FGSV-Nr. FGSV 002/84
Ort Karlsruhe
Datum 27.09.2005
Titel Entscheidungskriterien für den Einsatz von Maßnahmen zur Staureduktion im Straßenbetriebsdienst
Autoren Rainer Hess
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

1 Einleitung

Zunehmender Personenverkehr und steigende Transportleistungen im Straßenverkehr bei derzeit stagnierenden Investitionen in die Straßeninfrastruktur führen in vielen Teilen des deutschen Autobahnnetzes zu einer hohen Verkehrsdichte. Schon heute werden 30 % der gesamten Fahrleistungen auf Autobahnen abgewickelt, deren Länge nur 5 % der Straßen für den überörtlichen Verkehr ausmacht [1]. Die zentrale Lage Deutschlands in einem wirtschaftlich zusammenwachsenden Europa und regionale Wanderungsbewegungen werden diese Konzentration des Verkehrs weiter verstärken. Ein vollständiger Verzicht auf Eingriffe in den Verkehrsraum für die betriebliche und bauliche Erhaltung von Straßen ist nicht möglich. Insbesondere Tätigkeiten der baulichen Erhaltung erfordern in der Regel Fahrstreifensperrungen. Aufgrund des Alters der deutschen Bundesautobahnen und einer Erhöhung der zulässigen Fahrzeuggewichte im Rahmen der Harmonisierung europäischer Regelungen wird dieser Erhaltungsbedarf noch zunehmen.

In der Folge wird eine steigende Auslastung der Fahrbahnen auf eine ebenfalls steigende Anzahl von Arbeitsstellen treffen. Damit wird es in Zukunft schwerer werden, die für Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten erforderlichen Arbeitsstellen kürzerer Dauer einzurichten, ohne dabei massive Störungen im Verkehrsablauf hervorzurufen. Vor diesem Hintergrund werden am Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) im Auftrag des Landes Baden-Württemberg [4], [6] und des Bundes [3] seit einigen Jahren Möglichkeiten für eine Begrenzung der Behinderungen an Arbeitsstellen untersucht.

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1  Einleitung

Zunehmender Personenverkehr und steigende Transportleistungen im Straßenverkehr bei derzeit stagnierenden Investitionen in die Straßeninfrastruktur führen in vielen Teilen des deutschen Autobahnnetzes zu einer hohen Verkehrsdichte. Schon heute werden 30 % der gesamten Fahrleistungen auf Autobahnen abgewickelt, deren Länge nur 5 % der Straßen für den überörtlichen Verkehr ausmacht [1]. Die zentrale Lage Deutschlands in einem wirtschaftlich zusammenwachsenden Europa und regionale Wanderungsbewegungen werden diese Konzentration des Verkehrs weiter verstärken. Ein vollständiger Verzicht auf Eingriffe in den Verkehrsraum für die betriebliche und bauliche Erhaltung von Straßen ist nicht möglich. Insbesondere Tätigkeiten der baulichen Erhaltung erfordern in der Regel Fahrstreifensperrungen. Aufgrund des Alters der deutschen Bundesautobahnen und einer Erhöhung der zulässigen Fahrzeuggewichte im Rahmen der Harmonisierung europäischer Regelungen wird dieser Erhaltungsbedarf noch zunehmen.

In der Folge wird eine steigende Auslastung der Fahrbahnen auf eine ebenfalls steigende Anzahl von Arbeitsstellen treffen. Damit wird es in Zukunft schwerer werden, die für Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten erforderlichen Arbeitsstellen kürzerer Dauer einzurichten, ohne dabei massive Störungen im Verkehrsablauf hervorzurufen. Vor diesem Hintergrund werden am Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) im Auftrag des Landes Baden-Württemberg [4], [6] und des Bundes [3] seit einigen Jahren Möglichkeiten für eine Begrenzung der Behinderungen an Arbeitsstellen untersucht.

2 Staureduktion

2.1 Bedeutung

Geringe Behinderungen infolge einer Begrenzung der zulässigen Geschwindigkeit in einer Arbeitsstelle lassen sich nicht ausschließen. Erfolgt durch die Arbeitsstelle eine so starke Einschränkung der Kapazität einer Fahrbahn, dass die Verkehrsnachfrage nicht mehr abgeführt werden kann, kommt es zu Stauungen des Verkehrs. Im Vergleich dazu werden Geschwindigkeitsbeschränkungen allenfalls als lästig empfunden. Untersuchungen lassen vermuten, dass etwa ein Viertel aller Verkehrsstaus auf deutschen Autobahnen auf Arbeitsstellen kürzerer Dauer zurückzuführen sind [2]. Die Quantifizierung der durch Arbeitsstellen verursachten Reisezeitverluste unterstreicht die Bedeutung der Thematik noch: Obwohl nur ein Viertel aller Arbeitsstellentage den Arbeitsstellen kürzerer Dauer zugerechnet werden können, verursachen diese mehr als die Hälfte aller Reisezeitverluste an Arbeitsstellen [7]. Ein Verkehrsstau hat neben den Reisezeitverlusten eine Vielzahl anderer negativer Auswirkungen auf

  • die Verkehrssicherheit,
  • die Wirtschaftlichkeit,
  • die Umweltverträglichkeit und
  • den Fahrkomfort.

Unterschiedliche Erhebungen zeigen, dass in Arbeitsstellen allgemein und besonders an Arbeitsstellen kürzerer Dauer die Unfallrate und die Unfallkostenrate ein Vielfaches der auf freier Strecke beträgt [2]. Es liegt auf der Hand, dass bei Auftreten eines Verkehrsstaus neben den zusätzlichen Reisezeiten bezogen auf die zurückgelegte Entfernung auch höhere Betriebskosten und Emissionen auftreten.

Nicht alle Tätigkeiten sind uneingeschränkt planbar. Aufgrund der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers gegenüber dem Verkehrsteilnehmer muss die Unfallabsicherung und Sicherung von verkehrsgefährdenden Fahrbahnschäden umgehend erfolgen. Darüber hinaus ist das dauerhafte Vorhalten von Arbeitsraum für Leistungen der betrieblichen und baulichen Erhaltung aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen. Folglich können Behinderungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Trotzdem erlauben Maßnahmen zur Staureduktion das Verfolgen bestimmter Prioritäten:

  • Vermeiden von Stau
  • Reduzieren von Stau
  • Informieren über Stau

2.2 Maßnahmen

Prinzipiell wird mit allen Maßnahmen eine Begrenzung der verkehrlichen Auswirkungen einer Arbeitsstelle kürzerer Dauer angestrebt. Anhand des organisatorischen Charakters lassen sich solche Maßnahmen zur Staureduktion in bauliche, betriebliche und verkehrliche Veränderungen einteilen. Bauliche Maßnahmen zielen auf die Verringerung des Unterhaltungsumfanges oder die Bereitstellung zusätzlichen Arbeitsraumes ab und erfordern in der Regel eine vorausschauende Entwurfsplanung oder nachträgliche Investitionen.

BetrieblicheMaßnahmengreifenindieOrganisationderArbeitsabläufeein.

Es sind

  • Verlegen von Tätigkeiten in verkehrsarme Zeiten,
  • Kombination von Tätigkeiten oder Arbeitsstellen
  • und Unterbrechen der Arbeiten

zu unterscheiden. Da verkehrsarme Zeiten am häufigsten in der Nacht zu finden sind, muss in diesem Zusammenhang die besondere Problemstellung der Arbeit bei Dunkelheit beachtet werden. Eine Untersuchung der Möglichkeiten und Auswirkungen solcher Maßnahmen im Einzelfall versprach einen deutlichen volkswirtschaftlichen Nutzen für die häufigere Anwendung [6]. Verkehrliche Maßnahmen bewirken eine Verbesserung des Verkehrsablaufs an der Arbeitsstelle und in der Folge eine Erhöhung der realisierbaren Verkehrsstärke im Engpass. Hier sind

  • Absichern mit Verschwenkung und
  • Mitbenutzen des Standstreifens

zu nennen. Die Potenziale einer Absicherung mit Verschwenkung, die einem systematischen Linkseinzug analog der Dauerbaustellen entspricht, hängen stark von der Steigung im Verflechtungsbereich und der Zusammensetzung der Verkehrsnachfrage ab [4]. Eine Mitbenutzung des Standstreifens ist bereits im Regelwerk verankert [9], auch wenn insbesondere über die erreichbaren Verkehrstärken infolge unterschiedlicher Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmern noch Unklarheit herrscht.

2.3 Anwendung

Die Anwendung der vorgestellten Maßnahmen im Regelbetrieb einer Meisterei erfordert bestimmte organisatorische Rahmenbedingungen und zusätzliche technische Ausstattungen. Die Erfolgsaussichten und die Wirtschaftlichkeit hängen dabei entscheidend von den baulichen und verkehrlichen Voraussetzungen im betreuten Streckennetz ab. Bei einem Einsatz im Regelbetrieb entfalten einige Maßnahmen zur Staureduktion Wechselwirkungen, deren Folge zusätzliche Kosten über den im Einzelfall ermittelten Mehraufwand hinaus sein können. Für einen Einsatz im Regelbetrieb sind deshalb eine Reihe von Entscheidungskriterien abzuwägen, um mit den eingesetzten Mitteln ein optimales Ergebnis zu erzielen.

3 Entscheidungskriterien

3.1 Interne Rahmenbedingungen

Eine weitgehende Vermeidung von Stauungen kann in stark ausgelasteten Netzen häufig nur durch ein Verlegen der Tätigkeiten erzielt werden. Wenn dabei die nutzbaren Zeitfenster für staufreies Arbeiten außerhalb der regulären Arbeitszeiten liegen, tritt ein Konflikt mit den geltenden Arbeitszeitvereinbarungen auf. Folglich bestimmt deren Flexibilität den Rahmen des zeitlichen Verlegens von Tätigkeiten. Analog gilt dies auch für die vertraglichen Vereinbarungen mit Fremdfirmen, welche vor diesem Hintergrund einen Einfluss auf die verkehrsrechtlichen Anordnungen für ihre Arbeitsstellen ausüben können. Neben diesen Rahmenbedingungen werden auch bei einer ausreichenden Flexibilität die Personaleinteilung und der Zeitausgleich zu einer komplexen Aufgabe:

  • Insbesondere aufgrund saisonaler Bedingungen muss eine sinnvolle Aufteilung des erforderlichen Leistungsumfanges auf die verfügbaren Zeitfenster erfolgen.
  • In allen Schichten muss eine ausreichende Anzahl von Personen mit Führerschein oder anderen speziellen Kenntnissen eingeteilt sein.
  • Überproportional zu gewährender Zeitausgleich bewirkt bei einer Anwendung von Schichtarbeit im Regelbetrieb faktisch eine Reduktion des verfügbaren Personals.

Insbesondere in Ballungsräumen finden sich verkehrsarme Zeiten häufig ausschließlich in der Nacht. Nicht nur aus gesundheitlichen und sozialen Gründen müssen für die Arbeit bei Dunkelheit besondere Vorkehrungen getroffen werden. Das bei allen Menschen in der Nacht auftretende physiologische Leistungstief hat direkte Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit und die Verkehrssicherheit in Arbeitsstellen bei Dunkelheit [2], [3]. Deshalb ist für eine adäquate Beleuchtung des Arbeitsraumes ebenso zu sorgen wie für eine zusätzliche Sicherung entsprechender Arbeitsstellen [8], [11]. Für eine Absicherung mit Verschwenkung ist gegenüber den Vorgaben des deutschen Regelwerkes [9] eine zusätzliche Absperrtafel mit Zugfahrzeug erforderlich [4]. Es kann also direkte Folge der Anwendung bestimmter Maßnahmen zur Staureduktion sein, dass zusätzliche Geräte oder Fahrzeuge an einer Arbeitsstelle eingesetzt werden müssen. Deren Verfügbarkeit stellt eine weitere interne Rahmenbedingung dar. Auch wenn ein Schichtbetrieb zunächst eine bessere Auslastung der Fahrzeuge erwarten lässt, kann die mögliche Anzahl der gleichzeitig eingerichteten Arbeitsstellen durch derartige Anforderungen begrenzt sein.

3.2 Externe Rahmenbedingungen

Entscheidenden und für die einzelne Meisterei nicht steuerbaren Einfluss auf Aufwand und Erfolg der Stauvermeidung haben die externen Rahmenbedingungen aus den Strecken- und Verkehrsverhältnissen. Die Größenordnung der unproduktiven Warte- und Fahrzeiten bei Anwendung der Maßnahme Arbeitsunterbrechung hängt zum Beispiel von der Lage der Rastanlagen und Betriebsumfahrten im Streckennetz ab. Am wichtigsten ist die Existenz eines hinsichtlich Geometrie und Tragfähigkeit ausreichend bemessenen Standstreifens. Dieser kann

  • bei Arbeiten am rechten Fahrbahnrand als Arbeitsraum und
  • bei Arbeiten am linken Fahrbahnrand als zusätzlicher Verkehrsraum

dienen. In der Folge muss eine Reduktion der Fahrstreifen nur noch für Arbeiten auf der Fahrbahn selbst vorgenommen werden. Damit reduziert sich die Zahl der Eingriffe in den Verkehrsraum erheblich und die Stauvermeidung erfolgt aus Sicht des Betriebsdienstes kostenneutral. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann sich in Abhängigkeit der Auslastung einer Fahrbahn auch der nachträgliche Anbau eines Standstreifens lohnen.

Der grundsätzliche Bedarf für Anstrengungen zur Stauvermeidung hängt direkt mit dem Ausbauzustand des betreuten Streckennetzes zusammen. Sofern es innerhalb der regulären Arbeitszeiten eine ausreichende Anzahl von Stunden zur staufreien Ausführung von Tätigkeiten im Verkehrsraum gibt, die Auslastung der Fahrbahn also nicht zu hoch ist, kann eine vollständige Stauvermeidung an allen planbaren Arbeitsstellen kürzerer Dauer nahezu kostenneutral erzielt werden. Dafür können Hilfsmittel für

  • die Prognose des Verkehrsablaufs und
  • die Planung der Arbeiten und Arbeitsstellen

Vorteile bieten. In beiden Bereichen würden weitere Entwicklungen einen direkten Nutzen für den Straßenbaulastträger entfalten. Die hierdurch vermeidbaren zusätzlichen Betriebskosten stellen ein konkretes Einsparpotenzial dar.

3.3 Wirkungspotenzial

In Abhängigkeit der Rahmenbedingungen aus Strecken- und Verkehrsverhältnissen sowie des Arbeitsumfanges unterscheidet sich die Größenordnung der vermeidbaren Zeitverluste im Einzelfall. Für die subjektive Wahrnehmung des Verkehrsteilnehmers zählt vor allem die eigene Fahrgeschwindigkeit. Deshalb kann das Potenzial der verschiedenen Maßnahmen am besten über den Anteil der vermeidbaren Zeitverluste abgeschätzt werden (Bild 1). Die angegebenen Anteile stellen nach Relevanz – Häufigkeit der Arbeitsstellenlage, Streckenlänge und Verkehrsverhältnissen aus Ganglinientyp und durchschnittlicher täglicher Verkehrsstärke – gewichtete Mittelwerte dar.

Bild 1: Anteil der im Mittel vermeidbaren Zeitverluste nach Maßnahmen [7]

Nahezu vollständige Vermeidung von Reisezeitverlusten erlaubt die Nachtarbeit. Nur „nahezu“, weil die Fahrer von Fahrzeugen unter 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht in diesen Fällen immer noch von der Geschwindigkeitsbeschränkung betroffen sind und es einige wenige Strecken im deutschen Autobahnnetz gibt, auf denen auch Nachtarbeit Stau verursacht. Bei der Standstreifenmitbenutzung übt die Akzeptanz der Maßnahme durch den Verkehrsteilnehmer starken Einfluss auf die Größenordnung der vermeidbaren Zeitverluste aus. Die angegebenen Werte zeigen die Spanne zwischen durchschnittlicher und hoher Akzeptanz. Würde man im Rahmen der Standstreifenmitbenutzung auch die Verschwenkung von drei Fahrstreifen zulassen, so würde sich der obere Wert auf 98,7 % erhöhen. Deutlich geringere vermeidbare Zeitverluste sind durch die anderen Maßnahmen erreichbar. So halbiert die Maßnahme Kombination von Arbeitsstellen erwartungsgemäß die Zeitverluste. Ein Verlegen der Tätigkeiten innerhalb der regulären Arbeitszeit wird nicht immer zur Stauvermeidung führen können, genauso wenig wie das die Maßnahmen Arbeitsunterbrechung und Absicherung mit Verschwenkung erlauben. Für eine Arbeitsunterbrechung gelten unterschiedliche Takte bezüglich der Arbeits- und Pausendauern, die für die spezifischen Verhältnisse optimiert werden müssen. Insofern kann auch hier nur eine Spanne angegeben werden. Da die berechneten Anteilswerte auf die Streckenlänge bezogene Mittelwerte über die im deutschen Autobahnnetz vorherrschenden Strecken- und Verkehrsbedingungen sind, ist vor dem Hintergrund der gesetzten Prioritäten bei den meisten Maßnahmen im Einzelfall zu prüfen, ob eine Anwendung zielführend ist. Unter Umständen bleibt der Verkehrsteilnehmer trotz der Anstrengung des Straßenbaulastträgers unzufrieden, weil es nach wie vor zu Stauungen an den Arbeitsstellen kürzerer Dauer kommt. Eine Rechtfertigung von Mehrausgaben gegenüber den vorgesetzten Behörden ist daher leichter über Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen als über die absolute Wirksamkeit möglich.

3.4 Wirtschaftlichkeit

In Anlehnung an die EWS [5] erfolgt deshalb die Berechnung von Nutzen/Kosten-Verhältnissen für den Einsatz der Maßnahmen zu Staureduktion. Hierbei bestätigen sich auch bei einer netzweiten Anwendung die früheren Untersuchungen [4], [6] zur Anwendung im Einzelfall. Die im Mittel über die Bundesautobahnen erreichbaren Nutzen/Kosten- Verhältnisse der Maßnahmen sind mindestens zweistellig. Für die 5 % am stärksten ausgelasteten Strecken des deutschen Autobahnnetzes steigen sie auf drei- bis vierstellige Werte. Auch unter Berücksichtigung der für eine solche Hochrechnung erforderlichen vielfältigen Annahmen zeigt sich, dass die Nutzen/Kosten-Verhältnisse ausreichend hoch sind. Das enthebt allerdings nicht von der Verpflichtung, den Bedarf für Maßnahmen in nicht so stark ausgelasteten Streckennetzen im Einzelfall zu prüfen. Wenn es keinen Stau zu vermeiden gibt, kann auch kein Nutzen erzielt werden.

4 Ergebnisse

4.1 Hochrechnung für Beispielnetz

Damit die vorgestellten Ergebnisse nicht ganz abstrakt bleiben, erfolgt unter einer Reihe von Annahmen eine Hochrechnung der Kosten und Nutzen für ein Beispielnetz. Es handelt sich um das Streckennetz der ehemaligen Straßenbauverwaltung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, das etwas mehr als 1.000 km Autobahnen umfasst (heute: Teil des Landesbetriebes Straßenbau NRW). Grundlage der Hochrechnung sind die im Kalenderjahr 2000 durchgeführten Arbeitsstellen (Bild 2).

Bild 2: Hochrechnung von Kosten und Nutzen für ein Beispielnetz

Das Entscheidungsszenario enthält die folgenden Vorgaben: Soweit möglich, wird Standstreifenmitbenutzung angewendet. Auf dreistreifigen Richtungsfahrbahnen wird bei der Sperrung von zwei Fahrstreifen zusätzlich noch der Berufsverkehr gemieden. Alle anderen Arbeitsstellen werden in die Nacht verlegt. Es wird weiter angenommen, dass

  • 80 % der Arbeitsstellen planbar waren,
  • die Dauer einer Arbeitsstelle im Mittel fünf Stunden betrug
  • die Mehrkosten einer Maßnahme im Mittel einer Musterbaustelle entsprechen und
  • alle Arbeitsstellen einen Stau verursacht haben.

Daraus hätten sich für den Straßenbaulastträger im Jahr 2000 Mehrkosten in Höhe von fast acht Millionen Euro ergeben [3]. Auf der Nutzenseite wird angenommen, dass das vorgestellte Entscheidungsszenario tatsächlich in der Lage war, alle Stauungen an den planbaren Arbeitsstellen zu unterbinden. Die vermiedenen Zeitverluste werden anhand der im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung verwendeten Kostensätze monetarisiert und addiert. In der Summe hätten im Jahr 2000 so über 55 Millionen Euro Staukosten vermieden werden können [7]. Daraus lässt sich ein Nutzen/Kosten-Verhältnis von sieben zu eins errechnen.

4.2 Übertragung der Ergebnisse

Bei einer Übertragung des Vorgehens auf andere Streckennetze sind die dargestellten Randbedingungen und Potenziale zu optimieren. Die verschiedenen Entscheidungskriterien lassen sich anhand der folgenden Fragen gliedern:

  • Was ist Ziel? Zuerst muss die Auslastung des betreuten Streckennetzes betrachtet werden. Es ist zu prüfen, ob die Stauvermeidung an Arbeitsstellen überhaupt eine strategische Priorität erlangen muss.
  • Was ist nötig? Sofern eine aktive Stauvermeidung betrieben werden soll, muss in Abhängigkeit der Strecken- und Verkehrsverhältnisse der Umfang der erforderlichen Maßnahmen bestimmt werden.
  • Was ist möglich? Unter Berücksichtigung der personellen und materiellen Ausstattung einer Meisterei sind die vorgesehenen Maßnahmen zur Staureduktion zu optimieren. Bei Bedarf sind Änderungen an der Arbeitsorganisation vorzunehmen.
  • Was kostet das? In stark ausgelasteten Netzen ist eine Stauvermeidung nicht kostenneutral umsetzbar. Dann müssen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen die Basis für die Diskussion über eine Refinanzierung des Mehraufwandes bilden.

Die Antworten auf diese Fragen werden von Meisterei zu Meisterei verschieden ausfallen. In den Ergebnissen der dargestellten Untersuchung [3] finden sich die benötigten Komponenten.

5 Ausblick

An den Ergebnissen der Hochrechnung wird deutlich, dass ein erhebliches Potenzial zur Stauvermeidung auch bei einer netzweiten Anwendung von Maßnahmen zur Staureduktion mit vergleichsweise geringen Mehrkosten aktiviert werden kann. Weitere Optimierungen können diese Mehrkosten noch senken und damit die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Vor dem Hintergrund der erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen ist eine Diskussion über die Deckung der für den Straßenbaulastträger tatsächlich entstehenden Mehrkosten zu führen. Hierbei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass die naheliegende Nachtarbeit erst nach einer Optimierung der Möglichkeiten während des Tages zur Anwendung kommt und dass sie weder auf Kosten der Arbeitssicherheit noch auf Kosten der Verkehrssicherheit gehen darf.

Es ist klar, dass trotz aller Anstrengungen nie alle Stauungen an Arbeitsstellen vermieden werden können. Nicht zuletzt wegen der entscheidenden Bedeutung einer funktionierenden Infrastruktur für die ganze Gesellschaft sollten aber zumindest alle planbaren Arbeitsstellen kürzerer Dauer so eingerichtet werden, dass sie über die Dauer ihres Bestehens staufrei bleiben. Für das Image des Betriebsdienstes ist es allemal besser zu sagen: Wir können das, brauchen dafür aber diese oder jene Unterstützung.

6 Literaturverzeichnis

  1. BUNDESMINISTERIUM FÜR    VERKEHR,    BAU-    UND    WOHNUNGSWESEN (BMVBW) (2005): Verkehr in Zahlen 2004/2005, Berlin
  2. DURTH, W., KLOTZ, S., STÖCKERT, R. (1999): Sicherheit und Wirtschaftlichkeit von Arbeitsstellen kürzerer Dauer („Tagesbaustellen“) auf Bundesautobahnen, FE 03.285/1995/FR, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach
  3. HESS, R., NORKAUER, A., OTTO, J. C., ROOS, R., ZACKOR, H., ZIMMERMANN, (2005): Empfehlungen zur Planung und Organisation von Arbeitsstellen kürzerer Dauer an Bundesautobahnen, FE 03.362/2003/LGB, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach
  4. HESS, R., KLEIN, A., NORKAUER, A. (2004): Arbeitsstellen kürzerer Dauer in Baden-Württemberg – Modifizierte Absicherung, Straßenverkehrstechnik 48 (4), 173-182
  5. EWS (1997): Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen (EWS), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln
  6. KLEIN, A., NORKAUER, A. (2004): Arbeitsstellen kürzerer Dauer in Baden- Württemberg – Maßnahmen zur Staureduktion, Straßenverkehrstechnik 48 (4), 183-190
  7. OBER-SUNDERMEIER, A., OTTO, J. C., ZACKOR, H. (2003): Quantifizierung staubedingter Reisezeitverluste auf Bundesautobahnen – Störungsursache: Arbeitsstellen, FE 01.153/2000/CRB, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach
  8. PORTUNÉ, R. (2004):  Psychische Belastungen  im  Straßenbetriebsdienst, Verband deutscher Straßenwärter, Donar-Verlag, Köln
  9. RSA (1995): Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA), Bundesministerium für Verkehr (BMV), Bonn
  10. RStO (2001):    Richtlinien    für    die    Standardisierung    des    Oberbaus    von Verkehrsflächen (RStO), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln
  11. STEINAUER, B., BAUR, O., BAIER, M. M., KEMPER; D., MEYER, A. (2004): Einsatz neuer Methoden zur Sicherung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Heft V 118, Bergisch Gladbach