FGSV-Nr. FGSV 002/96
Ort Stuttgart
Datum 16.03.2011
Titel Dynamische Regelung der Straßenbenutzungsgebühr zum optimalen Betrieb von High Occupancy Toll (HOT) Lanes
Autoren Prof. Dr.-Ing. Fritz Busch, Dr.-Ing. Axel Leonhardt, Dr.-Ing. Thomas Sachse
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Der Artikel beschreibt ein Verfahren zur dynamischen Regelung der Straßenbenutzungsgebühr auf HOT (High Occupancy Toll) Lanes. Regelgröße ist die Verkehrsstärke an der Zufahrt der HOT Lane, Führungsgröße ist eine vorzugebende "optimale" Verkehrsstärke. Die Gebühr wird basierend auf einer Schätzung der Nachfrage und der Zahlungsbereitschaft eingestellt (prädiktive Komponente) und auf Basis von Detektormesswerten automatisch korrigiert (Rückkopplung). Auf Störungen und Engpässe auf der HOT Lane kann durch eine Anpassung der Führungsgröße reagiert werden. Tests mittels mikroskopischer Verkehrsflusssimulation zeigen, dass die Gebührenermittlung mit dem Korrekturmechanismus wie beabsichtigt funktioniert.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

1.1 Motivation

High Occupancy Vehicle (HOV) Lanes sind Fahrstreifen, die ausschließlich von Fahrzeugen mit einem bestimmten Minimalbesetzungsgrad (z.B. mindestens 2 Personen) genutzt werden dürfen. Sie dienen im Allgemeinen dem Ziel, den straßengebundenen ÖV und Fahrgemeinschaften zu fördern und so die Kapazität der gegebenen Infrastruktur bezogen auf die Anzahl Reisender pro Zeiteinheit zu erhöhen.

Während das politische Ziel der Förderung von ÖV und Fahrgemeinschaften damit in der Regel erreicht wird, kann die Gesamtkapazität der Infrastruktur häufig nicht genutzt werden. Dies ist immer dann ein Problem, wenn auf den frei nutzbaren Fahrstreifen ein Stau aufgrund von Überlastung entsteht und die Kapazität die HOV Lane aufgrund zu geringer Nachfrage von HOV nicht genutzt wird [1].

Die Idee der High Occupancy Toll (HOT) Lanes ist, zusätzlich zu den High Occupancy Vehicles zahlende Fahrer zuzulassen und so die vorhandene Kapazität "aufzufüllen". Auf diese Weise kann eine Einnahmequelle geschaffen werden und es ermöglicht den Fahrern, sich eine kürzere Reisezeit zu erkaufen. Beispielsweise kann es sich für einen Geschäftsreisenden lohnen, einen bestimmten Betrag zur Einsparung von 15 Minuten Fahrzeit zu investieren, während ein Urlaubsreisender den 15 gesparten Minuten einen geringeren Wert beimessen würde.

1.2 Stand der Technik

HOT Lanes werden hauptsächlich in den USA betrieben. Verschiedene Anlagen sind im Betrieb oder befinden sich in der Planung bzw. im Bau (siehe Abbildung 1 für einen Überblick).

Bild 1: HOV und HOT Lanes in den USA (Stand: 2007, Quelle: Texas Transportation Institute [2])

Beispiele für bestehende Systeme sind das MnPASSSystem auf der Interstate 394 in der Nähe von Minneapolis/Minnesota (Länge: 18km), die State Route 167 HOT Lanes in Washington (4jähriges Pilotprojekt seit 2008, Länge: 16km) und die I15 FasTrak Express Lanes bei San Diego (Länge: 24km, Länge nach Ausbau 2012: 32km).

In Planung befindet sich beispielsweise der Virginia Beltway (Interstate495), der bis 2013 um ein 22,5km langes HOT Lane System (2 HOT Lanes je Richtung) erweitert werden soll. Dabei soll die Benutzung für Fahrzeuge mit einem Besetzungsgrade von mindestens drei Personen (HOV3) und Fahrzeuge des ÖPNV frei sein [3]. Die Gebühr soll so geregelt werden, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den HOT Lanes mindestens 80 km/h beträgt.

Verschiedene Machbarkeitsstudien sind öffentlich verfügbar und bieten einen guten Überblick, sowohl über im Betrieb befindliche Systeme und aktuelle Planungen, als auch über Entwurfsempfehlungen und eingesetzte Technologien (siehe beispielsweise "I94 Managed Lanes Study Final Report" [4], "Santa Clara County HOT Lane Feasibility Study" [5] und "State of the Practice for Managed Use Lane Projects (New York State Department of Transportation)" [6]).

Im praktischen Einsatz wird die Gebühr in der Regel tageszeitabhängig auf Basis von Tabellen eingestellt. Zusätzlich wird der Preis teilweise noch regelbasiert an die aktuelle Verkehrssituation angepasst. Mit weitergehenden Verfahren zur verkehrsadaptiven Einstellung der Benutzungsgebühren beschäftigen sich verschiedene Forschungsgruppen.

YIN UND LOU (2009) beschreiben in [7] ein Verfahren, das die Gebühr für den nächsten Zeitschritt analog zum Zuflussregelungsverfahren ALINEA [8] ausschließlich auf Basis der aktuell gemessenen Belegung, der gewünschten Belegung und dem aktuellen Preis festlegt. Dieser rein reaktive Ansatz berücksichtigt nicht die potentielle Nachfrage für den nächsten Zeitschritt. In YIN ET AL. (2010) [9] wird ein Verfahren beschrieben, bei dem die Zahlungsbereitschaft als Teil der Nutzenfunktion in einem LogitModell formuliert und auf Basis der tatsächlichen Routenwahl in jedem Zeitschritt geschätzt wird. Die Routenwahl wird auf Basis von Verkehrsstärken ermittelt, die an der Einfahrt der HOT Lane und der Hauptroute mittels Detektoren gemessen werden. Auf Basis der angepassten Zahlungsbereitschaft, der Gesamtnachfrage und der Reisezeiten auf der Hauptroute und der HOT Lane wird dann die Gebühr für den nächsten Zeitschritt ermittelt. In ZHANG ET AL. (2008) [10] und WANG UND ZHANG (2009) [11] wird Algorithmus basierend auf Rückkopplung beschrieben. Der Algorithmus wurde in VISSIM getestet, das Modell wurde basierend auf Felddaten des Washington State Route 167 HOT Lane Systems kalibriert.

1.3 Der vorliegende Beitrag

In dem vorliegenden Beitrag wird ein Verfahren zur dynamischen Regelung der Nutzungsgebühr mit prädiktiver Komponente (nachfragebasiert) und Korrektur (Regelung auf geschätzte Verkehrsstärke) vorgestellt. Regelungsziel ist, die Verkehrsstärke auf einem vorzugebenden Niveau einzustellen und Staus zu vermeiden bzw. bestehende Staus möglichst schnell abzubauen.

Das Verfahren wurde in einer Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Verkehrstechnik der Technischen Universität München und der Siemens AG im Rahmen des Projekts „FastLane Tel Aviv“ entwickelt.

2 Grundlagen

2.1 Allgemeine Systembeschreibung

Ein System (Abbildung 2) besteht aus einer Hauptroute, auf der keine Nutzungsgebühr erhoben wird, und einer HOT Lane (grün dargestellt). Auf einer Anzeigetafel (VMS) wird die aktuelle Nutzungsgebührt für die HOT Lane sowie die Verkehrsqualität auf der Hauptroute (z.B. in LOS Stufen) dynamisch angezeigt.

Zur Erfassung der Verkehrssituation sind Detektoren stromaufwärts der HOT Lane (up), im Entscheidungs und Verflechtungsbereich (entrance), am Beginn der HOT Lane (HOT, up) und stromabwärts der Ausfahrt der HOT Lane (exit1, exit2) notwendig. Außerdem sollten in nicht allzu großen Abständen (z.B. 1,5 km) Messstellen i auf der HOT Lane und auf Hauptroute installiert sein.

Bild 2: System

2.2 Anforderungen

Für die HOT Lane werden zwei Ziele definiert. Zum Einen soll eine gewisse Mindestqualität in Form einer "garantierten" Reisegeschwindigkeit gewährleistet werden, um dem zahlenden Nutzer einen tatsächlichen Nutzen zu bieten und die Akzeptanz zu erhalten. D.h. die Benutzungsgebühr soll so hoch sein, dass so wenige Fahrzeuge auf die HOT Lane fahren, dass es zu keiner nennenswerten Störung kommt. Zum Anderen soll eine Mindestverkehrsstärke auf der HOT Lane nicht unterschritten werden, damit möglichst viele Fahrer in den Genuss der HOT Lane kommen und die Kapazität des Gesamtsystems (Hauptroute + HOT Lane) optimal genutzt werden kann. D.h. die Benutzungsgebühr soll so niedrig sein, dass so viele Fahrzeuge auf die HOT Lane fahren, dass die Kapazität genutzt wird.

Formel siehe PDF.

Es sollte versucht werden, beide Bedingungen so häufig wie möglich zu erfüllen. Jedoch kann es aus den im Prinzip widersprüchlichen Zielen "Reisegeschwindigkeit hoch" und "Verkehrsstärke hoch" zu Situationen kommen, in denen nicht beides möglich ist. Im Fall einer Störung auf der HOT Lane wird das Ziel der Mindestverkehrsstärke der Störungsbeseitigung untergeordnet.

2.3 Routenwahl

Zur Ermittlung der optimalen Nutzungsgebühr wird ein rationales Routenwahlverhalten der Fahrer vorausgesetzt. Die Annahme ist, dass jeder Fahrer f seine Routenwahl auf Basis der angezeigte Benutzungsgebühr G(t) und der erwarteten Reisezeitersparnis ∆TT(t) optimiert; also den Nutzen maximiert bzw. die Kosten K minimiert.

Formel (1), (2) und (3) siehe PDF.

Der VoT ist eine individuelle Größe, da jeder Fahrer der gesparten Zeit einen anderen Wert zuweist. Für ein Kollektiv von Fahrern kann der VoT als Verteilung beschrieben werden (siehe Abbildung 3), es ergibt sich also ein probabilistisches Routenwahlmodell.

Bild 3: VoT-Verteilung auf Basis empirischer Daten (Beispiel)

Die Ermittlung des VoT, z.B. aus Stated Preference Umfragen, ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, siehe beispielsweise BROWNS TONE UND STEIMETZ [12].

Ganz offensichtlich führt die Annahme einer falschen VoT-Verteilung zu einer anderen Routenwahl als im Modell angenommen und somit zu einer zu geringen Nachfrage (wenn der tatsächliche VoT niedriger ist als angenommen) oder zu hohen Nachfrage (wenn dertatsächliche VoT höher ist als angenommen) auf der HOT Lane und muss korrigiert werden. Ein automatischer Korrekturmechanismus wird in Abschnitt 3.2 beschrieben.

3 Algorithmus zur optimalen Einstellung der Straßenbenutzungsgebühr

3.1 Prädiktive Komponente (Feed-Forward)

Der Regelungsalgorithmus hat zum Ziel, den Preis so einzustellen, dass sich die gewünschte Anzahl Fahrzeuge für die HOT Lane entscheiden. qHOT,Ziel ist die gewünschte Verkehrsstärke auf der HOT Lane und sollte zwischen der minimal gewünschten Verkehrsstärke und der Kapazität liegen, z.B. 1700 Fz/h, abzüglich der Fahrzeuge die ohnehin auf die HOT Lane fahren, da sie den erforderlichen besetzungsgrad aufweisen (HOV).

Formel (4) siehe PDF.

Basierend auf der stromaufwärts gemessenen Verkehrsstärke qup und Annahmen über die VoT-Verteilung, die Anzahl qHOV der HOV und die Anzahl möglicherweise nicht nutzungsberechtigter Fahrzeuge qNON (z.B. LKW) kann derjenige Anteil pHOT der beeinflussbaren Fahrzeuge berechnet werden, der sich für die HOT Lane entscheiden muss, um die gewünschte Verkehrsstärke qHOT,Ziel zu erreichen.

Formel (5) siehe PDF.

Bei einer gegebenen Gesamtnachfrage, gemessen als stromaufwärtige Verkehrsstärke qup, kann nun in jedem Zeitschritt t auf Basis der angenommen VoT-Verteilung die Straßenbenutzungsgebühr G(t) so festgelegt werden, dass die gewünschte Fahrzeuge als Anteil der Gesamtnachfrage auf die HOT Lane fahren.

Formel (6) siehe PDF.

Dabei ist ∆TT(t) [h] die durch die Nutzung der HOT Lane eingesparte Zeit bzw. die auf Basis der dynamischen Anzeigetafel und Erfahrungswerten vom Fahrer erwartete Reisezeitersparnis. VoT(pHOT) [€/h] wird auf Basis einer empirischen VoT-Verteilung entsprechend dem gewünschten Anteil pHOT ermittelt.

Formel (7) siehe PDF.

Wären die getroffenen Annahmen fehlerfrei, dann wäre die ermittelte Gebühr G(t) in jedem Fall eindeutig richtig bestimmbar. Aufgrund fehlenden Wissens insbesondere über die wahre VoT-Verteilung, aber auch über die Anteile der HOV, sind die Annahmen in der Regel fehlerbehaftet. Daher wird ein dynamischer Korrekturfaktor ∆G(t) eingeführt, der mittels Rückkopplung ermittelt wird.

3.2 Fehlerkorrektur (Feed-Back)

3.2.1 Regelung – Grundlagen

Aufgabe der Regelung ist, dynamische Zustände eines Systems automatisch auf einem Soll Wert (Führungsgröße) zu halten. Das Grundprinzip besteht darin, den Zustand des Systems zu messen (Regelgröße, IstWert) und abhängig von seiner Abweichung zur Führungsgröße auf Basis von Regeln korrigierend einzugreifen. Dadurch entsteht ein geschlossener Regelkreis.

Zur Korrektur des Zustands können verschiedene Arten von Reglern eingesetzt werden. Zu den am häufigsten eingesetzten Reglern gehören die PID (Proportional-Integral-Differential) Regler. Diese bestehen aus einem Proportional (P) Regler, einem Integral (I) Regler und einem Differential (D) Glied.

Der P-Regler multipliziert die Regelabweichung e(t) mit einem Verstärkungsfaktor Kp, das Ausgangssignal u(t) ist also proportional zum Fehler.

Formel (8) siehe PDF.

Der P-Regler reagiert sofort auf Abweichungen, jedoch kann er den Regelfehler nicht vollständig entfernen.

Der I-Regler summiert die Fehler über der Zeit auf und verstärkt die Summe mit dem Faktor Ki. Je länger eine Regelabweichung ansteht, desto größer wird die Stellgröße des I-Reglers.

Formel (9) und (10) siehe PDF.

Der I-Regler kann einen Fehler vollständig ausregeln, ist dabei jedoch sehr langsam. Das D-Glied bewertet die Änderung einer Regelabweichung und berechnet deren Änderungsgeschwindigkeit. Diese wird mit dem Faktor Kd multipliziert.

Formel (11) und (12) siehe PDF.

Das D-Glied reagiert auf Veränderungen des Fehlers und nicht dessen Höhe. Es kann somit z.B. bei einem kleiner werdenden Fehler dämpfend einer Überregelung entgegenwirken.

3.2.2 PID-Regler zur Gebührenkorrektur

Im Allgemeinen ist aufgrund der oben beschriebenen Unsicherheiten in den Annahmen qHOT nicht gleich qHOT, Ziel. Während zufällige Schwankungen nicht behandelt werden können und müssen, stellen systematische Abweichungen eine Gefährdung des erfolgreichen Betriebs des HOT Lane Systems dar. Eine stetige zu hohe Nachfrage kann zu häufigen Störungen führen, eine zu geringe Nachfrage reduziert die Kapazität des Gesamtsystems HOT Lane plus Hauptfahrbahn.

Zur Korrektur der mittels prädiktiver Komponente ermittelten Straßenbenutzungsgebühr wird der Korrekturterm ∆G(t) mitgeführt und mit einem PID-Regler geschätzt. Der zu korrigierende Fehler ist die Differenz zwischen der gemessenen Verkehrsstärke qHOT(t) und der gewünschten Verkehrsstärke qHOT, Ziel(t). ∆G(t) ermittelt sich zu:

Formel (13) siehe PDF.

Der Regler hat allgemein die Aufgabe, die Regelgröße qHOT zu messen, sie mit dem Sollwert qHOT,Ziel zu vergleichen und bei Abweichungen die Stellgröße G(t) so zu verändern, dass Soll und Istwert der Regelgröße wieder übereinstimmen bzw. die Differenz minimal wird.

3.3 Behandlung von Störungen

Die Standardregelung sorgt dafür, dass sich die gewünschte Verkehrsstärke auf die HOT Lane einstellt. Neben manuellen Eingriffen (z.B. Sperrung der HOT Lane im Falle eines schweren Unfalles) soll es einen automatischen Mechanismus geben, der im Bedarfsfall (z.B. liegengebliebenes Fahrzeug mit resultierender Kapazitätsreduktion) den Zufluss auf die HOT Lane durch einen angepassten Preis gezielt reduziert.

Der erste Schritt dabei ist die Erkennung einer Störung und die Abschätzung der tatsächlich vorhandenen Kapazität (Restkapazität).

Es wird ein ausreichend dichtes Netz an lokalen Messstellen vorausgesetzt, um eine Störung schnell erkennen zu können. Die Erkennung kann auf Basis der lokalen Messungen (z.B. unterschreiten eines lokalen Geschwindigkeitsschwellenwertes oder streckenbezogen gemäß MARZ) ermittelt werden.

Die tatsächliche Kapazität an einer aktivierten Engstelle wird an der nächsten, stromabwärts der Engstelle liegenden Messstelle gemessen.

qHOT, Ziel wird entsprechend der gemessenen Kapazität der Engstelle, reduziert um einen Faktor rF (z.B. 0,8), berechnet. Beim Einsatz einer lokalen Störungserkennung wird in jedem Zeitschritt t für jede Messstelle i geprüft.

Formel siehe PDF.

Der Reduktionsfaktor rF sorgt dafür, dass tatsächlich weniger Fahrzeuge einfließen als abgewickelt werden können und dass sich ein bereits entstandener Stau auflösen kann und kein neuer Stau entsteht. So kann eine hohe Qualität des Verkehrsablaufs auch bei reduzierter Kapazität gewährleistet werden.
 
Um einen optimalen Betrieb der HOT Lane gewährleisten zu können, ist eine Störungserkennung nicht nur innerhalb, sondern auch stromabwärts des HOT Lane Endes und in der Zufahrt der HOT Lane anzuwenden.

Stromabwärts der HOT Lane kann ein Stau dazu führen, dass sich die Fahrzeuge in die HOT Lane zurückstauen. Dies sollte vermieden werden, um die Qualität des Verkehrsablaufs der HOT Lane insgesamt hoch zuhalten (Einhalten der "versprochenen" und verkauften Reisezeitvorteile, Erhalt der Akzeptanz, Erhalt der Servicequalität für HOV).

Formel siehe PDF.

Im Bereich der Einfahrt zur HOT Lane kann aufgrund von Verflechtungsvorgängen im dichten Verkehr und durch eine zu hohe Nachfrage auf die HOT Lane ein Stau entstehen. Es ist dabei zu prüfen, ob der Stau durch eine zu hohe Nachfrage auf die HOT Lane entstanden ist. Ist dies der Fall, so ist die qHOT, Ziel temporär zu reduzieren, bis sich der Stau gelöst hat. Wenn der Stau allerdings auf der Hauptroute entstanden ist und sich stromaufwärts ausbreitet, dann ist qHOT, Ziel gerade nicht zu reduzieren, da ein möglichst großer Teil der Gesamtverkehrsstärke qUp über die HOT Lane abgewickelt werden sollte.

Formel siehe PDF.

3.4 Gesamtablauf der Gebührenermittlung

Abbildung 4 zeigt die Arbeitsschritte zur Ermittlung der aktuellen Nutzungsgebühr für die HOT Lane.

Bild 4: Ablauf der Gebührenermittlung

4 In-The-Loop Test des Algorithmus mit mikroskopischer Simulation

Um das Verhalten des Regelungsalgorithmus und die Wirkung auf den Verkehr in unterschiedlichen Situationen zu untersuchen wurde er implementiert und mit der Simulationssoftware VISSIM gekoppelt (siehe Abbildung 5).

Bild 5: Zusammenspiel Verkehrssimulation - Schnittstelle - Regelungsalgorithmus

Die gewünschte Nachfrage auf die HOT Lane qHOT,Ziel wurde auf 1700 Fz/h (425 Fz/15 Minuten) eingestellt. Die Gesamtnachfrage qup wurde in halbstündige Zeitscheiben konstanter Nachfrage eingeteilt. Zum Test des Korrekturmechanismus wurde die für die Gebührenermittlung angenommene VoT-Verteilung bei der eigentlichen Routenwahl der Fahrer in der Simulation mit einem Fehler beaufschlagt. Dadurch sollte der (wahrscheinliche) Fall simuliert werden, dass die angenommene Zahlungsbereitschaft von der tatsächlichen abweicht. Die exemplarischen Ergebnisse in Abbildung 6 zeigen, dass sich die gewünschte Nachfrage auf der Hot Lane qHOT,Ziel in den relevanten Zeitbereichen (Hauptverkehrszeit, zu der ein entsprechendes Einsparpotential gegeben ist) etwa einstellt, also dass der Mechanismus inklusive der Korrektur unter der Annahme der Nutzenmaximierung bei der Routenwahl funktioniert.

Bild 6: Exemplarische Simulationsergebnisse "Normalfall"

Abbildung 7 zeigt, wie im Falle eines Engpasses auf der HOT Lane durch eine gezielte Gebührenerhöhung ab 8:00 Uhr die Verkehrsstärke auf der HOT Lane reduziert werden kann.

Bild 7: Exemplarische Simulationsergebnisse "Engstelle"

5 Zusammenfassung

Der Artikel beschreibt ein Verfahren zur dynamischen Regelung der Straßenbenutzungsgebühr auf sogenannten HOT Lanes. Ziel ist die dynamische Einstellung des Preises in der Art, dass sich eine vorzugebende Verkehrsstärke auf der HOT Lane einstellt. Diese Verkehrsstärke sollte etwas unterhalb der Kapazität liegen. Temporäre Kapazitätsreduktionen können bei ausreichend dichter Detektion erkannt werden und die gewünschte Verkehrsstärke kann daran angepasst werden.

Entscheidend für das Funktionieren einer HOT Lane ist, dass der Wert den die Fahrer der Ersparnis einer bestimmten Reisezeit beimessen nicht identisch für alle Fahrer ist, sondern eine individuelle Größe ist, die über alle Fahrer in einer Verteilung zusammengefasst werden kann (VoT-Verteilung). Dadurch wird es möglich, bei einer bekannten Reisezeitdifferenz (die den Fahrern als Zahlenwert oder als LOS über dynamische Beschilderung mitzuteilen ist) die Gebühr so einzustellen, dass ein bestimmter Anteil der Gesamtnachfrage auf die HOT Lane gelenkt wird. Dementsprechend ermittelt der vorgestellte Algorithmus auf Basis einer angenommen VoT-Verteilung die optimale Gebühr. Da die VoT-Verteilung üblicherweise nicht bekannt ist sondern angenommen werden muss, wird die tatsächliche Routenwahl der Fahrer erfasst und in Form einer Korrektur der Gebühr im nächsten Zeitschritt berücksichtigt. Der Korrekturmechanismus ist als PID Regler entworfen, so dass eine rasche Korrektur bei gleichzeitigem Vermeiden einer Überkorrektur und der Beseitigung systematischer Fehler möglich ist.

Closed Loop Tests in der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation VISSIM zeigen, dass der Gebührenermittlungs und der Korrekturmechanismus wie beabsichtigt funktionieren.

6 Diskussionspunkte

Grundsätzlich erscheint die Einrichtung von HOT Lanes aus mehreren Gründen als eine sinnvolle Idee:

- Es können mit der Bevorzugung von HOV gleichzeitig politischökologische Ziele verfolgt werden und überschüssige Kapazitäten durch zahlende Kunden aufgefüllt werden.
- Es ergeben sich interessante Finanzierungsmodelle (Public Private Partnership) für den Neu oder Ausbau, sowie den Betrieb von Straßeninfrastruktur.
- Da der Value of Time nicht für jeden Fahrer der gleiche ist, erscheint es auch volkswirtschaftlich sinnvoll, denjenigen die bereit sind mehr zu zahlen, dies auch zu ermöglichen und ein schnelleres Vorankommen gegen eine Gebühr auch zu zulassen.
- Es ergibt sich eine zusätzliche Einnahmequelle für den Staat, die letztlich durch  diejenigen gespeist wird, die bereit sind, für ein schnelleres Vorankommen zu zahlen.

Die praktische Anlage von HOT Lanes sicherlich eine Herausforderung. Bei der Umrüstung von bestehenden Anlagen sind bauliche Zwänge zu beachten. Die Gebührenerhebung muss automatisch geschehen, um den Zeitvorteil zu erhalten. Es existieren zahlreiche Beispiele für die automatische Erhebung von Gebühren. Wenn die HOT Lane nur ein abmarkierter Fahrstreifen ist, ist besonderes Augenmerk auf die Überwachung zu legen.

Eine statische oder zeitabhängige Benutzungsgebühr führt unter Umständen zu stark eingeschränktem Nutzen, da auf Abweichungen von einem Mittelwert (statischer Fall) oder auf Abweichungen von einer typischen Ganglinie (zeitabhängiger Fall) nicht reagiert werden kann. Zwangsläufig ergeben sich Zeiträume zu mit zu geringer und zu hoher Nachfrage und somit Zeitbereiche nicht optimalen Betriebs, was im Zeitalter modernen Verkehrsmanagements vermieden werden sollte. Eine tageszeit und wochentagabhängige Gebühr sollte jedoch als Rückfallebene vorgesehen werden, so dass auch bei Störungen in der adaptiven Regelung benötigten Datenerfassung eine sinnvolle Gebühr erhoben werden kann [13].

7 Literatur

[1]    DAHLGREN D. (1998). High Occupancy Vehicle Lanes: Not Always More Effective than General Purpose Lanes. Transportation Research A, Vol. 32. No. 2. 1998. pp.99114.

[2]    http://ops.fhwa.dot.gov/speeches/ntoc2007/index.htm (Stand: 5.1.2011)

[3]    http://www.virginiahotlanes.com (Stand: 4.1.2011)

[4]    PARSONS BRINCKERHOFF (2010): I94 Managed Lanes Study. Abschlussbericht von Parsons Brinckerhoff im Auftrag von Minnesota Department of Transportation, Januar 2010. http://www.dot.state.mn.us/metro/projects/i94study/pdfs/finalreport.pdf (Stand: 4.1. 2011)

[5]    Santa Clara County HOT Lane Feasibility Study. Dezember 2005, http://www.vta.org/projects/hot_lanes/hot_final.pdf (Stand: 4.1.2011)

[6]    UNGEMAH, D.; KUHN, B.; BAKER, T. (2008): New York State Managed Use Lanes Study State of the Practice Report, Mai 2008. https://www.nysdot.gov/portal/page/ portal/ver1/regionaloffices/region11/projects/manageduselanesstudy/repository/ Mus_State_of_practice.pdf (Stand: 4.1.2011)

[7]    YIN, Y.; LOU, Y. (2009). Dynamic Tolling Strategies for Managed Lanes, Journal of Transportation Engineering, Vol. 135, No. 2, p. 4552, February 1, 2009.

[8]    PAPAGEORGIOU, M.; HADJSALEM, H.; MIDDELHAM, F. (1997). ALINEA Local Ramp Metering. Summary of Field Results. In: Transportation Research Record (1997), Nr. 1603, S. 9098.

[9]    YIN, Y.; LOU, Y.; LAVAL, J. (2010): Optimal Dynamic Pricing Strategies for High Occupancy/Toll Lanes. Forthcoming in Transportation Research Part C, 2010 (Preprint).

[10]    ZHANG, G.; WANG, Y., WEI, H.; YI, P. (2008). A feedbackBased Dynamic Tolling Algorithm for High Occupancy Toll Lane Operation. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, Volume 2065 / 2008, p. 5463, November 24, 2008.

[11]    WANG, Y., ZHANG, G. (2009): A SelfAdaptive Toll Rate Algorithm for High Occupancy Toll (HOT) Lane Operations. Final Technical Report TNW200909, Research Project Agreement No: 606021.

[12]    BROWNSTONE, D.; STEIMETZ, S. (2004). Estimating Commuters’ “Value of Time” with Noisy Data: a Multiple Imputation Approach. University of California, Irvine. November 24, 2004.

[13]    BRADY, N. (2007): HOT Lanes Peer Review Report for the SR 167 HOT Lanes Pilot Project. http://www.wsdot.wa.gov/nr/rdonlyres/6a9b58fcfaf14226ac6cddb5d6e97676/ 0/hotlanespeerreview.pdf (Stand: 4.1.2011)