FGSV-Nr. | FGSV 001/28 |
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Ort | Dortmund |
Datum | 05.10.2022 |
Titel | Einsatz von Sekundärbaustoffen im Erdbau |
Autoren | Dr.-Ing. Stefan Huber |
Kategorien | Kongress |
Einleitung |
Das volle Potenzial mineralischer Sekundärbaustoffe im Hinblick auf die Themen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit wird im Erdbau nach wie vor nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Ursächlich hierfür ist, dass in der Baupraxis bei mineralischen Sekundärbaustoffen noch immer Vorbehalte bezüglich ihrer erdbautechnischen Eigenschaften und ihrer Gleichwertigkeit gegenüber natürlichen Baustoffen bestehen, die auch auf Unterschiede im erdbautechnischen Verhalten mineralischer Sekundärbaustoffe im Vergleich zu natürlichen Baustoffen sowie auf Schwierigkeiten bei ihrer Prüfung im Labor und im Feld zurückzuführen sind. Dieser Beitrag zeigt auf, dass sowohl zwischen verschiedenen mineralischen Sekundärbaustoffen als auch natürlichen Baustoffen Unterschiede im Hinblick auf die granulometrischen Eigenschaften bestehen. Diese sind dabei ursächlich für die in der Praxis beobachteten Unterschiede hinsichtlich der erdbautechnischen Eigenschaften von natürlichen Primärbaustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen sowie für die Schwierigkeiten, die bei der Prüfung mineralischer Sekundärbaustoffe im Labor und Feld auftreten können. Mittels umfangreicher Untersuchungen, die im Rahmen diverser Forschungsvorhaben durchgeführt wurden, konnte gezeigt werden, dass die Unterschiede zwischen natürlichen Primärbaustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen keine grundsätzliche Minderung der erdbautechnischen Eignung von Sekundärbaustoffen darstellen. Die Schwierigkeiten, die bei der Prüfung mineralischer Sekundärbaustoffe im Labor und Feld auftreten können, müssen im Hinblick auf ihre vertragskonforme Verwendung als Baustoffe im Erdbau allerdings berücksichtigt werden. |
Volltext | Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.1 Ressourceneffizienz im Erdbau1.1 AusgangssituationDas Thema „Ressourceneffizienz“ hat sich angesichts einer weltweit weiterwachsenden, nach Wohlstand strebenden Bevölkerung bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen in den letzten Jahren zu einem der führenden Leitmotive in unserer Gesellschaft entwickelt. Definiert wird der Begriff „Ressourceneffizienz“ von Kosmol, Kanthak et al. (2012) als das „Verhältnis eines bestimmten Nutzens oder Ergebnisses zum dafür nötigen Ressourceneinsatz“, wobei im umweltwissenschaftlichen Sprachgebrauch der Einsatz natürlicher Ressourcen gemeint ist (s. a. Verein Deutscher Ingenieure 2016). Eine effiziente Nutzung von Ressourcen bedeutet also, dass mit einem möglichst geringen Einsatz an natürlichen Ressourcen ein möglichst großer Nutzen erzielt wird. Je geringer der zur Erstellung eines Produktes oder eines Bauwerkes erforderliche Einsatz an natürlichen Ressourcen ist, desto höher ist die Ressourceneffizienz. Ein Wirtschaftssektor, der im Zusammenhang mit „Ressourceneffizienz“ von herausragender Bedeutung ist, in der öffentlichen Diskussion jedoch häufig nicht in erster Linie damit in Verbindung gebracht wird, ist die Bauwirtschaft. Die Bauwirtschaft ist mit einem jährlichen Bedarf an Gesteinskörnungen von knapp 590 Mio. t nicht nur einer der ressourcenintensivsten Wirtschaftszweige unserer Volkswirtschaft, sondern stellt gleichzeitig denjenigen Wirtschaftssektor dar, in dem mit einem Anfall von etwa 220 Mio. t an mineralischen Restmassen der deutschlandweit größte Abfallstrom produziert wird (Kreislaufwirtschaft Bau 2021). Der Großteil der jährlich verbrauchten Menge an Gesteinskörnung wird allerdings noch immer durch natürliche Kiese und Sande (ca. 259 Mio. t) sowie durch Naturstein (ca. 226 Mio. t), die als Primärrohstoffe aus der Natur entnommen und zu Primärbaustoffen aufbereitet werden, gedeckt. Sekundärbaustoffe (Ersatzbaustoffe), das heißt Baustoffe, die wie Recycling-Baustoffe aus aufbereiteten Baurestmassen oder industrielle Nebenprodukte aus mineralischen Abfällen oder Produktionsrückständen gewonnen werden, tragen mit einer Menge von insgesamt nur etwa 100 Mio. t lediglich in einem vergleichsweise niedrigen Umfang zur Deckung des Bedarfs an Gesteinskörnungen bei. Durch eine weitere Steigerung des Anteils an mineralischen Reststoffen und industriellen Nebenprodukten, die als Sekundärbaustoffe hochwertig Verwendung im Bauwesen finden, könnte der Verbrauch an Primärbaustoffen weiter reduziert und damit ein signifikanter Beitrag zur Ressourceneffizienz geleistet werden. Die möglichst hochwertige Nutzung mineralischer Restmassen als Sekundärbaustoffe erscheint nicht nur unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten als geboten, sondern ist in Deutschland seit der Umsetzung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie mit der Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Jahre 2012 zum Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) auch gesetzlich vorgeschrieben. So räumt das KrWG in § 7 KrWG der Verwertung von (mineralischen) Abfällen den Vorrang vor der Beseitigung ein und ordnet die potentiellen Bewirtschaftungsmaßnahmen von Restmassen in § 6 KrWG hierarchisch nach ihrer Wertigkeit. Somit müssen mineralische Reststoffe, sofern ihr Anfall nicht durch geeignete Maßnahmen vermieden werden kann, einer gemäß Abfallhierarchie möglichst hochwertigen Verwertungsmaßnahme zugeführt werden. Als Verwertungsmaßnahmen im Sinne von § 6 KrWG gelten in absteigender Reihenfolge die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige Verwertung, was für mineralische Reststoffe ihre Verfüllung bedeutet. Die Beseitigung, die sich am Ende der Abfallhierarchie befindet, bedeutet im Falle mineralischer Restmassen in der Regel ihre Deponierung und sollte lediglich dann in Betracht gezogen werden, sofern eine Verwertung nicht möglich ist. Betrachtet man den Anfall und Verbleib insbesondere der beiden größten Stoffströme der jährlich anfallenden Menge an mineralischen Restmassen – „Bodenaushub“ mit einer Masse von ca. 130 Mio. t und „Bauschutt“ mit einer Masse von ca. 60 Mio. t in 2018 (s. Bild 1) – zeigt sich, dass im Hinblick auf eine ressourceneffiziente Nutzung mineralischer Sekundärrohstoffe als Sekundärbaustoffe noch erhebliches Potenzial gehoben werden kann. Zwar weisen die Statistiken aus, dass bereits heute der weitaus größte Anteil der beiden Stofffraktionen einer Verwertungsmaßnahme gemäß KrWG zugeführt wird. Berücksichtigt man jedoch, dass die Verwertung insbesondere der beiden größten Stofffraktionen „Bodenaushub“ und „Bauschutt“ lediglich durch ihre Verfüllung erfolgt, zeigt sich, dass das Erfordernis einer nachhaltigen Materialverwendung im Bauwesen in Deutschland bei Weitem noch nicht erreicht ist und noch erhebliches Potential zur Ressourceneffizienz besteht. Bild 1: Anfall und Verbleib mineralischer Restmassen in Deutschland in Jahr 2018 (nach Kreislaufwirtschaft Bau (2021)) Ein erklärtes Ziel muss es sein, zukünftig anstatt von Primärbaustoffen möglichst alle mineralischen Restmassen, die derzeit noch häufig als Abfälle behandelt oder verfüllt werden und bedingt durch ihre bau- und umwelttechnischen Eigenschaften dafür geeignet sind, als Sekundärbaustoffe (Ersatzbaustoffe) in möglichst hochwertigen technischen Anwendungen des Erdbaus einzusetzen. Nur durch eine weitgehende und möglichst hochwertige Verwertung mineralischer Restmassen als deutschlandweit größtem Abfallstrom ist es möglich, die in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung formulierten Ziele der Vereinten Nationen an ein nachhaltiges und ressourceneffizientes Wirtschaften bestmöglich zu erreichen (Martens; Elmers 2020). Angesichts der enormen Bandbreite der anfallenden Sekundärbaustoffe und deren jeweiligen bautechnischen und umweltbezogenen Eigenschaften ist es hierfür erforderlich, Klarheit bezüglich ihrer stoffspezifischen erdbautechnisch relevanten Eigenschaften zu schaffen. Dabei ist zu beachten, dass es aufgrund der materialcharakteristischen Eigenschaften von Erdbaustoffen zu Unterschieden hinsichtlich der erdbautechnisch relevanten Eigenschaften von natürlichen Primärbaustoffen und Sekundärbaustoffen kommen kann. Da die Anforderungen und Prüfverfahren des erdbautechnischen Regelwerkes überwiegend auf jahrzehntelangen Erfahrungen im Umgang mit natürlichen Primärbaustoffen beruhen, ist darüber hinaus zu klären, inwieweit die Unterschiede zwischen Primär- und Sekundärbaustoffen im erdbautechnischen Regelwerk und den damit verbundenen Prüfverfahren berücksichtigt werden müssen. 1.2 Gründe für den zögerlichen Einsatz mineralischer SekundärbaustoffeIn Anbetracht der Mannigfaltigkeit an mineralischen Reststoffen sind die Gründe für ihren nach wie vor oftmals nur zögerlichen Einsatz als Sekundärbaustoffe für die unterschiedlichen Materialien differenziert zu betrachten. Bei dem mengenmäßig größten Stoffstrom „Bodenaushub“ liegen die Gründe, die zur Verfüllung anstatt zur hochwertigen Verwertung der mineralischen Restmassen in Erdbauwerken führen, tatsächlich häufig in unzureichenden oder ungünstigen erdbautechnischen Eigenschaften begründet. Dies ist beispielsweise bei fein- oder gemischtkörnigen, erdbautechnisch zu weichen oder organogenen und organikhaltigen Böden häufig der Fall und führt dazu, dass ihre bautechnische Wiederverwertung in der Regel nicht das Mittel der ersten Wahl ist. Dabei wäre eine erdbautechnische Wiederverwendung derartiger Böden bei geeigneter Wahl des Einsatzbereiches in Verbindung mit einer entsprechenden Bodenbehandlung (z. B. Bindemittelzugabe, Entwässerung) durchaus möglich (vgl. Cudmani; Heyer et al. 2019; Henzinger 2017; Henzinger; Heyer 2016; Heyer; Henzinger 2016; Witt 2012; Witt, Damaschke 2013). Die damit verbundenen Kosten, der Aufwand oder fehlende Erfahrungen bezüglich der Behandlungsmaßnahmen schrecken viele potentielle Anwender allerdings häufig ab. Auch umweltrelevante Inhaltstoffe, die bei entsprechender Wahl der Einbauweise (s. hierzu FGSV 2017a) kein Ausschlusskriterium für eine erdbautechnische Verwendung darstellen, können dazu führen, dass solche Materialien nicht als Erdbaustoffe weiterverwendet werden. Bei mineralischen Sekundärbaustoffen hemmen sowohl Vorbehalte in Bezug auf ihre bautechnische Eignung und Gleichwertigkeit gegenüber natürlichen Baustoffen als auch Bedenken gegenüber ihrer umweltbezogenen Zulässigkeit ihre erdbautechnische Wiederverwendung. Die Vorbehalte gegenüber den erdbautechnischen Eigenschaften von mineralischen Sekundärbaustoffen betreffen dabei nicht nur ausschließlich solche Materialien, die beispielsweise bedingt durch ihre vergleichsweise sand- und feinkornreiche Korngrößenverteilung (z. B. Vorabsiebmaterial aus der Aufbereitung von Baurestmassen) nur eine eingeschränkte erdbautechnische Verwertbarkeit besitzen, sondern auch grob- und gemischtkörnige mineralische Sekundärbaustoffe, die aufgrund ihrer Korngrößenverteilung bautechnisch hochwertige Erdbaustoffe darstellen. Die Vorbehalte gegenüber den erdbautechnischen Eigenschaften von Sekundärbaustoffen rühren zu großen Teilen aus Unterschieden, die solche Materialien bei der Eignungs- und Kontrollprüfung im Labor und Feld im Vergleich zu natürlichen Baustoffen aufweisen. So kommt es beispielsweise bei der labortechnischen Bestimmung der Proctordichte im Zuge der Eignungsprüfung bei vielen Sekundärbaustoffen oft insofern zu Schwierigkeiten, als dass die Trockendichte nicht oder nur wenig vom Wassergehalt abhängt und damit kein eindeutiges Proctoroptimum als Bezugsgröße für die Verdichtung im Feld abgeleitet werden kann. Im Feld kommt es bei der Prüfung des Verdichtungsgrades mittels indirekter Prüfverfahren (statischer/dynamischer Plattendruckversuch) in Verbindung mit den Richtwerten der ZTV E StB 17 (FGSV 2017b) bei Sekundärbaustoffen immer wieder vor, dass die jeweiligen Anforderungswerte an die Verformungsmoduln (EV2, EV2/EV1, EVd) trotz eines ausreichenden Verdichtungsgrades nicht erreicht werden können (z. B. Huber 2021; Huber, Henzinger et al. 2021; Huber, Henzinger et al. 2019; Huber, Henzinger et al. 2018). In der Praxis werden derartige Unterschiede häufig fälschlicherweise als Minderung der erdbautechnischen Eignung von Sekundärbaustoffen interpretiert. Dabei sind sie viel mehr eine Folge der materialcharakteristischen Eigenschaften von Sekundärbaustoffen und stellen keine grundsätzliche Minderung ihrer erdbautechnischen Eignung dar. Dies zeigen auch umfangreiche Beispiele aus der Literatur, die bestätigen, dass mineralische Sekundärbaustoffe seit vielen Jahren erfolgreich im Erdbau des Straßenbaus verwendet werden und eine sinnvolle Alternative zu natürlichen Primärbaustoffen darstellen (z. B. Li et al., 2017; Dettenborn; Korkiala-Tantto & Forsman, 2017; Del Rey et al., 2016; Dettenborn; Forsman & Korkiala-Tanttu, 2014; Neves et al., 2013; Herrador et al., 2012; Lancieri; Marradi & Mannucci, 2006). 2 Regelwerkstechnische Rahmenbedingungen2.1 Technisches RegelwerkMaßgebendes technisches Regelwerk im Erdbau sind die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau“ (ZTV E-StB 17, FGSV 2017b), welche „Regelungen für das Lösen, Laden, Fördern, Behandeln, Einbauen und Verdichten von Boden und Fels sowie von sonstigen erdbautechnisch geeigneten Stoffen“ enthalten. Darüber hinaus regeln die ZTV E-StB 17 „die Ausführung und die Qualitätsanforderungen für den Untergrund und den Unterbau von Verkehrsflächen und für sonstige Erdbauwerke“. Als Baustoffe im Sinne der ZTV E-StB 17 gelten im Wesentlichen Boden und Fels ohne und mit umweltrelevanten Fremdbestandteilen, Boden mit Fremdbestandteilen sowie Bodenmaterial und Baustoffe nach den „Technischen Lieferbedingungen für Bodenmaterialien und Baustoffe für den Erdbau im Straßenbau“ (TL BuB E-StB 20, FGSV 2020). Boden und Fels, die im Rahmen einer Baumaßnahme anfallen, für die keine Anhaltspunkte auf anthropogene Belastungen vorliegen oder bei denen der Verdacht auf umweltrelevante Inhaltsstoffe ausgeräumt wurde und in denen keine mineralischen Fremdbestandteile oder Fremdstoffe (nichtmineralische Bestandteile) erkennbar sind, gelten gemäß den ZTV E-StB 17 als Primärbaustoffe. Enthält anfallendes Boden- oder Felsmaterial umweltrelevante Inhaltsstoffe, sind diese nach den ZTV E-StB 17 Baustoffe (Boden und Fels mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen), soweit der Gehalt bzw. die Konzentration an Inhaltsstoffen nach umweltrechtlichen Vorgaben nicht überschritten wird und Fremdbestandteile oder Fremdstoffe nicht erkennbar sind. Enthält Boden sichtbare Fremdbestandteile mineralischen Ursprungs, überwiegt aber der Massenanteil des Bodens, handelt es sich nach den ZTV E-StB 17 um Boden mit Fremdbestandteilen. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Baustoff, sofern der Gehalt bzw. die Konzentration an umweltrelevanten Inhaltsstoffen die umweltrechtlichen Vorgaben nicht überschreiten. Die TL BuB E-StB 20 beschreiben ergänzend zu den ZTV E-StB 17 aufbereitete Böden und Baustoffe, die zur Herstellung von Erdbauwerken nach den ZTV E-StB 17 geliefert werden. Bodenmaterial und Baustoffe nach den TL BuB E-StB 20 werden als Ersatzbaustoffe (Sekundärbaustoffe) bezeichnet. Von einem Verarbeitungsbetrieb gesammeltes und aufbereitetes Material aus Boden und Fels ohne erkennbare Fremdbestandteile, das für die Errichtung von Erdbauwerken geliefert wird, bezeichnen die TL BuB E-StB 20 als Bodenmaterial. Bodenmaterial mit Fremdbestandteilen ist von einem Verarbeitungsbetrieb gesammeltes und aufbereitetes, für die Errichtung von Erdbauwerken geliefertes Material aus Boden und Fels mit sichtbaren Fremdbestandteilen, wobei der Massenanteil des Bodens überwiegt. Neben Bodenmaterial ohne und mit Fremdbestandteilen enthalten die TL BuB E-StB 20 weitere Ersatzbaustoffe, die zur Errichtung von Erdbauwerken eingesetzt werden können. Hierzu zählen u. a. rezyklierte Baustoffe, die aus rezyklierten Gesteinskörnungen bestehen und anteilig Bodenmaterial enthalten können, wobei der Anteil der rezyklierten Gesteinskörnung eindeutig überwiegt. Andernfalls ist das Gemisch als Bodenmaterial mit Fremdbestandteilen einzustufen. Darüber hinaus differenzieren die TL BuB E-StB 20 zwischen einer Vielzahl an weiteren Ersatzbaustoffen (u. a. Eisenhütten- und Metallschlacken, Hausmüllverbrennungsasche, Kraftwerksnebenprodukte, Gießereirückstünde, mineralische Reststoffe aus Bergbautätigkeit). Die Notwendigkeit der Verknüpfung bautechnischer und umweltbezogener Anforderungen wurde im erdbautechnischen Regelwerk erkannt und in den ZTV E-StB 17 in Verbindung mit den TL BuB E-StB 20 umgesetzt. Mit dem Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung, als Bestandteil der Mantelverordnung am 1. 8. 2023 findet dieser Harmonisierungsprozess einen vorläufigen Schlusspunkt. Mit Einführung der Mantelverordnung, die in der Ersatzbaustoffverordnung für die in den TL BuB-E 20 aufgeführten mineralischen Ersatzbaustoffe u. a. umweltbezogene Anforderungen an ihren Einbau in technische Bauwerke (s. § 1 Abs. 1 Pkt. 4 EBV) definiert, werden die Anforderungen an die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung mineralischer Abfälle bundeseinheitlich auf eine rechtsverbindliche Grundlage gestellt. Als in naher Zukunft maßgebendes Regelwerk in Bezug auf die umwelttechnische Einsetzbarkeit mineralischer Ersatzbaustoffe besitzt die Ersatzbaustoffverordnung damit große Bedeutung für den Erdbau. 2.2 Anwendungsbezogene Anforderungen im ErdbauWerden mineralische Baustoffe im Erdbau eingesetzt, müssen ihre Eignung sowie ihre bautechnischen Eigenschaften den anwendungsbezogenen Anforderungen des Erdbaus genügen. Die Eignung von Baustoffen gemäß den TL BuB E-StB 20 ist im Erdbau nach den ZTV E-StB 17 rechtzeitig vor Beginn der Bauausführung durch eine Eignungsprüfung nachzuweisen. Hierzu können die Vorgaben der TL BuB E-StB 20 herangezogen werden, wobei die TL BuB E-StB 20 für die einzelnen Ersatzbaustoffe überdies stoffspezifische Vorgaben hinsichtlich der erforderlichen bautechnischen Angaben und Anforderungen sowie der zu beachtenden umweltrelevanten Merkmale enthalten. Bezüglich der bautechnischen Angaben sind gemäß den TL BuB E-StB 20 bei allen Ersatzbaustoffen Angaben zur Korngrößenverteilung, zu den Proctorkenngrößen sowie zum natürlichen Wassergehalt erforderlich. Stoffspezifisch können weitere Angaben, beispielsweise zur Plastizität, zur stofflichen Zusammensetzung oder zur Raumbeständigkeit und die Beachtung diesbezüglicher Anforderungen notwendig sein. Hinsichtlich der umweltrelevanten Merkmale enthalten die TL BuB E-StB 20 nur für wenige Materialien konkrete Anforderungswerte und verweisen für die übrigen Baustoffe auf die jeweils zu berücksichtigenden Regelwerke. Die in den TL BuB E-StB 20 angegebenen umweltbezogenen Richt- und Grenzwerte sowie die Untersuchungsverfahren gelten dabei vornehmlich bis zum in Kraft treten der Ersatzbaustoffverordnung und der darin formulierten Regelungen und Werte. Konkrete Anforderungen an die Ausführung von Erdbauwerken sind in den ZTV E-StB 17 enthalten. Die Anforderungen sind in erster Linie als Mindestquantile an einen mindestens zu erreichenden Verdichtungsgrad DPr formuliert. Dieser ergibt sich als das Verhältnis aus der im Feld erreichten Trockendichte zu der vorab im Zuge der Eignungsprüfung im Labor ermittelten Proctordichte und stellt das primäre Prüfkriterium im Erdbau dar. Die Anforderungen an den Verdichtungsgrad sind anwendungsbezogen, wobei ihre Größe vom jeweiligen Einsatzbereich abhängt. Ob der geforderte Verdichtungsgrad DPr im Feld erreicht wurde, muss nach der Verdichtung im Zuge der Verdichtungskontrolle überprüft werden. Bei einigen wenigen Anwendungsgebieten sind darüber hinaus zusätzlich direkte Anforderungen an die Tragfähigkeit formuliert, wobei diese als Mindestquantile der Verformungsmoduln EV2 bzw. EVd angegeben sind. Je nach Anwendung können zudem Anforderungen an die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu berücksichtigen sein, wobei die Scherfestigkeit und Steifigkeit der Erdbaustoffe maßgebliche Bedeutung besitzen. 3 Erdbautechnische Eigenschaften von Sekundärbaustoffen3.1 Durchgeführte UntersuchungenIn den vergangenen Jahren wurden am Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau der TU München mehrere Forschungsprojekte zur erdbautechnischen Verwendung von mineralischen Sekundärbaustoffen durchgeführt1). Dabei wurden im Labor und im Feld (s. Bild 2) umfangreiche Untersuchungen zu den erdbautechnisch relevanten Eigenschaften von mineralischen Sekundärbaustoffen durchgeführt und Erfahrungen zur Anwendbarkeit der Prüfverfahren im Erdbau gesammelt. ––––––––––––– 1) u. a.
Zudem wurde überprüft, inwieweit die erdbautechnisch relevanten Eigenschaften von mineralischen Sekundärbaustoffen denen von natürlichen Baustoffen mit vergleichbaren granulometrischen Eigenschaften entsprechen und ob die bei der Eignungsprüfung im Labor und der Kontrollprüfung im Feld auftretenden Probleme eine Minderung der erdbautechnischen Eignung von mineralischen Sekundärbaustoffen bedeuten. Nachfolgend werden auf der Grundlage der durchgeführten Untersuchungen insbesondere am Beispiel von rezyklierten Baustoffen zunächst die granulometrischen Eigenschaften sowie die erdbautechnisch relevanten Eigenschaften von mineralischen Sekundärbaustoffen aufgezeigt. Dabei wird auch darauf eingegangen, inwieweit Unterschiede gegenüber natürlichen Primärbaustoffen bestehen können und – soweit möglich – worauf diese zurückgeführt werden können. Zu einigen besonders relevanten Aspekten, die bei der Prüfung von mineralischen Sekundärbaustoffen zu berücksichtigen sind, werden Hinweise gegeben. Bild 2: Herstellung von Probefeldern im Rahmen einer Messkampagne des Forschungsvorhabens (BASt FE 05.0203/2018/CGB im August 2020) 3.2 Granulometrische EigenschaftenUnter dem Begriff der granulometrischen Eigenschaften eines Erdbaustoffes werden die Eigenschaften seines Korngerüstes, d. seine Korngrößenverteilung und die Eigenschaften seiner Einzelkörner, subsummiert. Typische Korngrößenverteilungskurven mineralischer Sekundärbaustoffe sind im Bild 3 dargestellt und zeigen, dass es sich bei mineralischen Sekundärbaustoffen meist um gut abgestufte Kiese handelt, womit sie für viele Anwendungen des Erdbaus als Baustoffe in Frage kommen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Korngrößenverteilungskurven mineralischer Sekundärbaustoffe im Einzelfall allerdings deutlich von den im Bild 3 dargestellten Korngrößenverteilungen abweichen können. Die Eignung mineralischer Sekundärbaustoffe für eine Baumaßnahme ist daher stets im Zuge der Eignungsprüfung zu überprüfen. Bild 3: Typische Korngrößenverteilungskurven von mineralischen Sekundärbaustoffen (aus Huber 2021) Die Geometrie der Einzelkörner stellt eine weitere granulometrische Eigenschaft von Korngemischen dar und hängt wesentlich vom jeweiligen Entstehungsprozess ab. Die Einzelkörner vieler durch Erosionsprozesse abgelagerter natürlicher Kiese und Sande weisen in der Regel eine abgerundete und glatte Kornoberfläche auf, wohingegen künstlich hergestellte Korngemische wie natürliches Brechkorn und viele mineralische Sekundärbaustoffe im Zuge der Aufbereitung gebrochen werden, infolgedessen ihre Einzelkörner eine scharfkantige und eckige Form sowie eine raue Kornoberfläche aufweisen (vgl. Huber 2021). Dieser Umstand wird im Bild 4 qualitativ am Beispiel von mikroskopischen Aufnahmen eines Einzelkornes eines RC Betons sowie der Einzelkörner eines natürlichen quarzitischen Sandes veranschaulicht. Bild 4: Mikroskopische Aufnahmen eines Einzelkorns eines RC Betons (links/Mitte, aus Huber 2021) und eines quarzitischen Sandes (rechts, aus Altuhafi, Coop 2011) Bautechnische Bedeutung besitzt die Geometrie der Einzelkörner insofern, als dass sie u. a. das mechanische Verhalten granularer Baustoffe und damit ihre bautechnischen Eigenschaften beeinflusst. Beispielsweise weisen Korngemische mit kantigen und eckigen Einzelkörnern eine höhere Scherfestigkeit und Steifigkeit auf als solche mit abgerundeten Partikeln (Altuhafi, Coop et al. 2016; Miura; Maeda et al. 1998; Cavarretta, Coop et al. 2010). Im Vergleich zu abgerundeten Einzelkörnern platzen die Kanten und Ecken gebrochener Einzelkörner bei Scherung und Kompression jedoch eher ab und die Einzelkörner neigen stärker zum Bruch. Schließlich kommt es bei Sekundärbaustoffen mit Anteilen an hydraulisch aktiven Bestandteilen bei Anwesenheit von Wasser zu sekundären Verfestigungsprozessen, die zur Verkittung des Korngerüstes führen und damit die bodenmechanischen und erdbautechnischen Eigenschaften beeinflussen (vgl. Huber 2021). Unterschiede zwischen natürlichen Baustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen bestehen üblicherweise auch im Hinblick auf ihre Korndichte. Dies ist einerseits auf Unterschiede in der mineralogischen Zusammensetzung der verschiedenen Baustoffe (z. B. Benedix 2015) zurückzuführen und andererseits darauf, dass viele Sekundärbaustoffe offenporig sind und innerhalb der Einzelkörner befindliche Poren aufweisen (z. B. Huber, 2021; Zhang et al. 2016). Die Porosität der Einzelkörner mineralischer Sekundärbaustoffe führt dabei auch dazu, dass ein Teil des vorhandenen Porenwassers in die offenen (wasserzugänglichen) Porenräume der Einzelkörner eindringen kann (Huber, 2021; Müller, 2018). Diese Eigenschaft von RC Baustoffen ist erdbautechnisch insofern von Relevanz, als dass sie auch Einfluss auf das Verdichtungsverhalten von Sekundärbaustoffen nimmt (s. Abschnitt 3.3). Die Korndichte beeinflusst das bautechnische Verhalten zudem dahingehend, dass Einzelkörner mit einer höheren Korndichte typischerweise eine höhere Festigkeit und Steifigkeit, eine geringere Wasseraufnahmefähigkeit sowie einen größeren Widerstand gegenüber mechanischer Beanspruchung oder Frost-Tau-Wechsel aufweisen als Einzelkörner mit einer geringeren Korndichte (Cardoso; Silva et al. 2016; Müller 2018). Einzelkörner aus Mauerwerksbruch weisen dabei üblicherweise geringere Dichten auf als solche aus Betonbruch. Natürliche Kiese, die (in den meisten Fällen) keine äußeren (wasserzugänglichen) und inneren Porenräume besitzen, weisen in der Regel wiederum höhere Korndichten auf als Betonbruch (Müller, 2018; Müller 2014; Müller 2011). Einige industrielle Nebenprodukte wie z. B. Stahlwerksschlacken besitzen indes höhere Korndichten als natürliche Baustoffe (z. B. Floss 2011, S. 223) und entsprechend eine höhere Kornfestigkeit. 3.3 VerdichtungsverhaltenWie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, besitzen viele mineralische Sekundärbaustoffe poröse Einzelkörner mit wasserzugänglichen Poren, die dazu führen, dass verfügbares Porenwasser im Inneren der Einzelkörner gespeichert wird, wodurch es nicht weiter verdichtungsbegünstigend an den Kornoberflächen zur Verfügung steht. Diese Eigenschaft führt dazu, dass die Verdichtungskurven vieler mineralischer Sekundärbaustoffe im Gegensatz zu den meisten natürlichen Primärbaustoffen zumeist keine eindeutige Abhängigkeit vom Wassergehalt zeigen und anstatt des von vielen natürlichen Baustoffen bekannten parabolischen Verlaufes häufig einen horizontalen Verlauf, lineare Anstiege oder konkave und konvexe Krümmungen aufweisen (vgl. Bild 5). Das Wasseraufnahmevermögen der Einzelkörner führt somit dazu, dass bei vielen mineralischen Sekundärbaustoffen kein eindeutiges Proctoroptimum und kein optimaler Verdichtungswassergehalt angegeben werden können. Angemerkt sei, dass auch natürliche Baustoffe mit porösen Einzelkörnern (z. B. Bims) ein vergleichbares Verhalten zeigen und dass auch dränierende natürliche Kiese und Sande häufig kein eindeutiges Proctoroptimum ausbilden (s. a. Huber; Henzinger et al. 2021; Huber 2021). Die Größe des innerhalb der Einzelkörner gespeicherten Anteils des Wassers hängt von der Art und der Eigenfeuchte eines Materials sowie der Homogenisierungszeit nach der Wasserzugabe ab. Damit die Wiederholbarkeit des Proctorversuches mit mineralischen Sekundärbaustoffen und anderen Baustoffen, die poröse Einzelkörner enthalten, gegeben ist, müssen zumindest diese drei Parameter berücksichtigt werden. Für den Fall, dass anhand des Verlaufes der Verdichtungskurven kein eindeutiges Proctoroptimum abgeleitet werden kann, muss zur Ermittlung einer Bezugsdichte für die Verdichtungskontrolle im Feld auf alternative Möglichkeiten zurückgegriffen werden. Beispielsweise könnte die Bezugsdichte für das Feld als Mittelwert der drei höchsten im Proctorversuch bestimmten Trockendichten ermittelt werden. Denkbar wäre auch die Mittelung aller im Verdichtungsversuch erreichten Trockendichten und die Beaufschlagung dieses Mittelwertes mit der Standardabweichung. Dies setzt jedoch voraus, dass die Versuchsergebnisse tatsächlich keinen systematischen Trend für den Zusammenhang zwischen der Trockendichte und dem Wassergehalt erkennen lassen. Bei einer nach unten gekrümmten Verdichtungskurve könnte die Bezugsgröße für den Verdichtungsgrad aus den beiden Maxima der Endwerte als Mittelwert bestimmt und die zugehörigen Wassergehalte angegeben werden. Bei linearen Anstiegen oder nach oben gekrümmten Verdichtungskurven kann die Trockendichte als Bezugsgröße für den Verdichtungsgrad sowie der zugehörige optimale Wassergehalt wie bisher aus dem Maximum ermittelt werden. Da die Verdichtbarkeit von mineralischen Sekundärbaustoffen keine ausgeprägte Abhängigkeit vom Wassergehalt aufweist, kann auch kein optimaler Verdichtungswassergehalt angegeben werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigenschaft, wonach mineralische Sekundärbaustoffe über einen großen Wassergehaltsbereich gleichermaßen gut verdichtet werden können und größere Schwankungen des Wassergehaltes tolerieren können, ohne dass ihre Verdichtbarkeit nachteilig beeinflusst wird, keinen Nachteil, sondern gar einen Vorteil gegenüber natürlichen Primärbaustoffen mit geschlossenen Kornoberflächen darstellt. Für die Praxis wäre es allerdings sinnvoll, für mineralische Sekundärbaustoffe Wassergehaltsspannen anzugeben, innerhalb derer eine gute Verdichtbarkeit zu erwarten ist. Bild 5: Typische Verdichtungskurven von Primär- und Sekundärbaustoffen (aus Huber, Henzinger et al. 2021) 3.4 Last-Verformungsverhalten bei eindimensionaler KompressionDas Last-Verformungsverhalten von Erdbaustoffen und damit ihre Steifigkeit und Tragfähigkeit hängen neben dem Verdichtungsgrad sowie der Belastungsart und der Belastungsgeschwindigkeit auch von den granulometrischen Eigenschaften ab (z. B. Altuhafi, Coop et al. 2016; Altuhafi, Coop 2011; Cavarretta, Coop et al. 2010; Nakata, Kato et al. 2001; Miura, Maeda et al. 1998; Miura, Maeda et al. 1997; Floss 1971). Es ist daher naheliegend, dass angesichts der unterschiedlichen granulometrischen Eigenschaften von natürlichen Baustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen Unterschiede hinsichtlich des Last-Verformungsverhaltens bestehen. Untersuchungen zum Last-Verformungsverhalten unter eindimensionaler Kompression (Ödometerversuche), die im Rahmen von FE 05.0203/2018/CGB und BFS AZ-1135-14 (s.1)) durchgeführt wurden, zeigen, dass das Last-Verformungsverhalten mineralischer Sekundärbaustoffe grundsätzlich demjenigen natürlicher Baustoffe entspricht. Dennoch können zwischen unterschiedlichen Materialarten und abhängig von der stofflichen Zusammensetzung Unterschiede hinsichtlich der Zusammendrückbarkeit festgestellt werden, die auf die Eigenschaften der Einzelkörner zurückgeführt werden können. So erfahren mineralische Sekundärbaustoffe wie von natürlichen Primärbaustoffen bekannt bei Erstbelastung relativ große plastische Verformungen. Bei der Wiederbelastung reagieren sie deutlich steifer als bei der Erstbelastung, wobei zusätzliche plastische Verformungen nur in geringem Maße auftreten. Materialien mit vergleichsweise weichen Einzelkörnern zeigen bei ansonsten vergleichbaren Eigenschaften (insb. Korngrößenverteilung, Lagerungsdichte) allerdings eine etwas größere Kompressibilität und damit eine etwas geringere Steifigkeit als Materialien mit härteren Einzelkörnern. Dies ist im Bild 6 am Beispiel der Verläufe der Porenzahlen und Ödometermodulen eines natürlichen Kalksteinschotters (KSS 0/32), eines aufbereiteten Bauschuttgemisches (RCM 0/32) und einer LD-Schlacke (LDS 0/32) dargestellt und ist primär eine Folge von Abplatzungen an Kornkontakten, die durch eine niedrige Kornfestigkeit begünstigt werden. Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass die Unterschiede zwischen natürlichen Primär- und Sekundärbaustoffen hinsichtlich ihrer Materialsteifigkeit bei vergleichbarer Korngrößenverteilung und Lagerungsdichte erdbautechnisch von untergeordneter Bedeutung sind (s. a. Huber 2021). Bild 6: Vergleich der Entwicklung der Porenzahlen sowie der Ödometermoduln eines natürlichen Kalksteinschotters, eines aufbereiteten Bauschuttgemisches und einer LD-Schlacke jeweils im Korngrößenbereich 0/32 (aus Huber, Demond et al. 2022) 3.5 Scherverhalten und ScherfestigkeitWie auch das Last-Verformungsverhalten bei ödometrischer Kompression hängt auch jenes unter Scherbeanspruchung neben dem Verdichtungsgrad sowie der Belastungsart und der Belastungsgeschwindigkeit von den granulometrischen Eigenschaften ab. Die im Rahmen von FE 05.0203/2018/CGB und BFS AZ-1135-14 (s.1)) an natürlichen Primärbaustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen als Triaxialversuche durchgeführten Scherversuche zeigen, dass das Scherverhalten von mineralischen Sekundärbaustoffen weitgehend demjenigen natürlicher Baustoffe mit vergleichbarer Kornabstufung entspricht und in erster Linie von Zustandsgrößen wie der Lagerungsdichte und dem Spannungszustand beeinflusst wird. Die Unterschiede hinsichtlich der Kornfestigkeit beeinflussen das Scherverhalten und die Scherfestigkeit hingegen nicht maßgeblich. Die aus den Triaxialversuchen unter Annahme einer Mohr-Coulombschen Bruchbedingung ermittelten Reibungswinkel φ‘ zeigen, dass mineralische Sekundärbaustoffe relativ hohe Reibungswinkel aufweisen (vgl. Bild 7), die vergleichbar zu denjenigen natürlicher Baustoffe mit vergleichbarer Granulometrie sind. Finden bei mineralischen Sekundärbaustoffen sekundäre Verfestigungsprozesse statt, führen diese zur Bildung einer echten Kohäsion, zu einem steiferen Materialverhalten und dadurch zu einer Zunahme der Scherfestigkeit und der Steifigkeit (vgl. Huber 2021). Bild 7: Ergebnisse von CD-Triaxialversuchen an gesättigten und teilgesättigten Kiesen aus reinem Betonbruch (RC B 0/32), einem aufbereiteten Bauschuttgemisch (RC M 0/32) sowie natürlichem Rund- und Brechkorn (aus Huber 2021) 3.6 Eigenschaften nach großtechnischer Verdichtung und VerdichtungskontrolleEbenfalls im Rahmen von FE 05.0203/2018/CGB und BFS AZ-1135-14 (s.1)) wurden an natürlichen Primärbaustoffen und mineralischen Sekundärbaustoffen umfangreiche Untersuchungen zu den erdbautechnischen Eigenschaften nach großtechnischer Verdichtung sowie zur Verdichtungskontrolle mittels direkter und indirekter Prüfverfahren durchgeführt. In diesen Untersuchungen hat sich wie bereits beim Verdichtungsverhalten gezeigt, dass mineralische Sekundärbaustoffe ein kennzeichnendes Verhalten aufweisen, welches bei den Prüfungen im Feld berücksichtigt werden muss. Die Ergebnisse der statischen und dynamischen Plattendruckversuche, die in den Messkampagnen im Rahmen von FE 05.0203/2018/CGB und BFS AZ-1135-14 (s.1)) durchgeführt wurden, sind in Tabelle 1 zusammengefasst und beispielhaft für den dynamischen Verformungsmodul EVd im Bild 8 dargestellt. Die Ergebnisse der mineralischen Sekundärbaustoffe zeigen hinsichtlich der Verformungsmoduln sowohl untereinander als auch im Vergleich zu den natürlichen Erdbaustoffen deutliche Unterschiede, was auf die jeweiligen granulometrischen Eigenschaften der Versuchsmaterialien zurückzuführen ist. Die Versuche zur indirekten Verdichtungskontrolle mittels Plattendruckversuchen haben zwar gezeigt, dass die Verformungsmoduln EV2, EV1 und EVd mineralischer Sekundärbaustoffe mit zunehmendem Verdichtungsgrad ansteigen, womit Plattendruckversuche grundsätzlich auch zur indirekten Verdichtungskontrolle von mineralischen Sekundärbaustoffen verwendet werden können. Sollen Plattendruckversuche allerdings ohne vorherige Kalibrierung zum Verdichtungsgrad und unter Verwendung der Tabellenwerte der ZTV E-StB 17 angewendet werden, werden bei grobkörnigen mineralischen Sekundärbaustoffen beim statischen Plattendruckversuch bei ausreichender Verdichtung zwar ausreichend hohe Verformungsmoduln EV2 erreicht, der resultierende Verhältniswert EV2/EV1 liegt jedoch meist oberhalb des zulässigen Verhältniswertes EV2/EV1 (EV2/EV1 ≤ 2,3 für DPr ≥ 100 % bzw. EV2/EV1 ≤ 2,5 für DPr ≥ 98 %, vgl. Tabelle 1). Dies hat sich allerdings auch bei den untersuchten natürlichen grobkörnigen Baustoffen gezeigt. Beim dynamischen Plattendruckversuch wurden bei mineralischen Sekundärbaustoffen trotz ausreichender Verdichtung hingegen meist EVd-Werte bestimmt, die unterhalb der Tabellenwerte der ZTV E-StB 17 liegen2). Da das Last-Verformungsverhalten von Erdbaustoffen und damit ihre Steifigkeit und Tragfähigkeit auch von den granulometrischen Eigenschaften abhängen (vgl. Abschnitte 3.4 und 3.5), erschließt es sich leicht, dass die Verdichtungskontrolle natürlicher Primär- und mineralischer Sekundärbaustoffe anhand einheitlicher Anforderungswerte bezüglich der Verformungsmoduln EV2, EV1 oder EVd nicht zielführend ist. Vielmehr ist bei der Spezifikation von Anforderungen nicht nur zwischen natürlichen Primär- und mineralischen Sekundärbaustoffen zu differenzieren, sondern auch zwischen verschiedenen Sekundärbaustoffen. Aufgrund der angeführten Diskrepanzen empfiehlt es sich daher, den Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Verformungsmodul (EV2 bzw. EV1 bzw. EVd) und dem Verdichtungsgrad DPr vorab im Zuge von Kalibrierversuchen zu ermitteln. Das Vorgehen zur Durchführung solcher Kalibrierversuche ist in den TP BF-StB, Teil E 4 (FGSV, 2003) erläutert. Zu beachten ist allerdings, dass die TP BF-StB, Teil E 4 im Hinblick auf die praktische Nutzbarkeit des Zusammenhangs zwischen dem Verdichtungsgrad DPr als direkte Prüfgröße und dem jeweiligen Verformungsmodul EV2 bzw. EV1 bzw. EVd als indirekte Prüfgröße für den jeweiligen Zusammenhang ein Bestimmtheitsmaß von R2 ≥ 0,65 fordern. Da die Ergebnisse der durchgeführten Felduntersuchungen diesbezüglich gezeigt haben, dass ein Bestimmtheitsmaß von R2 ≥ 0,65 nur schwer erreicht werden kann, sollte die Verdichtungskontrolle letztendlich mittels der direkten Bestimmung der im Feld erreichten Trockendichte erfolgen. In Bezug auf die direkte Bestimmung der Trockendichte im Feld ist anzumerken, dass die Volumenersatzverfahren nach DIN 18125-2 (DIN 2020) auch bei mineralischen Sekundärbaustoffen anwendbar sind. Soll die direkte Dichtebestimmung mittels radiometrischer Verfahren nach den TP BF-StB B 4.3 (FGSV 1999) erfolgen, muss allerdings berücksichtigt werden, dass es bei mineralischen Sekundärbaustoffen vorkommen kann, dass die Kalibrierung der radiometrischen Sonde nicht auf die elementare Zusammensetzung der zu prüfenden Baustoffe anwendbar ist. Dies kann zu systematischen Prüffehlern führen und sollte im Falle der Anwendung der radiometrischen Sonde durch Vergleichsversuche mit einem Volumenersatzverfahren im Vorfeld überprüft werden. Weichen die radiometrisch bestimmten Messwerte systematische von den nach DIN 18125-2 bestimmten Werten ab, kann die Verdichtungskontrolle dennoch mit der radiometrischen Sonde erfolgen, es ist aber erforderlich, die radiometrisch bestimmten Messwerte zu korrigieren (s. hierzu Behr (1988); Huber, Heyer 2019). Bild 8: Dynamische Verformungsmoduln EVd über den Verdichtungsgrad DPr 2) Die indirekte Verdichtungskontrolle mineralischer Sekundärbaustoffe mittels Plattendruckversuchen wurde umfassend in Huber (2021), Huber, Henzinger et al. (2021) und Huber, Henzinger et al. (2019) diskutiert. Tabelle 1: Zusammenstellung der Verformungsmoduln der untersuchten Primär- und Sekundärbaustoffe bei einem Verdichtungsgrad von DPr ≥ 100 % (aus Huber; Henzinger et al. (2021)) 4 Zusammenfassung und FazitBei mineralischen Sekundärbaustoffen bestehen in der Erdbaupraxis noch immer häufig Vorbehalte in Bezug auf ihre erdbautechnischen Eigenschaften und ihre Gleichwertigkeit gegenüber natürlichen Baustoffen. Diese Vorbehalte sind unter anderem auf Unterschiede im erdbautechnischen Verhalten mineralischer Sekundärbaustoffe gegenüber natürlichen Baustoffen sowie auf Schwierigkeiten bei ihrer Prüfung im Labor und Feld zurückzuführen und führen dazu, dass das volle Potenzial mineralischer Sekundärbaustoffe im Hinblick auf die Themen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit nach wie vor nicht ausgeschöpft wird. Umfangreiche Untersuchungen zu den granulometrischen und erdbautechnisch relevanten Eigenschaften von mineralischen Sekundärbaustoffen haben gezeigt, dass in Abhängigkeit der Herkunft und stofflichen Beschaffenheit mineralischer Sekundärbaustoffe sowohl gegenüber natürlichen Primärstoffen als auch innerhalb der mineralischen Sekundärbaustoffe Unterschiede im Hinblick auf die granulometrischen Eigenschaften bestehen. Da das bodenmechanische Verhalten und die erdbautechnischen Eigenschaften von Erdbaustoffen nicht nur vom Verdichtungsgrad, sondern u. a. auch von den granulometrischen Eigenschaften (z. B. Korngrößenverteilung, Geometrie und Festigkeit der Einzelkörner) abhängen, ist es naheliegend, dass im Hinblick auf das bodenmechanische Verhalten und die erdbautechnischen Eigenschaften verschiedener mineralischer Sekundärbaustoffe Unterschiede bestehen. Die im Rahmen diverser Forschungsvorhaben an mineralischen Sekundärbaustoffen und natürlichen Primärbaustoffen durchgeführten Laborversuche zum Last-Verformungs-Verhalten unter eindimensionaler Kompression und unter dreiaxialer Scherbeanspruchung sowie die Feldversuche zur Ermittlung der Steifigkeit im Feld zeigen allerdings, dass mineralische Sekundärbaustoffe keineswegs pauschal mindere erdbautechnische Eigenschaften besitzen als natürliche Primärbaustoffe. So wurden sowohl in den Versuchen zum Last-Verformungsverhalten unter eindimensionaler Kompression als auch in den statischen Plattendruckversuchen mit den mineralischen Sekundärbaustoffen ausreichend hohe Steifigkeiten erreicht, die bei vergleichbarer Kornabstufung vergleichbar zu natürlichen Baustoffen sind. Ebenso wurden in den dreiaxialen Scherversuchen hohe Scherparameter ermittelt, die ebenfalls weitgehend vergleichbar zu denjenigen natürlicher Baustoffe mit vergleichbarer Granulometrie sind. Mineralische Sekundärbaustoffe stellen damit eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternative zu natürlichen Primärbaustoffen dar und sollten im Hinblick auf eine nachhaltige und ressourceneffiziente Materialverwendung möglichst bevorzugt eingesetzt werden. Im Hinblick auf eine vertragskonforme Anwendung mineralischer Sekundärbaustoffe ist es allerdings erforderlich, ihre erdbautechnischen Besonderheiten und Unterschiede gegenüber natürlichen Primärbaustoffen bei der Prüfung im Labor und im Feld zu berücksichtigen. Dies betrifft im Erdbau insbesondere ihr Verdichtungsverhalten und in diesem Zusammenhang die Ableitung der Einbaukenngrößen Proctordichte und -wassergehalt sowie die indirekte Verdichtungskontrolle mittels Plattendruckversuchen unter Verwendung der Richtwerte der ZTV E-StB. Bezüglich dieser beiden Schwierigkeiten wurden im Rahmen dieses Beitrages Vorschläge erbracht. LiteraturverzeichnisAltuhafi, F.; Coop, M. (2011): Changes to particle characteristics associated with the compression of sands. Géotechnique 61 (6), S. 459–471 Altuhafi, F.; Coop, M.; Georgiannou, V. (2016): Effect of particle shape on the mechanical behavior of natural sands. Journal of Geotechnical and Geoenvironmental Engineering 142 (12) Behr, H. 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