FGSV-Nr. FGSV 002/138
Ort Köln
Datum 28.02.2024
Titel Der Weg der Verkehrsmeldung auf die Straße. Geodatenbasiertes Management echtzeitfähiger Verkehrsinformationen der Autobahn
Autoren Dipl.-Math. Michael Schmidt, M. Sc. Daniel Czwalina
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Mit der Inbetriebnahme der ersten dynamischen Verkehrsbeeinflussungsanlagen in den 1970er Jahren begann - zunächst noch manuell die strukturierte Verarbeitung von Informationen über den Verkehrszustand auf Autobahnen. Wo damals - räumlich und zeitlich begrenzt - Informationen zu Stauereignissen und Sperrungen mit dem Ziel der Stauvermeidung (im Zuge der Wechselwegweisung) bearbeitet wurden, werden heute umfangreiche Daten in den Rechnersystemen der Verkehrszentralen übergreifend und automatisiert verarbeitet. Diese Daten sind Bestandteil einer hochdynamischen Verarbeitungskette im Zusammenwirken der Akteure des Verkehrsmanagements und des Verkehrswarndienstes mit Automobilherstellern, Navigationsdienstleister und weiteren Mobilitätsdaten-Providern.

Dieser Entwicklung folgend, und vor dem Hintergrund der Etablierung der Kooperativen Dienste sowie der Funktionen des hochautomatisierten Fahrens, erfahren auch die verarbeitenden Informations- und Kommunikationssysteme eine Entwicklung zu global interagierenden und echtzeitfähigen Servicearchitekturen.

Mit dieser Veröffentlichung wird ein zentraler Dienst für ein geodatenbasiertes Verkehrsinformationsmanagement auf Basis einer zukunftsfähigen Geodatenarchitektur der Autobahn – dem Geodienst Autobahn - vorgestellt und ein Ausblick in die Weiterentwicklung der grundlegenden Lösungsarchitektur zu einem Datenprovider-übergreifenden Management von dynamischen Verkehrsinformationen gegeben, welche im Zuge des Aufbaus des plattformbasierten Verkehrsmanagements der Autobahn stattfinden soll.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Echtzeitinformationen im Verkehrsmanagement

Verkehrsinformationen bilden heute und in Zukunft eine immer wichtiger werdende Grundlage des kooperativen, vernetzten und intelligenten Verkehrsmanagements. Sowohl die zunehmende Auslastung des Verkehrssystems als auch die Erweiterung des Lösungsraumes durch digitale Datenservices, fordern dabei eine verstärkt automatisierte Verarbeitung dieser Daten.

Digitale Informations- und Kommunikationssysteme liefern einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der Fach- und Unterstützungsprozesse des Verkehrsmanagements, sowie vielfältiger Verkehrsinformationsdienste:

Tabelle 1: Anwendungen und Dienste des Verkehrsmanagements

Eine wesentliche Aufgabe dieser Anwendungen besteht in der Verarbeitung von Daten der Erfassungsinfrastruktur (Sensorik) zu räumlich sowie zeitlich eigenständigen und veränderlichen Verkehrsinformationen sowie in der Verknüpfung mit der zur Verfügung stehenden Verkehrsbeeinflussungsinfrastruktur (Aktorik). Zusätzlich besteht bei allen verarbeiten Informationen ein konkreter Geo- beziehungsweise Netzbezug. Es besteht demnach eine enge Verknüpfung zwischen den Bestandteilen der Verkehrsinformation, welche sich anschaulich in einem Ebenen-Modell (Bild 1) darstellen lassen.

Bild 1: Ebenen-Modell des dynamischen Verkehrsinformationsmanagements

Grundsätzliche Anforderungen, welche seitens der Anwendungen des Verkehrsmanagements und der Verkehrsinformationssysteme an die verarbeitenden Informations- und Kommunikationssysteme sowie die zuvor vorgestellten Informationsebenen gestellt werden sind im Folgenden aufgeführt:

Verfügbarkeit der aktuellen Geodatenbasis

Die Informationen in den Ebenen unterliegen Änderungsraten im Bereich von (unter) Sekunden bis hin zu Jahren. Da eine Verkehrsinformation nur unter Verwendung aktueller Basisinformationen Gültigkeit besitzt, ist eine zeitnahe Aktualisierung der Geodatenbasis erforderlich.

Performante Informationsverarbeitung

Den Änderungsraten einer Informationsebene entsprechend, muss eine zeitgerechte Informationsverarbeitung erfolgen. Einen wesentlichen Einfluss auf die erforderliche Performanz des Systems spielt daneben auch die dabei zu verarbeitende Datenmenge.

Universelle Referenzierung

Daten der gesamten Wertschöpfungskette von Verkehrsinformationen werden gemäß Tabelle 2 in verschiedenen Referenzierungssystemen verarbeitet. Dies erfordert sowohl eine Verortung als auch Verarbeitung der Informationselemente in beliebigen Referenzsystemen.

Versionierung

Um Verkehrsinformationen auch nachhaltig nutzbar, beispielsweise für historische Auswertungen, machen zu können, ist ein Bezug zu der jeweilig aktuellen Version der Geodatenbasis erforderlich. Die gesamte Geodatenbasis muss entsprechend versioniert und dokumentiert werden können.

Tabelle 2: Ebenen-Modell „Dynamisches Verkehrsinformationsmanagement“

2 Geodienst Autobahn

Die Verarbeitung von Verkehrsformationen mit Geobezug spielt eine zentrale Rolle für alle Anwendungen des Verkehrsmanagements. Einerseits beinhalten sie jeweils identische Funktionen, andererseits wirken sie regelmäßig auf einer gemeinsamen Informationsbasis (Beispiel: Die Verkehrsbeeinflussung erfolgt auf Basis der Verkehrsbeobachtung). Deshalb liegt es nahe, die damit verbundenen Funktionen in einem zentralen Dienst zu bündeln. Dies erfolgt sowohl aus wirtschaftlichen Interessen, ermöglicht in gleichem Zuge eine qualitativ hochwertigere und zentrale Informationsbasis, welche für ein automatisiertes Zusammenwirken der Anwendungen unbedingt erforderlich ist.

Die Autobahn GmbH setzt dazu den sog. Geodienst Autobahn seit 2021 ein. Für das unternehmensweite Betriebssystem - AutobahnOS - stellt der Dienst eine zentrale Funktion des bundesweiten Verbundes der Verkehrszentralen dar. Die gewählte Microservice-Architektur auf Basis einer sog. Container Virtualisierung erlaubt es dabei stets anforderungsgerecht zu skalieren und die einschlägigen Performanz-Anforderungen zu erfüllen.

2.1  Funktionen

Funktionen des Geodienst Autobahn sind, den Anforderungen des Verkehrsmanagements entsprechend.

2.1.1  Geodatenbank

Relevante Basisinformationen (Ebene 1 bis 3) werden in einer zentralen Datenbank gebündelt und für eine dynamische Verarbeitung zur Verfügung gestellt. Basisinformationen aus Drittsystemen (zum Beispiel Straßendatenbanken) werden, möglichst über automatisierte Verfahren, regelmäßig importiert. Die Gesamtheit der enthaltenen Basisinformationen zur gleichen Zeit erhält dabei eine einmalige Versionsnummerierung.

2.1.2  Verortung

Basisinformationen, Verkehrsinformationen und sonstige Elemente können unter Auswahl eines beliebigen Referenzierungssystems sowie einer Version der Geodatenbasis verortet werden.

2.1.3  Multi-Referenzierung

Jedes verarbeitete Element erhält eine sogenannte Multi-Referenz, welche Ortsinformationen aller zur Verfügung stehenden Referenzierungssysteme beinhaltet. Eine erneute Referenzierung im Zuge der Weiterverarbeitung ist dadurch nicht mehr erforderlich.

2.1.4  Routing

Eine beliebige Anzahl von Ortsreferenzen kann auf Grundlage der Geodatenbasis zu einer Route zusammengefügt werden. Die Routenfindung kann durch Eingabe weiterer Randbedingungen und Anforderungen (z. B. Sperrungen, Wegstreckenoptimierung oder nutzbare Straßenklassen) beeinflusst werden. Eine Zuordnung zu den referenzierten Verkehrsinformationen ermöglicht ein Echtzeitrouting z. B. auf Basis der aktuellen Verkehrslage.

2.1.5 Karte

Alle vorhandenen Informationsebenen können in einer echtzeitfähigen Karte angezeigt und den Fachanwendungen zur Verfügung gestellt werden. Die Darstellung kann dabei in frei konfigurierbaren geografischen Karten und in stilisierten Karten, ähnlich einer Straßenbahn-Karte, erfolgen.

2.2 Leistungsanforderungen

Um den Anforderungen des echtzeitfähigen Verkehrsinformationsmanagements gerecht zu werden, leistet der Dienst bereits mit einem Rechner-Knoten (4vCPU, 16 GB RAM) die Umrechnung von 1000 Linien-Locations mit einer mittleren Länge von 500m in das Multi-Referenzformat umrechnen können.

Die zugrunde gelegte Microservices-Architektur ermöglicht die lineare Skalierung, das heißt Vervielfachung der Umrechnungsleitung durch entsprechende Hinzugabe von Rechner-Knoten, in nahezu beliebiger Höhe. Durch eine Skalierung wird gleichzeitig die Ausfallsicherheit des Systems sichergestellt.

3 Architekturmodell eines geodatenbasierten Verkehrsinformationsmanagements

Über das Architekturmodell (Bild 2) werden übergreifende Abhängigkeiten der gesamten Wertschöpfungskette dynamischer Verkehrsinformationen übersichtlich dargestellt, Daten-Eigenschaften mit Bezug zu den vorab definierten Informationsebenen definiert und übergreifende Anforderungen an die Teilsysteme aus Sicht des Verkehrsinformationsmanagements gestellt.

Bild 2: Architekturmodell Verkehrsinformationsmanagement

Informationssysteme für Geo- und Straßendaten

Relevante Informationen der statischen Daten stehen in unterschiedlichen Quellen und Formaten zur Verfügung. Zu den Quellen zählen insbesondere (jeweils freie und kommerzielle) GIS-Systeme sowie Straßendatenbanken.  Insbesondere vor dem Hintergrund einer qualitativ hochwertigen und echtzeitfähigen Datenkommunikation innerhalb des Gesamtprozesses Anforderungen an die diese Daten gestellt:

  • Definition von permanent und übergreifend gültigen Identifikatoren von Straßendaten-Elementen, insbesondere im Bereich der Rampen von Anschlussstellen, Kreuzungsbereiche,
  • Gewährleistung der Konsistenz statischer Daten,
  • Anforderungsgerechte Übernahme (zeitlich) und anschließende, gegebenenfalls differenzierende, Bereitstellung von Änderungen an der Geodatenbasis.

Geodienst Autobahn

Der Geodienst stellt aufgrund seiner immanenten Nähe zu Verkehrsdatenerfassung sowie zu den Fachanwendungen und Informationsdiensten das zentrale Element im Rahmen der Verarbeitung und Verteilung dynamischer Verkehrsinformationen. Zu seinen übergreifenden Funktionen zählen in diesem Zuge (mittelbar):

  • Bereitstellung von statistischen und dynamischen Verkehrsinformationen der Autobahn,
  • Bündelung und Normierung von Verkehrsinformationen in ein zentrales Bezugsystem,
  • Bereitstellung echtzeitfähiger Karten/Kartendarstellungen.

Verkehrsinformationsdienste

Verkehrsinformationsdienste stellen sowohl den organisations- beziehungsweise plattformübergreifenden Datenaustausch als die Schnittstelle zu den Konsumenten der Verkehrsinformation (über Internetdienste, mobile Services und Apps) sicher. Zentrale Mehrwerte, die durch ein enges Zusammenwirken verschiedener Verkehrsinformationsdienste erzielt werden können, sind:

  • Verdichtung der Datengrundlage eines Verkehrsinformationsdienstes,
  • Ermöglichung der Entwicklung neuer Anwendungen und Dienste,
  • Abgleich der Datengrundlage für eine konsistente Informationsbereitstellung der Verkehrsinformationsdienste insgesamt,
  • Förderung von breiten Verkehrsinformationsangeboten, insbesondere auch im Bereich des multimodalen Verkehrs.

4 Fazit

Der Weg einer digitalen Verkehrsinformation von der Generierung bis hin zum Endverbraucher ist lang. Gleichzeitig entfalten diese Informationen, die für Verkehrsteilnehmer eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Wahl des Verkehrsmittels und der Route hin zu ihrem Reiseziel bilden, nur dann volle Wirkung, wenn sie zeitnah und situationsgerecht aufbereitet zur Verfügung steht. Eine leistungsfähige systemtechnische Basis ermöglicht dabei ein enges Zusammenwirken verschiedener Datengeber und stellt die erforderliche Funktionalität der anforderungsgerechten Datenverarbeitung sicher.

Mit dem Geodienst leistet die Autobahn GmbH des Bundes einen zentralen Beitrag für die Entwicklung neuer und zukunftsgerichteter Verkehrsinformationsdienste und stellt ein zentrales Bindeglied in der Wertschöpfungskette von Verkehrsinformationen im Netz der Autobahnen und darüber hinaus zur Verfügung.

In Verbindung mit einem koordinierten Zusammenwirken aller Akteure des Verkehrsinformationsmanagement werden dabei nicht nur bestehende Verkehrsinformationsangebote qualitativ verbessert, sondern auch Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des sicheren, vernetzten und kooperativen Fahrens geschaffen.

5 Entwicklungsbeteiligte

Auftraggeber: Die Autobahn GmbH des Bundes

Als eine der größten und vielfältigsten Infrastrukturbetreiberinnen in Deutschland ist die Autobahn GmbH des Bundes verantwortlich für rund 13.000 Kilometer Autobahnnetz in Deutschland. Zu den Aufgaben gehören neben Planung, Bau und Instandhaltung auch der Betrieb sowie die Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung.

Die Verkehrszentrale Deutschland in der Autobahn GmbH übernimmt die strategische Gesamtkoordination für das Verkehrsmanagement auf Deutschlands Autobahnen im Sinne des Verkehrsmanagements der Zukunft. Sie arbeitet verfolgt dabei drei übergeordnete Ziele: die Bereitstellung einer intelligenten Infrastruktur, die optimale Steuerung der Verkehrsabläufe sowie die organisatorische und technische Vernetzung der Verkehrszentralen. 

Systemhersteller: Heusch/Boesefeldt GmbH

Heusch/Boesefeldt ist seit 1969 Pionier in Sachen Leitsysteme und Verkehrsmanagement. Unsere innovativen Systeme erheben Verkehrsdaten, bereiten sie auf und analysieren sie. Auf diese Weise ermitteln wir den Istzustand des Verkehrs und entwickeln verlässliche Verkehrsprognosen, um sie unmittelbar über telematische Steuerungssysteme an die Verkehrsteilnehmenden weiterzuleiten.

Mit großer Fachkenntnis, Motivation und Innovationsfreude arbeiten wir kunden- und projektorientierte, individuelle Lösungen aus. Dies ist für uns die Basis einer erfolgreichen Weiterentwicklung unserer Produkte und Dienstleistungen - immer mit dem klaren Ziel vor Augen, neue Perspektiven in der Verkehrstechnik zu schaffen.