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1 Einleitung
„Rohstoffe stehen am Anfang der industriellen Wertschöpfung“. Mit diesem Satz wird das Vorwort der Rohstoffstrategie der Bundesregierung eingeleitet [BMWi]. Ohne gesicherte Rohstoffversorgung ist die Produktion von Waren und Gütern nicht möglich. Dies gilt auch für die Zementindustrie in Deutschland. Hauptrohstoff für die Zementherstellung ist Kalkstein, der in der Regel in Steinbrüchen in direkter Umgebung zum Zementwerk gewonnen wird.
Die Herstellung von Zement erfolgt in zwei Schritten. Zunächst wird im Zementofen der Zementklinker hergestellt. Im nächsten Produktionsschritt wird der Zementklinker mit einem Erstarrungsregler zu Portlandzement oder, unter Zugabe von weiteren Hauptbestandteilen, zu Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen vermahlen.
Im Sinne von nachhaltigen Zementprodukten wurden zum einen die Produktionsanlagen stetig optimiert und zum anderen Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen entwickelt. Zu den weiteren Hauptbestandteilen zählen sowohl primäre Rohstoffe, wie z. B. Kalk oder vulkanische Aschen als auch Stoffe, die bei anderen Prozessen als Nebenprodukt anfallen, sogenannte alternative Rohstoffe.
Alternative Rohstoffe werden nicht erst seit Einführung von Kreislaufwirtschaftsgesetzen verwendet. Bereits 1909 wurden die „Deutschen Normen für Eisenportlandzement“ eingeführt. Bei den Eisenportlandzementen handelt es sich um Zemente, bei denen ein Teil des Zementklinkers durch granulierte Hochofenschlacke, ein Nebenprodukt, das bei der Roheisenherstellung anfällt, ersetzt wird. Diese Zemente werden auch heute noch unter der Normenbezeichnung CEM II/A-S bzw. CEM II/B-S hergestellt und verwendet. Seit dieser Zeit wurden eine Vielzahl von Zementarten entwickelt, deren Zusammensetzungen in den heute gültigen Zementnormen DIN EN 197-1, DIN EN 197-5 und DIN EN 197-6 definiert sind. Durch die Verwendung von alternativen Rohstoffen sowie die Verwendung von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen konnten in den vergangenen Jahrzehnten jedes Jahr mehrere Millionen Tonnen Kalkstein eingespart werden.
Im Rahmen der bevorstehenden Dekarbonisierung der Industrie werden künftig bekannte Rohstoffe nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Andererseits sind noch ausreichend Stoffströme vorhanden, die bis heute kaum bei der Zementherstellung berücksichtigt werden. Eine mögliche Rohstoffquelle sind Brechsande, die bei der Aufbereitung von Beton bzw. Baureststoffen entstehen [VDZ Res].
2 Zementherstellung und Ressourceneffizienz
Hauptrohstoff für die Herstellung des Zementklinkers ist Kalkstein, chemisch CaCO3. Dieser wird, gemeinsam mit weiteren Rohstoffen (z. B. Sand, Ton u. a.), im Zementofen auf etwa 1.450 °C erhitzt. Der Anteil an sekundären bzw. alternativen Rohstoffen lag gemäß [VDZ Res] im Jahr 2020 bei gut 2 % (Bild 1).
Bild 1: Rohstoffeinsatz für die Herstellung des Zementklinkers im Jahr 2020 [VDZ Res]
Diese Stoffe stammen zum größten Teil aus anderen Prozessen und enthalten überwiegend Silicium, Aluminium und Eisen. Alternative kalkhaltige Rohstoffe werden aktuell aufgrund der Verfügbarkeit und teils aufwendiger Genehmigungsprozesse nur in begrenztem Umfang bei der Herstellung von Zementklinker eingesetzt. Dabei handelt es sich z. B. um Kalkschlämme aus der Wasseraufbereitung oder Stoffströme, die bei der Herstellung und Bearbeitung von zementhaltigen Produkten, wie z. B. Porenbeton oder Betonwaren, anfallen.
Beim Einsatz von alternativen Rohstoffen sind immer die Eignung (Zusammensetzung), die Logistik (Transporte und Handling im Zementwerk) und die Genehmigungsfähigkeit (Zementdrehöfen sind Anlagen gemäß BImSchV) zu berücksichtigen.
Im Jahr 2020 wurden aus den 40,7 Mio. Tonnen Rohstoffen gut 25 Mio. Tonnen Zementklinker hergestellt, aus denen wiederum unter Zugabe von weiteren Hauptbestandteilen gut 35,5 Mio. Tonnen Zement hergestellt wurden.
Ein wesentlicher Rohstoff für die Zementherstellung ist heute der Hüttensand (Bild 2).
Bild 2: Bestandteile von Zement in Deutschland 2020 [VDZ Res]
Hüttensand wird bereits seit 1882 zur Zementherstellung verwendet. Im Rahmen der bevorstehenden Dekarbonisierung der Industrie in Europa werden die bisher zur Verfügung stehenden Hüttensandmengen rückläufig sein. Die in Deutschland aktiven Roheisenhersteller werden in den kommenden Jahren den Herstellungsprozess verändern. Statt die Erze wie bisher im Hochofen unter Zugabe von Koks und Zuschlagstoffen zu Roheisen aufzuschmelzen, wird man künftig das Eisenerz in einer Direktreduktionsanlage zu einem Eisenschwamm aufarbeiten (VDI). Erst in den nachgelagerten Prozessen werden Schlacken anfallen, die aber nicht in jedem Fall als Rohstoff für die Zementindustrie geeignet sind. Die rückläufigen Hüttensandmengen werden durch andere Rohstoffe ersetzt, um auch künftig die CO2-Reduktionsziele zu erreichen.
3 Zementherstellung und Kreislaufwirtschaft
Zement ist ein Zwischenprodukt, aus dem überwiegend Beton hergestellt wird. Bei Beton nach DIN EN 206 kann bei sachgerechter Herstellung, Nutzung und Instandhaltung von einer Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren ausgegangen werden. Am Ende der Nutzungsdauer des Betons kann dieser zerkleinert und einer weiteren Verwertung zugeführt werden.
Um Beton als Rohstoffquelle für neuen Zement und Beton verwenden zu können, sollte der Betonbruch möglichst rein zurückgewonnen werden, analog der Verwertung von anderen Wertstoffen wie Glas, Papier oder Metallen, das heißt, der Rückbau von Gebäuden muss selektiv erfolgen. Im Anschluss kann die zielgerichtete Aufbereitung des Betons erfolgen. Die dabei anfallende grobe Gesteinskörnung kann wieder als Gesteinskörnung für Beton verwendet werden. Die entsprechenden Anwendungsregeln sind in [DAfStb] bzw. in der aktuellen Betonnorm DIN 1045-2, Ausgabe 08-2023, festgelegt.
Die bei der Aufbereitung von Beton anfallenden Brechsande können als Rohstoff für die Zementherstellung eingesetzt werden. An welcher Stelle Brechsande zur Herstellung des Zementes eingesetzt werden, ist von den Gegebenheiten des Zementherstellers sowie der Qualität und Verfügbarkeit von Brechsanden abhängig. Das Bild 3 zeigt den Stoffkreislauf, wie er künftig möglich sein könnte.
Bild 3: Stoffkreislauf Zement und Beton [VDZ Res]
3.1 Aufbereitung
Entscheidende Schritte bei der Aufbereitung von Beton sind das Zerkleinern sowie das Klassieren.
Die Herstellung der bisher bekannten RC-Baustoffe erfolgt durch „einfaches“ Zerkleinern und gegebenenfalls Fraktionieren des zerkleinerten Materials. Als Produkt steht am Ende der Aufbereitung ein RC-Baustoff mit einem Korngrößenbereich von 0 mm bis zur eingestellten, gewünschten maximalen Korngröße (z. B. 32 mm oder 45 mm) zur Verfügung. Für die Wiederverwertung von Beton als Rohstoff für die Zement- und Betonindustrie sind weitere Aufbereitungsschritte und Nachweise erforderlich. Hierzu zählen für die Verwendung als rezyklierte Gesteinskörnung nach DIN EN 12620 in Beton beispielsweise die Einhaltung einer definierten stofflichen Zusammensetzung, eine Umweltanalytik sowie der Nachweis einer Eigen- und Fremdüberwachung.
Bei der klassischen Aufbereitung fällt eine rezyklierte Körnung an, bei der an den primären Sand- und Gesteinskörnungspartikeln noch Zementstein, das heißt hydratisierter Zement, anhaftet. Das Bild 4 zeigt eine entsprechende Körnung ohne Brechsand.
Bild 4: Aufbereiteter Beton mit anhaftendem Zementstein [Julia Scheidt, Dyckerhoff GmbH]
In [SCH] werden die Eigenschaften und die Einflüsse der RC-Körnung auf den damit hergestellten Beton ausführlich beschrieben. Brechsande aus der klassischen Betonaufbereitung zeichnen sich durch hohe Gehalte an SiO2 aus. Beispielhaft ist dies in der Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1: Zusammensetzung Brechsand aus Betonfahrbahndecke BAB A 1 [Dyck 1]
Im Rahmen der grundhaften Erneuerung der BAB A 1 in Höhe Wildeshausen, Fahrtrichtung Osnabrück, wurde der Beton aus der rückgebauten Fahrbahndecke beprobt und analysiert. Die Betonfahrbahn wurde zurückgebaut und der zerkleinerte Beton als Rohstoff für die neue Frostschutzschicht auf eine Korngröße von maximal 32 mm durch Nachbrechen zerkleinert. An der Probe wurde die Korngrößenverteilung mittels Siebung ermittelt und an dem labortechnisch gewonnenen RC-Brechsand 0/2 wurden zusätzlich die für die Zementherstellung relevanten Parameter ermittelt. Auf die Analyse von genehmigungsrelevanten Schwermetallen wurde in diesem Fall verzichtet, da das Material aufgrund der direkten Wiederverwendung als Straßenbaumaterial nicht für die Zementherstellung zur Verfügung stand.
Die Korngrößenverteilung der Probe ist im Bild 5 dargestellt.
Bild 5: Korngrößenverteilung der zerkleinerten und aufbereiteten Betonfahrbahndecke BAB A 1 [Dyck 1]
Durch die Art der Aufbereitung fallen 25 % bis 35 % RC-Brechsand an, je nachdem, ob der Siebschnitt bei 2 mm oder bei 4 mm angesetzt wird. Die Tabelle 1 zeigt die Zusammensetzung des Brechsandes. Der Gehalt an SiO2 ist, entsprechend dem Aufbereitungsverfahren, dominierend.
Insgesamt variiert die Zusammensetzung von RC-Brechsanden aus der Betonaufbereitung recht stark. Im Rahmen eines Großversuches, siehe auch Abschnitt 3.3, wurden eine Vielzahl von RC-Brechsanden aus der Betonaufbereitung analysiert sowie verfügbare Literaturdaten ausgewertet. Die Streubreite der Zusammensetzungen ist im Bild 6 dargestellt.
Bild 6: Varianz der Zusammensetzung von RC-Brechsanden [Dyck 2]
Auch der Anteil an RC-Brechsand, der beim Zerkleinern von Beton anfällt, variiert recht stark. Je nach Aufbereitungsverfahren zwischen 20 % und 40 %.
Durch optimierte Aufbereitungsverfahren ist es möglich, den Zementstein weitestgehend von der primären Gesteinskörnung zu separieren. In den vergangenen Jahren wurden diverse Verfahren entwickelt, die teils bereits schon in der Anwendung sind. Ziel der optimierten Aufbereitung ist die Wiedergewinnung einer sauberen Gesteinskörnung, das heißt ohne Anhaftungen von Zementstein sowie dem separierten Zementstein (Bild 7).
Bild 7: Zurückgewonnene Rohstoffe aus optimiertem Aufbereitungsprozess (Foto: Julia Scheidt, Dyckerhoff GmbH)
In der Tabelle 2 ist die chemische Zusammensetzung von zurückgewonnenem Zementstein von unterschiedlichen Kornfraktionen angegeben.
Tabelle 2: Chemische Zusammensetzung von Feinstfraktionen aus optimiertem Aufbereitungsprozess [Dyck 3]
Bei den analysierten Proben handelt es sich um Zementsteinfraktionen aus einem optimierten Prozess aus dem europäischen Ausland. Erwartungsgemäß steigt der Anteil an CaO und hydratisiertem Zementstein, je feiner die Probe ist. Der Gehalt an CaO ist jedoch nicht nur von der Feinheit abhängig, sondern auch von der ursprünglichen Betonzusammensetzung.
Zurückgewonnener Zementstein aus Betonen, die mit klinkerreduzierten Zementen, wie z. B. Hochofenzement, oder mit einem hohen Gehalt an Flugasche hergestellt worden sind, weist in der Regel geringere CaO-Gehalte auf als Betone auf Basis Portlandzement, die auch heute noch zur Herstellung von Fahrbahndecken aus Beton oder von Betonfertigteilen verwendet werden.
3.2 Verfügbarkeit und Bedarf
Beton besteht aus gut 300 kg bis 320 kg Zement und evtl. Zusatzstoffen, wie z. B. Flugasche oder Kalksteinmehl, sowie 1.800 kg bis 1.900 kg Gesteinskörnung je Kubikmeter. Abhängig von der Anwendung variiert die Zusammensetzung. Betone höherer Güte, wie sie z. B. in Betonfertigteilen zur Anwendung kommen, haben in der Regel höhere Zementgehalte. Betone für Betonfahrbahndecken weisen Zementgehalte > 340 kg /m³ auf.
Aktuell fallen gemäß [VDZ ZuD] jährlich rund 25 Mio. Tonnen Betonbruch sowie in kleineren Mengen Betonabfälle und Betonschlämme an. Aufgrund einer steigenden Nachfrage nach Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung ist in den kommenden Jahren auch mit einem steigenden Aufkommen an RC-Brechsanden zu rechnen.
Welche Mengen an RC-Brechsanden aus der Aufbereitung von Beton heute bereits zur Herstellung von Zementklinker und Zement eingesetzt werden, ist nicht bekannt, da diese Stoffströme nicht separat erfasst werden. Erste Anwendungen, bei denen Stoffe aus der Betonaufbereitung als Nebenbestandteil des Zements eingesetzt werden, sind dokumentiert, z. B. in [AbZ].
Eine Erhöhung des Anteils an rezyklierter Gesteinskörnung im Beton und als Rohstoffkomponente für die Zementherstellung kann durch selektiven Rückbau und optimierte Aufbereitung erreicht werden. So könnte der Anteil bis zum Jahr 2050 auf gut 53 Mio. Tonnen rezyklierter Gesteinskörnung für den Beton sowie gut 6,5 Mio. Tonnen RC-Brechsande für die Herstellung von Zement und Zementklinker gesteigert werden [VDZ Res].
3.3 RC-Brechsande aus der Betonaufbereitung als Rohstoff für die Zementklinkerherstellung
Konventionell aufbereitete RC-Brechsande enthalten, wie bereits in der Tabelle 1 und im Bild 6 gezeigt, überwiegend SiO2 und in geringerem Umfang CaO. Wie hoch der Anteil des RC-Brechsandes im Rohstoffmix sein kann, hängt vor allem vom CaO-Gehalt ab. Der Gehalt wird maßgeblich, wie bereits im Abschnitt 3.1 beschrieben, von der Zusammensetzung des Betons bestimmt.
Weiterhin beeinflusst die Lagerungsdauer des RC-Brechsandes den Gehalt an CaO. Je länger der RC-Brechsand bewittert wird, desto höher die Carbonatisierungsrate. Je besser der Zementstein vom Sand und von der groben Gesteinskörnung separiert wird, desto höher ist der CaO-Gehalt in der resultierenden Feinstfraktion. Insgesamt gilt: je höher der Anteil an CaO im RC-Brechsand, desto höher die mögliche Einsatzrate vom RC-Brechsand im Rohmehlgemisch.
Im Rahmen eines Großversuches zur Verwendung von RC-Brechsanden als Rohstoffkomponente zur Herstellung von Zementklinker im Zementwerk Göllheim der Dyckerhoff GmbH wurden eine Vielzahl von RC-Brechsanden bezüglich ihrer stofflichen Zusammensetzung und Eignung analysiert. Die Ergebnisse sind im Bild 6 dargestellt.
Bei dem internen Werksversuch wurden 4 % Primärrohstoffe durch RC-Brechsand ersetzt. Der mit dem Brechsand hergestellte Klinker wies die gleichen Eigenschaften auf, wie der normalerweise hergestellte Klinker. Der im RC-Brechsand enthaltene Anteil an CaO führte zusätzlich zu einer Minderung der rohstoffbedingten CO2-Emissionen [Dyck 2]. Würde man statt der RC-Brechsande den zurückgewonnenen Zementstein in reiner Form als Rohmehlkomponente verwenden, könnten die rohstoffbedingten CO2-Emissionen unter idealen Bedingungen um bis zu 40 kg CO2/t Zementklinker reduziert werden [VDZ Chem].
3.4 RC-Brechsande aus der Betonaufbereitung als Zementhauptbestandteil
In der Schweiz werden bereits Zemente mit Recyclingmehl auf Basis eines Merkblattes hergestellt und verwendet. Gemäß Merkblatt dürfen RC-Brechsande aus Betongranulat und aus Mischgranulaten zur Herstellung von Zement verwendet werden [SUS].
Im Rahmen des IGF-Vorhabens 282 EN [IGF] wurde die Verwendung von aufbereiteten Betonbrechsanden als Zementhauptbestandteil untersucht. Die Untersuchungen zeigten, dass Betone, die aus Zementen mit gemahlenem Brechsand als Zementhauptbestandteil hergestellt werden, vergleichbare Eigenschaften aufweisen wie Betone, die mit Kalksteinzement (CEM II/A-LL) hergestellt werden. Die Untersuchungen zeigten weiterhin, dass die Eigenschaften der Betone mit Recyclingmehl verbessert werden können, wenn das Recyclingmehl carbonatisiert ist. Wie in Tabelle 2 dargestellt, kann der CaO-Anteil im Recyclingmehl durch eine selektive, optimierte Aufbereitung zusätzlich angereichert werden.
Das IGF-Vorhaben, diverse nationale und europäische Forschungsprojekte sowie die Erfahrung aus der Schweiz bilden die Grundlage der Zementnorm DIN EN 197-6, Zement mit rezyklierten Baustoffen, die 2023 veröffentlicht wurde. In Deutschland liegt die Norm als Entwurf vor, während sie z. B. in den Niederlanden bereits eingeführt ist. Die Norm führt Betonrecyclingmehl mit dem Kürzel (F), abgeleitet von „concrete fines“, als Zementhauptbestandteil ein.
Die Norm definiert Herkunft und Anforderungen des Recyclingmehls sowie die Zusammensetzung der damit hergestellten Zemente. Als nicht-reaktives Material kann es wie Kalkstein im Zement verwendet werden. Je nach Zementart dürfen bis zu 35 M.-% Betonrecyclingmehl verwendet werden [DIN EN 197-6].
3.5 Brechsande aus Autobahnen
Der Aufbau von Betonfahrbahnen hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehrfach geändert [IZB]. Ausgehend von einer Lebensdauer von etwa 30 Jahren und mehr ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren Betonfahrbahndecken aus den 1980er und 1990er Jahren ersetzt werden müssen.
Bei einer Fahrbahnbreite von 11,0 m bis 11,5 m ist je Zentimeter Deckendicke mit 110 m³ bis 115 m³ Beton pro Kilometer Fahrbahndecke zu rechnen. Bei einer Deckendicke von 26 cm fallen so je Kilometer Autobahn rund 2.900 m³ bis 3.000 m³ bzw. gut 7.000 Tonnen Beton an.
Ausgehend von dem im Abschnitt 3.1 beschriebenen Beispiel würden 25 % bis 35 % bzw. gut 1.750 bis 2.500 Tonnen RC-Brechsand je Kilometer Richtungsfahrbahn anfallen, die als Rohstoff zur Herstellung von Zementklinker oder Zement wiederverwendet werden könnten.
Ein wichtiger Aspekt bei RC-Brechsanden aus Betonfahrbahnen ist der durch die Taumittelbeaufschlagung vorhandene Chloridgehalt. In [Bte] und [AIF] wurde festgestellt, dass der Chloridgehalt in den oberen 5 cm einer Betonfahrbahndecke recht hoch sein kann, die Chlorid-Ionen bei intakten Fahrbahnplatten darüber hinaus aber nicht in tiefere Schichten eindiffundieren. Dies sollte beim Rückbau berücksichtigt werden, das heißt, der Beton bzw. der daraus gewonnene Brechsand sollte gut homogenisiert werden. Der Chloridgehalt des RC-Brechsandes ist bei der Verwendung im Zementwerk zu berücksichtigen.
4 Fazit
Stoffströme aus der Aufbereitung von Beton sind wertvolle Ressourcen, die zur Herstellung von Zement und Beton genutzt werden können. Derzeit werden diese Stoffströme, meist zusammen mit weiterem Bauschutt, zu sogenannten RC-Baustoffen aufgearbeitet und stehen für eine direkte Wiederverwertung in Zement und Beton nicht zur Verfügung.
Die bei der Aufbereitung von Beton anfallenden RC-Brechsande können sowohl als Bestandteil des Rohmehls zur Herstellung von Zementklinker als auch als Haupt- und Nebenbestandteil von Zement gemäß DIN EN 197-6 verwendet werden. Dadurch können die Anteile an Primärrohstoffen zur Herstellung von Zementklinker und Zement sowie die rohstoffbedingten CO2-Emissionen weiter reduziert werden.
Mit Veröffentlichung der DIN EN 197-6 wurden die technischen Grundlagen zur Verwendung der RC-Brechsande als Zementbestandteil geschaffen. Sollen RC-Brechsande als Rohstoff für die Herstellung von Zementklinker eingesetzt werden, dann sind diese Stoffströme durch die jeweiligen Landesbehörden zu genehmigen.
Entscheidend für eine hohe Wiederverwertungsquote ist ein sachgerechter und optimalerweise sortenreiner Rückbau sowie eine gezielte Aufbereitung des Betons. Selektive Aufbereitungsverfahren helfen, den hydratisierten Zementstein und die Gesteinskörnung mit hoher Reinheit zurückzugewinnen. So wird es künftig möglich sein, den Anteil an primären Rohstoffen zur Herstellung von Zementklinker und Zement weiter zu reduzieren, sofern es gelingt, die mineralischen Bauabfälle, insbesondere den Beton, im Kreislauf der Zement- und Betonherstellung zu halten.
Literaturverzeichnis
- BMWi: Rohstoffstrategie der Bundesregierung, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Stand Dezember 2019
- VDZ Res: Verein Deutscher Zementwerke, VDZ, Hrsg. Ressourcen der Zukunft für Zement und Beton – Potenziale und Handlungsstrategien, Düsseldorf 2022
- VDI: Eiserner Vorsatz – Die CO2 intensiven Hochöfen weichen Direktreduktionsanlagen, VDI Nachrichten, Ausgabe vom 16. Juni 2023
- DAfStb: DAfStb-Richtlinie Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620, Ausgabedatum September 2010
- SCH: Scheidt, J.: Einfluss der Wasseraufnahme von rezyklierten Gesteinskörnungen auf den Wasserzementwert von R-Beton, Beton Heft 4/2020
- Dyck 1: Interner Untersuchungsbericht BAB A 1, Dyckerhoff GmbH 2023
- Dyck 2: Interner Untersuchungsbericht Brechsand Göllheim, Dyckerhoff GmbH 2023
- Dyck 3: Interner Untersuchungsbericht Feinstfraktionen aus der Betonaufbereitung, Dyckerhoff GmbH 2023
- VDZ ZuD: Verein Deutscher Zementwerke e. V. (Hrsg.): Zahlen und Daten 2022 – Zementindustrie in Deutschland
- AbZ: Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-3.17-2189, Portlandhüttenzement CEM II/B-S 42,5 N (rc) „Königs Wusterhausen“
- SUS: Factsheet Holcim Susteno 4, Holcim (Schweiz) AG
- IGF: LeptoCalc – Verwendung von Feinanteilen aus dem Betonrecycling als Zementhauptbestandteil, Schlussbericht zu IGF-Vorhaben Nr. 282 EN, VDZ Technology g GmbH
- VDZ Chem: Verwendung von RC-Materialien in Klinker & Zement, Cordes, W., Neumann, T., Palm, S., Schuster, T., Sievert, T., Severins, K., Fachtagung Zementchemie, Verein Deutscher Zementwerke, März 2023
- DIN EN 197-6: Zement – Teil 6: Zement mit rezyklierten Baustoffen; 2022-06, Entwurf
- IZB: Oesterheld, R., Peck, M., Villaret, S.: Straßenbau heute – Band 1 Betondecken, 7. Überarbeitete Auflage, Verlag Bau+Technik GmbH 2018
- Bte: Eickschen, E., Müller, C.: Alkali-Kieselsäure-Reaktion im kommunalen Straßenbau, Betontechnische Berichte, Beton Heft 4/2018
- AIF: Auswirkungen der Alkalizufuhr durch Taumittel auf Bindemittel für Beton mit alkalireaktiven Gesteinskörnungen, Kurzfassung, IGF-Vorhaben 15977 N, Verein Deutscher Zementwerke
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