FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Erhaltungsmanagement der Bundesfernstraßen - Aktueller Stand und Ausblick
Autoren BDir. Dip.-Ing Rupert Schmerbeck, Prof. Dr.-Ing. Ulrike Stöckert, M.Sc. Felix Lau
Kategorien Kongress
Einleitung

Das Bundesfernstraßennetz besitzt aufgrund der zentralen Lage Deutschlands eine sehr hohe Bedeutung für die gesamte Verkehrsabwicklung in Europa. Mehr als die Hälfte der Jahresfahrleistung der Kraftfahrzeuge wird in Deutschland über das Bundesfernstraßennetz abgewickelt, fast ein Drittel allein über das Bundesautobahnnetz. Um die Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur unter Einsatz der vorhandenen Finanzmittel langfristig sicherstellen zu können, bedarf es geeigneter Instrumente, die den aktuellen Straßenzustand realistisch abbilden und dessen Entwicklung verlässlich prognostizieren. Der Straßenzustand muss unter Berücksichtigung vorherrschender Randbedingungen sowie zur Verfügung stehender Handlungsoptionen mit ihren Auswirkungen auf Nutzen und Kosten bewertet werden können. Eine wichtige Grundlage dafür sind die „Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen“ (RPE-Stra 01), Ausgabe 2001. Eine umfassende Datenbasis, welche die grundlegenden Informationen über die Straßeninfrastruktur präzise und aktuell vorhält, stellt die elementare Voraussetzung aller Prognose-, Analyse- und Bewertungsverfahren dar. Es gibt in Deutschland bereits seit vielen Jahren Datenbanksysteme und IT-Instrumente, um vielfältige Aufgaben im Bereich der Straßeninfrastruktur zu bearbeiten und zu steuern. Daten der Infrastruktur werden regelmäßig erhoben und in verschiedenen Datenbanksystemen hinterlegt und verwaltet. Für eine Vielzahl infrastrukturpolitischer Fragestellungen müssen diese Daten jedoch unter hohem Arbeits- und Zeitaufwand explizit zusammengestellt und analysiert werden. Hier gilt es, entsprechende Schnittstellen und Tools zu schaffen, um diese Daten ohne großen Aufwand verknüpfen und für ein Erhaltungsmanagement nutzen zu können.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Charakterisierung des Bundesfernstraßennetzes

Das Bundesfernstraßennetz ist historisch gewachsen und weist sehr unterschiedliche Altersstrukturen auf. Ein Großteil der Fahrbahnen und Brückenbauwerke hat inzwischen seine ursprünglich angesetzte technische Nutzungsdauer erreicht bzw. überschritten und ist heute Verkehrsbelastungen ausgesetzt, die deutlich über den teilweise vor Jahrzehnten angesetzten Prognosen liegen. Das schlägt sich dementsprechend auch im aktuellen Zustand nieder. Aufgrund dieser Bewertung ist davon auszugehen, dass für einen großen Teil des Netzbestandes in den nächsten Jahren grundhafte Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind, was entsprechend auch im Bundesverkehrswegeplan 2030 berücksichtigt wurde.

Als direkte Konsequenz aus der damit verbundenen deutlichen Zunahme der Bauaktivitäten im Bestandsnetz rückt die Verfügbarkeit der Verkehrsverbindungen noch weiter in den Mittelpunkt. Bereits heute besitzt das Netz in hochbelasteten Verkehrsregionen kaum noch Kapazitätsreserven. Um die Mobilität weiterhin aufrechterhalten zu können, ist deshalb im Erhaltungsmanagement neben der Abschätzung des Erhaltungsbedarfs sowie der -planung und Koordinierung von Baumaßnahmen auch ein zielorientiertes Baustellenmanagement erforderlich. 

1.1 Netzlänge und Verkehrsaufkommen

Das Bundesfernstraßennetz hat sich seit Bestehen der Bundesrepublik stetig weiterentwickelt. Im Zeitraum von 1970 bis 1985 hat sich die Netzlänge des Bundesautobahnnetzes auf rund 8.200 Kilometer verdoppelt, ein weiterer deutlicher Ausbau des Bundesautobahnnetzes ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu verzeichnen. Heute weist das Bundesautobahnnetz eine Länge von etwa 13.000 km auf (Bild 1), wovon bei den zweibahnigen Bundesautobahnen etwa 69 % vierstreifig und 26,5 % sechs- und mehrstreifig ausgebaut sind. Das Bundesstraßennetz umfasst eine Netzlänge von ca. 38.000 km. 

Bild 1: Netzentwicklung der Bundesautobahnen in Deutschland 

Auch das Verkehrsaufkommen ist in den letzten 70 Jahren kontinuierlich angestiegen. Betrachtet man die Durchschnittliche Tägliche Verkehrsstärke (DTV), betrug diese in den 1950er-Jahren etwa 7.000 Kraftfahrzeuge pro Tag auf den Bundesautobahnen. Ende der 1980er-Jahre hatte sich der DTV versechsfacht. Heute beträgt er auf Bundesautobahnen über 50.000 Kraftfahrzeuge pro Tag (Bild 1).

1.2 Zustand und Alter der Straßeninfrastruktur

Gemäß den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“, (RStO 12), Ausgabe 2012 wird beim Neubau eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 Jahren angesetzt. Auswertungen der Straßendatenbanken der Bundesländer zeigen, dass etwa 37 % der Asphaltdeckschichten älter als 20 Jahre und über 50 % der Asphalttragschichten (in Straßenbefestigungen mit Asphaltdeckschichten) älter als 30 Jahre sind (Bild 2). Aufgrund dessen wird deutlich, dass für einen relativ großen Teil des Netzes in den nächsten Jahren substanzorientierte Erhaltungsmaßnahmen anstehen werden. 

Bild 2: Altersverteilung Asphaltbefestigungen auf Bundesautobahnen (Asphaltdeckschicht, Asphalttragschicht) 

Einen wesentlichen Beitrag zur Beurteilung des Bundesfernstraßennetzes liefern die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB). Seit über 25 Jahren werden die Zustandsmerkmale der Straßenoberfläche auf den Fahrstreifen mit schnellfahrenden Messfahrzeugen erfasst und bewertet. Um den Zustand des Straßennetzes objektiv und bundeseinheitlich analysieren zu können, werden alle dabei erfassten Daten zu Griffigkeit, Längs- und Querebenheit sowie den Substanzmerkmalen (Oberfläche) in quantitative Zustandsgrößen umgewandelt. Im Rahmen der Normierung werden diese Zustandsgrößen in dimensionslose, einheitlich skalierte Zustandswerte zwischen 1 und 5 überführt und im Zuge der Wertesynthese miteinander zu einem Gebrauchswert und einem Substanzwert (Oberfläche) verknüpft. Der Gebrauchswert beschreibt vor allem die Fahrsicherheit und den Fahrkomfort. Der Substanzwert (Oberfläche) spiegelt den bautechnischen Zustand einer Straßenoberfläche wider.

Um einen schlechten Straßenzustand und somit Handlungsbedarf anzuzeigen, wurden der Warn- und der Schwellenwert definiert. Der Warnwert entspricht einem Zustandswert von 3,5. Streckenabschnitte, die in den Bereich 3,5 bis 4,5 fallen, geben Anlass zur intensiven Beobachtung. Der Schwellenwert entspricht einem Zustandswert ab 4,5 und beschreibt einen Zustand des Straßenabschnitts, bei dessen Erreichen die Einleitung von baulichen oder verkehrsbeschränkenden Maßnahmen geprüft werden muss. Beide Kennwerte sind Eingangsgrößen für Verfahren der Zustandsprognosen im Rahmen der Ermittlung des Erhaltungsbedarfs.

Im Bild 3 sind die Ergebnisse der letzten ZEB auf Bundesautobahnen (2013/2014) und Bundesstraßen (2015/2016) dargestellt, wobei der für die mittel- und langfristige Erhaltungsplanung verwendete Substanzwert (Oberfläche) dargestellt ist. 

Bild 3: Substanzwert (Oberfläche) des Bundesfernstraßennetzes 

Die Ergebnisse auf den Bundesautobahnen zeigen, dass etwa 5.700 Fahrstreifenkilometer des Netzes in einem sehr schlechten Zustand (roter Bereich) sind. Dies entspricht, bezogen auf eine Erfassungslänge von 55.703 km (Erfassung aller Fahrstreifen), etwa 10 %. Bei den Bundesstraßen ist der Anteil der schlechten Streckenabschnitte deutlich höher. Hier sind fast 7.100 Fahrstreifenkilometer des Netzes in einem schlechten Zustand, das heißt etwa 18 % (Erfassungslänge 40.651 km).

Gleichzeitig ist die aktuelle Situation bei den Brückenbauwerken zu berücksichtigen. Der Brückenbestand ist zum großen Teil bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit beansprucht. Betrachtet man die Altersstruktur der Ingenieurbauwerke, sind ca. 60 % des Bestandes in den Baujahren vor 1985 errichtet worden. Friedrich (2018) hat die Entwicklung und Prognose des Straßengüterverkehrs in Deutschland ausgewertet und dargestellt (Bild 4). Es wird deutlich, dass die rasante Entwicklung des Schwerverkehrsaufkommens in den 1960er- und 1970er-Jahren, als ein Großteil der bestehenden Brücken gebaut wurde, noch nicht vorhergesehen werden konnte. Insbesondere durch die Wiedervereinigung und die Öffnung des Eisernen Vorhangs hat sich die Entwicklung des Straßengüterverkehrs markant verändert. 

Bild 4: Zunahme des Güterverkehrsaufkommens in Deutschland (Friedrich, 2018)

Für einen großen Teil des Bestandes stehen in den nächsten Jahren Grunderneuerungen der Fahrbahn und Grundinstandsetzungen oder Ertüchtigungen von Ingenieurbauwerken an. Damit werden die Bauaktivitäten deutlich anwachsen und die Anforderungen an ein qualifiziertes Erhaltungsmanagement steigen.

1.3 Auswirkungen auf den Verkehrsfluss im Netz

Ein stabiler Netzzustand ist ohne bauliche Maßnahmen nicht zu erreichen. Die Art der durchzuführenden Maßnahme hat auch einen entscheidenden Einfluss auf das Verkehrsführungskonzept. Ziel des Baustellenmanagements ist es, den Verkehrsfluss möglichst wenig zu beeinträchtigen und bei Dauerbaustellen die Anzahl der Fahrstreifen beizubehalten (Riegelhuth, 2017).

Ein Blick auf die Entwicklung der Staulängen auf den deutschen Bundesautobahnen macht deutlich, dass insbesondere ab 2012 ein starker Zuwachs zu verzeichnen ist. Prozentual betrachtet ist die Staulänge vom Jahr 2012 auf 2013 um etwa 39 % gestiegen. In den folgenden Jahren bis 2016 liegt der jährliche Zuwachs zwischen 15 % und 32 %. 2017 betrug der Zuwachs gegenüber dem Jahr 2016 nur 5 %, die gesamte Staulänge auf deutschen Bundesautobahnen lag bei fast 1,45 Millionen Kilometern (Bild 5). Für die in der Grafik hell dargestellten Säulen wurden die Werte interpoliert, da keine Angaben zur Staulänge vorliegen. 

Bild 5: Entwicklung der Staulängen auf Bundesautobahnen und der Durchschnittlichen Täglichen Verkehrsstärke (DTV) 

Werden diese Zahlen dem Anstieg des Verkehrsaufkommens gegenübergestellt, wird deutlich, dass hier nicht die alleinige Ursache zu finden ist. Der DTV für Kraftfahrzeuge ist in den letzten Jahren kaum angewachsen. Betrachtet man den Zeitraum von 2005 bis 2016, so ist der DTV um lediglich 5 % von 47.600 Kfz/24 Std. auf 50.100 Kfz/24 Std. angestiegen (Bild 5).

Auch wenn gerade vierstreifige Bundesautobahnen zunehmend (z. B. im Berufsverkehr) ihre Kapazitätsgrenze erreichen, so kann das Verkehrsaufkommen nicht die alleinige Ursache für die enorme Zunahme der Staulängen sein. Staus sind die Folge von temporären Kapazitätsengpässen im Straßennetz. Zunahmen der Staulängen entstehen

bei der Zunahme der Nachfrage auf Umleitungsstrecken oder

bei Verknappung des Angebots durch Reduzierung der Verkehrsfläche (Fahrstreifensperrung).

Ursache temporärer Kapazitätsengpässe sind Unfälle oder Baustellen. Da die Anzahl der Unfälle seit Jahrzehnten eher rückläufig ist und die Verkehrsmenge insgesamt keine besonderen Zuwächse aufweist, stehen die gestiegenen Staulängen im direkten Zusammenhang mit den Baumaßnahmen im bestehenden Straßennetz.

Dieser Einfluss auf die Staulängen auf den Bundesautobahnen wird durch einen Bericht der Ruhr-Universität Bochum (Geistefeld, Lohoff, 2011) bestätigt. 2011 wurde hier im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) die Stausituation auf den Autobahnen in NRW analysiert. NRW zählt zu den am dichtesten besiedelten Bundesländern und verfügt über 2.200 km Autobahnen mit einem durchschnittlichen Verkehrsaufkommen von etwa 60.000 Kfz/24 Std., in den Ballungsräumen bis ca. 170.000 Kfz/24 Std. Im Ergebnis der Analyse werden in NRW 25 Engstellenbereiche lokalisiert, die etwa 3/4 aller Staus in dem Bundesland ausmachen. Bei den Stauursachen zeigt sich, dass 48 % der Staus in NRW im Bereich von Baustellen entstehen.

Diese Aspekte machen deutlich, dass die Anforderungen an die Funktionalität des Bundesfernstraßennetzes bereits heute sehr vielseitig und umfangreich sind. Neben wichtigen Anforderungen an die Verkehrssicherheit und den Fahrkomfort sind vor allem Forderungen hinsichtlich der Netzverfügbarkeit sowie umwelttechnischer Aspekte von zentralem Belang. Ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt ist, sind innovative Verkehrstechnologien. Auch hier muss die Straßeninfrastruktur den entsprechenden Rahmen bieten, um derartige Entwicklungen zu unterstützen. Bei der Umsetzung dieser Aufgaben sind viele Prozessbeteiligte involviert und die Herausforderung, eine bestmögliche Balance zwischen den verschiedenen vielfältigen Zielen herzustellen, ist sehr groß. In diesem Kontext stellt das Erhaltungsmanagement einen wesentlichen Baustein dar. 

2 Erhaltungsmanagement

Die systematische Erhaltungsplanung findet prinzipiell auf drei Ebenen statt (Bild 6). Die erste Ebene stellt die politische Ebene dar. Hier müssen Erhaltungsziele formuliert bzw. eine Erhaltungsstrategie erarbeitet und der dafür erforderliche Finanzbedarf ermittelt werden. 

Bild 6: Ebenen der systematischen Erhaltungsplanung 

Die Zielsetzungen der Betroffenen müssen Eingang in die Erhaltungsstrategie finden. Zu ihnen zählen der Straßeneigentümer, die Straßenbetreiber/Verwaltungen, die Benutzer sowie die Gesellschaft, die Politik und Umwelt. Die Bundesregierung formuliert auf Grundlage dieser Zielsetzungen und Anforderungen eine Gesamtstrategie über die langfristige Entwicklung der Straßeninfrastruktur und stellt diese in den Bundesverkehrswegeplan ein.

Auf strategischer Ebene müssen diese Zielsetzungen in ein koordiniertes Erhaltungs- und Bauprogramm umgesetzt werden. Wesentliche Aufgaben bestehen hier in einer bedarfsorientierten Mittelverteilung und der Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung auf operativer Ebene.

Auf der operativen Ebene erfolgt die Vergabe und Ausführung der Bautätigkeiten. Hier sind darüber hinaus wichtige Anforderungen des Arbeitsstellen- und Baustellenmanagements zu berücksichtigen. 

Bild 7: Prozessablauf im Erhaltungsmanagement 

Ein zielorientiertes Erhaltungsmanagement umfasst somit einen Prozessablauf, der sich im Wesentlichen in sechs Arbeitsschritte unterteilt (Bild 7).

Im Folgenden werden diese Arbeitsschritte umrissen, der aktuelle Stand in Deutschland dargestellt und Handlungsbedarf aufgezeigt. Dabei wird auf die Darstellung der Erfassung und Bewertung des Straßen- und Bauwerkszustandes verzichtet, da die Verfahren seit Langem in Deutschland etabliert, standardisiert und qualitätsgeprüft sind.

2.1 Datenvorhaltung und -management

2.1.1 Sachstand

Um den Mittelbedarf für die Erhaltung des gesamten Bundesfernstraßennetzes abschätzen zu können, werden Erhaltungsbedarfsprognosen für einen Zeitraum von 15 Jahren durchgeführt. Neben dem Zustand der Straßeninfrastruktur werden die Verkehrsbelastung, die Querschnittsdaten sowie Aufbau und Alter der vorhandenen Befestigung benötigt. Diese Daten liegen größtenteils in den Straßeninformationsdatenbanken der Bundesländer vor. Problematisch ist dabei der Austausch und die Zusammenführung der Daten. Die Ursache besteht in der Verwendung von drei unterschiedlichen Straßeninformationsdatenbanksystemen der Bundesländer, die Systeme TT-SIB, NWSIB und Hessen-SIB. Darüber hinaus wird in der BASt das Bundesinformationssystem Straße (BISStra) geführt.

Seitens des Bundes wurde im Jahr 2000 erstmals der OKSTRA® (Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen) als bundesweiter Standard eingeführt, der eine einheitliche datentechnische Beschreibung von Objekten und deren Strukturen für Netz- und Bestandsdaten der Bundesfernstraßen gewährleistet. Als Basis für den OKSTRA® dienen die in der Anweisung StraßeninformationsBank (ASB) festgelegten Standards. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass alle Informationen zwischen den verschiedenen bei Bund und Ländern eingesetzten Informations- und Softwaresystemen ohne Medienbruch ausgetauscht werden können. In den vergangenen Jahren wurde dies noch nicht einheitlich umgesetzt, sodass aktuell unterschiedliche Versionen von OKSTRA® oder zum Teil auch Datenformate eigener Softwareentwicklungen verwendet werden.

Bezüglich der Durchführung von Erhaltungsbedarfsprognosen ist darüber hinaus von Bedeutung, dass die Straßenbanksysteme im Bereich der Aufbaudaten mit unterschiedlichen Datenmodellen arbeiten. So sind in der TT-SIB die Informationen zum Schichtaufbau direkt an den Fahrbahnquerschnitt gekoppelt. Durch diesen hierarchischen Zusammenhang lassen sich im Rahmen des Erhaltungsmanagements fahrstreifenbezogene Analysen der Bestandsdaten durchführen. Nachteilig ist jedoch, dass die Änderung eines Querschnittselementes Auswirkungen auf die zugehörigen Aufbaudaten hat.

Die anderen Systeme (NWSIB und Hessen-SIB) haben den Aufbau und Querschnitt voneinander unabhängig definiert. Damit ist jedoch für die fahrstreifenbezogene Auswertung eine aufwendige geometrische Verschneidung zwischen Aufbau und Querschnitt erforderlich. Bei fehlerhaften geometrischen Angaben kann die Zuordnung des Aufbaus zum Querschnitt nicht korrekt durchgeführt werden. Hierbei gehen wichtige Informationen über den Aufbau für die betroffenen Abschnitte verloren.

Die Folge ist, dass aktuell für die Durchführung der Erhaltungsbedarfsprognose und auch andere verkehrspolitische Fragestellungen Daten der Straßeninfrastruktur unter hohem Arbeits- und Zeitaufwand einzeln zusammengestellt und plausibilisiert werden müssen, bevor Analysen durchgeführt werden können. Für vorangegangene Erhaltungsbedarfsprognosen wurden Datensätze teilweise händisch aufbereitet. Eine Rückkopplung generierter Daten in die Straßeninformationsdatenbanken kann praktisch nicht erfolgen. Diese händische Anpassung erfordert einen enorm hohen Personalaufwand, der von den Verwaltungen so nicht leistbar ist. Da jedoch alle verfügbaren Informationen zu den Verkehrsflächen und den sonstigen Anlagenteilen der Bundesfernstraßen in den Straßeninformationsdatenbanken der Bundesländer vorgehalten werden, ist auch die Aufgabe der Datenpflege und -aktualisierung dort angesiedelt. 

2.1.2 Feedbacksystem zur Erhöhung der Qualität der Bestandsdaten

Die BASt hat den Auftrag, für die Durchführung künftiger Erhaltungsbedarfsprognosen ein Qualitätssicherungsverfahren aufzubauen. Damit wurde in 2017 begonnen. Es umfasst u. a. die Qualitätsprüfung der Eingangsdaten, die Festlegung und Dokumentation von Plausibilitätsprüfungen sowie die Bewertung technischer Ansätze und Modellannahmen für die Prognoserechnungen.

Zusammen mit den Verwaltungen soll ein Feedbacksystem entwickelt werden, das es ermöglicht, Unplausibilitäten in den Datenbanken zu finden und die Fehler zu korrigieren. Letztendlich muss für alle Analyseverfahren im Bereich der Straßeninfrastruktur eine Aussage zur Vollständigkeit und Qualität der Eingangsdaten vorliegen, um die Ergebnisse entsprechend bewerten zu können.

Eine erste Qualitätsprüfung der vorhandenen Datenlieferungen hat gezeigt, dass sowohl die Netzdaten, als auch die Zustands- und Verkehrsdaten der Straßeninfrastruktur praktisch vollständig und in sehr guter Qualität vorliegen. Ein Problem besteht hinsichtlich der Bestandsdaten (Querschnitt, Alter, Aufbau) des Bundesfernstraßennetzes. Hier wurden in 2018 erste umfangreiche Analysen zur Vollständigkeit und Plausibilität vorgenommen.

In der derzeit laufenden Phase werden die Bestandsdaten aller Straßeninformationsdatenbanken in einer Datenbank bei der BASt zusammengeführt. Aktuell wurden die Daten aus 12 Bundesländern eingelesen und Plausibilitätsprüfungen hinsichtlich Vollständigkeit, Art, Alter und Aufbau durchgeführt. Detektierte Lücken, Unplausibilitäten sowie fehlerhafte Daten werden gekennzeichnet, tabellarisch zusammengestellt und in Karten visualisiert. In einem Erfahrungsaustausch wurde ein erstes Feedbacksystem erstellt, das jetzt in einzelnen Bundesländern getestet werden soll. Ziel ist es, dass langfristig auch die Bestandsdaten analog den Verkehrszahlen und den Zustandsdaten qualitätsgeprüft und aktuell in einer Fachanwendung durch die BASt vorgehalten werden. Die Ergebnisse der ersten Plausibilitätsprüfungen und Workshops auf Bund-Länder-Ebene sind anhand ausgewählter Beispiele dargestellt.

Für die Ermittlung des Erhaltungsbedarfs müssen u. a. Informationen zur Art und Anzahl der Schichten vorgehalten werden. Das Bild 8 zeigt eine Häufigkeitsverteilung der im Bundesfernstraßennetz hinterlegten Anzahl an Schichten, getrennt für Bundesstraßen und Bundesautobahnen, wobei die Bundesautobahnen differenziert nach Betonfahrbahnen und Asphaltfahrbahnen betrachtet wurden. 

Bild 8: Häufigkeitsverteilung zur Anzahl der gebundenen Schichten im Oberbau (Auswertung von Datenbanken aus 12 Bundesländern) 

Gemäß RStO 12 beträgt die Anzahl der Schichten bei Asphaltbefestigungen auf Bundesautobahnen (Bk-100) vier bis fünf Schichten. Liegt die Anzahl deutlich darunter, kann dies ein Hinweis auf fehlende Angaben sein (Brückentafeln wurden bei der Betrachtung ausgeschlossen). Liegt die Anzahl der Schichten bei 8 und mehr, liegt möglicherweise ein Hocheinbau vor. Prüfungen zeigten, dass Schichten teilweise doppelt eingetragen wurden. Für diese Fälle wurden entsprechende Prüfkriterien entwickelt und Flags in der Datenbank gesetzt. 

Eine weitere wichtige Information ist die Kenntnis der Gesamtdicke des gebundenen Oberbaus. Im Bild 9 ist für 12 Bundesländer die prozentuale Verteilung der vorliegenden Daten getrennt nach Bundesstraßen und Bundesautobahnen dargestellt. Bei den Bundesautobahnen wurde ebenfalls nach Beton- und Asphaltbauweise differenziert. Auf Basis der Vorgaben des Technischen Regelwerkes wurden die Plausibilisierungsgrenzen festgelegt, die im Bild 9 aufgeführt sind. 

Bild 9: Gesamtdicke des gebundenen Oberbaus 

Das Feedbacksystem der BASt umfasst Tabellen- und Kartendarstellungen für die Bundesländer, in denen die Ergebnisse der Analyse des Streckennetzes aufgelistet bzw. dargestellt werden. Auf diese Weise kann sehr schnell überprüft werden, ob bestimmte Angaben realistisch sein können oder nicht. Mit diesem Verfahren wird eine wesentliche Grundlage geschaffen, um

die Qualität der Eingangsdaten für Analysen und Bewertungen zu verbessern,

die Vollständigkeit der Daten zu erhöhen und bestehende Lücken zu dokumentieren,

ein einheitliches standardisiertes Verfahren festzulegen, wie mit fehlenden Datensätze umzugehen ist.

Im Zuge der Erarbeitung dieses Feedbacksystems sollen die Schnittstellen und Übergabeformate für die Daten festgelegt werden, die für ein Erhaltungsmanagement relevant sind. 

2.2 Festlegung der Erhaltungsstrategie

2.2.1 Ermittlung des Erhaltungsbedarfs und des Finanzvolumens

Für die Durchführung von Erhaltungsbedarfsprognosen für Fahrbahnen werden Pavement-Management-Systeme (PMS) genutzt. Derartige Systeme ermitteln auf der Grundlage von definierten Eingabedaten und festgelegten Modellvorgaben (z. B. Erhaltungsbudget) eine Straßenzustandsprognose. Mithilfe von Prognoserechnungen wird für ein betrachtetes Analysenetz untersucht, welche Erhaltungsmaßnahmen sowie Zeitpunkte der Maßnahmen unter bestimmten Randbedingungen eine optimale Lösung für das untersuchte Netz darstellen. Der Ablauf der Erhaltungsbedarfsprognose einschließlich der Berechnungsalgorithmen ist in den RPE-Stra (2001) und den FGSV-Arbeitspapieren Nr. 9/R (2001) beschrieben, die derzeit überarbeitet werden, um neu entwickelte und optimierte Ansätze zu berücksichtigen.

Grundsätzlich besteht der Prozessablauf zur Ermittlung des Erhaltungsbedarfs und des damit erforderlichen Finanzvolumens in der Datenzusammenführung aus verschiedenen Datenquellen, der Datenaufbereitung und der Prognoserechnung. Für die Datenzusammenführung und Datenaufbereitung wurde 2007 das Datenaufbereitungstool PMS I/O entwickelt. Auf Basis der ZEB-Werte, die in Auswerteabschnitten von 100 m bzw. 20 m vorliegen, werden zustandshomogene Abschnitte für die weitere Analyse gebildet. Die Abschnittsbildung erfolgt bis heute nach einem Algorithmus von Rübensam (1996), der neben den Zustandswerten auch Deckschichtarten berücksichtigt. Die gebildeten Abschnitte, die im Mittel eine Länge von 2 km auf Bundesautobahnen und 1 km Länge auf Bundesstraßen aufweisen (Maerschalk, 2013), finden Eingang in die Prognoseberechnung, die nach einem festgelegten Modell-Setup (Konfiguration) abläuft.

Die Konfiguration umfasst im ersten Schritt die Zustandsprognose für definierte Zustandswerte für die Spurrinnentiefe, Risse etc. basierend auf Verhaltensfunktionen über einen festgelegten Betrachtungszeitraum. Ausgangspunkt sind dabei die Daten der letzten Zustandserfassung. Sobald im Betrachtungszeitraum für einen Zustandswert das Erreichen des Warnwertes prognostiziert wird, identifiziert das System einen Erhaltungsbedarf. Auf Basis der Kombination der verschiedenen Zustandswerte werden die Abschnitte einer Mängelklasse zugeordnet, die mit den möglichen Schadensursachen verknüpft ist, Maßnahmenalternativen für verschiedene Zeitpunkte ausgewählt und das Nutzen-Kosten-Verhältnis der einzelnen Maßnahmenalternativen ermittelt. Dabei werden im Modell-Setup nur bautechnisch sinnvolle Maßnahmenalternativen ausgewählt.

Der Kern eines PMS-Systems stellt die netzweite Optimierung dar. Die Maßnahmenalternativen werden dem gewählten Szenario entsprechend im Netzzusammenhang gereiht. Das Ergebnis sind Maßnahmevorschläge für das gewählte Szenario. Grundsätzlich werden zwei Arten von Szenarien unterschieden. Bei einem Budgetszenario werden zur Verfügung stehende Finanzmittel pro Jahr vorgegeben. Im Ergebnis wird die erwartete Zustandsentwicklung dargestellt. Eine andere Möglichkeit besteht in einem Qualitätsszenario. Hier wird das zu erreichende Ziel (z. B. Zustandsverbesserung) vorgegeben und im Ergebnis der dafür erforderliche Finanzbedarf pro Jahr ermittelt. Nach Maerschalk (2013) kommen in der Anwendungspraxis oftmals Hybridszenarien zum Einsatz, die eine Kombination von Budget- und Qualitätsszenario darstellen.

Im Bild 10 ist exemplarisch ein Szenario über 16 Jahre dargestellt. Die Grafik zeigt, wie sich die unterschiedlichen Netzabschnitte mit zunehmendem Alter verschlechtern, wenn keine Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. 

Bild 10: Budgetszenario über einen Zeitraum von 16 Jahren 

Die Darstellung macht deutlich, dass mit PMS-Systemen die Zustandsentwicklung im Netz nachvollziehbar visualisiert werden kann. Auf diese Weise können sehr effektiv die möglichen Risiken aufgezeigt werden, wenn bestimmte Streckenabschnitte nicht rechtzeitig in der Erhaltungsplanung Berücksichtigung finden.

Darüber hinaus können diese Analysen für weiterführende Betrachtungen im Zusammenhang mit der Netzverfügbarkeit genutzt werden, die künftig immer mehr in den Fokus rücken werden. So wäre es denkbar, auf Basis von Verkehrsbelastungen Korridore zu definieren, wie es bereits aktuell im Rahmen der Brückenertüchtigung erfolgt. Dadurch kann eine Priorisierung der Maßnahmen im Netz vorgenommen werden. Auch besteht die Möglichkeit, für den ermittelten Erhaltungsbedarf Baustellenanzahl und -gesamtlängen abzuschätzen und in Kombination mit anderen Analyseverfahren die Auswirkungen auf das Netz einzuordnen. 

2.2.2 Ergebnisse der Erhaltungsbedarfsprognose 2016 bis 2030

Die aktuelle Erhaltungsbedarfsprognose wurde für den Bundesverkehrswegeplan 2030 auf Basis der abgeschlossenen ZEB für Bundesstraßen 2011/2012 und Bundesautobahnen 2013/2014 erstellt. Hinzu kamen die Daten aus der Straßenverkehrszählung 2015 sowie die bis Ende 2015 vorliegenden Bestandsdaten. Neben den Fahrbahnen und Ingenieurbauwerken wurden in der Erhaltungsbedarfsprognose auch sonstige Anlagenteile, Nebenanlagen und Radwege an Bundesfernstraßen berücksichtigt (Maerschalk et al., 2016).

Ziel der Prognoseberechnung war es, Erhaltungsinvestitionen für alle Anlagenteile der Straßeninfrastruktur für die Jahre 2016 bis 2030 zu ermitteln. Dabei sollte für Fahrbahnen eine Zustandsverbesserung des Substanzwertes (Bestand) für Fahrbahnen erreicht werden. 

Bild 11: Gesamtbedarf der Erhaltungsinvestitionen für den Zeitraum von 2016 bis 2030

Das Ergebnis der Prognose ist im Bild 11 als die Summe des Finanzbedarfs über den gesamten Zeitraum von 2016 bis 2030 unter den Zielvorgaben „Zustandsverbesserung“ und „substanzbezogene Erhaltung“ dargestellt. Dabei wurden rd. 43 Mrd. Euro für Bundesautobahnen und rd. 24 Mrd. Euro für Bundesstraßen als Gesamtbedarf für den Betrachtungszeitraum errechnet. Im Durchschnitt werden von 2016 bis 2020 etwa 4 Mrd. Euro pro Jahr in die Erhaltung der Bundesfernstraßen fließen. Von 2021 bis 2030 wird ein erhöhter Bedarf von rd. 4,7 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich sein, um das Bundesfernstraßennetz auf einem konstanten Zustandsniveau zu erhalten. 

2.2.3 Handlungsbedarf zur Fortführung von Verfahren der Erhaltungsbedarfsprognose

Entscheidend für die Aussagefähigkeit und die Einsatzmöglichkeiten von Prognoseinstrumenten sind qualitätsgeprüfte Eingangsdaten und das verwendete Modell-Setup. Hier besteht für künftige Erhaltungsbedarfsprognosen auf Bundesfernstraßen ein umfangreicher Handlungsbedarf, der derzeit in den Fachgremien und der BASt diskutiert und in den nächsten ein bis drei Jahren aufgearbeitet werden soll.

Zur Abschätzung des Erhaltungsbedarfs sowie der Prognose der Zustandsentwicklung wurde in Deutschland vor etwa 20 Jahren in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein PMS unter Verwendung der kanadischen Software VIAPMS™ in einer Erstanwendung getestet. Ein wesentlicher Vorteil dieses Softwareproduktes wurde in der offenen Struktur, die eine individuelle Anpassung des Systems an die Randbedingungen des jeweiligen Straßennetzes ermöglicht, gesehen.

Eine technische Weiterentwicklung und Anpassung hat nach dieser Erstanwendung aus verschiedenen Gründen kaum noch stattgefunden. Dies hat u. a. zur Folge, dass bei den Bundesländern heute immer noch dieses mittlerweile veraltete System zur Verfügung steht.

Für die Durchführung der letzten Erhaltungsbedarfsprognose 2016 bis 2030 wurden durch den Auftragnehmer Anpassungen vorgenommen. Dies betraf sowohl das Modell-Setup (u. a. neue Wertesynthese) als auch die verwendete Software. Durch verschiedene Rechenläufe wurde sichergestellt, dass die Vergleichbarkeit zu bisherigen Prognoseberechnungen gegeben ist. Die BASt verfügt seit über einem Jahr über eine Lizenz dieses Produktes und kann Rechenläufe durchführen. Insgesamt muss man festhalten, dass es sich bei derartigen Produkten um Expertensysteme handelt, die für die Anwendung und den Umgang ein hohes Fachwissen erfordern.

Weiterer Handlungsbedarf wird anhand von drei Beispielen dargelegt.

Beispiel 1: Abschnittsbildung

Ein sehr wichtiges Kriterium, um realistische Maßnahmenvorschläge für erhaltungsbedürftige Streckenabschnitte zu erhalten, bilden die zustandshomogenen Abschnitte. Dabei müssen u. a. die Fahrbahnbreiten, die Anzahl der Fahrstreifen, die Arten, Dicken und Einbaujahre der vorhandenen Aufbauschichten, die Verkehrsbelastungen (DTV und DTVSV) und die Zustandsdaten dem jeweiligen Abschnitten im Netz zugeordnet werden. Aktuell wird ein Forschungsprojekt durchgeführt, das die Grundlagen für eine verbesserte Abschnittsbildung und die Zuordnung der kennzeichnenden Werte für die Abschnitte schaffen soll.

Beispiel 2: Zustandsprognose auf Basis von Zustandswerten

Seit längerem wird über die Sinnhaftigkeit diskutiert, Zustandswerte zu prognostizieren. Zielführender und fachlich nachvollziehbar ist die Prognose der eigentlichen Zustandsgrößen. Diese Anpassung bedingt jedoch, dass neben den Verhaltensfunktionen und Rücksetzwerten auch die Verknüpfungsregeln und die abgeleiteten Maßnahmearten entsprechend im Setup berücksichtigt werden müssen.

Beispiel 3: Substanzwert (Bestand)

Ein sehr kontrovers diskutiertes Thema im Zusammenhang mit der Ermittlung des Erhaltungsbedarfs und des Finanzvolumens ist der im Verfahren angesetzte Substanzwert (Bestand). Die Bestimmung dieses Kennwertes ist im FGSV-Arbeitspapier Nr. 9/S zur Erhaltungsplanung Reihe S: Substanzwert (Bestand) (2003) beschrieben. Es handelt sich um einen theoretischen Ansatz, der auf einem Abschreibungsmodell für die Straßenbefestigung basiert.

Im aktuellen PMS Modell-Setup wird dieser Wert genutzt, um bei Detektion eines erhaltungsbedürftigen Abschnittes auf Basis der ZEB-Daten die Auswahl der Erhaltungsmaßnahmen zu steuern. Letztendlich trägt er zur Entscheidung bei, ob die Erneuerung der Deckschicht oder der Decke ausreichend ist bzw. eine grundhafte Erneuerung erforderlich wäre.

Unumstritten ist, dass für eine netzweite Analyse ein Indikator zur Substanzbewertung des Bestandes herangezogen werden muss. Dieser Indikator muss eine Zustandsentwicklung über einen Prognosezeitraum abbilden können.

Aktuell wird ein Forschungsvorhaben durchgeführt, in dem untersucht wird, inwieweit substanzbeschreibende Materialkennwerte wie die Steifigkeit der im Aufbau befindlichen Asphaltschichten sowie die Ermüdungsfunktion der am meisten beanspruchten Asphaltschicht für derartige Fragestellungen genutzt werden können.

Ein anderer Ansatz besteht in der messtechnischen Erfassung von Kenngrößen zur Substanzbewertung. Untersucht werden hier die Ergebnisse des Traffic Speed Deflectometers bzw. des darauf aufbauenden „Multifunktionalen Erfassungssystems zur Substanzbewertung und zum Aufbau von Straßen“ (MESAS), das die BASt 2018 beschafft hat.

Grundlegende Anforderung für die Anwendung in einem PMS ist die netzweite Einsetzbarkeit bzw. Verfügbarkeit der Messwerte. Für die Messwerte muss auch ein Bewertungsalgorithmus entwickelt werden, der praxistaugliche Ergebnisse zur tatsächlichen Substanz liefert.

Es müssen auch Rückfallebenen vorhanden sein, wenn die Eingangsdaten für die neueren Verfahren nicht vorhanden sind. 

2.2.4 Einfluss des Modell-Setups (PMS) auf die Prognoseergebnisse

Langfristiges Ziel bei der Erstellung von Erhaltungsbedarfsprognosen für Bundesfernstraßen muss die Festlegung des Modell-Setups sein. Der Einfluss des Setups soll an einem konkreten, jedoch anonymisierten Beispiel, dargestellt werden.

Nach Vorliegen der Ergebnisse der ZEB-Kampagne von 2012 und den Daten aus der Verkehrszählung 2010 wurde auf dem Bundesstraßennetz eines Bundeslandes von zwei Auftragnehmern eine PMS-Anwendung zur Bedarfsprognose für die Fahrbahnen durchgeführt. Ziel der Anwendung war die Aufstellung eines Erhaltungsprogrammes für den Zeitraum von 2015 bis 2018. Bereits fest eingeplante Maßnahmen für die Jahre 2012 bis 2014 wurden berücksichtigt.

Bei der Gegenüberstellung der Prognoseergebnisse zeigte sich, dass sich eine differenzierte Herangehensweise sowohl bei der Datenaufbereitung der Eingangsdaten als auch bei dem PMS Modell-Setup deutlich auf das Ergebnis auswirkt (Bild 12). 

Bild 12: Beispielhafte Verteilung der Finanzmittel auf die Verwaltungsbezirke eines Bundeslandes 

Es wurden unterschiedliche Verfahren im Umgang mit fehlenden oder nicht plausiblen Aufbaudaten angewendet. Auch bei der Bildung zustandshomogener Abschnitte wurden verschiedene Ansätze verfolgt. Bei diesem Vergleich zeigte sich ebenfalls, dass die Wahl der Einheitskostensätze für Erhaltungsmaßnahmen eine starke Auswirkung auf das Prognoseergebnis hat.

Durch die beschriebenen unterschiedlichen Berechnungsmethoden wird auch die Budgetverteilung mit den Maßnahmenvorschlägen auf die einzelnen Verwaltungsbezirke beeinflusst. Das Bild 12 zeigt, dass der Schlüssel für die Verteilung der Finanzmittel auf die Verwaltungsbezirke des Landes um bis zu 36 % schwankt.

Die Untersuchung zeigt im Ergebnis, wie wichtig eine bundeseinheitliche Vorgabe für das Modell-Setup der strategischen Erhaltungsplanung im Rahmen einer PMS-Anwendung ist. Anpassungen für bestimmte Szenarien, wie z. B. der Ausschluss bestimmter Maßnahmearten, müssen genau dokumentiert werden, um vergleichende Betrachtungen zuzulassen bzw. damit Aktualisierungen von Rechenläufen zu sinnvollen Ergebnissen führen. 

2.3 Aufstellung eines Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogramms

Die im PMS ermittelten Maßnahmenvorschläge können nicht unmittelbar in einem Bauprogramm umgesetzt werden können. Die Ergebnisse der Analyse müssen ingenieurtechnisch kontrolliert und anschließend nachbereitet werden.

Auf Länderebene wurden oft andere Methoden für die rechnergestützte Erhaltungsplanung entwickelt. Diese sind in aller Regel allein zustandsbasiert, manche Systeme berücksichtigen noch die Verkehrsstärke als weitere Steuerungsgröße. Hauptursache für die Verwendung derartiger Systeme ist in der Regel das Fehlen einer ausreichenden Datengrundlage, insbesondere der Aufbaudaten. Diese Systeme können jedoch nicht für die Prognose der Straßenzustandsentwicklung genutzt werden.

Aufgrund der immer größeren Bedeutung der Netzverfügbarkeit müssen die Erhaltungsmaßnahmen der verschiedenen Anlagenteile einer Straße (im Wesentlichen Fahrbahnen und Ingenieurbauwerke) miteinander koordiniert werden. Für diese Aufgabe ist man bisher auf den ingenieurmäßigen Sachverstand der Mitarbeiter des Straßenbaulastträgers angewiesen. Eine Unterstützung durch die IT besteht zurzeit durch die mögliche Visualisierung der geplanten Maßnahmen aller Anlagenteile in Karten und Streckenbändern.

Auf der Grundlage der als erforderlich angesehenen Erhaltungsmaßnahmen der verschiedenen Anlagenteile wird die Koordinierte Erhaltungsplanung entwickelt, in der alle größeren Maßnahmen der nächsten vier Jahre enthalten sind. Dieses Programm bedeutet keine fixe Festlegung der Maßnahmen für diese Zeit, sondern eine Planung, die laufend aktualisiert werden muss, z. B. infolge von plötzlich auftretenden Schadensereignissen. Darüber hinaus können neuere Erkenntnisse infolge durchgeführter Brückenprüfungen Anlass zur Aktualisierung geben. 

2.4 Bauabwicklung

Mit dem Anwachsen der für die Erhaltung bereitgestellten Finanzmittel steigt folgerichtig auch die Anzahl der Baumaßnahmen auf unseren Straßen, die intelligent geplant und vorbereitet werden müssen, damit das Ausmaß der Beeinträchtigungen des Verkehrsablaufes nicht weiter ansteigt. Dies gilt umso mehr, als auch nach dem Abbau des „Nachholbedarfes“ der vergangenen Jahre die Finanzmittel für die Erhaltung auf hohem Niveau konsolidiert werden müssen, um die Bundesfernstraßen dauerhaft in einem anforderungsgerechten Zustand zu erhalten, der eine adäquate Bewältigung der Verkehrsnachfrage ermöglicht.

Um die Auswirkungen der Baustellen auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf zu mindern, gibt es in vielen Bundesländern bereits DV-gestützte Systeme für das Management der Arbeits- und Baustellen.

Ziel ist es, die Anzahl der Fahrstreifen auf Dauerbaustellen möglichst beizubehalten. Besonders problematisch sind dabei die vor allem in den 1980er-Jahren gebauten „Sparquerschnitte“ (z. B. RQ 26), die ein verträgliches Nebeneinander von Verkehr und Dauerbaustelle nahezu unmöglich machen.

Auch die Aufrechterhaltung aller Fahrbeziehungen ist oft nicht möglich, weil in den Knotenpunkten die Äste oft nur einspurig sind und unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzes nur unter Vollsperrung Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden können.

Somit wird es in Zukunft auch immer wichtiger, bei der Planung der Verkehrsabwicklung in den Baustellen die möglichen Umleitungsstrecken bezüglich ihrer verkehrlichen Leistungsfähigkeit während der Bauzeit mit im Auge zu behalten. Diese netzweite Koordinierung der Baustellen erfordert eine gute Kooperation der verschiedenen Baulastträger für die verschiedenen Straßenkategorien des Netzes.

Bereits üblich ist die Berücksichtigung besonderer Einflüsse wie Ferienzeiten, Messen, Großveranstaltungen und Ähnliches. Auch die Länge der Baustellen in Zusammenhang mit der Fahrstreifenbreite in der Verkehrsführung und der Abstand von Baustelle zu Baustelle werden standardgemäß bei der Baustellenkoordination berücksichtigt. 

2.5 Controlling und Datenpflege

Eine elementare Voraussetzung aller Prognose-, Analyse- und Bewertungsverfahren stellt eine Datenbasis dar, die die grundlegenden Informationen über die Straßeninfrastruktur präzise und aktuell vorhält.

Vor diesem Hintergrund ist eine wichtige Aufgabe im Erhaltungsmanagement, dass die durchgeführten Maßnahmen sowie die Änderungen am Oberbau oder anderer Anlagenteile konsequent in der Datenhaltungen gepflegt werden. Die Qualität dieser Daten entscheidet letztendlich über die Aussagekraft und Zuverlässigkeit der Ergebnisse. So zeigte sich bei der Erstanwendung der PMS-Software in ausgewählten Bauämtern, dass ab etwa 80 % korrekten Aufbaudaten sinnvolle Ergebnisse von PMS-Rechenläufen erwartet werden können (Maerschalk, Krause, 2004).

Darüber bildet eine solide Datenbasis die Grundlage, den erreichten Erfolg des Erhaltungsmanagements mit den Zielvorgaben zu vergleichen oder in bestimmten Zeitzyklen eine Aktualisierung des Erhaltungsbedarfs vorzunehmen. Dafür stehen heute bereits Indikatoren zur Verfügung, die im Rahmen der Straßenzustandserfassung ermittelt werden und Eingang in die Erhaltungsstrategie finden. Darüber hinaus wird in den Fachgremien über neue Kennzahlen hinsichtlich Zuverlässigkeit (Ausfallsicherheit), Netzverfügbarkeit u. a. m. (Key-Performance-Indikatoren) diskutiert. Auch für die Weiterentwicklung derartiger Kennzahlen und Instrumente ist die Bereitstellung belastbarer Datensätze von hoher Qualität und Aktualität unverzichtbar. 

3 Zusammenfassung und Ausblick

Um eine verlässliche Verkehrsinfrastruktur zu gewährleisten und Zustandsentwicklungen zu verfolgen, sind verschiedenartige Netzanalysen erforderlich. Dazu werden kontinuierlich Verkehrsdaten, Zustandsdaten, Unfalldaten etc. erhoben. Grundvoraussetzung aller Erhebungen und Analysen ist eine verlässliche Datengrundlage, die kontinuierlich fortgeschrieben und plausibilisiert wird. Um erforderliche Verknüpfungen und Verschneidungen durchführen zu können, müssen alle IT-Verfahren eine einheitliche Datenstruktur aufweisen. Grundlage bei den Straßen ist dafür der Objektkatalog Straße (OKSTRA®), in dem verschiedene Anlagenteile der Straße datentechnisch modelliert sind und der damit eine Struktur für den Datenaustausch bereitstellt. Dieser sollte daher auch die Grundlage für die in einem BIM hinterlegten Fachdaten sein. Eine umfassende Datenbasis wird umso wichtiger, je mehr Anforderungen an das „System Straße“ gestellt werden.

Die verschiedenen Bauweisen aller Anlagenteile sind vielfältigen Anforderungen ausgesetzt. Aufgrund der wachsenden Bedeutung der Netzverfügbarkeit ist der Einsatz von Bauweisen mit einer möglichst hohen wirtschaftlichen Nutzungsdauer unumgänglich. Die Priorisierung dieser Bauweisen ist insbesondere bei den kritischen Bestandteilen der Straßennetze eine wichtige Zukunftsaufgabe.

Die erforderliche Optimierung der Bauweisen betrifft natürlich auch die Erhaltung. Diese müssen effizient und schnell durchführbar sowie auf die möglichen Verkehrsführungen abgestimmt sein. Nicht nur die Bauweisen müssen sich weiterentwickeln, sondern auch die Konzepte zur Abwicklung des Verkehrs während der Bauzeit. Dies sind wesentliche Bestandteile des Arbeitsstellenmanagements, das neben der Vermeidung von Staus und Unfällen auch gewährleisten muss, dass Gefahren für die Arbeitskräfte vermieden werden.

Diese sehr komplexen Aufgabenstellungen müssen in einem systematischen Erhaltungsmanagement Berücksichtigung finden. Für diese Entscheidungsprozesse stehen bereits seit einigen Jahren verschiedene Analyseinstrumente zur Verfügung. Es ist jedoch bisher nur sehr eingeschränkt gelungen, die Datenbestände in einem einheitlichen Informationssystem zu integrieren. Auch die Verfügbarkeit und Qualität dieser Daten, die maßgeblich über die Aussagekraft der Ergebnisse und ihre Zuverlässigkeit entscheidet, müssen langfristig verbessert werden, um sie für die Planungs- und Managementprozesse der Straßeninfrastruktur nutzen zu können.

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: FGSV Arbeitspapier Nr. 9/S zur Erhaltungsplanung, Reihe S Substanzwert (Bestand), Ausgabe 2003, Köln (FGSV AP/ 9/S)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: FGSV Arbeitspapier Nr. 9/R zur Erhaltungsplanung, Reihe R Rechnergestützte Erhaltungsplanung für Fahrbahnbefestigungen, Ausgabe 2001, Köln (FGSV AP 9/R)

F r i e d e r i c h, H.: Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen im Brückenbau im Bundesfernstraßennetz. in: Stahlbau 87 (2018), Heft 6

G e i s t e f e l d t, J.; L o h o f f, J.: Stausimulationen auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen. Studie des Lehrstuhls für Verkehrswesen der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bau, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Bochum, 2011

M a e r s c h a l k, G.; K r a u s e, G.; H i n s c h, K.: FE-Projekt Nr. 21.0054/2012 Erhaltungsbedarfsprognose (BVWP) 2016 – 2030 der Bundesfernstraßen. München, 2016

M a e r s c h a l k, G.: Aufgabenorientierte und ganzheitliche Ermittlung des Erhaltungsbedarfs. in: Tagungsband Arbeitsgruppentagung Infrastrukturmanagement, Köln, 2013 (FGSV 002/108)

M a e r s c h a l k, G.; K r a u s e, G.: Erstanwendung der vorliegenden Algorithmen für die Erhaltungsplanung in ausgewählten Bauämtern. in: Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 878, 2004

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01), Ausgabe 2001, Köln (FGSV 488)

R i e g e l h u t h, G.: Baustelle mit Wechselverkehrsführung auf der A 3 in Hessen, Vortrag Kolloquium „Staustelle Baustelle“, März 2017

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Verkehr in Zahlen 2017/2018, Berlin, 2017