FGSV-Nr. FGSV 002/119
Ort Bergisch Gladbach
Datum 29.03.2017
Titel Erste Ergebnisse der Feldstudie Grobstaub-Partikel an Bundesautobahnen
Autoren Volker Dietze, Jan Sauer, Frank Sommer, Dr. Anja Baum, Christoph Maschowski, Dr. Peter Stille, Prof. Dr. Reto Gieré, Uwe Kaminski
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Anfang 2013 begann ein gemeinschaftliches Projekt des Deutschen Wetterdienstes und der Bundesanstalt für Straßenwesen, um die vorhergesagte Zunahme verkehrsbedingter Abriebpartikel zu bewerten und ein langfristiges Monitoring für Grobstaub zu initiieren. Die Partikelproben wurden mit der Passivsammlertechnik Sigma-2 durchgeführt. Die anschließende Einzelpartikelanalyse ermöglicht die Berechnung von PM-Massenkonzentrationen und liefert zusätzlich Merkmale der PM-Größenverteilung. Als Versuchsstandorte wurden zwei Bundesautobahnen in der Nähe von Köln ausgewählt und der experimentelle Aufbau im Feld beidseits der zu untersuchenden Autobahnabschnitte realisiert.

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Zusammenfassung:

Anfang 2013 begann ein gemeinschaftliches Projekt des Deutschen Wetterdienstes und der Bundesanstalt für Straßenwesen, um die vorhergesagte Zunahme verkehrsbedingter Abriebpartikel zu bewerten und ein langfristiges Monitoring für Grobstaub zu initiieren. Die Partikelproben wurden mit der Passivsammlertechnik Sigma-2 durchgeführt. Die anschließende Einzelpartikelanalyse ermöglicht die Berechnung von PM-Massenkonzentrationen und liefert zusätzlich Merkmale der PM-Größenverteilung. Als Versuchsstandorte wurden zwei Bundesautobahnen in der Nähe von Köln ausgewählt und der experimentelle Aufbau im Feld beidseits der zu untersuchenden Autobahnabschnitte realisiert.

Hintergrund:

Basierend auf der Annahme, dass es in naher Zukunft zu keiner zusätzlichen Reduktion von Partikelemissionen kommen wird, prognostiziert der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) eine allgemeine Abnahme der Luftqualität. In der jüngsten Vergangenheit wurden europäische Umweltvorschriften erlassen, um die Abgaspartikelemissionen des Straßenverkehrs zu reduzieren, es wurde jedoch wenig Aufmerksamkeit auf die Verringerung der Emissionen von groben Partikeln durch den Verkehr gelegt. Die Autoren einer Studie weisen darauf hin, dass in Mitteleuropa der Anteil verkehrsbedingter Abriebpartikel (z.B. Straßenbeläge, Reifen, Bremsen und Kupplungen) in der PM10 Staubfraktion an verkehrsnahen Standorten um 80 bis 90% bis zum Ende der laufenden Dekade steigen kann [1]. Das Monitoring und die Charakterisierung von Staubpartikeln (PM) ist ein wichtiges Forschungsgebiet, da hohe PM-Konzentrationen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben [2]. Des Weiteren führen hohe PM-Belastungen zu negativen ökologischen und verkehrstechnischen Auswirkungen (z.B. Grundwasserverschmutzung, Materialschäden und Sichtverringerung) [3,4].

Einleitung:

Grob- und Feinstaubpartikel in der Luft sind in den meisten Ballungsgebieten weltweit ein bedeutendes Umweltproblem. Der Straßenverkehr wird in naher Zukunft als PM-Quelle an Bedeutung gewinnen, da sowohl der prognostizierte Pkw- (sowie leichte Nutzfahrzeuge, LNF) als auch der Lkw-Verkehr (Schwerlastfahrzeuge, SV) weiter zunehmen wird [5]. Die Partikelemissionen aus dem Straßenverkehr basieren nicht ausschließlich auf Verbrennungsprozessen, sie enthalten auch Abriebpartikel, die durch Abnutzung von Bremsen, Reifen, Kupplungen und Fahrbahn erzeugt werden. Darüber hinaus können Korrosion von Fahrwerk, Karosserie und anderen Fahrzeugkomponenten sowie Verwitterung von Verkehrsinfrastrukturen zu Abriebpartikeln in der Luft beitragen [6]. Aufgrund technischer Verbesserungen wie Partikelfilter für Dieselmotoren werden die Emissionen von Abgaspartikeln bis voraussichtlich 2020 sinken, die Abriebpartikel jedoch in Zukunft eine Herausforderung bleiben [7]. Während die Abgasemissionen im Mittelpunkt der europäischen Umweltvorschriften stehen, stoßen die Emissionen der Abriebpartikel aus dem Straßenverkehr auf wenig Aufmerksamkeit [8]. Entsprechend der Notwendigkeit einer detaillierteren Untersuchung dieser Partikel, haben der Deutsche Wetterdienst (DWD) und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), in Zusammenarbeit mit den Universitäten Straßburg, Freiburg und Pennsylvania, im Jahr 2013 ein Langzeit-Monitoring-Programm für die Partikelprobenahme und -analyse an hoch frequentierten Bundesautobahnen in Deutschland gestartet. Ziel dieses Projektes ist die Messung und Überwachung des Beitrags von groben Abriebpartikeln im Hinblick auf die Gesamtverkehrsemission. Darüber hinaus untersucht die Studie mögliche Auswirkungen meteorologischer Bedingungen im Rahmen der projizierten zukünftigen Klimaszenarien (globale Erwärmung). Im Vortrag werden die Ergebnisse aus dem ersten Jahr der Langzeit-Monitoring-Studie vorgestellt. Dazu zählen die Probenahme und Charakterisierung von PM der In-situ-Studie und die Analyse möglicher Korrelationen mit meteorologischen Daten sowie dem Vergleich der erhobenen Daten mit Labormessungen unter kontrollierten Bedingungen. Wichtige Teilanalysen sind zum jetzigen Zeitpunkt (2016) noch nicht abgeschlossen und dementsprechend nicht in diesem Script enthalten.

Probenahme:

Für die vorliegende Studie wurden zwei unterschiedliche Standorte an den Bundesautobahnen A 555 und A 4 ausgewählt. Die ca. 17 km südlich von Köln und ca. 2 km westlich des Rheins gelegene Probenahmestelle an der BAB A 555 repräsentiert eine hoch frequentierte, nord-südlich ausgerichtete Autobahn. Der Autobahnabschnitt ist umgeben von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Passivsammler sind an dieser Stelle einer freien, weitgehend ungestörten Anströmung ausgesetzt. Auf jeder Seite der Autobahn (Luv und Lee) wurde in einer Höhe von ca. 1,5 m und mit einer Entfernung von ca. 4,6 m von der äußeren Fahrspur entfernt ein Passivsammler installiert (Abb. 1). Die Probenahmestelle an der BAB A 4 liegt ca. 6 km östlich von Köln in unmittelbarer Nähe des Autobahnkreuzes Köln-Gremberg und weist Verkehrsverhältnisse auf, die sich deutlich von denen der BAB A 555 unterscheiden. Die BAB A 4 zeichnet sich an dieser Stelle durch erhöhten Berufs- und Pendlerverkehr aus, der in regelmäßigen Abständen "stop-and-go"-Bedingungen verursacht. In der Nähe der Probenahmestelle befinden sich Industrie- und Wohngebäude. Beide Seiten der Autobahn sind durch ca. 5 m hohe und mit Vegetation bedeckte Straßenwälle gekennzeichnet. Der dadurch erzeugte Straßenschlucht-Effekt führt zu einer gestörten Anströmung an der Probenahmestelle. Die Sammler-Standorte befinden sich auf der Nord- und Südseite der ost-westlich ausgerichteten Autobahn innerhalb dieser Straßenschlucht auf ca. 1,5 m Höhe und mit einer Entfernung von ca. 4 m von der äußeren Fahrspur (Abb. 2).

Tabelle 1. Verkehrsdaten der beiden Bundesautobahnen A 555 und A 4 (2013)

Die PM-Probenahme wurde mit Hilfe der kostengünstigen Passivsammlertech nik Sigma-2 durchgeführt. Das Design der Sigma-2-Vorrichtung schützt die Partikelprobenahme vor direkter Sonneneinstrahlung, Wind und Niederschlag [9]. Die Staubpartikel werden auf einer transparenten Klebstofffolie gesammelt, die während des Routinebetriebes für sieben Tage ausgelegt wird. Die Akzeptorfläche eignet sich besonders für die anschließende optische Einzelteilchenanalyse mittels Durchlichtmikroskopie (TLM) sowie für eine individuelle Partikelanalyse mittels Rasterelektronenmikroskopie (SEM), die in Kombination mit einer Röntgenspektroskopie durchgeführt wurde. Meteorologische Faktoren haben einen signifikanten Einfluss auf die PM-Konzentrationen, daher wurden für diese Studie meteorologische Daten (z.B. Temperatur, Niederschlag) der DWD-Wetterstation am nahegelegenen Kölner Flughafen hinzugezogen. Die Station befindet sich ca. 10 km östlich von der Probenahmestelle an der BAB A 555 und 8 km südlich der Probenahmestelle an der BAB A 4. Um die Interpretation der PM-Messungen zu verbessern und mögliche Korrelationen mit unterschiedlichen atmosphärischen Mischungsbedingungen zu evaluieren, wurden sogenannte „Grosswetterlagen“ (GWL) mit einbezogen. Das operative numerische Wetteranalysesystem des DWD lieferte hierfür die meteorologische Datenbasis. Der Zeitraum für die vorliegende Studie umfasst 51 Wochen, Mai 2013 bis Mai 2014.

Ergebnisse:

Die für die 2,5 bis 80 μm große PM-Fraktion von opaken, transparenten und Gesamtpartikeln berechneten PM-Größenverteilungen ergaben ein Muster, das den unterschiedlichen Verlauf der Partikelemission im Jahreszyklus an den beiden Bundesautobahnen widerspiegelt. Die wichtigsten Einflussgrößen für grobe PM-Emissionen sind die Verkehrsstärke, die Verkehrszusammensetzung (Verhältnis von Personenkraftwagen zu Schwerlastverkehr) und das Fahrverhalten („stop-and-go“ Modus gegenüber flüssigem Verkehr) sowie die lokale Topographie. Darüber hinaus bieten die meteorologischen Parameter Temperatur, Niederschlag und die GWL eine Vielzahl von Variablen, die einen interaktiven Einfluss auf die PM-Konzentration im Laufe des Jahres haben.

Hinsichtlich des Einflusses der Lufttemperatur stimmen die Ergebnisse unserer Feldmessungen an den beiden untersuchten Autobahnen gut mit früheren Labormessungen überein. Der Einfluss des Niederschlages auf die PM-Belastung an beiden Autobahnabschnitten ist ausgeprägter als der der Temperatur. Insgesamt ist der Einfluss auf die Größenfraktion 10-80 μm deutlich höher als der Einfluss auf die Größenfraktion 2,5-10 μm. Aufgrund der unterschiedlichen Geländebedingungen sind die Korrelationen zwischen Partikelkonzentration und Niederschlag für die BAB A4 schwächer als für die BAB A 555. Die Klassifizierung der dominanten Wetterlagen innerhalb der siebentägigen Probenahme erlaubt die Berechnung von Immissions-Windrosen für die unterschiedlichen Probenahmestellen. Das offene Gelände an der BAB A 555 ermöglicht ungestörte Anströmungsverhältnisse mit einem deutlichen und typischen Muster von PM-Konzentrationen. Im Gegensatz dazu werden die PM-Konzentrationen an der BAB A 4 hauptsächlich durch mikrometeorologische Faktoren gesteuert, die durch die umschließenden Straßenwälle (z.B. Lee- und Luveffekte einer Straßenschlucht) verursacht werden. Die verminderte natürliche Belüftung und die höheren SV-Werte (Tabelle 1) sind die dominierenden Gründe für die an dieser Stelle gemessenen hohen PM-Konzentrationen.

Die allgemeine Schlussfolgerung für unsere einjährige Grobstaub-Studie ist, dass auch bei einer relativ geringen zeitlichen Auflösung (siebentägige Expositionsdauer), die Ergebnisse der saisonalen Partikelgrößenverteilungen die typischen PM-Immissionen an den zwei unterschiedlichen Autobahnen widerspiegeln. Selbst bei der geringeren Sammeleffizienz und der längeren Probenahmedauer im Vergleich zu aktiven Probenahmeverfahren hat sich die angewandte passive Probenahmetechnik bei der einjährigen Pilotstudie an stark frequentierten Autobahnen in Deutschland bewährt. Die automatisierte TLM-Analyse zur individuellen Partikelcharakterisierung erwies sich als leistungsfähiges Werkzeug für Grobstaub-Messungen. Um die projizierte Zunahme von Abriebpartikeln aus dem Straßenverkehr im Rahmen von zukünftigen Klimaszenarien (z.B. erhöhte Anzahl und Intensität von Trockenperioden) zu untersuchen, wird das gemeinschaftliche Projekt zwischen dem DWD und der BASt fortgeführt.

Abb. 1: (a) Probenahmestandort BAB A 555 (Kartengrundlage: BISStra), (b) Passivsammler Sigma-2 Fahrtrichtung Bonn, (c) Passivsammler Sigma-2 Fahrtrichtung Köln.

Abb. 2: (a) Probenahmestandort BAB A 4 (Kartengrundlage: BISStra), (b) Passivsammler Sigma-2 Fahrtrichtung Olpe, (c) Passivsammler Sigma-2 Fahrtrichtung Köln

Literatur:

[1]   Rexeis, M., Hausberger, S. 2009. Trend of vehicle emission levels until 2020 – Prognosis based on current vehicle measurements and future emission legislation”: Atmospheric Environment 43, 4689–4698.

[2]   Gerking S, Dickie M, Veronesi M. 2014. Valuation of human health: an integrated model of willingness to pay for mortality and morbidity risk reductions. Journal of Environmental Economics and Management 68:20-45.

[3]    Gordon T, Chen LC, Ito K, Lippmann M. 2012. EPA Final Report: Comparative Toxicity of Coarse Particles.

[4]   Councell TB, Duckenfield K, Landa ER, Callender E. 2004. Tire-Wear Particles as a Source of Zinc to the Environment. Environmental Science and Technology 38, 4206-4214.

[5]   Rommerskirchen S, Anders N, Schlesinger M, Strassburg S. 2012. Referenzszenario zu den Einsparpotenzialen der Treibhausgas(THG)-Emissionen und des Endenergieverbrauchs im Verkehrsbereich für die Zeithorizonte 2020 und 2050. I. A. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

[6]    ChemRisk Inc. 2008. DIK Inc. State of knowledge report for tire materials and tire wear particles.

[7]    Harrison RM, Jones AM, Gietl J, Yin J, Green DC. 2012. Estimation of the contributions of brake dust, tire wear, and resuspension to nonexhaust traffic particles derived from atmospheric measurements. Environmental Science and Technology 46(12):6523–6529.

[8]   Thorpe A, Harrison RM. 2008. Sources and properties of non-exhaust particulate matter from road traffic: a review. Science of the Total Environment 400(1-3):270–282

[9]   VDI 2119. 2013. Ambient air measurements sampling of atmospheric particles > 2.5 µm on an acceptor surface using the Sigma-2 passive sampler. Characterization by optical microscopy and calculation of number settling rate and mass concentration. ICS: 13.040.01. Beuth Verlag, Berlin.