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1 Einleitung
Die Klimadiskussionen im Zusammenhang mit verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) fordern Maßnahmen für eine bewusstere und effizientere Umgangsweise mit Energie im Mobilitätsbereich. Das größte Potential lässt sich im Straßenverkehr feststellen. Technologische Fortschritte in der Fahrzeugindustrie durch Weiterentwicklung von konventionellen Fahrzeugkonzepten und Treibstoffen, Veränderungen in den Flottenzusammensetzungen, neue Algorithmen bei Verkehrsleitsystemen zur Steuerung des Individualverkehrs (IV) und Maßnahmen zur Beeinflussung des Fahrverhaltens werden unternommen. Aber auch die Elektrifizierung des motorisierten Individualverkehrs (mlV) und die Initiativen zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) liefern einen wesentlichen Beitrag.
Hybridsysteme, Elektro-, Batterieund Brennstoffzellen-Technologien werden als wichtige Produktinnovationen bei Fahrzeugantrieben bezeichnet. Das bewirkt in den nächsten Jahren einen signifikanten Anstieg an unterschiedlichen Antriebsvarianten im Straßenverkehr, womit in der gesamten Betrachtung der Mobilität umgegangen werden muss.
Die individuelle Routenwahl der einzelnen Fahrer im Verkehrssystem sollte ebenfalls als Potentialträger zum effizienteren Energieeinsatz betrachtet werden. Diese wird in der Realität durch subjektive und objektive Aspekte des Verkehrsteilnehmers oder durch technische Einrichtungen wie der Fahrzeugnavigation beeinflusst. Prognostizierte Reisezeiten der Strecke, Streckenlänge und eventuelle Streckengebühren kommen bereits in heutigen Algorithmen des Routings zur Anwendung. Verschiedene Studien haben klar gezeigt, dass Berechnungen für die kürzeste oder schnellste Route nicht mit den Berechnungen der ökologischten Route übereinstimmen. Dabei wurden für dieselben Quelle-Ziel-Beziehungen mit unterschiedlichen Routen untersucht und hohe Unterschiede im Treibstoffverbrauch und dem Emissionsausstoß festgestellt (12, 31). Zum Beispiel haben Steigungen entlang des Streckenverlaufs einen großen Einfluss (siehe [4]).
Zukünftig wird es wichtig sein, allen Fahrzeuglenkern des motorisierten Straßenverkehrs die entsprechenden Informationen unabhängig vom Antriebskonzept des Fahrzeuges bereitzustellen, um ihr Fahrzeug möglichst energieeffizient durch das Verkehrswegenetz manövrieren zu können. Wie viel Energie für die jeweilige Fahrt benötigt wird, ist dabei von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig, welche schlussendlich aus der Summe für die Route (Wegstrecke) gebildet wird. Vor allem sind dabei das aktuelle Verkehrsaufkommen, der Zustand der Stre cken und des Fahrzeugtyps ausschlaggebend. Eine Berücksichtigung dieser Faktoren um den zusätzlichen Fokus der Energieeffizienz für die Routenberechnung ist besonders bei neuen Antriebskonzepten mit unterschiedlichen Bedürfnissen von wesentlicher Bedeutung.
Intelligente Verkehrssysteme (Intelligent Transportation Systems ITS) könnten den energieeffizientesten Weg unter Berücksichtigung aller notwendigen Informationen von Strecken und Abbiegebeziehungen anbieten. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Datengrundlage als gewichteten Streckennetzgraphen, welche den Energiebedarf zur Befahrung repräsentiert und für die Berechnungsalgorithmen herangezogen werden kann.
Dieser Beitrag beschreibt eine neue Methode, den Energiebedarf zur Befahrung der einzelnen Netzkomponenten hinsichtlich der aktuellen Gegebenheiten zu berechnen und in Form eines gewichteten Netzgraphen für verschiedene ITS-Anwendungen wie Routingalgorithmen zur Verfügung zu stellen. Dabei soll die Gewichtung möglichst schnell und effizient generiert werden, um eine Echtzeitanwendung zu realisieren und mittels einer Zentrale für Routingsysteme bereitgestellt werden. Die Gewichte stellen dabei den Energiebedarf zur Überwindung der aktuell aufkommenden Fahrwiderstände abhängig von Streckentyp und Verkehrsaufkommen dar. Die Berechnungen werden für charakteristische Fahrzeugtypen durchgeführt, welche die durchschnittlichen fahrzeugspezifischen Kennwerte zur Fahrwiderstandsberechnung repräsentieren.
2 Fahrwiderstände und Energiebedarf
Um ein Fahrzeug in Bewegung zu bringen, müssen vom Fahrzeugantrieb die auftretenden Fahrwiderstände überwunden werden. Es wird dabei von der Bedarfskraft FBed gesprochen, siehe Gleichung (1), welche an den Rädern vorhanden sein muss, um voranzukommen. (Fn ... Rollwiderstandskraft [N], FL . . . Luftwiderstandskraft [N], FB ... Widerstandskraft bei Beschleunigung [N], Fst . . . Steigungswiderstand [N])
Formel (1) siehe PDF.
Bei Bewegungsvorgängen in Längsrichtung (Fahren, Beschleunigen und Verzögern) treten unterschiedliche Fahrwiderstände auf, welche nach Fahrzustand eingeteilt werden können:
• stationäre Fahrt bei konstanter Geschwindigkeit: Rad-, Luftund Steigungswiderstände
• instationäre Fahrt bei beschleunigter Fahrt: Rad-, Luft-, Steigungswiderstände und Widerstandskräfte aufgrund der Massenträgheit
Für die Fahrt über eine Weglänge sx und die dabei auftretenden Fahrwiderstände FBed( s) muss an den Antriebsrädern die Energie EBed umgewandelt werden, Gleichung (2).
Formel (2) siehe PDF.
Diese Fahrwiderstände setzen sich aus konservativen (FBed,kon) und nicht konservativen oder dissipierten Kräften (FBed,dis) zusammen, wobei die konservativen Kräfte nach Möglichkeit des Fahrzeugkonzeptes durch Rekuperation wieder als Energie zurückgewonnen werden können, Gleichungen (3).
Formel (3) siehe PDF.
Abbildung 1 stellt den Energiebedarf zur Überwindung der aufkommenden Fahrwiderstände während einer Fahrt mit gleichbleibender positiver Beschleunigung von 0.8m/s2 und einer Streckensteigung von 1% dar. Die Energie für Roll(En) und Steigungswiderstand (Estl sind nahezu unabhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit. Der Energiebedarf zur Überwindung des Beschleunigungswiderstandes (EB) steigt linear mit der Geschwindigkeit, wobei der Luftwiderstand (EL) als quadratische Funktion zur Geschwindigkeit steigt. Damit wird klar dargestellt, dass der Gesamtenergiebedarf in Phasen der niedrigen und hohen Fahrgeschwindigkeiten eingeteilt werden kann:
• Phase 1 (Geschwindigkeit< 80km/h): Energie wird überwiegend zur Beschleunigung benötigt.
• Phase 2 (Geschwindigkeit> 80km/h): Energie wird zur Überwindung des Luftwiderstandes und zur Beschleunigung benötigt.
Bild 1: Energiebedarf während einer konstanten Beschleunigungsfahrt (0.8m/s2) auf einer Strecke mit 1% Steigung unterteilt nach Fahrwiderständen.
Es gibt unterschiedliche (Simulations-)Modelle, welche die Emissionsberechnung und den Kraftstoffverbrauch aufgrund von aufkommenden Fahrwiderständen und entsprechenden Verlusten durchführen. In [5] wurde an der Technischen Universität Graz das Modell PHEM (Passenger Car and Heavy Duty Emission Model) entwickelt, welches die notwendige Motorleistung um die Fahrwiderstände und Verluste am Antriebsstrang zu überwinden für einen gege ben Fahrzyklus in einer Auflösung von 1Hz-Daten berechnen kann. Die Motorgeschwindigkeit und ein Gangwahlmodell werden dabei simuliert und die Emissionen werden aus hinterlegten (Motor-)Kennfeldern interpoliert. Dementsprechend können die Emissionen und der Kraftstoffverbrauch in dieser feinen zeitlichen Auflösung bestimmt werden.
In [6] wurde das Emissionsmodell CMEM (Comprehensive Modal Emission Model) vorgestellt, welches von der Universität in Californien entwickelt wurde. CMEM berechnet ebenfalls aus physikalischen zusammenhängen den Leistungsbedarf für eine Fahrt um den Kraftstoffver brauch und die produzierten Emissionen zu schätzen. Sowohl PHEM als auch CMEM können spezielle Fahrzeugtypen, Modelle und Produktionsjahre als Datenbasis verwenden.
3 Fahrverhaltensmuster eines Fahrverlaufs
Ein unterschiedliches Fahrverhalten bewirkt ein unterschiedliches Ausmaß des Verbrauches bzw. des Energiebedarfs. Das Fahrverhalten und somit das Fahrverhaltensmuster einer Fahrt wird von verschiedenen Faktoren, wie das aktuelle Verkehrsaufkommen, dem Streckentyp und nicht zuletzt durch das individuelle Fahrverhalten des Lenkers beeinflusst. Ersichtlich ist dieser Einfluss bei der zeitlichen Verschiebung der einzelnen Fahrmodi und der Intensität der instationären Bewegungen während der Streckenbefahrung, welche es zu bestimmen gilt.
3.1 Fahrverhaltensmuster auf Strecken
Die wichtigsten Fragen bei der Untersuchung von Fahrverhaltensmuster ist die klare Abgrenzung der einzelnen Fahrmodi (Stillstand, Beschleunigen, Verzögern, Cruisen) während eines Fahrverlaufs. Wesentlich ist auch die Intensität von Beschleunigung und Verzögerung. In Tabelle 1 werden die Definitionen zur Bestimmung der einzelnen Fahrmodi auf der linken Seite dargestellt. In jedem Fahrmodus müssen unterschiedlich auftretende Fahrwiderstände überwunden werden, was den Energiebedarf an den Rädern darstellt. Diese sind im rechten Abschnitt der Tabelle zusammengefasst.
(ER ... Energiebedarfswert zur Überwindung des Rollwiderstandes [kWh], EL ... des Luftwiderstandes [kWh], Es ... des Beschleunigungswiderstandes [kWh], E81 .•. des Steigungswiderstandes [kWh], EAux ... der Nebenverbraucher [kWh])
Tabelle 1: Definitionen der Fahrmodi im Fahrverlauf (links) und der Energiebedarfaufgrund der Widerstandskräfte (rechts)
3.2 Fahrverhaltensmuster bei Abbiegevorgängen
Wird ein Abbiegevorgang betrachtet, so werden die selben Fahrmodi durchgeführt, welche auch für die Befahrung einer Strecke auftreten. Da der Abbiegevorgang in der Regel wenige Sekunden lang andauert, ist eine Untersuchung der zeitlichen Verteilungen einzelner Fahrmodi nicht zielführend. Die Berücksichtigungen von Abbiegezuschlägen für Navigationsanwendungen erfolgte in bisherigen Arbeiten nur begrenzt, da sich das Vorgehen der belastungsabhängigen Bewertung als große Schwierigkeit herausstellt. Meist werden lediglich statische Zeitzuschläge für Linksund/oder Rechtsabbieger ohne Kenntnis der Knotenpunktsteuerung durchgeführt.
In dieser Arbeit gilt die Annahme, dass das Abbiegemanöver in zwei Phasen eingeteilt wird: vor und nach der Haltelinie. Deshalb werden die relevanten Kenngrößen in Abhängigkeit des Verkehrsaufkommens und des Signalisierungstyps des Knotenpunktes analysiert. Für die Berechnung des Energiebedarfs des instationären Anteils der Fahrt (von Einfahrt in den Knotenpunktsbereich bis zur Ausfahrt) sind die durchschnittliche Geschwindigkeit, der Zeitbedarf und die positive Beschleunigung zu bestimmen. Bei der Berechnung des Energiezuschlags werden die durchschnittliche Geschwindigkeit und der zusätzliche Zeitbedarf für das gesamte Abbiegemanöver herangezogen.
4 Bewertungsmethode eines Streckennetzes
Bisher kamen netzweite Berechnungen der Emissionsund Verbrauchswerte zur Anwendung, um umweltrelevante Auswirkungen von unterschiedlichen Verkehrsmaßnahmen abschätzen zu können. Die Berechnungen wurden aus Gründen der Rechenzeit vereinfacht in makroskopischen Modellen integriert und zogen als Eingangsparameter durchschnittliche Geschwindig keiten heran. Diese Ansätze werden stark kritisiert, da jegliche Einflüsse der Umgebung und des Verkehrsaufkommens auf das Fahrverhalten nicht berücksichtigt werden.
Gerade im Hinblick auf häufige Beschleunigungsvorgänge aufgrund des Verkehrsaufkommens können die produzierten Emissionen mit diesen Ansätzen nicht adäquat geschätzt werden. Erweiterte Verfahren haben den unterschiedlichen Streckentyp und den Verkehrszustand in Form von Level-of-Service (LOS) Kategorien berücksichtigt. Damit wird den realen Geschwindigkeits und Beschleunigungsprofilen und somit den Gesamtergebnissen näher gekommen.
Werden diese Ansätze zur Verbrauchsbestimmung für Streckennetze aufgrund von Durchschnittswerten und die Berechnungsverfahren von mikroskaligen Emissionsmodellen ([5, 7]) betrachtet, wird der in dieser Arbeit gewählte Ansatz unterstützt:
Die entwickelte Methodik ermöglicht die Gewichtung der Strecken und Abbiegebeziehungen eines Straßennetzgraphen als Energiebedarfswert unter Berücksichtigung der aktuellen Umgebungszustände. Dafür wird die Annahme getroffen, dass der Energieverbrauch von Fahrzeugen direkt im Zusammenhang mit den verschiedenen Fahrverhaltensmustern abhängig von Streckentyp und Verkehrsaufkommen und den dabei auftretenden Fahrwiderständen steht.
Aufgrund von Durchschnittswerten der aktuell zu fahrenden Geschwindigkeit und der Zustandsbestimmungen des aktuellen Verkehrsaufkommens werden die Fahrverhaltensmuster auf den Strecken und Abbiegerelationen geschätzt. Die Verhaltensmuster unterscheiden sich durch die zeitlichen Anteile der einzelnen Fahrmodi (Beschleunigung, Verzögerung, Cruising, Stillstand) und den Stärken der Beschleunigungsraten im Fahrverlauf. Diese gilt es zu bestimmen, damit der Energiebedarf zur Überwindung der auftretenden Fahrwiderstände auf Basis von physikalischen Zusammenhängen berechnet werden kann. Die unterschiedlichen Umgebungseinflüsse (Streckentyp, Streckensteigung und Verkehrsaufkommen) auf das Fahrverhaltensmuster werden durch unterschiedliche Schätzfunktionen zur Bestimmung der Zeitanteile und Raten repräsentiert und können damit zugeordnet werden.
Für die Entwicklung dieser Schätzfunktionen wurden sowohl Messfahrten durchgeführt als auch Verkehrsflussmodelle aufgebaut und kalibriert, um ein größeres Datensample für realitätsgetreue Fahrverhaltensmuster zu erhalten. Die Aufzeichnungen der Realfahrten und Ergebnisse der Simulationen (sekündliche Fahrverläufe) wurden nach Strecken-/Abbiegetyp und Auslastungsgrad kategorisiert und analysiert.
Bild 2: Konzeptionelle Darstellung der Gewichtungsmethodik für Strecken und Abbbiegerelationen. (a) Streckengewichtung, (b) Gewichtung derAbbiegerelationen.
Der Ablauf der Bewertungsmethodik für Strecken und Abbieger wird in Abbildung 2 dargestellt. Aufgrund der aktuellen Verkehrslage werden die mögliche Fahrgeschwindigkeit und die Kenngröße zur Festlegung des Verkehrszustandes (Auslastungsgrad oder Level-of-Service) auf den einzelnen Straßensegmenten festgestellt. Mit den Informationen zum Verkehrsaufkommen und Streckentyp als Eingangsgrößen lassen sich die entwickelten Schätzfunktionen zur zeitlichen Verteilung der Fahrmodianteile bestimmen. Ebenfalls werden die zugehörigen Beschleunigungsund Verzögerungsfunktionen zur Feststellung der Raten identifiziert. Die notwendigen statischen Informationen der einzelnen Netzkomponenten, wie Streckenlänge, Steigung oder Knotenpunktsteuerung, werden dem zugrunde gelegten, routingfähigen Straßennetzgraphen entnommen.
Durch Kenntnis von Zeitanteil der Fahrmodi, Durchschnittsgeschwindigkeit, Beschleunigungsund Verzögerungsraten, Streckensteigung und Streckenlänge lässt sich der Energiebedarf für die Befahrung der Strecke berechnen und kann als Streckengewichtung in den Graphen eingepflegt werden. Die Summe der Energieaufbringung für die jeweiligen Fahrmodi (Cruisen Ecruise, Beschleunigen Eacc, Verzögern Edec, Stillstand Eswz) und die jeweiligen Zeitanteilen (p) bestimmen den gesamten Energiewert pro Strecke (Elink) und Streckenlänge (s), siehe Gleichungen (2) und (4).
Formel (4) siehe PDF.
Die Abbiegebeziehungen in Verkehrsnetzen werden ohne Längenangaben oder Reisezeiten versorgt, weshalb das Ergebnis der Energiebedarfsberechnung als Energiezuschlag zu verstehen ist.
Der gesamte Abbiegevorgang (Verbindung einer von-Strecke und nach-Strecke) mit den auftretenden Fahrwiderständen und belastungsabhängigen Kenngrößen für die Energiebedarfsberechnung muss ermittelt werden. Vor allem die Beschleunigungen auf die Geschwindigkeit der nach-Strecke im Zuge des Abbiegevorganges müssen im Hinblick auf den Energiebedarf einfließen.
Im zentralen Abbiegevorgang ist die aufgrund des Kurvenradius a maximal möglich zu fahrende Geschwindigkeit Vturn und die Beschleunigung auf die Wunschgeschwindigkeit ausschlaggebend. Der dabei aufgewendete Energiebedarf Eurn wird mit der belastungsabhängigen Geschwindigkeit Vturn, des Zeitbedarfs t,,,,rn und der positiven Beschleunigungsrate acc,urn mit den auftretenden Fahrwiderständen einer instationären Fahrt berechnet.
Die belastungsabhängige Reisezeit inkludiert die Halteund Wartezeiten bis zum Knotenpunkt und wird maßgeblich von der Verkehrsbelastung und des Steuerungstyps des Knotenpunktes beeinflusst. Der daraus resultierende zusätzliche Zeitbedarf fließt in Form eines Energiezuschlages in die Bewertung ein. Die Summe der Energieaufbringung für die instationäre Fahrt nach Knotenpunkteinfahrt und der Energiezuschlag aufgrund der zusätzlichen Reisezeit bestimmen den gesamten Energiewert pro Abbieger (Elinklink), siehe Gleichung (5).
Formel (5) siehe PDF.
4.1 Datenbasis und Datenanalyse für Strecken
Die Erstellung von Schätzfunktionen bedarf einer großen Anzahl von Beobachtungsfahrten. Zeitgleich muss die Kenntnis über den aktuellen Verkehrszustand und des Streckentyps vorhanden sein, um eine Klassifizierung der erhobenen Daten durchführen zu können. Weitreichende Messkampagnen mit allen technischen Voraussetzungen und Einbeziehung von infrastrukturell erhobenen Messdaten sind dafür notwendig, was aber mit erheblichen Kosten verbunden und meist nur schwer realisierbar ist. Für diese Arbeit wurden einerseits Daten aus aufgezeichneten Messfahrten herangezogen (teilweise von Regelwerken), welche die Qualitätsansprüche und Abdeckung der Umgebungsdaten erfüllen, aber eine geringe Datenbasis aufweisen. Andererseits wurde eine mikroskopische Verkehrsflusssimulation zur Generierung zusätzlicher Daten aufgebaut. Ziel der Datengenerierung ist es, ein möglichst realistisches Abbild der einzelnen Fahrmodi während der Fahrt zu erhalten und diese Anteile in Form einer Schätzfunktion in Abhängigkeit von unterschiedlichen Umgebungsfaktoren anzuwenden.
In [8] wurden mittels Simulation erstmals die Auswirkungen einer veränderten Signalsteuerung im städtischen Gebiet auf die Produktion der Emissionen untersucht. Das dabei entwickelte Tool bestand aus einer Kopplung eines mikroskopischen Verkehrsflussmodells, eines mikroskopischen Berechnungsmodells und einem emulierten Steuerungskern eines adaptiven Verkehrssteuerungsverfahrens. Bei den Kalibrierungsmaßnahmen wurde der Schwerpunkt auf die umweltwirksamen Größen gelegt Beschleunigung, Verzögerung, Beobachtung des Energieabbaus durch abrupten Stillstand etc. Obwohl in üblichen Verkehrsmodellen versucht wird, ein möglichst breites Spektrum an Fahrweisen abzubilden, hat diese Studie gezeigt, dass die Verwendung von kalibrierten Verkehrsflussmodellen für Verbrauchsund Emissionsuntersuchungen herangezogen werden können. Um Standardbelegungen von Fahrverhaltensparametern im Modell dem tatsächlichen Fahrverhalten anzupassen, wurden Aufzeichnungen von Messfahrten herangezogen und verglichen. Weitere Untersuchungen wie in [9] vorgestellt, haben die Erfahrungen zur Kalibrierung von Verkehrsflussmodellen um möglichst realistische Fahrverläufe zu simulieren, erheblich erweitert.
In Verkehrsflussmodellen haben die sich bewegenden Fahrzeuge im Netz stochastisch zugeteilte Charakteristika wie Fahrzeuglänge, Höchstgeschwindigkeit, Beschleunigungsvermögen, aber ebenso psychophysische Wahrnehmungsgrenzen des Fahrers wie Schätzvermögen, Sicherheitsempfingen und Risikobereitschaft, welche das Fahrverhalten insgesamt bestimmen. Zusätzlich können entsprechende Parametersätze zum allgemeinen Fahrverhalten modifiziert werden und Verteilungskurven der Beschleunigungsund Verzögerungsraten vorgegeben werden. Für die Erstellung der Beschleunigungsund Verzögerungskurven wurden die Basisdaten der Version HBEFA 3.1 (Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, [101) herangezogen, welche als Berechnungsbasis für die Emissionen dienten. Im Januar 201O wurde die aktuelle Version 3.1 des Handbuchs veröffentlicht. Diese wichtigen Basisdaten für das Handbuch stellen unter Messprogrammen durchgeführten Fahrten dar, womit Emissionswerte berechnet wurden. Um möglichst eine breite Abdeckung an unterschiedlichen Fahrver halten zu erzielen, wurden unterschiedliche Fahrer und Fahrzeuge aufgenommen. Die aufgezeichneten Rohdaten wurden entsprechend verarbeitet und die Emissionswerte gebildet und können abhängig von Emissionsart, Fahrzeugkategorie sowie -größe, Verkehrssituation, Streckentyp und Längsneigung angewendet werden. Bei der Emissionsart wird zwischen Emissionen im betriebswarmen Zustand, Kaltstartund Verdampfungsemissionen unterschieden. Bei der Fahrzeugkategorie stehen sowohl Personenkraftwagen als auch Nutzfahrzeuge oder Zweiräder in diversen Varianten zur Verfügung. Die vorgegebenen Verkehrssituationen spiegeln sowohl unterschiedliche Streckentypen, als auch unterschiedliche Verkehrsbelastungen und Fahrverhalten wieder. Auch Längsneigungen der Strecken können zwischen -6 und +6 % differenziert berücksichtigt werden.
Mittels den kalibrierten Verkehrsflussmodellen wurden die Fahrverläufe sekündlich aufgezeichnet und hinsichtlich Fahrmodi-Verteilung und Beschleunigungs-Nerzögerungsraten analysiert. Als Ergebnis wurden Schätzfunktionen für Fahrmodianteile und Funktionen zur Beschleuni gungNerzögerung nach Streckentyp und Auslastungsgrad generiert.
4.2 Datenbasis und Datenanalyse für Abbieger
In den Kartengrundlagen sind üblicherweise keine Informationen über geometrische Gestaltungen, Längen und Verkehrsregelungen von Knotenpunkten vorhanden. Im besten Fall sind Informationen, ob eine Kreuzung signalisiert ist, eingepflegt. Die Analyse der Fahrverhalten, kategorisiert nach unterschiedlichen Abbiegebeziehungen, kann mit einer mikroskopischen Verkehrsflusssimulation nicht adäquat abgebildet werden. Für diese Arbeit wurden deshalb Messfahrten an signalisierten und nicht signalisierten Knotenpunkten durchgeführt, um so die (belastungsabhängigen) Kenngrößen aus den einzelnen Abbiegemanövern definieren zu können.
Im Zuge einer Messkampagne wurden an drei Tagen mit zeitgleicher Aufzeichnung des Verkehrsaufkommens an 17 Abbiegeund Einbiegerelationen, GPS-Fahrten mit einer reinen Fahrtzeit von mehr als 19 Stunden aufgezeichnet. Hierfür sind Messungen zu mindestens einer Tageszeit mit Spitzbelastung (Morgen und/oder Abendspitze), zu den Schwachlastzeiten am Vor- und Nachmittag und zu den weniger belasteten Randzeiten am späten Abend oder in der Nacht durchgeführt worden. Aus den Randzeitmessungen werden jene Kenngrößen ermittelt, welche nur aufgrund von Geometrie, Größe und Art der Vorfahrtsregelung des Knotenpunktes abhängig sind, ohne den Einfluss anderer Verkehrsteilnehmer. Diese Daten dienen als Bezugswerte für Relativauswertungen.
Um den Einfluss des Verkehrs auf die Kenngrößen der Abbiegevorgänge bestimmen zu können, sind wie bei den Simulationen der Streckenbefahrungen die Verkehrsstärken erhoben worden. An Knoten mit Lichtsignalanlagen konnten Zähldetektoren verwendet werden und an unsignalisierten Knoten wurden händische Zählungen durchgeführt.
5 Evaluierung und Testanwendung
Die Berechnungsergebnisse der Bewertungsmethode wurden mit Ergebnissen der detaillierten Kalkulationen des Emissionsmodells PHEM verglichen. Dabei werden mittels GPS-Technologie aufgezeichnete, reale Trajektorien als Basisberechnung mit PHEM berechnet. Grundsätzlich wurde PHEM entwickelt, um den Leistungsbedarf und somit das Emissionsaufkommen von einzelnen Fahrten zu berechnen. PHEM ist im europäischen Raum weit verbreitet und als Standardtool für mikroskopische Emissionsmodellierung angesehen und wird kontinuierlich weiterentwickelt und mit neuen Daten versorgt. Die Parameter des hinterlegten Dieselfahrzeuges der Euroklasse 4 wurden dahingehend modifiziert, dass das Fahrzeug keine Verluste am Antriebsstrang und Motor aufweist. Somit kann ein direkter Vergleich der Energiebedarfs werte durchgeführt werden. Es wurden Vergleiche von unterschiedlichen Streckentypen mit und ohne Abbiegemanöver durchgeführt.
Ein beispielhafter Vergleich bezieht sich auf Messfahrten auf der Stadtautobahn A7 in Linz, Oberösterreich. GPS-Trajektorien wurden im Zuge eines Forschungsprojektes zur Untersuchung von umweltrelevanten Auswirkungen von Zuflussdosierungen benötigt und mit einer hohen Aufzeichnungsrate gesammelt. Im eigentlichen Projekt wurden die GPS-Tracks lediglich zur Kalibrierung und Validierung des mikroskopischen Verkehrsflussmodells verwendet und deshalb in definierte Abschnitte eingeteilt. Die acht unterschiedlichen Abschnitte weisen eine Länge von 600 3.300m auf, welche verschiedene Geschwindigkeitsbeschränkungen von 130, 100 und 80 km/h haben.
Um diese Bewertungsmethode zu testen wurden Schätzfunktionen und Beschleunigungs-/Verzögerungsfunktionen für den hochrangigen, städtischen Streckentyp mit einer Streckensteigung von 0% aus verschiedenen Simulationsergebnissen entwickelt. Die Fahrwiderstandswerte wurden mit den charakteristischen Kennwerten eines Dieselfahrzeuges der Euroklasse 4 berechnet und ebenfalls im Emissionsmodell eingestellt. Die Ergebnisse des Vergleichs werden in Abbildung 3 dargestellt, welche eine gute Übereinstimmung der Resultate zeigen.
Bild 3: Vergleich der benötigten Energie (PHEM) und der geschätzten Energie mittelsentwickelter Berechnungsmethode.
Durch die Gegenüberstellung von detaillierten Ergebnissen aus PHEM und den Ergebnissen der entwickelten Berechnungsmethodik konnte in der Arbeit gezeigt werden, dass eine sehr gute Übereinstimmung erzielt wird. Am hochrangigen Streckennetz zeigte sich eine realitätsgetreue Bewertung. Bei Validierung der niederrangigen Streckentypen hat sich gezeigt, dass die zusätzlichen Aufwände für die Befahrung von Knotenpunkten einbezogen warden müssen. Vor allem bei Streckenverläufen mit signalisierten Knotenpunkten ist darauf zu achten, ob die Angabe zu den belastungsbedingten Geschwindigkeiten die Widerstände der Knotenpunkte enthalten oder nicht. Demnach muss entweder der Energiezuschlag berücksichtigt oder ignoriert werden.
6 Diskussion und Ausblick
Dieser Beitrag beschreibt eine Methode zur schnellen und genauen Energiebedarfschätzung, welche für die Gewichtung der Strecken eines Straßengraphen herangezogen werden kann. Diese generierten Bewertungsinformationen berücksichtigen aktuelle Verkehrszustände und können als Grundlage für on-board Navigationssysteme und Routenplaner verwendet werden, um dem Fahrzeuglenker die energieeffizienteste Route vorzuschlagen.
Folgende Anforderungen werden mit dieser Gewichtungsmethodik erfüllt:
• Fahrzeug-Unabhängigkeit: Durch Darstellung des Energiebedarfs für Fahrzeugklassen werden durchschnittliche und repräsentative Kenngrößen von Fahrzeugtypen für die Berechnung der Fahrwiderstände verwendet. Somit wird eine Anwendbarkeit unabhängig von spezifischen Fahrzeugen, welche die genaue Kenntnis von fahrzeugspezifischen Kenngrößen voraussetzt, gewährleistet.
• Anwendbarkeit: Die Bewertungsmethodik soll für entsprechende Netzgrößen anwendbar sein.
• online-Fähigkeit: Es sollen die online-Verkehrslagedaten und zukünftig die aktuellen Wetterdaten für die Bewertung herangezogen werden.
Für die Entwicklung der Schätzfunktionen wurden unterschiedliche Verkehrsflussmodelle aufgebaut und hinsichtlich der energierelevanten Kenngrößen kalibriert. Die Ergebnisse der Simulationen sekündliche Fahrverläufe wurden nach Streckentyp und Auslastungsgrad kategorisiert und zeigten realitätsgetreue Fahrverhaltensmuster.
Die Methode basiert auf der Annahme, dass der Energieverbrauch von Fahrzeugen direkt im Zusammenhang mit den verschiedenen Fahrmodi und den dabei auftretenden Fahrwiderständen steht. Der zeitliche Verlauf jedes Fahrmodus wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, wobei die überwiegenden Auswirkungen auf den vorherrschenden Verkehrszustand zurück zu führen sind. Zusätzlich ist die Kenntnis über die Streckengeometrie von Wichtigkeit, damit die zusätzlichen Fahrwiderstände zur Überwindung einer Streckensteigung berücksichtigt werden können.
Die Verwendung dieser Methode beschränkt sich nicht auf on-board Navigationssysteme, sondern dient auch der Unterstützung von Fahrerassistenzsystemen. Beispielsweise können automatische Geschwindigkeitskontrollsysteme diese Datengrundlage für eine vorausschauende Fahrweise verwenden. Die bewertenden Daten können den Einsatz von Range Extendern in Elektrofahrzeugen unterstützen, um Ladeund Entladeprozesse von Batterien effizienter zu gestalten. Generell werden Fahrzeuge mit neuen Antriebskonzepten diese Kartengrundlage mit energierelevanten Informationen benötigen, um den Energieverbrauch so gering wie möglich zu halten.
In allen Fällen wird man sich die Systeme der immer stärker zum Einsatz kommenden C2X-Technologie zu Nutze machen. Informationen von einer zentralen Einheit ins Fahrzeug zu übermitteln und umgekehrt, wird in Zukunft eine Grundvoraussetzung sein. Deshalb wird auch diese Bewertungsmethode nur einen Vorteil bringen, wenn die Gewichte der Netzkomponenten kontinuierlich oder auf Anfrage während der Fahrt ins Fahrzeug übertragen werden können. Ob das Fahrzeug diese Gewichte in ihrer übertragenen Form direkt verwendet oder mit fahrzeugspezifischen Informationen erweitert, bleibt dem Anwendungssystem überlassen.
Literatur
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[2] Frey H.C., Zhang K., Rouphail N.M., ,,Fuel use and emissions comparison for alternative routes, time of day, road grade, and vehicle based on in-use measurements", in Environ mental Science & Techno/ogy, No. 42, 2008, pp. 2483-2489.
[3] Anh K., Rakha H., ,,The effects of raute choice decisions on vehicle energy consumption and emissions", in Transportation Research Part D: Transport and Environment 13(3), 2008, pp. 151-167
[4] Park S., Rakha H., ,,Energy and environmental impacts of roadway grades", in Transportation Research Record 1987, 2006, pp. 148-160.
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[9] Kraschl-Hirschmann K., Zailinger M., Luz R., Feilendorf M., Hausberger S., ,A method for emission estimation for microscopic traffic flow", Proceedings of the 2011 IEEE Forum on lntegrated and Sustainable Transportation Systems, 2011.
[10] INFRAS, ,.Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs", 2010. |