FGSV-Nr. FGSV 002/137
Ort Bergisch-Gladbach
Datum 19.04.2023
Titel Emissionen und Immissionen aus dem Schienenverkehr – Luftschadstoff-Monitoring und Ausbreitungsberechnung
Autoren Dr. rer. nat. Ingo Düring, Wolfram Schmidt, Dr. Sabrina Michael, Dr.-Ing. Ulrich Vogt, Eckert Fritz, Dieter Straub, Daniel Ricardo Obando Nunez, Annette Bitsch
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Der Schienenverkehr verfügt im direkten Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern über eine geringere Schadstofffreisetzung, eine günstigere Energiebilanz und einen geringeren Flächenverbrauch. Dennoch hat der Eisenbahnbetrieb auf mehr als 33 000 Kilometer (Eisenbahnen des Bundes) Betriebslänge in Deutschland ebenfalls Auswirkungen auf die Umwelt. Hierbei sind vor allem anorganische und organische Substanzeinträge aus dem Bahnbetrieb und den assoziierten Infrastrukturen von Bedeutung. Beim Schienenverkehr nehmen im Betrieb, wie auch beim Straßenverkehr, neben den motorbedingten Emissionen (Dieselfraktion) die Partikelemissionen infolge der Abriebe sowie der fahrzeuginduzierten Aufwirbelung, also die Nicht-Abgas-Partikel, eine entscheidende Rolle ein. Häufig werden die Nicht-Abgas-Partikelemissionen auch als Aufwirbelungs- und Abriebemissionen (AWAR) bezeichnet. Die Partikel aus AWAR resultieren beim Schienenverkehr vor allem aus:

  • Bremsabrieb ((Sundh et al., 2009), (Abbasi et al., 2011), (Abbasi, 2011a), (Abbasi et al., 2012), (Abbasi et al., 2013a), (Abbasi et al., 2013b), (Singh Walia, 2019), (Günay, Korkmaz und Özmen, 2020)),
  • Rad-/Schienenabrieb ((Sundh et al., 2009), (Lewis und Olofsson, 2009), (Tesfa et al., 2011), (Anyakwo et al., 2012), (Lee, 2020), (Lee, 2021)),
  • Fahrleitungsabrieb (Jia et al., 2007) sowie
  • akkumuliertem Staub (Aufwirbelungspotenzial), der sich im Wesentlichen aus den von Fahrzeugen abfallenden Verunreinigungen bzw. Ladungen, aus dem atmosphärischen Eintrag (Deposition) infolge von Emissionsprozessen im direkten Umfeld und der Hintergrundbelastungen, dem Schmutzeintrag aus den infrastrukturnahen Bereichen als auch durch bereits deponierte Abriebe bildet.

Die Abriebe können dabei als direkte Emissionen wirken aber auch durch eine Zwischendeposition Aufwirbelungen begünstigen. Die Bildungsprozesse von Abrieben und Aufwirbelungen sowie die Menge des tatsächlich emittierten Materials sind komplex, zeitabhängig und von verschiedenen Einflussgrößen, welche sich zum Teil untereinander beeinflussen, abhängig.

Aufgrund der damit verbundenen, bisher sehr heterogenen Datenlage sollen im Rahmen des Forschungsprojekts „Emissionen und Immissionen aus dem Schienenverkehr – Luftschadstoff-Monitoring und Ausbreitungsberechnung (EmidES)“ mögliche Datendefizite identifiziert und ein wissenschaftlicher Beitrag zur Schließung potenzieller Kenntnislücken geleistet werden.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Felduntersuchungen im Schienenverkehr

Im Rahmen der Studie wurden in den Jahren 2021 und 2022 umfassende Messungen an einer stark befahrenen freien Bahnstrecke (bei Ötisheim), an einem Rangierbahnhof (Kornwestheim) sowie an einem Bremsenprüfstand (BECORIT GmbH in Recklinghausen) durchgeführt.

Neben standort- und emissionsbedingten Kriterien wurden bei der Auswahl der Untersuchungsgebiete auch die Übertragbarkeit bzw. Repräsentanz der Ergebnisse auf das gesamte Schienennetz und die Infrastruktureinrichtungen sowie die  Eignung  zur  Validierung  und  Bewertung  der  lufthygienischen Modellrechnungen berücksichtigt. Vergleichbare Anforderungen wurden an das Untersuchungsprogramm des Bremsprüfstandes gestellt, wobei die Auswahl von realitätsnahen Bedingungen einen besonderen Stellenwert einnahmen.

Untersuchungsgegenstand und Methodik

Die Messstandorte der Feldmessungen (freie Strecke und Rangierbahnhof) wurden anhand eines umfangreichen Kriterienkataloges und eines daraus abgeleiteten Entscheidungsbaumes ausgewählt. Wesentliche Kriterien waren die Streckenauslastung, das Nutzungs- (Güter- oder Personenverkehr) und Streckenprofil, die Traktionsart, die vorliegende Infrastruktur, meteorologische Einflussgrößen und Belüftung sowie lokale Emittenten.

Anhand dieser Kriterien sowie systematischer Ortsbegehungen wurde der Standort Haldenhof an der freien Strecke 4840/4800 zwischen den Bahnhöfen Mühlacker und Ötisheim und der Rangierbahnhof Kornwestheim ausgewählt.

An jedem Standort wurden entsprechend der räumlichen Gegebenheiten vier Immissionsmesspunkte installiert, welche die Erfassung der Luftschadstoffsituation im Sinne eines Luv (Hintergrundbelastung) – Lee (Gesamtbelastung)-Messkonzeptes auf einem Querprofil erlaubte. Der Messaufbau entspricht den Vorgaben der 39. BImSchV und umfasst die Messung von partikulären und gasförmigen Komponenten. Im Fokus stehen hierbei die Partikelgrößen PM10, PM2,5 und PM1 sowie die Erfassung der Stickstoffoxidbelastung (NOx, NO2, NO).

Standorteinordnung bei den Feldmessungen

Eine Übersichtsdarstellung zur Lage der verschiedenen Messstellen im Bereich des Standortes „Freie Strecke“ findet sich in Abbildung 2. Die Messstelle A befindet sich westlich der Gleise in einer Entfernung von 100 m. Die Messstelle B befindet sich direkt am östlichen Bahngleis (ca. 5 m Entfernung). Die Messstelle C und D befinden sich östlich der Gleise in 55 m bzw. 80 m Entfernung.

Abbildung 2: Lage der Messstellen an der freien Strecke in Ötisheim. Luv und Lee beziehen sich hier auf die Langzeitwindverhältnisse. Bildquelle: Google Earth

Eine Übersicht zur Lage der Messstellen am Rangierbahnhof Kornwestheim ist Abbildung 3 zu entnehmen. Die Messstelle A (Hintergrund) befindet sich 205 m von den Richtungsgleisen entfernt, auf dem Grundstück einer Gärtnerei. Die Messstelle B (Bremsabrieb) liegt unterhalb des Ablaufberges, ca. fünf Meter neben der äußersten der insgesamt vier Gleisbremsen. Die Messstelle C (gleisnah) befindet sich in 7 m Entfernung vom Umgehungsgleis in der südwestlichen Hälfte der Richtungsgleise. Der Messstelle D liegt 115 m von den Richtungsgleisen entfernt.

Mess- und Analysetechnik der Feldmessungen

Die technische Ausstattung der Messstellen in beiden Untersuchungsgebieten ist Tabelle 1 zu entnehmen. Es wurden sowohl PMx- als auch NOx-Messungen durchgeführt. Die Kombination aus diskontinuierlichen gravimetrischen PM10- und kontinuierlichen Partikel-Streulichtmessungen ermöglicht die Kalibrierung der Streulichtmessungen mit Hilfe des Referenzverfahrens sowie die Ermittlung der chemischen Zusammensetzung der beprobten Partikel (Quellenzuordnung). Mit Hilfe des optischen Verfahrens sind darüber hinaus auch hochaufgelöste Datenreihen, die Erfassung der Partikelgrößenverteilung sowie die Ermittlung von Langzeitmessprofilen möglich.

Ergänzend dazu erfolgt die Erfassung von meteorologischen Parametern sowie die Überprüfung/Zuordnung der Aktivitätsdaten der vorbeifahrenden Züge mittels Videoerfassung.

Abbildung 3: Lage der Messstellen am Rangierbahnhof Kornwestheim. Bildquelle: Google Earth

Tabelle 1: Messgrößen und eingesetzte Geräte für die Feldmessungen.

Zur Charakterisierung der elementaren Zusammensetzung wurden exemplarisch vier PM10-Filterproben inkl. Blank-Filter auf 24 Elemente (Al, Ba, Ca, Cd, Co, Cr, Cu, Fe, Hg, K, Mg, Mn, Mo, Na, Ni, Pb, Rb, S, Sb, Se, Sn, Ti, V, Zn) mittels Inductively Coupled Plasma-Optical Emission Spectrometry (ICP-OES) untersucht. Die Analyse wurde nach VDI-Richtlinie 2267 Blatt 1 und 3 durchgeführt. Der Aufschluss der Filterproben (Quarzfilter) erfolgte gemäß VDI 2267 Blatt 3 – Variante 6A – Mikrowellendruckaufschluss von Schwebstaubproben mit HF/HNO3/H2O2.

Messzeiträume der Feldmessungen

Die kontinuierlichen und diskontinuierlichen - NO2 - und Partikelmessungen am Standort „Freie Strecke“ lagen im Zeitraum vom 10.2021 bis 04.2022. Im Vorfeld wurden bereits umfangreiche Vergleichsmessungen zur Qualitätssicherung und Standortcharakterisierung durchgeführt. Parallel dazu erfolgte auch die Erfassung von meteorologischen Parametern (Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit) sowie die Ermittlung von NO2-Queuprofilen.

Der Messzeitraum für den Standort „Rangierbahnhof“ (Kornwestheim) lag zwischen 05/2022 und 10.2022.

Ergebnisauswahl

Die dargestellten Ergebnisse für den Standort „Freie Strecke“ umfassen drei repräsentative Untersuchungstage, an welchen stabile meteorologische Verhältnisse vorlagen. An den Versuchstagen wurden zwischen 120 bis 135 Züge pro Tag registriert. Dabei konnte ein fast ausgeglichenes Nutzungsprofil (68:64) zwischen Güter- und Personenverkehr beobachtet werden. Züge des Personenfernverkehrs verkehrten zwei bis vier Mal pro Tag.

Der Standort „Rangierbahnhof“ (Kornwestheim) verfügt über eine Leistung von 20 000 Lokbetriebsstunden (Stand 2019), was etwa 55 Betriebsstunden pro Tag entspricht. Die dargestellten Ergebnisse entsprechen Versuchstagen mit detailliert dokumentierten Aktivitätsdaten bzgl. der Zugbewegungen, Zuordnung zur Gleisanlage und den angrenzenden Umgehungsgleisen. Unter Zugbewegung ist dabei sowohl die Abfertigung von einzelnen Waggons oder Waggongruppen als auch die Vorbeifahrt von Rangierloks oder Güterzügen auf dem Umgehungsgleis zu verstehen.

Die Aktivitätsdaten wurden für einzelne Tage mittels Videoanalyse bestimmt.

Freie Strecke

Abbildung 4 stellt in Form eines Kalender-Plots die an der Messstelle B (gleisnah) des Standortes „Freie Strecke“ gemessenen Feinstaubkonzentrationen sowie die Windrichtung und -geschwindigkeit dar. Die Darstellung erfolgt als Kombination aus Richtungspfeil und einer Geschwindigkeitslinie (je länger die Linie, desto höher die gemessene durchschnittliche Windgeschwindigkeit). Diese Art der Ergebnisdarstellung ermöglicht einen Überblick über die gemessenen Partikel-Konzentrationen im gesamten Messzeitraum. Anhand dieser Auswertung erfolgte die Probenauswahl zur chemisch-analytischen Partikelcharakterisierung (Elemente).

Tabelle 2: Aus der Videoanalyse abgeleitete Aktivitätsdaten für den Standort „Freie Strecke".

Im Untersuchungszeitraum lagen die PM10-Tageswerte im Allgemeinen zwischen 10 µg/m³ und 25 µg/m³. Der Monat mit der höchsten Feinstaubbelastung war der März 2022. Für diesen Monat konnten in großen Teilen Deutschlands hohe Partikel-Hintergrundbelastungen in Kombination mit niedrigen Durchschnittstemperaturen sowie geringen Niederschlagsmengen beobachtet werden. Eine Überschreitung der rechtlich regulierten Vorgaben von 50 µg/m³ (39. BImSchV; Tagesmittelwert) konnte jedoch an keinem Messtag nachgewiesen werden. Für die weiß markierten Tage liegen keine gravimetrischen Daten vor.

Abbildung 4: Kalender-Plot der PM10-Konzentration und Windverhalten an der Messstelle B (gleisnah) für den Standort „Freie Strecke“ im Messzeitraum 10.2021 – 04.2022.

Der Tabelle 3 und Tabelle 4 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen (statistische Kenngrößen) der PMx und NO2- Messungen an der freien Strecke zu entnehmen. Aufgrund der bundesweit erhöhten Hintergrundbelastungen im Monat März wurde dieser als Ausreißer (Sonderfall) eingestuft und bei den Langzeitmittelwerten nicht berücksichtigt. Die Gesamtpartikelbelastung im Auswertezeitraum lag selbst in Gleisnähe (Messstelle B) im Mittel unter 14 µg/m³ für PM10 sowie unter 12 µg/m³ für PM2,5 bzw. unter 13 µg/m³ für PM1. Die Vorgaben der aktuellen WHO-Empfehlungen9) (Jahresmittelwert von 5 µg/m³ für PM2,5) werden allerdings überschritten.

Parallel zu den Feinstaubbelastungen wies auch die NO2-Gesamtbelastung (< 14 µg/m³) im Mittel keine Überschreitung des geltenden Grenzwertes der 39. BImSchV auf. Die abgeleiteten bahnbedingten Zusatzbelastungen betragen im Langzeitmittel für den Standort „Freie Strecke“ unter 2 µg/m³ (PM10) sowie < 1 µg/m³ für NO2.

Ergänzend zu den Langzeitdatenauswertungen erfolgte auch eine Analyse von Einzelereignissen. Das ausgewählte Beispiel (02.03.2022 um 9:35 Uhr) ist in Abbildung 5 dargestellt und repräsentiert die Emissionsbelastung bei einer Güterzug-Vorbeifahrt (Elektrotraktion). Die PM10-Hintergrundbelastung (Messstelle D) lag zu diesem Zeitpunkt bei 30 µg/m³. An Messstelle B (gleisnah) erhöhte sich die PM10-Konzentration durch die erzeugte Turbulenz / Wirbelschleppe des vorbeifahrenden Güterzuges auf kurzfristig 650 µg/m³. Bereits nach 2 Minuten konnte eine Reduzierung auf 60 µg/m³ nachgewiesen werden. Die Auswirkungen der zuginduzierten Wirbelschleppe (fahrzeugerzeugte Turbulenz) führte mit einem zeitlichen Versatz von 1 Minute auch an Messstelle C (55 m von Gleismitte, Luv) zu einer Erhöhung der Partikelkonzentration auf 110 µg/m³. Der beobachtete Verdünnungseffekt zwischen den beiden Messstellen (B und C) lag ungefähr bei Faktor 6.

9) Siehe https://apps.who.int/iris/handle/10665/345334 sowie https://environment.ec.europa.eu/topics/air/air-quality/revision-ambient-air-quality-directives_en

Tabelle 3: Statistische Kenngrößen für PMx am Standort „Freie Strecke“ im Messzeitraum 01.10.2021 – 28.02.2022. *Gleiche Korrekturfaktoren wie bei PM10

Tabelle 4: Mittelwerte von Stickstoffdioxid (NO2) am Standort „Freie Strecke“ im Messzeitraum 21.05.2021 – 25.02.2022.

Im direkten Vergleich zwischen Personennahverkehrszügen (9:09 Uhr, 9:23 Uhr, 9:41 Uhr) und dem o .g. Güterzug zeigten sich deutlich geringere Erhöhungen der PM10-Konzentrationen mit einem Spitzenwert von 90 µg/m³. Ursächlich hierfür können veränderte aerodynamische Eigenschaften oder Abriebsbedingungen (Rad/Schiene/Oberleitung) sein.

Abbildung 5: PM10-Konzentrationszeitreihe (1 Minutenmittelwerte) vom 02.03.2022 zwischen 9 Uhr und 10 Uhr am Standort „Freie Strecke“; MS=Messstelle; ZB=Zusatzbelastung; WG=Windgeschwindigkeit; WR=Windrichtung.

Rangierbahnhof

Abbildung 6 zeigt die Tagesmittelwerte der PM10-Konzentration an den vier verschiedenen Messstellen (A bis D) des Standortes „Rangierbahnhof“. Die höchsten Partikelkonzentrationen wurden an den gleisnahen Messstellen B und C gemessen, wobei nur geringe standortspezifische Konzentrationsunterschiede zu beobachten sind. Die Partikelkonzentrationen variieren zwischen 3,4 µg/m³ an der Messstelle D (01.07.2022) und 34,5 µg/m3 an der Messstelle C (19.06.2022). Die durchschnittliche PM10-Konzentration betrug an den gleisnahen Messstellen (B und C) 15,2 µg/m3 bzw. 15,3 µg/m3, welche mit zunehmender Gleisentfernung (Messstelle D) auf 13,7 µg/m3 sank.

Abbildung 6: PM10-Konzentrationsverlauf an den vier Messstellen des Standortes „Rangierbahnhof“ im Messzeitraum 20.05. - 01.07.2022 (Streulichtspektrometer).

Die Ergebnisse der gravimetrischen PM10–Konzentrationsbestimmung sind in Abbildung 7 dargestellt. Für eine ausreichende Partikelmasse wurde ein Messintervall von jeweils 48 Stunden pro Filter gewählt, wodurch im Vergleich zu Abbildung 5 auch ein geglätteter Kurvenverlauf resultiert. Entsprechend der Ergebnisse des Streulichtverfahrens, ist auch für die gravimetrische Untersuchung eine Abnahme der Partikelkonzentration mit zunehmender Gleisentfernung zu beobachten. Die PM10-Konzentrationen lagen im Mittel für die gleisnahen Messstellen bei 15 µg/m3 und den gleisfernen Messstellen bei 14,5 µg/m3 (MS A) bzw. 14,1 µg/m3 (MS D). Beide Messverfahren zeigen eine gute Übereinstimmung der Messergebnisse.

Abbildung 7: PM10-Konzentrationsverlauf an den vier Messstellen des Standortes „Rangierbahnhof“ im Messzeitraum 21.05 - 01.07.2022 (Gravimetrie).

In Tabelle 5 sind die Mittelwerte der PMx-Konzentrationen inkl. Standardabweichung für alle Messstellen am Standort „Rangierbahnhof dargestellt. Die ermittelte Zusatzbelastung weist nur geringe Unterschiede zwischen Messstelle A (< 1 µg/m3) und Messstelle D (1,5 µg/m3) auf. Analog zu den Ergebnissen des Standortes „Freien Strecke“ ist die Zusatzbelastung auch für den Standort „Rangierbahnhof“ relativ gering.

Tabelle 5: Statistische Kenngrößen für PMx am Standort „Rangierbahnhof“ im Messzeitraum 01.06.2022 – 01.07.2022. *Gleiche Korrekturfaktoren wie bei PM10

In Abbildung 8 ist der Kalender-Plot zu den gemessenen NOX-Konzentrationen in Verbindung mit den ermittelten Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten für den Standort „Rangierbahnhof“ im Messzeitraum 01.06 - 09.09.2022 dargestellt. Die höchsten Konzentrationen konnten in den ersten drei Wochen im Juni (20 µg/m3) bzw. im August (> 25 µg/m3) gemessen werden.

Abbildung 9 zeigt die mittels Passivsammlern erfasste NO2-Konzentration an den vier Messstellen (MS A – MS D). Die Erfassung erfolgte im Rotationsverfahren, mit je drei Passivsammlern in vier Messperioden (an einer Messstelle pro Messperiode) im Zeitraum vom 20.05 - 20.07.2022. In drei der vier Messperioden konnten die höchsten NO2-Konzentrationen an den gleisnahen Messstellen (B und C) nachgewiesen werden. Der Mittelwert über alle Messperioden liegt bei 9,1 µg/m3 (MS A), 12,4 µg/m3 (MS B), 11,8 µg/m3 (MS C) und 11,6 µg/m3 (MS D). Die durch den Schienenverkehr verursachte Zusatzbelastung betrug im Untersuchungszeitraum im Mittel 3,3 µg/m3.

In Abbildung 10 ist exemplarisch die Vorbeifahrt eines Güterzuges (29.06.2022) an der Messstelle C (gleisnah) dargestellt. Dabei konnte ein signifikanter Partikel-Konzentrationsanstieg auf 84 µg/m3 (PM10), 40 µg/m3 (PM2,5) und 24 µg/m3 (PM1) erfasst werden. An den Messstellen A und D wurde zur selben Zeit keine Veränderung der PMx-Konzentrationen gemessen.

Abbildung 8: Kalender-Plot der NOx-Konzentration und Windverhalten an der Messstelle C (gleisnah) am Standort „Rangierbahnhof“ im Messzeitraum 06.2022 – 09.2022.

Abbildung 9: NO2-Konzentrationsverlauf an den allen vier Messstellen des Standortes „Rangierbahnhof“ in den Messperioden vom 20.05 - 20.07.2022 (Passivsammler).

Abbildung 10: PMx-Konzentrationsverlauf am Standort „Rangierbahnhof“ für die Messstelle C vom 29.06.2022.

In Abbildung 11 ist der NOx-Konzentrationsverlauf am Beispiel der Güterzug-Vorbeifahrt vom 29.06.2022 dargestellt. Der höchste Peak (schwarzer Pfeil) wurde für eine detaillierte Komponenten-Analyse ausgewählt. Im Rahmen der Einzelkomponentenbetrachtung konnte ein Konzentrationsanstieg von unter 5 µg/m3 auf 50 µg/m3 für NO und von 30 µg/m3 auf 259 µg/m3 für NOx nachgewiesen werden. Diese Untersuchung ermöglichte den NOx-Konzentrationspeaks direkt Zugvorbeifahrten mit Dieseltraktion zuzuordnen.

Abbildung 11: NOx-Konzentrationsverlauf am Standort „Rangierbahnhof“ für die Messstelle C vom 29.06.2022.

Anhand der bisherigen Datenanalyse konnten folgende Erkenntnisse für den Standort „Freie Strecke“ abgeleitet werden:

Partikelzusatzbelastung

  • Die durchschnittliche Erhöhung der gleisnahen Partikelzusatzbelastung (MS B) liegt bei Zugvorbeifahrten bei 6 µg/m³. In Einzelanalysen konnten jedoch auch Werte von mehr als 100 µg/m³ nachgewiesen werden.
  • Bereits eine Gleisentfernung von 55 m (MS C) führt zu einer deutlichen Partikelreduktion auf 10 % (1 µg/m³) im Vergleich zur gleisnahen Ausgangskonzentration (PM10).
  • In der Analyse von Einzelereignissen konnten deutliche Unterschiede zwischen Güter– und Personennahverkehrszügen (Elektrotraktion) beobachtet werden.
  • Für den Personenfernverkehr konnte keine Erhöhung der Partikelkonzentrationen bei Vorbeifahrten beobachtet werden.
  • Die Elementanalyse der exemplarisch untersuchten PM10-Proben konnten folgende Elemente nachweisen: Fe, S, Mn, Mg, Ba, Cu, Zn, Mo, Cr und Al.

Stickstoffzusatzbelastung

  • Mit zunehmender Gleisentfernung (MS C) sinkt die mittlere NO2-Zusatzbelastung auf 40 % der gemessenen gleisnahen (MS B) NO2-Konzentrationen.
  • Die gleisnahen NO-Konzentrationen erhöhen sich bei Zugvorbeifahrten (Flottenmittel) um durchschnittlich 1 µg/m³. Für Züge mit Dieseltraktion konnten deutlich höhere Zusatzbelastungen von > 50 µg/m³ nachgewiesen

Anhand der bisherigen Datenanalyse konnten folgende Erkenntnisse für den Standort „Rangierbahnhof“ abgeleitet werden:

Partikelzusatzbelastung

  • Bei einem Abstand von 200 m (MS A) bzw. 100 m (MS D) zu den Bahngleisen ist kein Einfluss des Schienenverkehrs auf die Partikel-Konzentration zu beobachten.
  • Trotz eines moderaten Partikelkonzentrationsverlaufs bei der Betrachtung der Mittelwerte, konnte bei Einzelereignissen ein Einfluss des Schienenverkehrs auf das Bahnumfeld gezeigt werden, er beschränkte sich jedoch meist auf die gleisnahe Messtelle B.

Stickstoffzusatzbelastung

  • Für gleisnahe Standorte (MS B und MS C) konnte die höchste Zusatzbelastung in Verbindung mit Diesellokomotiven nachgewiesen Einzelereignisse ergaben einen Anstieg auf mehr als 200 µg/m3 NOx.
  • Die durchschnittliche Zusatzbelastung für NO2 lag bei 3 µg/m³, was einen Anstieg von 25 % im Vergleich zur Hintergrundkonzentration bedeutet.

Bremsprüfstandsuntersuchungen des Schienenverkehrs

Erste Untersuchungen zu Bremsemissionen im Schienenverkehr wurden am Bremsenprüfstand der BECORIT GmbH in Recklinghausen durchgeführt. Fotos des Prüfstandes finden sich in Abbildung 11.

Abbildung 12: Fotos des Bremsenprüfstandes von BECORIT in Recklinghausen. Links: Prüfkammer (blau) mit Abluftkanal. Rechts: Blick in die geöffnete Prüfkammer mit eingebautem Rad.

Mess- und Analysetechnik für den Bremsprüfstand

Analog zu den Felduntersuchungen wurden folgende Parameter untersucht (Tabelle 1):

  • Bestimmung der Abluftparameter: Strömungsgeschwindigkeit nach DIN EN ISO 16911-1, Temperatur, Druck und Feuchte,
  • Gravimetrische korngrößenaufgelöste Impaktormessung im Abluftkanal nach VDI 2066 Blatt 5. Dazu: fünfstufige Abscheidung auf Vorabscheider, PM10, PM2,5 und PM1 sowie Backupfilter,
  • Elementanalyse mittels ICP-MS nach VDI 2267 Bl.1 nach Mikrowellenaufschluss der Filter und Sammelplatten gemäß VDI 2267 Blatt 3 - Variante 6A; Elementumfang: Fe, Cu, Mg, Cr, Ni, Mo, Zn, Ba, Al, Ca,
  • Gesamt VOC-Messungen mittels FID nach DIN EN 12619 Gesamt-C-Messungen,
  • Partikelmessungen mittels Aerosolspektrometer (PM10, PM2,5 und PM1) nach Tabelle 1, Streulichtspektrometrie,
  • Gravimetrische Untersuchung der Bremsklötze vor und nach jedem Bremszyklus zur Bestimmung des Gewichtverlustes zur anschließenden Verschleißberechnung.

Messprogramm des Bremsprüfstands

Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche sowie standardisierten Prüfund Messprotokollen (UIC) wurde analog zu den Feldmessungen ein Kriterienkatalog mit entsprechendem Entscheidungsbaum zur Erstellung eines Messprogramms abgeleitet. Im Fokus der Untersuchungen stehen Untersuchungsszenarien des Güterverkehrs in Verbindung mit Stoppbremsungen und Bremsprofilen an Haltepunkten und Bahnhöfen mit verschiedenen Nutzungsintensitäten. Für die Bestimmung der Abriebe kann nur die eingesetzte mechanische Bremsenergie berücksichtigt werden. Zur Abdeckung möglichst realitätsnaher Szenarien und Bremsbedingungen wurden die Untersuchungen in Anlehnung an ein bereits etabliertes Prüfprogramm (UIC 541-4) durchgeführt.

Tabelle 6 beschreibt das durchgeführte Prüfprogramm, in welchem hintereinander eine definierte Anzahl gleicher Bremsungen durchgeführt wird. Variationen der einzelnen Schritte des Prüfprogramms umfassen die Anfangsgeschwindigkeit, die Anpresskraft sowie die abzubremsenden Masse. Nach jedem der zehn Bremszyklen wird der Materialverlust bzw. der Abrieb der Bremsbeläge gravimetrisch bestimmt. Mit Hilfe der Ergebnisse kann eine Validierung der Partikelmessungen und der späteren Verschleißsimulationen erfolgen.

Das durchgeführte Programm enthielt sieben verschiedene Stoppbremsungen (von einer Anfangsgeschwindigkeit v=x km/h auf 0 km/h) und drei Prüfungen mit Regulierungsbremsungen, d.h. einer sogenannten „Sägezahn-Simulation“ (fortlaufende Variation der Geschwindigkeiten jeweils zwischen 75 km/h und 45 km/h).

Tabelle 6: Durchgeführtes Prüfprogramm in Anlehnung an UIC 541-4, 5. Ausgabe, Prüfprogramm A1a10).

Nach jedem Zyklus wurden die beladenen Filter und Proben aus dem Vorabscheider entnommen sowie die Messgeräte gereinigt.

10).Siehe https://normadoc.com/german/uic-541-4-2018-11-2899233.html

Als Testkörper diente ein organischer Bremsbelag COSIT 810 (1xBGU), welcher sehr häufig im Güterverkehr eingesetzt wird. Als Radsatz wurde ein Ö 874 mm Lucchini tiefgewölbt verwendet.

Ergebnisauswahl

Bremspartikelemission unbeladener Zug (Versuche Nr. 2 bis 4):

Abbildung 13 zeigt die prozentuale Gewichtsverteilung der verschiedenen Impaktorstufen bzw. Partikelgrößen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bei Stoppbremsungen von 30 km/h und 60 km/h liegen 90 % der Partikel im Vorabscheider in einem Größenbereich > 10 µm vor. Stoppbremsungen aus höheren Geschwindigkeiten (> 100 km/h) besitzen nur noch eine Abscheiderate von 40 %. Für den Größenbereich < PM1 (Backup-Filter) und Geschwindigkeiten von 100 km/h beträgt die Abscheiderate noch 35 %.

Der PM10-Wert ergibt sich aus der Summen-Masse auf der PM10-Prallplatte, der PM2,5-Prallplatte, der PM1-Prallplatte und dem Backup-Filter. Analog verhalten sich die Massenkonzentrationen für die Partikelgrößen PM2,5 und PM1. Der Hauptanteil der auf dem Backup-Filter abgeschiedenen Partikel, gehört zum Korngrößenbereich < 0,5 µm, was auf Verdampfungs- und Kondensationsprozesse während des Bremsvorganges zurückgeführt werden kann.

In Abbildung 14 ist die emittierte Partikelmasse pro Bremsung und Rad dargestellt, welche aus dem Gesamtvolumenstrom und der Anzahl der Bremsungen berechnet wurde.

Abbildung 13: Prozentualer Abscheidegrad der Bremspartikel nach Größenklasse für einen unbeladenen Zug in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen (30 km/h, 60 km/h und 100 km/h).

Abbildung 14: Emittierte Masse pro Bremsung und Rad eines unbeladenen Zuges in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen (30 km/h, 60 km/h und 100 km/h).

Entsprechend Abbildung 14 ist deine deutliche Zunahme der Partikelmasse mit steigender Geschwindigkeit zu beobachten. Darüber hinaus konnte eine Partikelgrößenverschiebung bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h, hin zu kleineren Partikeln nachgewiesen werden.

Bremspartikelemission beladener Zug (Versuche Nr. 5 bis 8):

Analog zu den Untersuchungen an einem unbeladenen Zug zeigt Abbildung 15 die prozentuale Partikelabscheiderate (%) der verschiedenen Impaktorstufen und Geschwindigkeitsbereiche für einen beladenen Zug. Bei Stoppbremsungen von 30 km/h liegt die Abscheiderate auf dem Vorabscheider bei 70 % für Partikel > 10 µm. Bereits ab einer Geschwindigkeit von 60 km/h reduziert sich die Partikelabscheidung auf unter 30 % bzw. 40 % für 100 km/h.

Berechnet man auch hier aus dem Gesamtvolumenstrom und der Anzahl der Bremsungen die emittierte Masse pro Bremsung und Rad, so ergeben sich die in Abbildung 16 dargestellten Ergebnisse. Während für die Geschwindigkeitsbereiche 30 km/h und 60 km/h ähnliche Partikel-Konzentrationsbereiche nachzuweisen sind, verzehnfacht sich die emittierte Masse pro Bremsung bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h.

Abbildung 15: Prozentualer Abscheidegrad der Bremspartikel nach Größenklasse für einen beladenen Zug in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen (30 km/h, 60 km/h und 100 km).

Abbildung 16: Emittierte Masse pro Bremsung und Rad eines beladenen Zuges in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen (30 km/h, 60 km/h und 100 km/h).

Eine Zusammenstellung der ermittelten Abriebmengen pro Bremsung sowie die entsprechenden Kenngrößen, wie Bremsweg, Bremszeit und Bremsenergie ist für die durchgeführten Versuche 1 bis 10 in Tabelle 7 aufgeführt. Mit Hilfe der Ergebnisse können Abhängigkeiten zwischen aufgebrachter mechanischer Bremsenergie und Bremstemperatur aufgezeigt werden.

PM10-Inhaltsstoffanalyse und VOC-Messungen der Bremsenprüfstandsproben:

Die Inhaltsstoffanalysen der Partikelproben aus dem Bremsprüfstand enthielten partikelgrößenunabhängig Eisen (ca. 30 %), Barium und Aluminium (jeweils 3 %) sowie Magnesium und Zink (jeweils ca. 1 %). Kupfer (0,2 %), Chrom (0,2 %), Nickel (0,1 %). Bei Molybdän und Calcium lagen die Masseanteile unter 0,1%. Ergänzend zu den Feststoffanalysen der Filterproben wurde auch der VOC-Gehalt als Summenparameter für die leicht flüchtigen Verbindungen im Abluftstrom bestimmt. Aufgrund der Belüftungsintensität und Abluftgeschwindigkeit lagen jedoch alle VOC-Messungen unterhalb der Nachweisgrenze von 0,5 ppm. Eine vertiefte Interpretation und Einordnung der chemischen Untersuchungen sowie der Prüfstandsmessungen ist im weiteren Projektverlauf geplant.

Einordnung der Ergebnisse und Ausblick

Systematische Luftschadstoffmessungen an frei anströmbaren Eisenbahnstrecken bzw. Rangierbahnhöfen liegen nur sehr wenige vor. Die durchgeführten Messungen liefern deshalb wertvolle Daten im Hinblick auf Partikelkonzentrationen, Größenverteilung und chemischen Zusammensetzung sowie Stickstoffoxid-Konzentrationen.

Die Auswertungen der durchgeführten Messungen zeigen für die Feldversuche an einer freien Strecke und einem Rangierbahnhof, dass zwar auf kleinen Zeitskalen (Minuten) durch die Vorbeifahrt von Zügen z. T. sehr hohe Schadstoffkonzentrationen auftreten, in Bezug auf längere Mittelungszeiträume (Tage, Wochen, Monate) die bahnbedingten Zusatzbelastungen jedoch gering sind. Die massebezogenen PM10-Zusatzbelastungen lagen gleisnah im Mittel bei 2 µg/m³ und die Stickstoffdioxid (NO2)-Zusatzbelastungen unter 1 µg/m³ (Freie Strecke) bzw. bei 3 µg/m³ (Rangierbahnhof). Damit liegen die PM10-Zusatzbelastungen ähnlich hoch, wie in vergleichbaren Untersuchungen 2003/2004 in der Schweiz (INFRAS (2007)). Die durchschnittlichen durch den Eisenbahnverkehr verursachten PM10-Zusatzbelastungen in rund 10 m Entfernung von den Gleisen betrugen dort rund 1,5 bis 2 µg/m3. Die Zugfrequenzen an den untersuchten Standorten in der Schweiz waren mit ca. 740 Zügen/Tag (550 Personenzüge, 190 Güterzüge) allerdings etwa 6-Mal höher als an der freien Strecke bei Ötisheim. In Rausch und Zünd (2016) wurden im Rahmen einer vierwöchigen Messkampagne im Oktober 2016 Partikel u.a. an einer freien Strecke im Urner Reusstal gemessen. Die Zugfrequenzen waren vergleichbar mit der Situation in Ötisheim. Die Ergebnisse zeigten, dass die PM10-Zusatzbelastung dort in 5 m Entfernung zum Gleis zwischen 2 und 6 µg/m³ lag.

Eisen war an der freien Strecke mit ca. 0,7 µg/m³ Hauptbestandteil der exemplarisch untersuchten PM10-Zusatzbelastungen. Weiterhin konnten die Elemente S, Mn, Mg, Ba, Cu, Zn, Mo, Cr und Al nachgewiesen werden.

Die bahnbedingten Zusatzbelastungen nehmen mit zunehmendem Abstand von den Gleisen rasch ab. Die mittleren PM10-Zusatzbelastungen waren an der Messstelle bei Ötisheim selbst bei guten Luv-Lee-Bedingungen in 55 m Abstand schon auf ca. 10 % der gleisnahen Zusatzbelastung gesunken. Überschreitungen der Grenzwerte der 39. BImSchV konnten selbst in Gleisnähe nicht nachgewiesen werden. Das betrifft sowohl den Standort an der freien Strecke als auch den Rangierbahnhof. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die geltenden WHO-Empfehlungen aus dem Jahre 2021 zum Vergleich mit den Messwerten herangezogen werden. Diese Empfehlungen sind weitaus strenger als die Grenzwerte; sie werden an allen Messpunkten überschritten.

Die gemessene Gesamtbelastung an den Messorten setzt sich aus der Hintergrundbelastung und der bahnbedingten lokalen Zusatzbelastung zusammen. Die Hintergrundbelastung entsteht durch Überlagerung von Immissionen aus Industrie, Hausbrand, Kfz-Verkehr sowie überregionalem Ferntransport von Schadstoffen. Die lokale bahnbedingte gleisnahe PM10-Zusatzbelastung von 2 µg/m³ entspricht bei einer mittleren Gesamtbelastung von 13 µg/m³ (freie Strecke) bzw. 15 µg/m³ (Rangierbahnhof) einem Anteil von 13% bzw. 15%. Die lokale bahnbedingte gleisnahe NO2-Zusatzbelastung von 1 µg/m³ (freie Strecke) bzw. 3 µg/m³ (Rangierbahnhof) entspricht bei einer mittleren Gesamtbelastung von 8 µg/m³ (freie Strecke) bzw. 12 µg/m³ (Rangierbahnhof) einem Anteil von 13 % bzw. 25 %. An den Messorten dominierten somit auch gleisnah bei längeren Mittellungszeiten die Hintergrundbelastungen.

Zum Vergleich: Die höchsten Stickstoffdioxid (NO2) Konzentrationen werden derzeit an viel befahrenen Straßen gemessen. Je nach Lage der Messstation werden entsprechend der Auswertungen des Umweltbundesamtes in Ballungsräumen verkehrsnah NO2-Jahresmittelwerte zwischen 20 und 40 µg/m³, vereinzelt sogar noch darüber, festgestellt. Besonders hohe PM10-Konzentrationen werden unter anderem wegen der starken Kfz-bedingten Emissionen wie (Diesel-)Ruß, Reifen- und Straßenabrieb sowie aufgewirbeltem Staub an Kfz-beeinflussten Messstationen registriert. Derzeit treten in Ballungsräumen PM10-Jahresmittelwerte zwischen 15 und 20 µg/m³ auf.

Am Bremsenprüfstand konnte für den sehr häufig bei Güterwaggons eingesetzten organischen Bremsbelag COSIT 810 (1xBGU) realitätsnahe Bremsvorgänge und systematische Messungen der Partikelkonzentrationen, Abriebmassen sowie deren Inhaltsstoffe durchgeführt werden. Daraus wurden typische Abriebsmengen in Abhängigkeit des Bremsprofils, der Bremskraft und des Bremsbelags bestimmt. Das verwendete Prüfprogramm erlaubt für eine Belag/Rad-Konfiguration Bremsabriebuntersuchungen in Abhängigkeit der wichtigsten für eine Modellierung notwendigen Parameter innerhalb einer Messwoche. Es hat sich bewährt und kann als ,,Vorlage“ für weitere Messungen (z. B. mit anderen Bremsbelägen) dienen. Die ermittelten PM10-Abriebemissionen liegen für den untersuchten organischen Bremsbelag je nach aufgebrachter Bremsarbeit und Temperatur des Bremssystems bezogen auf ein Rad zwischen 0.1 und 3.5 mg pro Bremsmeter. Zwischen der PM10- und der PM2.5-Fraktion konnte kein relevanter Unterschied festgestellt werden. Die Inhaltsstoffanalysen der PMx-Filterproben identifizierten als Hauptbestandteil der Bremspartikel Eisen. Neben Eisen waren u. a. Barium, Aluminium, Magnesium und Zink zu finden. Kupfer, Chrom, Nickel und Molybdän trugen nur in sehr geringem Maße zur Partikelmasse bei.

Mit Hilfe der in diesem Projekt ermittelten Erkenntnisse, sollen spezifische Emissionsfaktoren abgeleitet sowie bestehende Luftschadstoffemissions- und Immissionsmodelle validiert werden. Ergänzend erfolgen eine Schadstoffquantifizierung sowie eine toxikologische Risikobewertung der Emissions- und Immissionsbelastung aus dem Schienenverkehr. Nähere Informationen zum Forschungsvorhaben können der DZSF-Homepage entnommen werden (https://www.dzsf.bund.de/SharedDocs/Standardartikel/DZSF/Projekte/Projekt_87_Emissionen-Immissionen.html).

Danksagung

Das vorliegende Forschungsvorhaben „Emissionen und Immissionen aus dem Schienenverkehr – Luftschadstoff-Monitoring und Ausbreitungsberechnung“ wird durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) finanziert.

Literatur

  1. 39. BImSchV (2010). Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV). Vom 2. August 2010. S. 1065-1104. Bundesgesetzblatt Jahr¬gang 2010 Teil I Nr. 40, ausgegeben zu Bonn am 5. August 2010.
  2. Abbasi, S., J. Wahlström, L. Olander, C. Larsson, U. Olofsson und U. Sellgren (2011): A study of airborne wear particles generated from organic railway brake pads and brake discs [online]. Wear, 273(1), 93-99. ISSN 00431648. Verfügbar unter: doi:10.1016/j.wear.2011.04.013
  3. Abbasi, S. (2011a): Characterisation of airborne particles from rail traffic. Royal Institute of Technology / Department of Machine Design, 2011. ISBN 978-91- 7501-056-4.
  4. Abbasi (2012). Towards elimination of airborne particles from rail traffic. Doctoral thesis Department of Machine Design Royal Institute of Technology SE-100 44 Stockholm. ISBN 978-91-7501-881-2
  5. Abbasi et al. (2013a): Technical Note: Experiences of Studying Airborne Wear Particles from Road and Rail Transport [online]. Aerosol and Air Quality Research, 13(4), 1161-1169. ISSN 16808584. Verfügbar unter: doi:10.4209/aaqr.2012.10.0295
  6. Abbasi, S., A. Jansson, U. Sellgren und U. Olofsson (2013b): Particle Emissions From Rail Traffic: A Literature Review [online]. Critical Reviews in Environmental Science and Technology, 43(23), 2511-2544. ISSN 1064-3389. Verfügbar unter: doi:10.1080/10643389.2012.685348
  7. Anyakwo et al. (2012): Modelling and simulation of dynamic wheel-rail interaction using a roller rig Journal of Physics: Conference Series 364 (2012) 012060.
  8. Günay, M., M. E. Korkmaz und R. Özmen (2020): An investigation on braking systems used in railway vehicles [online]. Engineering Science and Technology, an International Journal, 23(2), 421-431. ISSN 22150986. Verfügbar unter: doi:10.1016/j.jestch.2020.01.009
  9. INFRAS (2007): PM10-Emissionen im Verkehr - Teil Schienenverkehr. Infras, Studie im Auftrag des BAFU, Bern, 2007.
  10. Jia, S. G., P. Liu, F. Z. Ren, B. H. Tian, M. S. Zheng und G. S. Zhou (2007): Sliding wear behavior of copper alloy contact wire against copper-based strip for high-speed electrified railways [online]. Wear, 262(7-8), 772-777. ISSN 00431648. Verfügbar unter: doi:10.1016/j.wear.2006.08.020
  11. Lee, H. (2020): Generation characteristics of the airborne wear particles emitted from the wheel–rail contact for various train velocities and their generation relation with the train velocity [online]. Atmospheric Environment: X, 5, 100068. ISSN 25901621. Verfügbar unter: doi:10.1016/j.aeaoa.2020.100068
  12. Lee, H. (2021): Reduction the Nanoparticles Generated at the Wheel–rail Contact by Applying Tap Water Lubricant at Subway Train Operational Velocities.
  13. Lewis und Olofsson (2009): Wheel-Rail Interface Handbook 1st Edition - September 25, 2009 Editors: R. Lewis, U Olofsson. Hardcover ISBN: 9781845694128.
  14. Rausch, J. und T. Zünd (2016): Bestimmung des PM10 Anteils aus dem Schienen- und Strassenverkehr im Urner Reusstal (Altdorf, Kt. Uri). Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Freiburg 2016.
  15. Singh Walia, M. (2019): Mechanical braking systems for trains. Dissertation. Doktorsavhandlingar vid Chalmers tekniska högskola. Ny serie nr 4662. ISBN 9789179051952
  16. Sundh, J., U. Olofsson, L. Olander und A. Jansson (2009): Wear rate testing in relation to airborne particles generated in a wheel-rail contact [online]. Lubrication Science, 21(4), 135-150. ISSN 09540075. Verfügbar unter: doi:10.1002/ls.80
  17. Tesfa, B., F. Gu, A. Anyakwo, F. Al Thobiani und A. Ball (2011). Prediction of metal PM emission in rail tracks for condition monitoring application. In: 5th IET Conference on Railway Condition Monitoring and Non-Destructive Testing (RCM 2011): IET, 5B3-5B3. ISBN 978-1-84919-558-4