FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Shared Mobility – Potenziale und Grenzen neuer Carsharing-Systeme
Autoren Dipl.-Ing. Christoph Magg, B.Sc. Lukas Oppolzer, Dipl.-Ing. Christian Roth
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Shared Mobility ist die Idee, Fahrzeuge gemeinsam zu nutzen. Der vorliegende Beitrag liefert mittels einer Grenzbetrachtung eine Abschätzung, wie viele Pkw durch Carsharing eingespart werden können. Dieses Potenzial wird beispielhaft für die Region Stuttgart abgeschätzt unter der Annahme, dass alle Pkw-Fahrten mit Carsharing durchgeführt werden. Dies entspricht einer Optimierungsaufgabe, die sich auf die Umlaufplanung im Öffentlichen Verkehr und damit auf das sogenannte Vehicle Scheduling Problem zurückführen lässt. Es wird ein Verfahren entwickelt, das die Lösungsalgorithmen des Vehicle Scheduling Problem auf den vorliegenden Anwendungsfall überträgt. Eine Analyse der Verfahrensparameter gibt Aufschluss über die Zusammenhänge der Potenzialabschätzung.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ oder „Collaborative Consumption“ setzt sich in der heutigen Gesellschaft in immer mehr Lebensbereichen durch (LEISMANN et. al. [1]). Lange schon wird nicht nur die Wohnung als Grundbedürfnis eines jeden Menschen gemietet, sondern auch verschiedene Konsum- und Luxusgüter. Das ökonomische und ökologische Potenzial dieser Entwicklung ist gerade im Bereich des Carsharing beträchtlich.

Nach Angaben des Bundesverband CarSharing [2] wird ein Pkw durchschnittlich nur eine Stunde am Tag genutzt. Die verbleibenden 23 Stunden eines Tages steht das Fahrzeug und wird nicht genutzt. Doch auch in dieser Zeit muss der Besitzer vollständig für Versicherungskosten, Steuern, Reparatur- und Instandhaltungskosten aufkommen und das Fahrzeug verliert ständig an Wert. Allein aus diesen Gründen bietet es sich an, dass sich mehrere Personen ein Fahrzeug teilen und so jeder Nutzer nur einen Anteil der Fixkosten bezahlen muss.

Darüber hinaus kann sich Carsharing positiv auf Gesellschaft und Umwelt auswirken. Vor allem in Städten nehmen Parkplätze wertvolle Flächen in Anspruch, die anderweitig genutzt werden könnten. Die hohe Nachfrage und geringe Verfügbarkeit von Parkplätzen in Innenstädten verursachen zudem einen Parksuchverkehr, der die Qualität des Anwohnerraumes durch zusätzliche Abgase und Lärm mindert. In diesem Zusammenhang kann der Trend zum Carsharing ein Baustein sein, um diese Probleme zu lösen.

Carsharing Organisationen (CSO) profitieren von diesem Trend und erlebten in den letzten Jahren einen immensen Zuwachs an Mitgliedern. Ein Grund hierfür ist die zunehmende Internet-Verfügbarkeit auf mobilen Endgeräten, die den Kunden einer CSO jederzeit ermöglicht, ein passendes Fahrzeug in ihrer Umgebung zu lokalisieren und zu mieten.

Während die klassischen stationsbasierten CSO schon seit einigen Jahren Fahrzeuge zur Verfügung stellen, reagieren auch immer mehr Fahrzeughersteller auf die veränderten Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft. Sie stellen durch das sogenannte Free-Floating-System eine neue Art des Carsharing bereit (z.B. Daimler car2go und BMW Drive Now). Bei diesem standortunabhängigen Carsharing können auch One-Way-Fahrten durchgeführt werden. Gerade diese Free-Floating-Systeme verzeichnen steigende Mitgliederzahlen.

In diesem Beitrag soll die Frage beantwortet werden, wohin dieser Trend theoretisch führen kann. Dazu soll ein möglichst einfaches und nachvollziehbares Verfahren entwickelt werden, das eine Abschätzung darüber liefert, wie viele Pkw durch Carsharing eingespart werden können. Hierzu wird beispielhaft für die Region Stuttgart der Grenzfall betrachtet, dass alle Pkw-Fahrten der Region durch Fahrten mit Carsharing-Fahrzeugen ersetzt werden. Daraus ergibt sich eine Optimierungsaufgabe, die sich auf die Umlaufplanung im Öffentlichen Verkehr und damit auf das sogenannte Vehicle Scheduling Problem zurückführen lässt. Mit verschiedenen Annahmen und Anpassungen lassen sich die Optimierungsverfahren für das Vehicle Scheduling Problem auch für die Potenzialabschätzung von Carsharing anwenden.

2 Methodik der Umlaufbildung

2.1 Problembeschreibung

Das Ziel der Umlaufplanung im Öffentlichen Verkehr ist es, die Fahrten des Fahrplans so auf verschiedene Fahrzeuge zu verteilen, dass insgesamt die Betriebskosten und die Investitionskosten minimiert werden. Die Rechenzeit steigt bei diesem Problem nicht linear mit der Problemgröße, sondern nimmt exponentiell zu. Deshalb werden zur Lösung heuristische Optimierungsverfahren eingesetzt, die eine näherungsweise optimale Lösung ermitteln.

Dazu werden alle Fahrten des Fahrplans in aufsteigender zeitlicher Reihenfolge ihrer Abfahrtszeiten durchnummeriert und in einer Verknüpfungsmatrix abgebildet. In jedem Feld der Matrix werden die Kosten für die Verknüpfung der beiden Fahrten dargestellt. Ist eine Verknüpfung nicht möglich, werden die Kosten auf unendlich gesetzt. Da die Fahrten zeitlich aufsteigend sortiert sind, ist nur die obere Dreiecksmatrix mit Werten belegt.

Bild 1 zeigt auf der linken Seite die allgemeine Darstellung der Verknüpfungsmatrix für die Fahrten mit den zugeordneten Kosten ci,j und den Entscheidungsvariablen. In die Kosten gehen Faktoren wie unproduktive Standzeiten und Leerzeiten ein und können unterschiedlich gewichtet werden. In Bild 1 ist auf der rechten Seite eine Verknüpfungsmatrix mit Beispielwerten für die Fahrten dargestellt. Die „12“ bei der Verknüpfung von kann zum Beispiel einer Standzeit von 12 Minuten entsprechen, die vergeht zwischen Ankunftszeit der Fahrt und Abfahrtszeit der Fahrt. Die Kosten für die Verknüpfung der Fahrten und betragen unendlich, so dass eine Verknüpfung nicht möglich ist. Ein Grund hierfür kann sein, dass die Abfahrtszeit der Fahrt vor der Ankunftszeit der Fahrt liegt.

Bild 1: Verknüpfungsmatrix allgemein (links) und mit Beispielwerten (rechts)

Im Verlauf der Optimierung werden die Entscheidungsvariablen gesetzt, die angeben, ob die beiden Fahrten verknüpft werden oder nicht. Eine Verknüpfung entspricht dem Wert 1. Werden zwei Fahrten nicht miteinander verknüpft, wird die Entscheidungsvariable auf 0 gesetzt. Im Beispiel werden folglich die Fahrten und verknüpft, die Fahrten und werden nicht verknüpft.

2.2 Nearest Neighbour Algorithmus als Lösungsansatz

Für das Vehicle Scheduling Problem gibt es eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten (siehe beispielsweise BECKER UND STEINFELS [3]). Ein einfaches Näherungsverfahren ist der Nearest Neighbour Algorithmus. Ausgehend von einem Startpunkt schaut der Algorithmus immer nur einen Schritt in die Zukunft und wählt immer den Punkt, der die geringsten Kosten verursacht. Dieser Einzelschritt wird solange wiederholt, bis keine weitere Verknüpfung möglich ist. Dadurch ist der Algorithmus sehr schnell, findet in der Regel aber nicht die optimale Lösung für das Gesamtproblem. Der Nearest Neigbour Algorithmus wird deshalb oft für eine erste Abschätzung oder die Bestimmung einer Startlösung verwendet.

Beim Vehicle Scheduling Problem lässt sich der Algorithmus auf die Verknüpfungsmatrix anwenden. Es werden solange die Fahrten miteinander verknüpft, die bei einer Verknüpfung die niedrigsten Kosten verursachen, bis eine Gesamtlösung gefunden wird.

3 Anwendung zur Potenzialabschätzung von Carsharing

3.1 Datengrundlage

Als Grundlage für das hier vorgestellte Verfahren werden Daten benötigt, die das Mobilitätsverhalten von Einzelpersonen mit Zeit-, Orts- und Verkehrsmittelbezug abbilden. Solche Daten können in einer Längsschnittbefragung von Haushalten gewonnen werden, bei der die Probanden in einem Wegetagebuch für einen festgelegten Zeitraum alle ihre Wege dokumentieren. Für das vorliegende Verfahren wird folglich eine Datenbank mit Einzelwegen benötigt, die zu jedem Weg die in Tabelle 1 dargestellten Informationen enthält.

Tabelle 1: Notwendige Daten eines Weges

Für die Anwendung werden hier Befragungsdaten für Stuttgart aus den Jahren 2009 und 2010 verwendet. Alle Personen eines Haushalts, die älter als zehn Jahre sind, wurden zu ihrer Person und ihrem Verkehrsverhalten befragt. Erfasst wurden alle durchgeführten Wege der befragten Personen außerhalb ihres Haushalts. Jeder Zwischenstopp mit einer eigenständigen Aktivität wurde protokolliert und führt zu einem neuen Weg. Insgesamt wurden 5.567 Haushalte und 13.731 Personen befragt. Im Zeitraum vom 06. Oktober 2009 bis 06. April 2010 wurden auf diese Weise 293.350 Wege protokolliert.

3.2 Vorüberlegungen

Die in Kapitel 2 vorgestellte Methodik kann für die Potenzialabschätzung von Carsharing angewendet werden. Dazu sind vorab verschiedene Überlegungen notwendig, die zu Annahmen und Einschränkungen führen.

•    Es wird keine Verkehrsmittelwahl durchgeführt:
Das bedeutet, dass in diesem Verfahren nur die Wege betrachtet werden, die von den Befragten mit dem Pkw als Selbstfahrer durchgeführt wurden (Verkehrsmittel „Pkw-Selbstfahrer“). Alle anderen Wege werden nicht berücksichtigt.

•    Keine Optimierung des Ride-Sharing:
Es werden keine Fahrten zusammengefasst, indem sich mehrere Personen ein Fahrzeug für einen Weg teilen. Wege, die laut Befragungsdaten als Selbstfahrer durchgeführt wurden, sind auch nach der Optimierung Wege als Selbstfahrer und werden nicht zu Wegen als Mitfahrer geändert. Wege der „Pkw-Mitfahrer“ bleiben unverändert, da diese im Optimierungsverfahren nicht betrachtet werden. Das Verfahren hat folglich keinen Einfluss auf den Besetzungsgrad der Fahrzeuge.

•    Kein Wechsel des Verkehrsmittels:
Wenn für einen Weg als Hauptverkehrsmittel „Pkw-Selbstfahrer“ angegeben wurde, dann wird für diesen Weg angenommen, dass dieser vollständig von Start- bis Zielort mit dem Pkw zurückgelegt wurde. Es werden keine Wege modelliert, die mit einem Umstieg zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln durchgeführt werden.

Außerdem ist festzulegen, welche Organisationsformen des Carsharing betrachtet werden. Zur Auswahl stehen zum einen das klassische stationsbasierte Carsharing und zum anderen das Free-Floating-System.

Beim stationsbasierten Carsharing stehen die Fahrzeuge nur an festgelegten Standorten zur Verfügung. An diesen Stationen kann ein Fahrzeug entliehen und muss an der gleichen Station wieder abgegeben werden. Die Abbildung dieser Organisationsform führt zu folgenden Schwierigkeiten:

•    Bestimmung der Standorte:
Für die Modellierung des stationsbasierten Carsharing müssen geokodierte Standorte vorliegen, an denen Fahrzeuge entliehen und abgegeben werden können. Entweder müssen hierfür reale Daten erfasst oder theoretische Daten generiert werden.

•    Geschlossene Wegeketten notwendig:
Da die Miete eines Fahrzeugs nur dort beendet werden kann, wo sie begonnen wurde, müssen alle Wegeketten geschlossen sein. Zum einen kann dies erreicht werden, indem nur die Wege betrachtet werden, die Teil einer geschlossenen Wegekette sind. Über die verbleibenden Wege kann auf diese Weise allerdings keine Aussage getroffen werden. Zum anderen können nicht geschlossene Wegeketten künstlich geschlossen werden, indem zusätzliche Wege eingefügt werden. Dies bedeutet jedoch einen erheblichen Eingriff in die erhobenen Wegedaten und mindert die Aussagekraft der Ergebnisse.

•    Lange Mietdauer:
Auch wenn Wegeketten geschlossen sind, werden diese oft für längere Zeit unterbrochen (beispielsweise Hin- und Rückfahrt des Arbeitswegs). Dies führt zu relativ langen Mietdauern.

Alle genannten Schwierigkeiten treten nicht beim Free-Floating-System auf. Beim Free-Floating-System sind die Fahrzeuge in einem Geschäftsgebiet ohne feste Standorte verteilt. Fahrten können damit überall innerhalb des Geschäftsgebiets begonnen und beendet werden. Im Gegensatz zum stationsbasierten Carsharing sind somit One-Way-Fahrten möglich (Ausleihvorgänge ohne Rückkehr zum Ausgangspunkt).

Aufgrund der genannten Schwierigkeiten beim stationsbasierten Carsharing wird dieser Ansatz beim Optimierungsverfahren nicht weiter verfolgt. Stattdessen wird das Free-Floating-System betrachtet, das zudem ein höheres Optimierungspotenzial verspricht. Dies liegt darin begründet, dass durch die Flexibilität dieser Organisationsform eine höhere Verknüpfungsrate der Fahrten zu erwarten ist.

3.3 Verfahrensablauf

Jeder Weg mit dem Pkw lässt sich als Servicefahrt im Öffentlichen Verkehr interpretieren, so dass die Algorithmen der Umlaufplanung angewendet werden können. Es handelt sich um eine Ausprägung des Vehicle Scheduling Problem.

Der vollständige Ablauf vom Einlesen der Daten bis hin zur Auswertung ist in Bild 2 dargestellt. In diesem Kapitel werden die notwendigen Zwischenschritte des Verfahrens vorgestellt, bevor im folgenden Kapitel 3.4 die einzelnen Verfahrensparameter analysiert werden.

Bild 2: Verfahrensablauf

Im ersten Schritt werden die Wegedaten aus der Datenbank eingelesen (1). Dabei werden fehlerhafte Datensätze entfernt und anhand des Datums für jeden Weg der Wochentag bestimmt, an dem dieser durchgeführt wurde. Außerdem findet bereits eine Vorauswahl statt, da nur Wege berücksichtigt werden, die mit dem Pkw zurückgelegt wurden (Verkehrsmittel „Pkw-Selbstfahrer“). Diese Bedingung erfüllen 107.805 Wege, die die Datengrundlage für die weiteren Schritte bilden. Die Datenstruktur dieser Wege entspricht dem in Tabelle 1 vorgestellten Format.

Darauf folgt die Datenauswahl (2), die im Wesentlichen die beiden Parameter „Zeitraum“ und „Gebiet“ umfasst. Der Parameter „Zeitraum“ definiert, ob ein einzelner Wochentag oder die ganze Woche betrachtet wird. Um die Daten zu verdichten, werden alle Wege eines bestimmten Wochentags zusammengefasst und so interpretiert, als ob sie am selben Tag stattgefunden hätten. Wird beispielsweise eine Optimierung für den Montag durchgeführt, so werden dafür alle Wege verwendet, die im Erhebungszeitraum an einem Montag stattgefunden haben. Entscheidend für die Zuordnung zum Wochentag ist immer die Abfahrtszeit eines Weges. Dies schließt auch Wege ein, die erst am nächsten Tag enden. Eine komplette Woche ergibt sich aus dem Zusammenfügen der verdichteten Wochentage.

Ein weiterer Parameter der Datenauswahl ist das „Gebiet“. An dieser Stelle kommt die Organisationsform des Free-Floating-Systems zum Tragen. Die Fahrzeuge können zwar frei bewegt werden, Beginn und Ende des Mietvorgangs müssen aber immer innerhalb eines definierten Geschäftsgebiets liegen. Deshalb wird für jeden Start- und Zielort eines Weges geprüft, ob dieser innerhalb des Gebiets liegt. Im Anschluss wird die in Bild 3 dargestellte Vorabverknüpfung durchgeführt. Im ersten Schritt werden Wege, die von innen nach außen führen, mit Wegen verknüpft, die von außen nach innen führen (a-b-c). Zusätzlich können dazwischen Wege eingebunden werden, die außerhalb starten und enden (d-e-f-g-h). Diese

Wegeketten müssen allerdings die folgenden beiden Bedingungen erfüllen:

• Alle Wege werden von derselben Person durchgeführt.

• Die maximale Standzeit zwischen zwei Fahrten beträgt 15 Minuten.

Im zweiten Schritt der Vorabverknüpfung werden Wege zusammengefasst, die innerhalb des Gebiets starten und enden (x-y-z). Auch für diese Art der Vorabverknüpfung gelten die beiden genannten Bedingungen.

Eine Wegekette, die die Bedingungen der Vorabverknüpfung für außen bzw. innen erfüllt, wird zusammengefasst und als ein einzelner Weg betrachtet, der im Gebiet startet und endet. In den folgenden Schritten werden nur die Wege verwendet, die nach Durchführung der Vorabverknüpfung en innerhalb des definiertGeschäftsgebiets starten und enden.

Bild 3: Vorabverknüpfung außen und innen

Als Grundlage für die Umlaufplanung wird die Kostenmatrix verwendet (3). Dazu werden zunächst alle betrachteten Wege aufsteigend nach Abfahrtszeit sortiert und im Folgenden als Fahrten bezeichnet. Anschließend werden die Kosten ci,j für die Verknüpfung der Fahrt Fi mit der Fahrt Fj mit Formel (1) berechnet:

Formel (1) siehe PDF.

Zusätzlich werden folgende Randbedingungen geprüft:

•    Minimale Standzeit:
Dieser Parameter gibt an, wie lange ein Fahrzeug zwischen zwei Ausleihvorgängen mindestens stehen muss. Standardwert sind 15 Minuten.

•    Maximale Zugangsweite:
Abfahrtsort von Fahrt und Ankunftsort von Fahrt sind grundsätzlich nicht identisch. Daraus ergibt sich für den Fahrer der Fahrt ein Zugangsweg zum Ankunftsort der Fahrt, wo das Fahrzeug bereitsteht. Als Standardwert für die maximale Zugangsweite werden 250 Meter gesetzt.

Ist eine dieser beiden Bedingungen für zwei gegebene Fahrten nicht erfüllt, so werden die Kosten für die Verknüpfung der beiden Fahrten auf unendlich gesetzt.

Mit der Berechnung der Kostenmatrix ist die Grundlage für die Umlaufbildung geschaffen (4). Der Nearest Neighbour Algorithmus wird eingesetzt, da mit verhältnismäßig geringem Rechenaufwand eine Lösung gefunden wird. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Nearest Neighbour Algorithmus die optimale Lösung findet. Doch für den vorliegenden Anwendungsfall reicht eine grobe Abschätzung. Ebenso lässt sich mit diesem Verfahren der Einfluss der Parameter qualitativ einordnen. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Nearest Neighbour Algorithmus ein geeignetes Lösungsverfahren für die vorliegende Abschätzung.

Zum Abschluss des Verfahrens folgt die Auswertung (5). Aus dem Ergebnis des Nearest Neighbour Algorithmus kann abgeleitet werden, wie viele Fahrzeuge notwendig sind, um die gegebenen Fahrten durchzuführen.

Um das Einsparpotenzial an Pkw zu bestimmen, muss ermittelt werden, wie viele Fahrzeuge ursprünglich für diese Fahrten verwendet wurden. Dafür sind zwei Ansätze denkbar:

•    „Summe Besitz“:
Für jeden Haushalt ist aus der Befragung bekannt, wie viele Pkw in diesem Haushalt verfügbar sind. Für die betrachteten Fahrten wird von jedem Haushalt dieser Wert aus der Erhebung herangezogen und über die Haushalte aufsummiert.

•    „Summe der Minima“:
Bei diesem Ansatz sollen nur die Fahrzeuge berücksichtigt werden, die für die ausgewählten Fahrten verwendet wurden. Für jeden Haushalt wird das Minimum gebildet aus Anzahl der verfügbaren Pkw und Anzahl der Personen des Haushalts, die im betrachteten Zeitraum mindestens einen Weg zurückgelegt haben. Der Gesamtwert ist dann die Summe dieser Minima für jeden Haushalt.

Der zweite Ansatz liefert zwangsläufig entweder den gleichen oder aber einen niedrigeren Wert.

3.4 Analyse der Verfahrensparameter

Für die folgende Analyse werden die 107.805 Wege verwendet, die mit dem Pkw als Selbstfahrer zurückgelegt werden und sich, wie in Tabelle 2 dargestellt, auf die einzelnen Wochentage verteilen („Anzahl Fahrten“). Da die Wegedaten für die Region Stuttgart vorliegen, wird an dieser Stelle das Geschäftsgebiet von „car2go Stuttgart“ (www.car2go.com/de/stuttgart/) im Jahr 2014 verwendet. Weitere Analysen zur Ausprägung des Geschäftsgebiets sind im folgenden Kapitel 3.5 aufgeführt.

Tabelle 2: Verteilung der Fahrten auf die Wochentage und Anzahl der Vorabverknüpfungen

Mit der in Kapitel 3.3 vorgestellten Vorabverknüpfung werden Fahrten zusammengefasst. Die Anzahl der Vorabverknüpfungen kann in Tabelle 2 differenziert nach den beiden Ausprägungen „Außen“ und „Innen“ abgelesen werden. Nach Durchführung der Vorabverknüpfung ergibt sich eine Verteilung der Fahrten, wie sie in den letzten vier Spalten von Tabelle 2 dargestellt ist. Dabei steht „A“ für einen Ort außerhalb des Geschäftsgebiets und „I“ für einen Ort innerhalb des Geschäftsgebiets. Der Eintrag in der Spalte „I-A“ bedeutet beispielsweise, dass hier die Fahrten aufgeführt sind, die innerhalb (I) des Gebiets starten und außerhalb (A) des Gebiets enden.

Für die folgende Analyse der Verfahrensparameter werden nur die Fahrten betrachtet, die mit dem Free-Floating-System durchführbar sind, die also nach Durchführung der Vorabverknüpfung innerhalb des Geschäftsgebiets starten und enden. Um den Rechenaufwand zu minimieren werden die Wochentage jeweils einzeln betrachtet.

Faktoren α und β

Die Kostenmatrix wird nach Formel (1) berechnet. Um den Einfluss der Faktoren für die Standzeit α und für die Zugangsweite β zu bestimmen, werden die minimale Standzeit auf 15 Minuten und die maximale Zugangsweite auf 250 Meter gesetzt. Die beiden Faktoren werden in Schritten von 0,1 variiert und ergeben in der Summe stets 1,0. Die mögliche Einsparung an Fahrzeugen wird nach der Variante „Summe der Minima“ berechnet und ist differenziert nach Wochentagen in Bild 4 dargestellt.

Bild 4: Einfluss der Faktoren für die Standzeit α und für die Zugangsweite β auf die prozentuale Einsparung an Fahrzeugen

Zur Interpretation der Faktoren α und β werden die beiden Extremwerte betrachtet:

•    α = 0,0 und β = 1,0:
Die Standzeit wird für die Berechnung der Kostenmatrix nicht berücksichtigt, sondern es werden allein die Zugangsweiten einbezogen. Dies führt dazu, dass bei der Umlaufbildung die Zugangsweiten minimiert werden. Der Nutzer kann also immer das Fahrzeug verwenden, das am nächsten zum gewünschten Standort zur Verfügung steht. Deshalb wird diese Betrachtung im Folgenden als „nutzerorientierter Ansatz“ bezeichnet.

•    α = 1,0 und β = 0,0:
Da die Kostenmatrix in diesem Fall die Zugangsweiten nicht einbezieht, werden bei der Umlaufbildung die Standzeiten minimiert. Der Nutzer kann folglich nicht das Fahrzeug mit der kürzesten Zugangsweite wählen, sondern muss ein Fahrzeug verwenden, das vom Betreiber zugewiesen wird („betreiberorientierter Ansatz“).

Die Auswertung in Bild 4 zeigt, dass sich für den „nutzerorientierten Ansatz“ (Minimierung der Zugangsweiten) die geringsten Einsparungen ergeben. Je mehr sich die Gewichtung zu Gunsten des „betreiberorientierten Ansatzes“ verschiebt, umso höher werden die Einsparungen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Nutzer immer das Fahrzeug wählen wird, dass für ihn die geringste Zugangsweite bedeutet. Ein Umweg zu einem weiter entfernten Fahrzeug ist nur schwer vermittelbar. Deshalb wird bei den folgenden Analysen immer der „nutzerorientierte Ansatz“ betrachtet (α = 0,0 und β = 1,0).

Minimale Standzeit

Die Kostenmatrix wird außerdem davon beeinflusst, welche minimale Standzeit definiert wird. Für die Betrachtung der minimalen Standzeit wird eine maximale Zugangsweite von 250 Meter festgehalten und die minimale Standzeit variiert zwischen 0 und 30 Minuten. Die Ergebnisse sind in Bild 5 nach Wochentagen differenziert dargestellt. Je höher die minimale Standzeit zwischen zwei Ausleihvorgängen ist, desto geringer ist das Einsparpotenzial an Fahrzeugen. Ein hoher Wert für die minimale Standzeit schließt folglich viele Verknüpfungen aus.

Bild 5: Einfluss der minimalen Standzeit auf die prozentuale Einsparung an Fahrzeugen

Maximale Zugangsweite

Ein ähnlicher Zusammenhang lässt sich für die maximale Zugangsweite nachweisen. Für diesen Parameter bedeuten niedrige Werte eine Einschränkung der möglichen Verknüpfungen. Die minimale Standzeit wird auf 15 Minuten gesetzt und die maximale Zugangsweite variiert von 250 bis 1.500 Meter. Bild 6 auf der folgenden Seite zeigt die Auswertung der maximalen Zugangsweite differenziert nach Wochentagen. Je höher die maximale Zugangsweite ist, desto höher ist die mögliche Einsparung an Fahrzeugen.

Bild 6: Einfluss der maximalen Zugangsweite auf die prozentuale Einsparung an Fahrzeugen

Nearest Neighbour Algorithmus

Beim Nearest Neighbour Algorithmus variiert die gefundene Lösung in Abhängigkeit vom gewählten Startpunkt. Für den vorliegenden Anwendungsfall ist der Startpunkt die Fahrt, die als erste ausgewählt wird. Über die Kostenmatrix wird dann die Fahrt gesucht, zu der die Kosten einer Verknüpfung am geringsten sind.

Da die Fahrten chronologisch sortiert werden, steht die Fahrt mit der frühsten Abfahrtszeit an erster Stelle in der Kostenmatrix. Da eine Fahrt nur mit einer weiteren Fahrt verknüpft werden kann, wenn die weitere Fahrt später beginnt, haben die ersten Einträge der Kostenmatrix grundsätzlich die höchste Wahrscheinlichkeit mit weiteren Fahrten verknüpft zu werden.

Die Variation des Startpunkts führt folglich zu einem Konflikt: Lösungsvielfalt mit Chance auf eine bessere Lösung gegen Einschränkung der möglichen Verknüpfungen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Variation des Startpunkts tatsächlich bessere Lösungen liefern kann. Mit den vorliegenden Daten liegt die mögliche Verbesserung mit 100 verschiedenen Startpunkten jedoch lediglich im Promillebereich. Der notwendige Rechenaufwand erhöht sich um den Faktor 100.

Notwendige Anzahl an Fahrzeuge bestimmen

Bei der Berechnung der ursprünglich verwendeten Anzahl an Fahrzeugen werden zwar keine Parameter verwendet, aber es stehen zwei Varianten zur Auswahl: „Summe Besitz“ und „Summe der Minima“.

Von allen Haushalten, die im betrachteten Zeitraum einen Weg mit dem Pkw durchführen, werden die verfügbaren Pkw aufsummiert („Summe Besitz“). Es werden folglich auch Pkw gezählt, die im betrachteten Zeitraum nicht bewegt werden.

Die Variante „Summe der Minima“ fängt diese Schwäche ab: Sie bildet für jeden Haushalt das Minimum aus verfügbaren Pkw und Anzahl der Personen, die im betrachteten Zeitraum eine Fahrt zurücklegt. Auf diese Weise werden nur die Pkw gezählt, die auch für Fahrten verwendet werden.

Deshalb liefert die Variante „Summe der Minima“ niedrigere Werte für die Anzahl der Fahrzeuge als die Variante „Summe Besitz“. Bild 7 zeigt, wie viele Fahrzeuge nach den beiden Varianten vor der Optimierung für die Durchführung der Fahrten notwendig sind („Summe Besitz“ und „Summe der Minima“) und wie viele Fahrzeuge nach der Umlaufbildung eingesetzt werden müssen („Optimiert“).

Bild 7: Notwendige Anzahl an Fahrzeugen mit verschiedenen Berechnungsvarianten

Welcher Wert als glaubwürdiger eingestuft wird, hängt von der Betrachtungsweise ab. Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Ansatz „Summe der Minima“ der konservative Weg ist. Wird dieser Wert mit der notwendigen Anzahl an Fahrzeugen nach der Umlaufbildung ins Verhältnis gesetzt, ergibt sich entsprechend eine konservative Potenzialabschätzung. Dieses Vorgehen minimiert die Wahrscheinlichkeit, dass das Einsparpotenzial überschätzt wird.

3.5 Ergebnisse

Im vorigen Kapitel wurde der Einfluss der verschiedenen Parameter analysiert. Die Ergebnisse der Umlaufbildung sollen in diesem Kapitel näher beleuchtet werden, um Aussagen hinsichtlich der Gebietsdefinition und einer möglichen Hochrechnung treffen zu können.

Definition des Gebiets

Die Gebiete mit ihren Kurzbezeichnungen werden im Folgenden vorgestellt:

•    „car2go-2013“:
Im November 2012 wurde in Stuttgart „car2go“ eingeführt. „car2go-2013“ bezeichnet das Geschäftsgebiet, das ab diesem Termin und für das Jahr 2013 gültig war.

•    „car2go-2014“:
Am 18. Dezember 2013 wurde das Geschäftsgebiet von „car2go“ in Stuttgart auf Esslingen, Böblingen, Sindelfingen und Gerlingen erweitert. „car2go-2014“ bezieht sich auf das Geschäftsgebiet einschließlich dieser Erweiterung, wie es im Jahr 2014 aktuell ist.

•    „Wohnort S“:
Hier werden die Fahrten der Personen betrachtet, deren Wohnort im Stadtgebiet von Stuttgart liegt. Es handelt sich also nicht um ein Geschäftsgebiet, sondern die Fahrzeuge können überall entliehen und abgestellt werden.

•    „Alle“:
Diese Vorgabe ist ähnlich zum vorigen Punkt. Es gibt keine Beschränkung durch ein Geschäftsgebiet, die Fahrzeuge können frei bewegt werden. Bei der Definition „Alle“ werden sämtliche Pkw-Fahrten aus der Datenbasis für die Umlaufbildung verwendet.

Bild 8: Einsparungen an Fahrzeugen für verschiedene Gebietsdefinitionen

Die Einsparungen differenziert nach den vier Gebietsdefinitionen und nach Wochentagen sind in Bild 8 dargestellt. Die Erweiterung des Geschäftsgebiets von „car2go-2014“ im Vergleich zu „car2go-2013“ führt dazu, dass eine leicht erhöhte Einsparung möglich ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch die Erweiterung mehr Fahrten für die Umlaufbildung zur Verfügung stehen (siehe Tabelle 3), das betrachtete Gebiet aber nur in geringem Maße größer wird. Dadurch sind die Fahrten räumlich verdichtet und es sind mehr Verknüpfungen möglich.

Bei der Definition „Wohnort S“ stehen mehr Fahrten für die Umlaufbildung zur Verfügung als bei den car2go-Gebieten. Allerdings unterliegt hier das Entleihen und Abstellen der Fahrzeuge keiner Gebietsbeschränkung, so dass sich die betrachteten Fahrten über ein größeres Gebiet erstrecken. Entsprechend ist das Einsparpotenzial deutlich geringer.
Wenn allerdings die Beschränkung des Wohnorts aufgehoben wird und alle Haushalte der Region Stuttgart betrachtet werden, können deutlich mehr Fahrten für die Umlaufbildung verwendet werden. Die Start- und Zielorte verteilen sich aber auf ein ähnliches Gebiet, so dass wiederum eine Verdichtung der Fahrten und damit ein erhöhtes Einsparpotenzial erreicht werden kann.

Tabelle 3: Anzahl der betrachteten Fahrten für verschiedene Gebietsdefinitionen

Entscheidend für ein hohes Einsparpotenzial ist folglich, dass eine hohe räumliche Dichte der Fahrten vorliegt. Das bedeutet, es sollten möglichst viele Fahrten in einem begrenzten Raum durchgeführt werden. Auf diese Weise ergibt sich ein hoher Auslastungsgrad für die Fahrzeuge. Es ist also nachvollziehbar, dass das Free-Floating-System hauptsächlich in Großstädten angeboten wird. Dieser qualitative Zusammenhang zwischen Fahrtendichte und Einsparpotenzial wird ebenfalls im folgenden Abschnitt bei der Hochrechnung nachgewiesen.

Hochrechnung der Ergebnisse

Alle durchgeführten Analysen basieren auf den erhobenen Wegedaten, die allerdings nur eine Stichprobe der Realität darstellen. Wie die Untersuchungen im vorigen Abschnitt gezeigt haben, hat die Fahrtendichte einen hohen Einfluss auf das Potenzial von Carsharing. Deshalb werden nun die Ergebnisse der einzelnen Wochentage zu einer vollständigen Woche zusammengefasst und im Anschluss wird diskutiert, wie die Ergebnisse dieser Stichprobe auf alle Pkw-Fahrten hochgerechnet werden können.

Für die Hochrechnung werden die Ergebnisse verwendet, die sich aus der Umlaufbildung mit folgenden Rahmenbedingungen ergeben:

•    Geschäftsgebiet „car2go-2014“

•    „Nutzerorientierter Ansatz“ (Zugangsweiten werden minimiert)

•    Minimale Standzeit: 15 Minuten

•    Maximale Zugangsweite: 250 Meter

Wenn die Wochentage einzeln betrachtet werden, so ergeben sich für die Anzahl der notwendigen Fahrzeuge nach Durchführung der Umlaufbildung die in Tabelle 4 dargestellten Werte. Für die Fahrten am Freitag werden mit 1.083 die meisten Fahrzeuge benötigt. Würde der Betreiber die Fahrzeuge um Mitternacht so umparken, dass sie für die Fahrten des folgenden Tages am richtigen Ort bereitstehen, dann würden die 1.083 Fahrzeuge ausreichen, um alle Fahrten der Woche zu realisieren.

Tabelle 4: Notwendige Anzahl an Fahrzeugen nach Umlaufbildung

Ohne das Umparken des Betreibers ist eine Umlaufbildung über die gesamte Woche notwendig. Die Auswertung ergibt für eine zusammenhängende Woche eine notwendige Anzahl an Fahrzeugen von 2.219. Mit den ursprünglich verwendeten Fahrzeugen ergeben sich die in Tabelle 5 dargestellten Einsparpotenziale für die gesamte Woche.

Tabelle 5: Einsparpotenzial an Fahrzeugen für die gesamte Woche

Hochrechnung

Die Stichprobe der Erhebung umfasst 5.567 von insgesamt 1,25 Millionen Haushalten in der Region Stuttgart. In der Erhebung wurden insgesamt 107.805 Fahrten als Pkw-Selbstfahrer erfasst, die einem Auszug aus 21,6 Millionen wöchentlichen Fahrten in der Region Stuttgart entsprechen. Bei der Umlaufbildung mit den Erhebungsdaten wurde folglich ungefähr jede 200. reale Fahrt einbezogen. Wie die Analyse der Gebietsdefinitionen gezeigt hat, hat die räumliche Verdichtung der Fahrten einen entscheidenden Einfluss auf das Einsparpotenzial an Fahrzeugen. Es ist also zu erwarten, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller realen Fahrten die Potenziale größer sind. Um darüber quantitative Aussagen treffen zu können, sind mehr Daten notwendig, wie sie zum Beispiel mit mikroskopischen Verkehrsnachfragemodellen erzeugt werden können. Allerdings erfordert die Umlaufbildung für diesen Fall einen deutlich erhöhten Rechenaufwand.

4 Fazit

Es konnte gezeigt werden, dass sich die Algorithmen der Umlaufplanung auf Wegedaten anwenden lassen, um so eine Potenzialabschätzung von Carsharing zu erhalten. Wenn jeder 200. Haushalt der Region Stuttgart auf Carsharing umsteigt, ist mit dem im Jahr 2014 aktuellen Geschäftsgebiet von „car2go“ bereits eine Einsparung von bis zu 25 % der Fahrzeuge möglich. Wird den Nutzern eine höhere Zugangsweite als 250 Meter zugemutet, so lässt sich das Potenzial weiter steigern. Außerdem kann ein größerer Anteil an Fahrzeugen eingespart werden, wenn sich mehr Haushalte am Carsharing beteiligen. Dieser Effekt ist zurückzuführen auf die räumliche Verdichtung der Fahrten.

Es ist allerdings zu beachten, dass mit dem vorgestellten Verfahren keine Verlagerung von Fahrten auf andere Verkehrsmittel abgebildet wird. Das Verkehrsaufkommen auf der Straße bleibt unverändert, lediglich die dafür notwendige Anzahl an Fahrzeugen wird reduziert, indem der Auslastungsgrad erhöht wird.

Die Effizienz von Carsharing kann drastisch erhöht werden, wenn bereits vorab bekannt ist, an welchen Punkten zukünftige Fahrten gestartet werden. Liegt diese Information vor, können die Fahrzeuge beispielsweise in den Nachtstunden entsprechend positioniert werden. Dadurch kann der Auslastungsgrad deutlich erhöht werden und die Auswertungen zeigen, dass das Einsparpotenzial an Fahrzeugen auf über 50 Prozent steigt. Dieser Ansatz widerspricht allerdings dem aktuellen Konzept der Free-Floating-Systeme, bei denen die Fahrzeuge nicht langfristig im Voraus gebucht werden können. Die Nutzer haben also keine Garantie, dass für eine geplante Fahrt ein Fahrzeug zur Verfügung steht. Deshalb wird das Free-Floating-System hauptsächlich für spontane Fahrten genutzt. Zudem ist ein Umparken der Fahrzeuge wirtschaftlich nicht realisierbar.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnten langfristig autonome Fahrzeuge darstellen, die ohne Fahrer selbständig den Standort wechseln. Die Verfügbarkeit der Fahrzeuge kann damit deutlich erhöht werden und die Fahrten werden planbar. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Entwicklungsweg. Kurz- und Mittelfristig lässt sich das Potenzial von Carsharing besser ausschöpfen, indem mehr Haushalte auf Carsharing umsteigen.

5 Literatur

[1]    LEISMANN, K., SCHMITT, M., ROHN, H., BAEDECKER, C. (2012). Nutzen statt Besitzen. Heinrich Böll Stiftung, Schriften zur Ökologie, Band 27, Berlin.

[2]    BCS, Bundesverband CarSharing e. V. (2012). Bundesverband CarSharing Jahresbilanz 2012: So viel CarSharing-Zuwachs wie noch nie. Online verfügbar unter www.carsharing.de.

[3]    BECKER, J., STEINFELS, T. (2006). Umlaufplanung für den ÖV, Fallbeispiel des Projekts „OptiV – Erschließung von Entscheidungs- und Optimierungsmethoden für die Anwendung im Verkehr“. Online verfügbar unter www.optiv.de.