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1 Einleitung
Derzeit wird das Merkmal ,,Griffigkeit" bei der Konzeption von Baustoffgemischen für Fahrbahndeckschichten aus Asphalt und Beton über den PSV der Gesteinskörnung 8/10 prognostiziert. Diese Vorgehensweise ist nachgewiesenermaßen nicht schlüssig und führt zu Fehlbeurteilungen. Bereits aus wissenschaftlichen Untersuchungen der 1960er- und 1970er-Jahre ist bekannt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Polierwiderstand von Gesteinskörnungen und der Griffigkeit von Straßendecken besteht [4]. Dieser lässt sich aber nur dann folgerichtig ableiten, wenn das Gesteinskörnungsgemisch in seiner realen Korngrößenverteilung untersucht wird [5]. Diese Erkenntnisse basieren auf Untersuchungen mit der Prüfanlage nach Wehner/Schulze an der TU Berlin. Das Verfahren ist in den TP Gestein-StB, Teil 5.4.2 [7] beschrieben. Es existiert ein Bewertungshintergrund für das Prüfverfahren auf Basis einer über 30-jährigen Sammlung von Untersuchungsdaten aus Forschungsvorhaben und Routineprüfungen für die Gesteinsindustrie. Ende der 1990er Jahre waren die noch existierenden Prüfeinrichtungen nicht mehr gebrauchstauglich, so dass ein modernisierter Nachbau unter Beibehaltung wesentlicher Maschinenparameter erfolgte. Bei Vergleichsuntersuchungen [2] stellte sich heraus, dass mit den Geräten der 2. Generation ein abweichendes Messwerteniveau ermittelt wird. Um den bestehenden Bewertungshintergrund und die daraus abgeleiteten Anforderungswerte weiter nutzen zu können, wurde ein FE-Projekt initiiert [1]. Die Aufgabe bestand u. a. darin, den Bewertungshintergrund auf die neue Gerätegeneration zu übertragen. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Der vollständige Bericht wurde in den Berichten der BASt veröffentlicht.
2 Methodik
Durch Untersuchungen an unterschiedlichen Prüfkörnungen eines Kollektivs von Gesteinen, die das gesamte Spektrum des Polierwiderstandes in Deutschland vorkommender Gesteine abdecken, wurde zunächst der Erwartungsbereich für die Polierwerte PWS ermittelt. Da keine Geräte der 1. Generation mehr existieren, waren keine direkten Vergleichsmessungen mit den beiden Generätegenerationen mehr möglich. Die Vergleichsuntersuchungen konnten aber indirekt an Rückstellproben aus der TU Berlin durchgeführt werden, die in ausreichender Menge vorhanden waren. Auf diesem Wege sollte für die Prüfkörnungen 8/11 und 0,2/0,4 mm eine direkte Beziehung zwischen den beiden Gerätegenerationen hergestellt werden. Die Unterschiede in den Messwerteniveaus zwischen den Gerätegenerationen sollten für beide Prüfkornklassen auf diesem Wege quantifiziert werden. Für die Prüfkornklassen 2/5 und 5/8 mm sollte der Bewertungshintergrund durch Transformation übertragen werden. Die Vorgehensweise ermöglichte es ebenfalls, die bereits bestehenden Anforderungswerte [10, 11] auf die Prüfergebnisse der 2. Gerätegeneration zu übertragen.
Um einen aktuellen Vergleich zwischen den Polierverfahren PWS und PSV herzustellen, wurden Gesteinskörnungen aus Lagerstätten in das Untersuchungsprogramm aufgenommen, die auch in einer parallel laufenden PSV-Forschungsarbeit genutzt wurden. Für die 2. Gerätegeneration der Prüfanlage Wehner/Schulze wurde somit erstmalig ein Zusammenhang zum Polierverfahren PSV auf Basis des nationalen Kontrollgesteins (Herrnholzer Granit) hergestellt.
Die Ergebnisse wurden durch Vergleichsuntersuchungen validiert.
3 Ergebnisse und Interpretation
3.1 Erwartungsbereich der Polierwerte
Für die Untersuchungen wurden Gesteine aus 25 Lagerstätten in den Lieferkörnungen 2/5, 5/8 und 8/11 in das Untersuchungsprogramm aufgenommen. Weiterhin wurden 15 Brechund Natursande untersucht. Die Datenbasis wurde durch Ergebnisse aus 12 Jahren Routineprüfungen des Forschungsnehmers ergänzt. Aus dem vorhandenen Datenmaterial wurden nach hinreichenden mathematisch-statistischen Analysen Summenlinien mit 95 % Wahrscheinlichkeit für jede Prüfkörnung erstellt (vgl. Bild 2).
3.2 Übertragung des Bewertungshintergrundes
Mit Hilfe der Rückstellproben in Form von Mastixprüfkörpern der Prüfkörnung 8/11 aus dem Forschungsbericht zur Ermittlung der Endpolierwerte von Gesteinskörnungen [6] und diversen Rückstellproben von feinen Gesteinskörnungen aus Routineprüfungen der TU Berlin konnten die aus den Forschungsarbeiten abgeleiteten Empfehlungen für belastungsabhängige Anforderungswerte an den Polierwiderstand PWS auf die 2. Gerätegeneration übertragen werden.
Bei den feinen Gesteinskörnungen wurden dazu aus den Rückstellproben Prüfkörper nach den TP Gestein-StB hergestellt und die Polierwerte PWS ermittelt. Im Bild 1 ist die Regression zwischen den Polierwerten der TU Berlin (1. Gerätegeneration) und den Polierwerten der 2. Gerätegeneration dargestellt. Der Zusammenhang zwischen den Gerätegenerationen ist bei den feinen Gesteinskörnungen mit einem Bestimmtheitsmaß von ca. 96 % sehr hoch. Der Unterschied im Messwerteniveau ist über den gesamten Bereich der Polierwerte konstant und liegt bei der 2. Gerätegeneration um ca. 14 % niedriger. Bestehende Empfehlungs- oder Anforderungswerte, die noch auf der Basis der 1. Gerätegeneration festgelegt wurden, z. B. der empfohlene Polierwert für die Verwendung feiner Gesteinskörnungen in Betondecken von 0,55 PWS – Einheiten im M OB [11] und M VV [12], sollten umgehend angepasst werden. Bild 1: Zusammenhang zwischen dem PWS-Wert der 2. und 1. Gerätegeneration bei feinen Gesteinskörnungen (6 x Brechsande und 9 Natursande), inklusive dem 95 % Vorhersagebereich (rote Strichlinien) Die als Rückstellproben vorhandenen groben Gesteinskörnungen wurden in der damaligen Forschungsarbeit an Mastix- und Mosaikprüfkörpern untersucht. Mosaikprüfkörper sind für eine mehrfache Untersuchung nicht verwendbar, da sie für erneute Prüfungen nicht regenerierbar sind. Für die Übertragung des Bewertungshintergrundes wurden daher die vorhandenen Mastixprüfkörper verwendet. Durch Vorversuche an Mastixprüfkörpern aus eigenem Bestand konnte nachgewiesen werden, dass mit einem geeigneten Regenerationsverfahren, bei sehr guter Präzision, mehrmalige Prüfungen an einem Prüfkörper möglich sind.
Bild 2: Übertragung der transformierten Anforderungswerte für die Prüfkörnung 8/11 auf die Prüfkörnungen 5/8 und 2/5 über äquivalente Über- bzw. Unterschreitungswahrscheinlichkeiten Durch die Prüfungsergebnisse an den wiederaufbereiteten Rückstellproben konnten über Regressionen und Transformationen (vgl. Bild 2) nach einem definierten Algorithmus die ,,Berliner" Anforderungswerte an den Polierwiderstand grober Gesteinskörnungen auf die 2. Gerätegeneration übertragen werden. Im ersten Schritt wurden dazu die für Mosaikprüfkörper 8/11 ehemals gültigen Anforderungswerte [10] auf das Messwerteniveau der 1. Gerätegeneration für Mastixprüfkörper 8/11 übertragen.
Im zweiten Schritt erfolgte ein Vergleich des Messwerteniveaus zwischen der 1. und 2. Gerätegeneration. Die Anforderungswerte wurden über die Vorhersagebereiche übertragen.
Für die groben Prüfkörnungen 5/8 und 2/5 konnte keine direkte Übertragung der Anforderungswerte vorgenommen werden. Einerseits existierten keine geeigneten Rückstellproben an der TU Berlin, andererseits bestand auch für die Prüfkörnung 5/8 bisher kein Bewertungshintergrund aus der Zeit der 1. Gerätegeneration. Die Anforderungswerte wurden daher über eine Transformation mit äquivalenten Wahrscheinlichkeiten von der Prüfkörnung 8/11 auf die Prüfkörnungen 5/8 und 2/5 übertragen. Bild 3: Übertragener Bewertungshintergrund für die Polierresistenz unterschiedlicher Korngruppen mit Vorschlägen für belastungsabhängige Anforderungswerte
3.3 Vergleich der Polierwerte PWS und PSV
Mit dieser Arbeit bot sich auch die Möglichkeit, einen aktualisierten Vergleich zwischen den Polierwerten PWS und PSV herzustellen. Hierzu wurden 22 der 25 groben Gesteinskörnungen aus der Forschungsarbeit ,,Bestimmung der PSV-Berechnungsformel bei Verwendung von Quarzkörnung als Poliermittel und Granitsplitt als Kontrollgestein" [3] in das Untersuchungsprogramm aufgenommen. Für die 2. Gerätegeneration der Prüfanlage Wehner/Schulze wurde somit erstmalig ein Zusammenhang zum Polierverfahren PSV hergestellt. Die Regression (Bild 4) weist ein Bestimmtheitsmaß auf, wie es von der 1. Gerätegeneration bekannt ist. Bild 4: Regression zwischen den Polierverfahren PWS und PSV (dt. Kontrollgestein)
4 Zusammenfassung
Eine umfassende Untersuchung des Polierwiderstandes von feinen und groben Gesteinskörnungen nach dem Verfahren der TP Gestein-StB, Teil 5.4.2, sowie die Einbeziehung von vorliegenden Ergebnissen aus Routineprüfungen, führten im Rahmen dieses Projektes zu einem aktualisierten Bewertungshintergrund des Verfahrens für die 2. Gerätegeneration.
Die Darstellung im Bild 3 stellt eine Zusammenfassung aus den ermittelten Erwartungsbereichen und übertragenen ,,Berliner" Anforderungswerten der 1. auf die 2. Gerätegeneration dar. Die Erwartungsbereiche setzten sich aus den Spannweiten der Untersuchungsergebnisse zusammen, die durch mathematisch-statistisch ermittelte Anteile ergänzt wurden. Somit werden die durch Prüfung ermittelten Spannweiten auf theoretische Grenzen erweitert [13].
Mit Hilfe vorhandener Prüfkörper und Rückstellproben der TU Berlin konnte für die Prüfkörnungen 8/11 und 0,2/0,4 eine direkte Übertragung der ,,Berliner" Anforderungswerte von der 1. Gerätegeneration vorgenommen werden. Für die Prüfkörnungen 2/5 und 5/8 konnten über indirekte Beziehungen äquivalente Anforderungswerte abgeleitet werden.
Die Regressionen zwischen den Gerätegenerationen weisen für die Prüfkörnung 8/11 eine gute Korrelation auf. So konnten mit Hilfe der Ergebnisse der Mosaikprüfkörper aus der Ära der 1. Gerätegeneration die Anforderungswerte auf einem abgesicherten Niveau übertragen werden. Das Messwertniveau für Mastixprüfkörper bei der Prüfkörnung 8/11 liegt im Vergleich zur 1. Gerätegeneration um ca. 30 % niedriger.
Die Polierwerte für die feinen Gesteinskörnungen 0,2/0,4 konnten mit einer sehr hohen Korrelation von ca. 96 % (Bild 1) übertragen werden. Das Messwerteniveau der 2. Gerätegeneration ist auf den Sandplatten im Mittel um ca. 14 % niedriger als jenes der 1. Gerätegeneration.
Die Gründe für das niedrigere Messwerteniveau der aktuellen Gerätegeneration wurden nicht untersucht. Obwohl bei der Neukonstruktion der Anlage die wesentlichen Maschinenparameter beibehalten wurden, führen offensichtlich andere Ursachen zu systematisch geringeren Polierwerten. Mögliche Ursachen sind in folgenden Randbedingungen zu vermuten:
– Reduzierte Lagerreibung in der Griffigkeitsmesseinrichtung der 2. Gerätegeneration gegenüber der 1. Gerätegeneration aufgrund neuer Maschinentechnik.
– Änderungen der Messgummis, da bekannt ist, dass zurzeit der 1. Gerätegenerationen drei aufeinanderfolgende Produzenten die Messgummis hergestellt haben.
– Änderungen in der Probekörpervorbereitung bei der Herstellung von Mastixprüfkörpern.
– Stärkere Polierwirkung durch verbesserte Rückführung des Quarzmehl-Poliermittels.
Die Anwendung des Prüfverfahrens Wehner/Schulze bei der Beurteilung der Polierresistenz feiner Gesteinskörnungen hat sich bewährt und es existieren bereits Empfehlungen in Regelwerken der FGSV [11, 12]. Auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse sollten diese unverzüglich auf das Messwerteniveau der 2. Gerätegeneration angepasst werden.
Das Verfahren bietet weiterhin die Möglichkeit einer Beurteilung der Polierresistenz von groben Gesteinskörnungen in den Lieferkörnungen 8/11, 5/8 und 2/5. Eine Stellvertreterprüfung wie beim Verfahren PSV wäre somit nicht mehr erforderlich.
Für die Lieferkörnung 8/11 lassen sich Anforderungswerte über die aktualisierte Beziehung zum Prüfverfahren PSV ableiten (Bild 4). Für die Lieferkörnungen 5/8 und 2/5 wäre die Erweiterung der Datenbasis zu empfehlen, da die Untersuchungsergebnisse nur von zwei Laboratorien ermittelt wurden, an einer Stichprobe von Gesteinskörnungen, die nicht als repräsentativ für die in Deutschland im Verkehrswegebau verfügbaren und eingesetzten Gesteine angesehen werden kann.
Literaturverzeichnis
1 D u d e n h ö f e r, B.; R ü c k e r t P. (2016): Bewertungshintergrund für den Widerstand gegen Polieren von Gesteinskörnungen nach dem PWS-Verfahren. Bericht zum Forschungsprojekt FE-Nr. 06.0098/2012/DGB. BASt. Heft S 96
2 L i n d n e r, J.; D u d e n h ö f e r, B.; L i , A . (Juni 2009): Bestimmung des Polierwertes mit dem Verfahren Wehner/Schulze, Durchführung von Ringversuchen zur Ermittlung der Präzision unter Vergleichbedingungen; FGSV 3/07
3 B ö h m; S c h w e b e l (Januar 2014): Bestimmung der PSV-Berechnungsformel bei Verwendung von Quarzkörnung als Poliermittel und Granitsplitt als Kontrollgestein, Forschungsarbeit FE-Nr. 06.0093/2011/BGB
4 D a m e s, J.; L i n d n e r, J. (1990): Zusammenhang zwischen dem Polierwiderstand von Mineralstoffen und der Griffigkeit von Straßendecken, Forschungsarbeit FE 06.049 G86 C
5 D a m e s, J.; L i n d n e r, J. (1988): Untersuchungen über den Einfluß des Größtkorns in bituminösen Deckschichten auf die Griffigkeit, Forschungsarbeit FE 7.109 G 83 F
6 D a m e s, J.; L i n d n e r, J. (1989): Ermittlung der Endpolierwerte von im Straßenbau verwendeten Gesteinen; Forschungsarbeit FE 6.048 G 85 C
7 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 5.4.2, Bestimmung des Polierwertes mit dem Verfahren nach Wehner/Schulze, Ausgabe 2008, Köln, FGSV 610
8 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB 07/13), Ausgabe 2007/Fassung 2013, Köln, FGSV 797
9 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton (TL Beton-StB 07), Ausgabe 2007, Köln, FGSV 891
10 Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetztes über Technische Lieferbedingungen für Mineralstoffe im Straßenbau (Einführung TL Min-StB 94 (17. Februar 1996)), Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen
11 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für die Herstellung von Oberflächentexturen auf Verkehrsflächen aus Beton (M OB), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 829
12 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Versickerungsfähige Verkehrsflächen (M VV), Ausgabe 2013, Köln, FGSV 947
13 S c h u l z e (2007): Beschreibende Statistik, 6. Auflage, Oldenburger Wissenschaftsverlag GmbH, München |