Fällen der Krisenkommunikation macht sich Offenheit auch hier bezahlt.
2.4 Der Unterhaltungs-Faktor
Baustellen üben eine eigenartige Faszination auf Menschen aus – zumindest auf den männlichen Teil der Bevölkerung. Weshalb also nicht zeigen, was man hat und was man macht? Je größere Maschinen zum Einsatz kommen, desto größer wird das Interesse der Medien sein, so etwas im Bild zu zeigen. Wann immer die Deutsche Bahn mit einer Gleisstopfmaschine unterwegs ist, kommen die Einladungen zum entsprechenden Pressetermin – und immer gibt es imposante Bilder. Nun wird im kommunalen Bereich vielleicht eine Nummer kleiner gebaut, aber auch hier lässt sich – gerade in der nachrichtenarmen Zeit – durchaus mal zeigen, wie eine Straße asphaltiert wird.
3 Die Darstellungsformen
Journalisten arbeiten mit Texten, Bildern und Grafiken. Die Bandbreite, wie Medien Baustelleninformationen umsetzen, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Zur klassischen Meldung in einer Zeitung kommen inzwischen Grafiken mit Sperrzeichen und Umleitungspfeilen. Eine Umleitungsstrecke lässt sich für einen Internetauftritt aus dem fahrenden Auto filmen. Und im morgendlichen Berufsverkehr geben Online-Portale und Radiostationen die aktuellen Wartezeiten an besonders belasteten Straßenabschnitten an.
3.1 Die Meldung
Baustellenankündigungen werden in den meisten Fällen als Meldung oder als Bericht verfasst. Bei Meldungen handelt sich um sachliche Darstellung, in der die Fragen was?, wann?, wo?, wer? und warum? möglichst kurz und zweifelsfrei beantwortet werden sollen. Eine Sonderform der Meldung ist ein so genanntes Solobild, das eine aktuelle Situation zeigt und mit einer kurzen Bildunterschrift versehen ist.
3.2 Der Bericht
Die Länge der entsprechenden Darstellung bemisst sich in der Regel nach der Bedeutung der Baumaßnahme – die Sperrung einer Hauptstraße wird zu mehr Problemen führen als die einer Nebenstraße, es gibt also mehr mitzuteilen. Geht der Umfang über einige Sätze hinaus, handelt es sich um einen Bericht. Hier können die einzelnen Aspekte des Vorhabens umfangreicher und intensiver dargestellt werden.
3.2 Das Bild
Bei längeren Texten stellt sich für Journalisten immer die Frage nach einer Bebilderung. Bilder erhöhen die Aufmerksamkeit für ein Thema und verdeutlichen den angesprochenen Sachverhalt. Im Vorfeld einer Baumaßnahme werden Redaktionen sich bemühen, die aktuelle Situation zu zeigen, beispielsweise die Straßenschäden, die beseitigt werden sollen – oder die hübsche Wiese, über die eine neue Kreisstraße gebaut werden soll. Möglich ist auch die Verwendung von Symbolbildern, die üblicherweise genommen werden, wenn keine aktuelle Aufnahme vorhanden ist, beispielsweise, wenn auf eine kurzfristig anberaumte Maßnahme hingewiesen werden soll.
3.3 Die Grafik
Die klassische Grafik für die Baustellenberichterstattung ist der Stadtplan. Eine Sperrung und eine Umleitungsstrecke in einen Plan einzuzeichnen erspart in der textlichen Darstellung die mitunter umständliche Beschreibung der Örtlichkeiten. Solche Pläne können vom Baustellenträger vorbereitet werden. Grundsätzlich können Redaktionen so etwas zwar auch anfertigen; Zeitmangel und Unterbesetzung stehen dem aber oft im Wege.
3.4 Der Kommentar
Nachricht und Meinung werden im Journalismus getrennt. Für die wertende Einordnung eines Themas gibt es deshalb eine eigene Form: den Kommentar, der als solcher kenntlich gemacht ist. Hier kann der Journalist mitteilen, was er von einer bestimmten Sache hält. Im Baustellenbereich heißt das in der Regel: Sind die vorhandenen kommunalen Mittel an dieser Stelle richtig eingesetzt?
3.5 Andere Darstellungsformen
Features, Porträts und Reportagen schreiben ambitionierte Journalisten gerne – finden dafür im lokalen Rahmen aber selten Zeit und selten dankbare Themen. Dabei fänden eine längere Darstellung der Abläufe an einer Baustelle oder das Porträt eines verantwortlichen Bauleiters durchaus ihre Leser. Den Redaktionen etwas vorzuschlagen, kann nicht schaden.
4 Fach- und Umgangssprache
Jede Fachrichtung hat ihre eigenen Begriffe, die in der breiten Öffentlichkeit nie auftauchen. Der Handwerker greift zum Schraubendreher, während der Rest der Bevölkerung den Schraubenzieher im Werkzeugkasten hat. Der Begriff ist zwar unsinnig, weil das Werkzeug nun mal keine Schrauben „zieht“, aber er ist etabliert. Journalisten werden sich deshalb fast immer für den Schraubenzieher und gegen den Schraubendreher entscheiden. Man schreibt – mit gewissen Grenzen – so, wie die Bevölkerung spricht.
Das gilt natürlich auch für das Baustellenwesen. Der „Flüsterasphalt“ ist so ein Fall. Der Begriff ist an sich sinnlos, weil die Fahrgeräusche auf diesem Belag kaum auf Flüsterlautstärke anzusiedeln sind. Korrekt gesprochen müsste vom „lärmmindernden Asphalt“ die Rede sein. Der Begriff hat jedoch zwei Nachteile: Er klingt recht technokratisch und ist außerhalb der Fachwelt praktisch nicht bekannt. Und da kommt wieder der falsche „Flüsterasphalt“ ins Spiel. Davon hat jeder schon einmal gehört, und davon kann jeder sich schnell eine Vorstellung machen: Eine Fahrbahnoberfläche, die nicht ganz so laut ist.
Journalisten werden sich deshalb in vielen Fällen für den populären statt für den korrekten Begriff entscheiden. Auch Journalisten kämpfen um die Aufmerksamkeit ihrer Leser, Hörer und Zuschauer, sie versuchen deshalb, an bekannte Begrifflichkeiten des Publikums anzuknüpfen. Es sind eben Medien für ein breites Publikum und nicht für eine Fachöffentlichkeit.
Ähnlich verhält es sich mit Zuspitzungen, die sich üblicherweise in Überschriften finden. Die versprechen manchmal mehr als ein Text schließlich hergibt. Das drohende Chaos, das man aus einem Titel herauslesen kann, relativiert sich, wenn man den darunter stehenden Text zu Ende gelesen hat. Auch hier geht es darum, den Nutzer unter den vielen Leseangeboten, die beispielsweise eine Tageszeitung bereithält, auf einen bestimmten Text aufmerksam zu machen. Im Internet gilt dieser Aufmerksamkeits-Faktor noch stärker, schließlich ist das potenzielle Angebot für den Leser im Netz noch größer als in der einmal aufgeschlagenen Zeitung.
5 Wirkungen
Lohnt sich die Pressearbeit im Baustellenmanagement? Medienwirkungen lassen sich im Einzelfall nur schwer wissenschaftlich exakt nachweisen. Eine Untersuchung der Wirkung von Verkehrshinweisen oder Umleitungsempfehlungen ist bisher nicht bekannt. Und natürlich hält sich nicht jeder Verkehrsteilnehmer an die vorgeschlagenen Umleitungsrouten. Dennoch dürfte eine Einbeziehung der Öffentlichkeit über die Medien den geordneten Ablauf eines Bauvorhabens und das Verständnis dafür fördern.
Literaturverzeichnis
Häusermann, Jürg (2/2005): Journalistisches Texten, Sprachliche Grundlagen für professionelles Informieren, UVK, Konstanz
Weischenberg, Siegfried; Rakers, Judith (2001): Nachrichten-Journalismus, Anleitungen und Qualitäts-Standards für die Medienpraxis, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden |