FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Schätzung der Anzahl von täglichen Ladevorgängen von Elektroautos in Stadtbezirken
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Bogenberger, Maximilian Schüßler
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Obwohl in den letzten Jahren eine immer größere Anzahl von Elektroautos von verschiedenen Herstellern am Markt verfügbar ist, konnte bis jetzt nicht geklärt werden, wie ein bedarfsgerechter Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur gewährleistet werden kann. Das vorliegende Modell schätzt die Anzahl von täglichen Ladevorgängen in einzelnen Stadtbezirken. Zu diesem Zweck wurde ein Verfahren entwickelt, das unterschiedliche Gruppen wie private und gewerbliche Nutzer getrennt betrachtet. Dabei werden individuelle Eigenschaften dieser, wie zum Beispiel Lade- und Fahrtzielverhalten beachtet. Dieses Modell wird anschließend vereinfacht auf die Landeshauptstadt München angewendet und für ein Verbreitungsszenario von Elektromobilität ausgewertet.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Vor dem Hintergrund endlicher Rohölvorkommen und der hohen Schadstoffbelastung in Großstädten treten seit einigen Jahren alternative, umweltfreundlichere Technologien in den Vordergrund. Aus diesem Grund brachte die Bundesregierung 2009 das bis 2011 datierte Förderprogramm „Elektromobilität in Modellregionen“ (mittlerweile existiert ein Folgeprogramm mit dem Namen „Schaufenster Elektromobilität“) auf den Weg, mit dem Ziel aus regionalen Schwerpunkten batterieelektrische Mobilität zu entwickeln. Dadurch soll Deutschland als ein Leitmarkt der Elektromobilität positioniert werden (siehe NOW 2011, [1]). Innerhalb dieses Förderprogramms wurden alle auftretenden Schwierigkeiten hinsichtlich eines großflächigen Einsatzes von Elektroautos, wie zum Beispiel benötigter ordnungsrechtlicher Rahmen oder auftretende Sicherheitsbedenken untersucht. Die wesentlichen Nachteile von Elektrofahrzeugen liegen in den zugrundeliegenden technischen Eigenschaften begründet: Zum einen besitzen Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb eine Reichweite von mehreren Hundert Kilometern, während Elektrofahrzeuge eine deutlich geringere Reichweite (ca. 150 km) aufweisen. Zum anderen lassen sich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Gegensatz zu Elektroautos inner- halb weniger Minuten auftanken. Bei den Elektrofahrzeugen dauert das Aufladen der Batterien abhängig von der Art der Ladung deutlich länger (zum Teil bis zu 8 Stunden). Diese Tatsache erfordert eine völlig neue Herangehensweise bei dem Aufbau einer Infrastruktur für Elektrofahrzeuge. Es muss ein Weg gefunden werden, einen sinnvollen Übergang von einer aktuell existierenden zentralen Tankstelleninfrastruktur zu einer dezentralen Ladeinfrastruktur zu gewährleisten. Die Ladeinfrastruktur lässt sich grundsätzlich in drei Bereiche unterteilen:

1.    Öffentliches Laden

2.    Halböffentliches Laden

3.    Privates Laden

Von diesen drei Bereichen haben Staat bzw. Kommunen lediglich auf den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur direkten Einfluss. Deshalb konzentriert sich die hier aufgeführte Untersuchung auf diesen Aspekt. Bei der Planung einer geeigneten Anzahl von Ladestationen müssen vor allem zwei Punkte beachtet werden. Zum einen ist das Ziel durch eine möglichst dichte Verteilung von Ladepunkten die Reichweitenangst bei potenziellen Nutzern abzubauen. Zum anderen soll die Ladeinfrastruktur die auftretende Nachfrage von Elektroautonutzern nach Ladepunkten abdecken. Dabei sollte sich diese am tatsächlichen Bedarf orientieren, da der Staat Budgetzwängen unterliegt und Ladestationen im Moment nicht profitabel betrieben werden können (siehe FFE 2010, [2]). Dieser Aspekt wird häufig auch unter „Bedarfsgerechter Aufbau“ zusammengefasst.

2 Stand der Technik

Allgemein gibt es beim Ladeinfrastrukturaufbau unterschiedliche Aspekte in Deutschland zu beachten. Diese wurden zum großen Teil in einem Leitfaden (siehe NOW 2011, [3]) zusammengefasst, der auf den Erfahrungen aus den verschiedenen Modellregionen basiert. Dabei wurden unterschiedliche Kriterien für den Aufbau von Ladeinfrastruktur identifiziert, unter anderem die Lage (publikumswirksam, hohe Frequenz), die Integration in den Stadtraum (städtebauliche Gestaltungsprinzipien, Denkmalschutz), die intermodale Integration sowie die schon erwähnte bedarfsgerechte Dimensionierung.

Bei dem hier vorgestellten Modell steht das Kriterium der bedarfsgerechten Dimensionierung im Mittelpunkt. Deshalb wird dieser Aspekt bei der Literaturrecherche besonders beachtet. Dass durchaus auch andere Herangehensweisen existieren, lässt sich zum Beispiel bei einem Ansatz von Ried (siehe RIED, [4]) erkennen, der verschiedene Stadtquartiere bezüglich ihrer Eignung zur Aufbau von Ladestationen typisiert hat. Dieser basiert auf der Identifikation homogener Gebiete innerhalb des Stadtgebiets mit Hilfe unter anderem der baulichen Dichte, der Einwohnerdichte und der Nutzungsart.

In dem schon erwähnten Leitfaden (siehe NOW 2011, [3]) versteht man unter einer bedarfsorientierten Dimensionierung, dass „die Ausweisung von Standorten (…) an das bestehende Mobilitätsbedürfnis angepasst werden [muss, M.S.], um einer Über- oder Unterdimensionie- rung der Anzahl der Standorte vorzubeugen.“ Das Aufstellen von Ladestationen soll sich also am geschätzten zukünftigen Bedarf orientieren, eine flächenhafte Abdeckung mit öffentlichen Ladepunkten ist nicht das Ziel.

Dieses Kriterium findet sich bei einem Großteil der Artikel, die sich mit der Positionierung von Elektroladestationen beschäftigen. Häufig spielt bei den dort vorgestellten Modellen die räumliche Verteilung, also die Interaktion der Ladesäulen untereinander eine weitere wichtige Rolle (siehe CHEN 2012, [5]; LAM 2013, [6]).

In [5] wurde zuerst mittels linearer Regression die Parknachfrage für verschiedene Regionen bestimmt. Es wird nämlich angenommen, dass die Nachfrage nach Ladevorgängen proportional zur Parknachfrage ist. Das vorgestellte Modell ist ein gemischt-ganzzahliges lineares Optimierungsproblem, um Ladestationen auf verschiedene Regionen zu verteilen. Dabei wurde die Entfernung aller Elektroautonutzer vom Lade- zum Zielort abhängig von der individuellen Parkdauer zu minimiert.

Während sich in [5] das Modell eher aus praktischen Gegebenheiten ableitet, ist [6] deutlich theoretischer aufgebaut. Dabei sind mögliche Ladeorte als Knoten eines Graphen modelliert. Welche Knoten des Graphen für die Platzierung der Ladepunkte ausgewählt werden, wird ebenfalls durch einen Optimierungsansatz gelöst. Bei der Formulierung der Zielfunktion wird darauf geachtet, dass die Investitionskosten und die Anzahl der benötigten Ladestationen minimiert werden. Es müssen zwei Bedingungen beachtet werden. Zum einen muss die Nachfrage durch die Ladeinfrastruktur abgedeckt werden (Bedarfsorientierung), zum anderen soll es möglich sein durch die Ausnutzung der vorgeschlagenen Ladepunkte jeden Ort in der Un- tersuchungsregion mit einem Elektroauto zu erreichen (Räumliche Orientierung). Dieses ist aber im Gegensatz zu [5] kein gemischt-ganzzahliges lineares Problem, da in den Nebenbedingungen quadratische Terme auftreten. Daher zählt dieses vorgeschlagene Modell auch zu den NP-vollständigen Problemen.

Während bei den beiden vorherigen Modellen mit Hilfe der Nebenbedingungen die Ladenachfrage durch die vorgeschlagene Ladeinfrastruktur gänzlich abgedeckt werden soll, besitzt ein weiteres Modell (siehe FRAUDE 2011, [7]) einen anderen Fokus. So wird schon vorher festgelegt, wie viele Ladestationen im Untersuchungsgebiet aufgestellt werden dürfen. Das vorgestellte Minimierungsproblem versucht die Abdeckung der Nachfrage zu maximieren, wobei zwischen Tag- und Nachtnachfrage unterschieden wird. Bei der Modellierung der Nachfrage werden zumindest zwei Unterscheidungen getroffen, es werden jedoch lediglich Privathaushalte betrachtet und auch deren Möglichkeit zu Hause oder am Arbeitsplatz zu laden ignoriert.

Bei einer eher praktischeren Herangehensweise (siehe DUBOIS 2013, [8]) wird die Ladenachfrage durch Betrachtung der durchschnittlichen Wegelängen von amerikanischen Haushalten geschätzt. Dabei kommt man zu einem öffentlichen Ladebedarf von ca. 1,5 Stunden Laden pro Fahrzeug, wenn man Level 2 AC Laden voraussetzt.

Bei zwei anderen Artikeln, die sich mit der Positionierung bzw. der benötigten Anzahl von Lademöglichkeiten beschäftigen, wird wie in [6] auf die Modellierung der Nachfrage nicht näher eingegangen und diese als gegeben vorausgesetzt (siehe HANABUSA 2011, [9]; MALAND- RINO, [10]).

Während die bisher erwähnten Modelle zur Identifikation einer bedarfsgerechten Dimensionierung alle auf einer makroskopischen Herangehensweise basieren, ist es auch möglich eine zukünftige Ladeinfrastruktur mit Hilfe einer agentenbasierten Simulation, also einem mikroskopischen Ansatz, zu analysieren. So wird in [11] (siehe ELBANHAWY 2012, [11]) eine Struktur zur Erstellung einer solchen Simulation vorgestellt. Bei solch einer Vorgehensweise interagieren verschiedene Agenten so miteinander, dass diese sich in ihrem Ladeverhalten gegenseitig beeinflussen und so schließlich jeweils eine individuelle, perfekte Ladestrategie finden. Mit Hilfe eines solchen agentenbasierten Modells lassen sich schließlich unterschiedliche Szenarien zur Positionierung von Ladesäulen simulieren und analysieren. Ein Programm mit dem sich eine solche Simulation durchführen lässt ist MatSim. Waraich hat mit dieser Grundlage ein Modell entwickelt, mit dem sich agentenbasierte Elektroautos simulieren lassen (siehe MATSIM, [12]). Mit Hilfe dessen wurden verschiedene Analysen, wie zum Bespiel mögliche Auswirkungen auf das Stromnetz, durchgeführt (siehe WARAICH, [13]). Ähnlich wie bei den makroskopischen Modellen ist aber auch bei mikroskopischen Simulationen eine korrekte Vorhersage der Nachfrage nach Ladestationen die Grundlage für korrekte Ergebnisse.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass bei vielen Modellen zur Entwicklung einer geeigneten Ladeinfrastruktur eher die räumliche Verteilung im Mittelpunkt steht und die zugrundeliegende Ladenachfrageschätzung kaum beachtet wird. So wird häufig nicht zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen der Elektromobilität mit ihren individuellen Ladeeigenschaften unterschieden. Außerdem wird oft bei der Verteilung von Elektroautos auf die Bevölkerung von der aktuellen Pkw-Verteilung ausgegangen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass zu Anfang die Elektromobilität nur für eine kleinere Gruppe praktikabel und zusätzlich finanzierbar ist. Deshalb wird in diesem Artikel ein Modell vorgestellt, das zum Ziel hat, die Ladenachfrage in einzelnen Bezirken unter Beachtung der vorgestellten Defizite zu schätzen. Ein ähnliches Modell wurde auch schon für die Region um Stuttgart entwickelt (siehe WIRGES 2012, [14]). In diesem wurde ebenfalls großen Wert auf die unterschiedliche räumliche Verteilung der Elektromobilität in einer Gesamtregion gelegt.
Im nächsten Abschnitt werden Vorüberlegungen durchgeführt und vier unterschiedliche Nutzergruppen der Elektromobilität identifiziert. Daraufhin werden im nächsten Kapitel zwei unterschiedliche Modelle zum Schätzen der Ladenachfrage für einzelne Nutzergruppen in Stadtbezirken vorgestellt. In Abschnitt vier wird ein Modell angewendet und die Ergebnisse, die sich für die Ladenachfrage in den einzelnen Stadtbezirken der Stadt München ergeben, analysiert. Es folgt eine kurze Zusammenfassung und es wird ein Ausblick gegeben, in welchem Umfang das Modell erweitert werden kann und wo Verbesserungspotenziale liegen.

3 Vorüberlegungen

Ziel dieses Modells ist es die Anzahl der täglichen öffentlichen Ladevorgänge von Bezirken in einem Untersuchungsgebiet zu schätzen. Dabei ist nicht nur die Schätzung der Nachfrage der Elektroautonutzer im Untersuchungsgebiet wichtig, sondern auch die Beachtung des eingehenden Zielverkehrs. Deshalb wird um das Untersuchungsgebiet ein Ring von km gezogen, der zusätzlich betrachtet wird. Dieser Ring lässt sich in Gebiete einteilen. Dadurch erhält man ein Gesamtgebiet, das aus insgesamt Teilgebieten/Bezirken besteht (vgl. Bild 1).

Bild 1: Gesamtgebiet ?, das aus ? Teilgebieten des Untersuchungsgebiets ? und aus ? Teilgebieten des Rings um ? besteht

In zwei Studien (siehe KREMS 2011, [14]; TROMMER 2013, [16]) wurden Elektrofahrzeuge bzw. Plug-in Hybride an verschiedene Nutzer verteilt und anschließend deren Ladeverhalten analysiert. Dabei wurden zur Analyse unterschiedliche Nutzergruppen gebildet. In [14] wurde zwischen vier Gruppen (Nutzer mit bzw. ohne Heimlademöglichkeit, gewerbliche Flottennutzer und stationsbasiertes Carsharing) unterschieden. In [16] wurden lediglich drei Kategorien (Privatnutzer, Mischnutzer – z.B. Dienstwagennutzung, und gewerbliche Nutzer) gebildet. Im Folgenden wird die Einteilung in die einzelnen Kategorien aus [14] übernommen. Lediglich das stationsbasierte Carsharing als einzelne Nutzergruppe wird durch das free-floating Carsharing ersetzt, da dieses stärker auf eine funktionierende öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen ist. Die in [16] betrachteten Mischnutzer werden hier nicht gesondert betrachtet. In der Studie werden Misch- und gewerbliche Nutzer bei der Betrachtung des Ladeverhaltens zusammengefasst, da bei einer getrennten Analyse keine signifikanten Abweichungen aufgetreten sind. Durch die Berücksichtigung der beiden Studien werden insgesamt vier unterschiedliche Nutzgruppen (vgl. Bild 2) gebildet, die sich in ihrem Ladeverhalten unterscheiden und deshalb im Weiteren gesondert betrachtet werden.

Bild 2: Nutzergruppen von Elektrofahrzeugen, die sich in ihrem Ladeverhalten unterscheiden

4 Modell zur Schätzung der Ladenachfrage in Teilgebieten

4.1 Grundmodell

Das Grundmodell basiert darauf, dass sich die Gesamtladenachfrage in den Bezirken des Untersuchungsgebiets aus der Ladenachfrage der einzelnen Nutzergruppen zusammensetzt. Seien folgende Definitionen gegeben:

Definitionen siehe PDF.

Dann lässt sich die Gesamtladenachfrage für ein einzelnes Gebiet im Untersuchungsraum
einfach berechnen:

Formel siehe PDF.

In den nächsten beiden Abschnitten werden zwei Teilmodelle erläutert, mit denen sich die Ladenachfrage der einzelnen Nutzergruppen in den Teilgebieten schätzen lässt.
Bei dem ersten Modell werden PmH, PoH und F näher betrachtet. Diese unterscheiden sich vom CS vor allem in zwei Punkten. Erstens werden die einzelnen Autos von einer deutlich kleineren Fahrergruppe genutzt. Zweitens sind die Nutzer PmH, PoH und F nicht an ein Geschäftsgebiet wie beim CS gebunden.

Bei dem zweiten Modell wird CS explizit betrachtet. Obwohl deren Anteil an der Gesamtanzahl von Pkws sehr gering ist, spielt CS eine große Rolle bei der Nachfrage nach öffentlichen Ladestationen. Zum einen ist die Auslastung von CS Fahrzeugen deutlich höher als bei Privatfahrzeugen, zum anderen sind CS Fahrzeuge im Gegensatz Fahrzeugen in F auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen. Deshalb wird davon ausgegangen, dass CS vor allem zum Anfang der Elektromobilität für die öffentliche Ladeinfrastruktur eine vergleichsweise große Rolle spielen wird.

4.2 Makroskopisches Modell für Privatnutzer mit Heimladestation, Privatnutzer ohne Heimladestation und Flottennutzung

4.2.1 Schätzung des Elektroautoanteil

Um die Ladenachfrage in den einzelnen Bezirken des Untersuchungsgebiets schätzen zu können, muss man wissen wie stark sich die Elektromobilität in Zukunft in den einzelnen Bezirken entwickeln wird.

Sei dazu zu Anfang eine Schätzung des prozentualen Anteils von Elektroautos an der Gesamtanzahl von Pkws im Gesamtgebiet für ein Prognosejahr gegeben. Unter der Annahme, dass sich dieser bei den zwei übergeordneten Nutzergruppen (private und gewerbliche Nutzer) in gleicher Weise abbildet, gilt:

Formel siehe PDF.

Diese prozentualen Anteile im Gesamtgebiet spiegeln jedoch nicht die tatsächliche zukünftige Verteilung von Elektroautos in den einzelnen Teilgebieten wider. Die Entwicklung der Elektromobilität in den Teilgebieten wird aufgrund ihrer unterschiedlichen soziodemografischen Zusammensetzungen in verschiedenen Geschwindigkeiten ablaufen. Deshalb wird im Folgenden vorgestellt, wie man die zukünftigen prozentualen Anteile von Elektroautos für die unterschiedlichen Nutzergruppen in den Bezirken bestimmen kann. Im ersten Schritt werden die Privatnutze, im zweiten die gewerblichen Nutzer betrachtet.

4.2.2 Schätzung des Elektroautoanteils in den einzelnen Teilgebieten für Privatnutzer

Verschiedene Studien hatten zum Ziel, Charakteristiken von Personen zu identifizieren, die zuerst Elektroautos kaufen. Im Allgemeinen werden diese Personen auch als „Early Adopter“ bezeichnet und beschreiben nach den „Innovatoren“ die zweite Gruppe von Konsumenten, welche eine neue Technologie übernehmen (siehe ROGERS 1962, [19]). Die in den Studien analysierten Eigenschaften der „Early Adopter“ sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Diese basiert vor allem auf einem Artikel von Campbell et al (siehe CAMPBELL 2011, [20] ), der durch eine weitere Studie ergänzt (siehe WIETSCHEL 2012, [21]) wurde.

Tabelle 1: Eigenschaften von Early Adoptern der Elektromobilität

Seien verschiedene soziodemografische Daten für die betrachteten Teilgebiete gegeben, die die vorgestellten Eigenschaften für Early Adopter der Elektromobilität möglichst genau abbilden. Dann lässt sich aus diesen mittels einer multivariaten Analysemethode, der explora- tiven Faktorenanalyse (siehe BACKHAUS 1980, [29]), und einer einfachen Transformation für jedes Teilgebiet ein Index berechnen. Dieser gibt an, wie stark in Bezirk die Elektromobilität im Vergleich zum Durchschnitt erwartet wird. Dadurch lässt sich der Anteil der Elektromobilität bei Privatnutzern in den einzelnen Teilgebieten berechnen:

Formel siehe PDF.

Durch die explorative Faktorenanalyse werden Korrelationen zwischen den soziodemografischen Daten berücksichtigt. Dabei werden unterschiedliche Faktoren gebildet die korrelierte Daten auf sich vereinigen. Anschließend könnte man noch die einzelnen Faktoren unterschiedlich stark gewichten, um einzelne soziodemografische Daten stärker in die Indexberechnung einfließen zu lassen.

Mit einer linearen Transformation wird anschließend der Index für jedes Teilgebiet berechnet. Die Transformation benötigt dafür die erwartete Standardabweichung der einzelnen Indizes vom Mittelwert. Die einzelnen Schritte zur Berechnung eines Early-Adopter-Indexes werden auch nochmal in Bild 2 durch einen Flowchart verdeutlicht:

Bild 2: Flowchart – Berechnung Early-Adopter-Index

Durch diese Berechnung erhält man die prognostizierten Elektroautoanteile für die Obernutzergruppe Privathaushalte. Im nächsten Schritt wird geschätzt, wie sich diese auf die PmH und PoH aufteilt. Allgemein sieht die Aufteilung für jedes Teilgebiet folgendermaßen aus:

Formel siehe PDF.

APmH und APoH geben dabei an, in wie weit sich in PmH und PoH aufgliedern. Diese Aufteilung hängt stark davon ab, wie viele Haushalte in Einzelfamilien- oder in Mehrfamilienhäusern im Bezirk leben. In Teilgebieten im ländlichen Raum ist der Anteil von Einfamilienhäusern höher als in Teilgebieten im Kern einer Großstadt. Da für diese Gruppe häufig ein eigener Stellplatz vorhanden ist, wird für diese die Installation einer Heimladestation einfacher.

4.2.3 Schätzung des Elektroautoanteil in den einzelnen Teilgebieten für gewerbliche Nutzer

Es wird angenommen, dass der prozentuale Anteil von Elektrofahrzeugen bei gewerblichen Fahrzeugen dem in der F entspricht. Es gilt also:

Formel siehe PDF.

Weiterhin wird die Nachfrage der einzelnen Gewerbebetriebe an der Elektromobilität in den verschiedenen Teilgebieten deutlich homogener sein als bei den Privatnutzern. Deshalb wird davon ausgegangen, dass sich der prozentuale Anteil von Elektrofahrzeugen in F zwischen den Teilgebieten nicht unterscheidet, es gilt also:

Formel siehe PDF.

4.2.4 Bestimmung der täglichen Ladevorgänge

Es sei eine Quelle-Ziel-Matrix aufgeteilt nach Fahrtzwecken gegeben. Aus dieser lassen sich zwei Quelle-Ziel-Matrizen bilden, einmal für private und einmal für dienstliche Fahrten. Weiterhin werden Fahrten aus diesen beiden Quelle-Ziel-Matrizen in für das „öffentliche Laden relevante“ und „nicht relevante“ Fahrten aufgeteilt. So sind zum Beispiel für Privatnutzer Fahrten zur Arbeit für öffentliches Laden nicht relevant. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Privatnutzer entweder eine Parkmöglichkeit beim Arbeitgeber gestellt bekommt, oder es jeden Tag zu viel Aufwand für den Privatnutzer wäre eine freie Ladesäule zu finden. Auch ist die Fahrt zur eigenen Wohnung für PmH im Gegensatz zu PoH für das öffentliche Laden nicht relevant, da dort ein eigener Ladepunkt zur Verfügung steht. Mit solchen Fahrtzweck bezoge- nen Annahmen erhält man für die drei unterschiedlichen Nutzergruppen PmH, PoH und F Quelle-Ziel-Matrizen, die alle Fahrten enthalten, die für das öffentliche Laden in Frage kommen.

Unter der Annahme, dass der Anteil elektrischer Fahrten aus Teilgebiet nach Teilgebiet im Allgemeinen von dem Anteil von Elektrofahrzeugen in Quellzelle abhängt, kann man die Anzahl elektrischer, laderelevanter Fahrten berechnen (am Beispiel PmH):

Formel siehe PDF.

Eine Ausnahme bilden dabei die Fahrten der PoH, die als Ziel die eigene Wohnung haben. Hier berechnet sich die Anzahl elektrischer, laderelevanter Fahrten mit Hilfe des Anteils von Elektrofahrzeugen in Zielzelle.

Mit den Unterscheidungen zwischen den einzelnen Nutzergruppen erhält man drei Quelle-Ziel-Matrizen und mit Fahrten, die für öffentliches Laden in Frage kommen. Das bedeutet aber noch nicht, dass an diesen tatsächlich geladen wird. Um dies abzuschätzen, müssen weitere Daten vorhanden sein und zusätzliche Annahmen getroffen werden. Seien dazu folgende Variablen definiert:

Variablen siehe PDF.

Bild 3: Um jedes Teilgebiet ? können verschiedene Intervalle (hier 3) gebildet werden. Dabei sagt ????(?,??,?)aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ladevorgang eines Autos aus ? in dem Intervall 1 durchgeführt wird

Es lässt sich nun die Anzahl von Ladevorgängen die sich aufgrund von Bezirk ergeben, berechnen (am Beispiel PmH):

Formel siehe PDF.

Dadurch kann schließlich die Anzahl von Ladevorgängen an einem Tag, die in einer Entfernung von zwischen und km von Elektroautos aus durchgeführt werden, geschätzt werden:

Formel siehe PDF.

Durch die vorherige Berechnung wird die Tatsache beachtet, dass das Ladeverhalten auch von der Entfernung zur eigenen Wohnung abhängt. So wird ein PmH in näherer Umgebung zur eigenen Wohnung nicht laden, da er ohne Probleme wieder daheim laden kann. Im Gegensatz dazu setzt bei weiterer Entfernung eine Reichweitenangst bei diesem Nutzer ein, wodurch die Wahrscheinlichkeit größer wird, öffentlich zu laden. Es lässt sich schließlich die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Fahrt von nach öffentlich geladen wird, für die drei Nutzergruppe berechnen (Beispiel PmH):

Formel siehe PDF.

Analog können für die beiden anderen Nutzergruppen berechnet werden.

Mit diesen Vorarbeiten kann jetzt für alle Teilgebiete im Untersuchungsraum die Ladeanzahl der drei Nutzergruppen berechnet werden:

Formel siehe PDF.

Im Abschnitt 3.2 wurde mit Hilfe verschiedener Annahmen und Überlegungen die Anzahl von Ladevorgängen an einem Tag für die drei Nutzergruppen PmH, PoH und F geschätzt. Dabei ist zu beachten, dass hier noch nicht zwischen Werk- und Wochenendtag unterschieden wurde. Eine weitere Erweiterung des Modells wäre es, zwischen einzelnen Zeitscheiben während des Tages zu unterscheiden, um eine uhrzeitabhängige Schätzung der Ladevorgänge zu erhalten.

4.3 Modell für free-floating Carsharing

Im CS-Modell wird im Gegensatz zu den anderen drei Nutzergruppen eine absolute Schätzung von Elektroautos vorgenommen. Dies liegt zum einen daran, dass diese häufiger Laden müssen, zum anderen ist es möglich diese mit Hilfe von Befragungen bei Carsharing Unternehmen zu schätzen.

Bei einem CS Fahrzeug gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie dieses geladen wird. Entweder fährt ein CS-Nutzer das Fahrzeug an eine öffentliche Ladesäule und beendet dort seine Buchung. Oder der CS-Provider erkennt, dass bei einem Fahrzeug ein kritischer Ladezustand vorliegt. Dieser beauftragt anschließend, das Fahrzeug an eine Ladesäule zu fahren. Diese Ladesäule wird aus wirtschaftlichen Gründen in einem Teilgebiet liegen, in dem der Provider im Anschluss an den Ladevorgang eine hohe Auslastung erwartet. Es seien nun folgende Variablen gegeben:

Variablen siehe PDF.

Mit diesen Überlegungen lassen sich die täglichen Ladevorgänge für die einzelnen Teilgebiete aufgrund von CS im Untersuchungsraum berechnen:

Formel siehe PDF.

Mit diesem und dem vorherigen Abschnitt ist es einfach für einzelne Teilgebiete in einem Untersuchungsgebiet die gesamten, täglichen Ladevorgänge zu erhalten:

Formel siehe PDF.

So lässt sich schließlich die Gesamtladenachfrage in den einzelnen Teilgebieten des Untersuchungsgebiets schätzen. Darauf können dann Analysen wie die zukünftige Verteilung von Ladesäulen anschließen. Die hier vorgestellte Berechnung bezieht sich auf die räumliche Verteilung der Nachfrage im Untersuchungsgebiet, eine zeitliche Komponente ist dabei nicht enthalten. Diese lässt sich durch den Aufbau des Modells relativ einfach beachten. So ist es möglich das Modell für mehrere Prognosejahre getrennt zu betrachten und dadurch die Entwicklung der Nachfrage abzubilden. Bei der zeitlichen Verbreitung der Elektromobilität kann schließlich zusätzlich abgebildet werden, dass zu Anfang lediglich PmH sich Elektroautos kaufen werden und diese Entwicklung bei PoH erst verspätet einsetzen wird.

5 Szenario München - 2018

5.1 Vorstellung Untersuchungsgebiet und Vereinfachungen

Das vorgestellte Modell wurde auf München als Untersuchungsgebiet angewendet. Dabei entsprechen die Teilgebiete den 25 Stadtbezirken in München (vgl. Bild 3). Die Stadtbezirke wurden ausgewählt, da bei einer Detailplanung von Ladesäulen in München zuerst die Vertreter der einzelnen Stadtbezirke befragt werden. Zur Bestimmung eines Gesamtgebiets, wurde ein Ring von 100 km um München gezogen (vgl. Bild 4). Es wurden hier 100 km gewählt, da es bei einer Reichweite von 160 km mit einem Elektroauto ohne Probleme möglich ist nach München zu fahren und anschließend zu laden. Daraus ergeben sich schließlich 697 Teilgebiete.

Als Prognosejahr für die Untersuchung wurde das Jahr 2018 ausgewählt. Dieses Jahr liegt am Anfang der letzten Stufe des von der Bundesregierung ausgegebenen Plans zur Elektromobilität – „Beginnender Massenmarkt bis 2020 mit tragfähigen Geschäftsmodellen“ (siehe BUNDESREGIERUNG 2009), [17]). Deshalb wurden nur die beiden Nutzergruppen PmH und F betrachtet. PoH wurden weggelassen, da man davon ausgeht, dass zu Anfang lediglich PmH Elektroautos kaufen werden. CS wurde nicht untersucht, da hier noch Daten ausgewertet werden müssen, um die notwendigen Annahmen treffen zu können.

Für die Zukunft ist geplant die Nutzgruppe CS in die Analyse mit einzubeziehen und auch Prognosen für die Nachfrage in späteren Jahren zu erstellen, in denen auch PoH in das Modell eingehen.

Bild 3: Untersuchungsgebiet ? mit 25 Teilgebieten

Bild 4: Gesamtgebiet ? mit insgesamt 697 Teilgebieten – Teilgebiete mit grauem Hintergrund gehören zum Untersuchungsgebiet

5.2 Anwendung des vorgestellten Modells

5.2.1 Bestimmung des Elektroautoanteils in den einzelnen Teilgebieten

Zu der zukünftigen Entwicklung der Verbreitung der Elektromobilität in Deutschland existieren verschiedene Studien und Ziele. So will die Bundesregierung in Deutschland eine Millionen Elektroautos bis 2020 erreichen (siehe BUNDESREGIERUNG 2009), [17]). Verschiedene Studien versuchten die zukünftige Entwicklung der Elektromobilität zu schätzen und kommen dabei zu stark unterschiedlichen Ergebnissen von ca. 0,02 % - 3,9 % bis 2020 (siehe ÖSTERREICH 2012, [18]). In dieser Studie wird eine Verbreitung von im Jahr 2018 angenommen, da 2018 zwei Jahre vor dem Betrachtungszeitpunkt der Studien liegt.

Mit den in Abschnitt 3.2.2 gemachten Überlegungen gilt für die Verbreitung von F in den Teilgebieten:

Formel sieh PDF.

Für die Schätzung dieser Anteile für PmH muss man, wie in Abschnitt 3.2.1 gesehen, zuerst die Early-Adopter-Indizes berechnen. Zu diesem Zweck wurden soziodemografische Daten der Firma Infas GmbH (siehe INFAS 2013, [30]) verwendet, die die identifizierten Eigenschaften der Early Adopter abbilden sollen (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2: Soziodemografische Daten, die Early Adopter Eigenschaften abbilden

Zur Berechnung der Early-Adopter-Indexe wurde, wie in 3.2.2 erwähnt, die Faktorenanalyse verwendet. Bei der Wahl der Methode für die Extraktion der Faktoren wurde die Hauptkomponentenanalyse angewendet. Dadurch hat man drei Faktoren erhalten, die oben aufgeführte soziodemografische Daten unterschiedlich stark auf sich vereinigen. Schließlich wurden diese Faktoren gegeneinander gewichtet, um die beiden Eigenschaften „Möglichkeit Heimladestation zu errichten“ und „Hohes Einkommen“ stärker einfließen zu lassen. Es wird hier also davon ausgegangen, dass diese beiden Eigenschaften besonders wichtig bei der Identifizierung von Early Adoptern sind. Zuletzt wurden die Ergebnisse so transformiert, dass sich für die Early- Adopter-Indexe ein Mittelwert von 1 und eine Standardabweichung von 0,2 ergeben.

Qualitativ betrachtet ergibt sich für die Early-Adopter-Affinität in den einzelnen Teilgebieten regionale Abweichungen (vgl. Bild 5). Wie man sehen kann, wird in Städten vor allem wegen fehlender Heimladestationen keine hohe Verteilung von Elektroautos erwartet. Im Gegensatz dazu scheint das Umland von Städten, vor allem dort, wo ein hohes Pro-Kopf-Einkommen vorhanden ist, sehr elektromobilitätsaffin zu sein.

Bild 5: Verteilung der Early-Adopter-Affinität in den einzelnen Teilgebieten (dunkel – hohe Affinität; hell – niedrige Affinität)

Mit den konnte schließlich die Prognose für den Anteil der Elektromobilität bei Privatnutzern für die einzelnen Teilgebiete berechnet werden. Da für gilt, folgt daraus:

Formel siehe PDF.

5.2.2 Bestimmung der täglichen Ladevorgänge

Für die Bestimmung der täglichen Ladevorgänge lagen für das Gesamtgebiet für insgesamt 14 unterschiedliche Fahrtzwecke Quelle-Ziel-Matrizen vor. Bei den Fahrtzwecken handelt es sich um die folgenden:

1) Wohnen – Arbeiten        

2) Wohnen – Dienst

3) Wohnen – Einkaufen

4) Wohnen – Freizeit

5) Wohnen – Sonstiges

6) Arbeiten – Wohnen

7) Dienst – Wohnen

8) Einkaufen – Wohnen

9) Freizeit – Wohnen

10) Sonstiges – Wohnen

11) Arbeiten – Sonstiges

12) Sonstiges – Arbeiten

13) Dienst – Dienst

14) Sonstiges – Sonstiges

Von diesen wurden für die PmH Fahrten mit den Fahrtzwecken 3, 4, 5, 11 und 14 als laderelevante Fahrten ausgewählt. Diese Annahme stützt sich zum einen auf der Tatsache, dass zu Hause eine Heimladestation vorhanden ist. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass in der Nähe des Arbeitsplatzes der Arbeitnehmer nicht jeden Tag nach einem freien öffentlichen Ladepunkt suchen will und deshalb auf öffentliches Arbeitsplatzladen verzichtet wird.

Bei den F Fahrten wurden die Fahrtzwecke 2 und 13 als laderelevante Fahrten zugrunde gelegt. Dabei wird angenommen, dass Wege vom Wohn- zum Dienstort keine regelmäßigen Fahrten sind, das Aufstellen einer Ladestationen für die Flottennutzung also nicht in Frage kommt. Deshalb werden auch bei F wie schon bei PmH Fahrten vom Wohn- zum Arbeitsort weggelassen, auch wenn ein Dienstfahrzeug vom Arbeitnehmer dazu verwendet wird.

Die Anzahl privater und gewerblicher Pkws in den betrachteten Teilgebieten ist ebenfalls aus den Daten der Firma Infas GmbH ersichtlich. Grundsätzlich kann man diese Daten auch durch Abfragen bei den jeweiligen Landratsämtern erhalten.

Zum Schätzen der täglichen Ladewahrscheinlichkeit an öffentlichen Ladestationen werden Ergebnisse aus einer Studie verwendet (siehe KREMS 2011, [14]). Dort wurde beobachtet, dass PmH ihr Elektroauto im Durchschnitt 2,9-mal pro Wochen laden. Dieser Ladevorgang findet aber nur in 7% der Fälle an einer öffentlichen Ladestation statt. Dadurch ergibt sich die tägliche, öffentliche Ladewahrscheinlichkeit:

Formel siehe PDF.

Für Fahrzeuge in F traten unterschiedliche Nutzungsmuster auf. Öffentlich wurden Fahrzeuge in F sehr selten geladen, hier wurden im Durchschnitt lediglich 0,47 Ladevorgänge im Monat beobachtet. Dadurch ergibt sich die tägliche, öffentliche Ladewahrscheinlichkeit:

Formel siehe PDF.

Um die Anzahl der Ladevorgänge, die durch die Nutzergruppen hervorgerufen werden, berechnen zu können, fehlt noch die Wahrscheinlichkeit, in welcher Entfernung vom Wohnort bzw. Dienstort die Elektroautos geladen werden. Es werden dazu für PmH und F die folgenden Annahmen gemacht:

Formel siehe PDF.

Mit dieser Annahme wird vor allem zwei Tatsachen Rechnung getragen. Erstens wird in unmittelbarer Nähe zum Wohn- bzw. Dienstort nicht öffentlich geladen, da hier keine Reichweitenangst auftritt. Zweitens werden Fahrten über 60 km auch in Zukunft nur selten elektrisch zurückgelegt werden. Deshalb wird dementsprechend weniger häufig bei den Fahrten geladen werden.

Mit dem in Abschnitt 5.2.1 vorgestellten Modell und hier vorgenommenen Annahmen, können die zukünftigen, täglichen Ladevorgänge in den 25 Teilgebieten für das Jahr 2018 geschätzt werden (vgl. Tabelle 3):

Tabelle 3: Modellergebnisse – Gerundete Anzahl von erwarteten täglichen Ladevorgängen in den einzelnen Münchner Stadtgebieten im Jahr 2018

Insgesamt ergeben sich für München als Untersuchungsgebiet dadurch 98 tägliche Ladevorgänge. Mit einer vereinfachten Annahme, dass eine Ladesäule im öffentlichen Raum zwei Ladepunkte besitzt und ein Ladepunkt im Durchschnitt 2,5 Ladevorgänge am Tag bewältigen kann, ergibt sich für das Prognosejahr ein erwarteter Bedarf von 20 Ladesäulen in München. Wichtig zu beachten ist, dass hierbei noch nicht die Nutzergruppe CS berücksichtigt wurde. Es wird davon ausgegangen, dass diese einen großen Anteil an der Anzahl von täglichen, öffentlichen Ladevorgängen in der Anfangszeit der Elektromobilität haben wird.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Das in diesem Artikel vorgestellte Modell versucht, das Problem der Schätzung der zukünftigen Ladenachfrage von Elektrofahrzeugen in einem Untersuchungsgebiet zu lösen. Dieses Problem wurde bisher bei existierenden Modellen zum Aufbau einer bedarfsgerechten Lad- einfrastruktur häufig nur unzureichend beachtet. Dabei werden in dem Modell verschiedene Nutzergruppen entsprechend ihrem divergenten Ladeverhalten getrennt betrachtet und anschließend zusammengeführt. Auch das unterschiedliche Potenzial von möglichen „Early Adopter“ der Elektromobilität geht in das Modell ein. Wendet man schließlich dieses auf die beiden Nutzergruppen „Privatnutzer mit Heimladestation“ und „Flottennutzung“ für die Landes- hauptstadt München im Jahr 2018 am, so ergibt sich ein erwarteter Bedarf von ca. 20 öffentli- chen Ladesäulen.

In Zukunft soll die hier vorgestellte Analyse für die Landeshauptstadt um die Nutzergruppe „free-floating Carsharing“ erweitert, um eine noch bessere Prognose machen zu können. Ebenso wird die Untersuchung um den zeitlichen Aspekt erweitert werden, um auch für die fernere Zukunft Prognosen für den erwarteten Ladebedarf zu erhalten. Dabei gehen dann auch Privatnutzer ohne Heimladestation in die Analyse ein, die häufiger öffentlich laden müssen als Privatnutzer mit Heimladestation.

Ein potenzieller Kritikpunkt für die praktische Anwendung dieses Modells, ist die Verwendung unterschiedlicher Annahmen bezüglich der Elektromobilität. Dazu zählen zum Beispiel die zukünftige Verbreitung von Elektroautos, der Early-Adopter-Index oder auch die täglichen Ladewahrscheinlichkeiten für die einzelnen Nutzergruppen. Aus diesem Grund soll für diese einzelnen Annahmen eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt werden, um den Einfluss dieser auf das Gesamtergebnis genauer zu erkennen. Dadurch lässt sich analysieren, von welchen Faktoren die Ladenachfrage im Gesamtgebiet besonders stark beeinflusst wird. Auch der unterschiedliche Einfluss der einzelnen Nutzergruppen kann dadurch genauer betrachtet werden.

7 Danksagung

An dieser Stelle soll dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, welches der Träger des Projekts „E-Plan München“ ist. Dabei handelt es sich um ein Teilprojekt des Schaufensters Bayern-Sachsen ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET, in dessen Rahmen die beschriebenen Untersuchungen durchgeführt wurden.

8 Literatur

[1]    NOW – Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (2011). Jahresbericht

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