FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Steuerung von Lichtsignalanlagen auf der Basis von Fahrzeuginformationen – Umsetzung und Feldtests
Autoren Dr. Robert Oertel, Dr. Jakob Erdmann, Dr. Tobias Hesse, Anja Mann, Robert Markowski, Jan Trumpold, Prof. Peter Wagner
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Im Rahmen des Forschungsprojektes VITAL wurden zwei neuartige Steuerungsverfahren (verlustzeitbasiert und kooperativ) für Lichtsignalanlagen (LSA) erstmalig an zwei Testknoten in Halle (Saale) und Braunschweig praktisch umgesetzt und validiert. Die beiden Steuerungsverfahren wurden vorab mit einer Verkehrsflusssimulation bewertet und im DLReigenen LSA-Labor für die Integration im Feld vorbereitet. Anschließend wurden an den Knotenpunkten die technischen Voraussetzungen für die praktische Erprobung geschaffen. Im Rahmen von mehrwöchigen Testläufen wurden die neuartigen Verfahren dann zur Steuerung aktiviert. Die dabei erhobenen Messdaten zeigen, dass die beiden Verfahren zumindest nicht schlechter abschneiden als die derzeit dort existierenden verkehrsabhängigen Steuerungen und einen positiven Einfluss auf den Verkehrsablauf haben können.

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1 Einführung

Verfahren zur Steuerung von Lichtsignalanlagen (LSA) haben einen wichtigen Einfluss auf die Qualität, die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit des Verkehrsablaufs innerhalb eines Straßennetzwerks. Mit Hinblick auf eine Optimierung dieser und ähnlicher Parameter kommt eine Vielzahl verschiedener Steuerungsansätze zur Anwendung, die sich in Aufbau und Komplexität voneinander unterscheiden. Diese Ansätze reichen von klassischen Festzeitsteuerungen [1], über verkehrsabhängig regelbasierte Verfahren, hin zu modellbasierten Steuerungen [2], [3], [4], bis zu dezentral selbstorganisierten Verfahren [5], um nur einige wenige zu nennen. Neue Methoden zur Verkehrsdatenerfassung, wie z.B. Videodetektion, Floating Car Ansätze oder drahtlose Erfassungstechnologien eröffnen in diesem Zusammenhang weitere Möglichkeiten für neuartige LSA-Steuerungsansätze. Vor diesem Hintergrund sind gerade die Daten aus der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) für die LSA-Steuerung von großem Interesse. Die Fahrzeuge stehen dabei im direkten Austausch mit der LSA und können sowohl Daten an die Anlage übertragen, als auch Informationen von dieser empfangen. Damit werden die Fahrzeuge mit ihren Trajektorien und den daraus ableitbaren Kenngrößen zu autonomen und vielfach redundanten Detektoren für die LSA. Zu den aus den Trajektorien ableitbaren Kenngrößen zählen dabei z.B. individuelle Reisezeiten, Verlustzeiten oder auch Annäherungsgeschwindigkeiten in den Zufahrten zu einem Knotenpunkt. Diese zeit- und wegkontinuierlichen Kenngrößen waren mit klassischen, ortsfesten Detektionsansätzen bisher nur unter großem Aufwand erfassbar, weshalb sie bisher kaum zur lokalen, regelbasierten LSA-Steuerung zur Anwendung kamen.

Basierend auf diesem technischen Trend der Vernetzung der Fahrzeuge mit den Anlagen, wurden nun zwei neuartige LSA-Steuerungsverfahren entwickelt, die eben diese grundsätzlich aus der C2I-Kommunikation ableitbaren Kenngrößen als Eingangsgrößen für ihre Steuerungsentscheidungen nutzen. Diese neuartigen LSA-Steuerungsverfahren und ihre Funktionsweisen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, bevor deren schrittweise Umsetzung und Erprobung im Feld, sowie die daraus ableitbaren Ergebnisse beschrieben werden.

2 Neuartige Steuerungsverfahren

Bei den zwei neuartigen LSA-Steuerungsverfahren handelt es sich um das sog. verlustzeitbasierte Verfahren und um das sog. kooperative Verfahren. Beide Verfahren wurden mit dem Ziel konzipiert, keine Daten aus der traditionellen ortsfesten Erfassung zu verwenden, sondern stattdessen Informationen aus der beschrieben C2I-Kommunikation [6] zwischen Fahrzeug und LSA zur Steuerung zu nutzen. Beide neuartige Verfahren basieren dabei auf verschiedenen Grundlagen und weisen unterschiedliche Komplexitätsgrade sowie Funktionsweisen auf.

2.1 Verlustzeitbasiertes Steuerungsverfahren

Dieses Verfahren verfolgt die prinzipielle Idee [7], [8] die Verlustzeiten herannahender Fahrzeuge für die Anpassung der Freigabezeiten an einem Knotenpunkt zu nutzen. Die Verlustzeit eines Fahrzeugs ist dabei dessen zeitlicher Mehraufwand zum Passieren des Knotenpunktes gegenüber einer behinderungsfreien Durchfahrt. Das heißt, sobald ein Fahrzeug in einer Zufahrt verzögern muss und sich unterhalb einer definierten Grenzgeschwindigkeit bewegt, was beispielsweise die zulässige Höchstgeschwindigkeit sein kann, sammelt es automatisch Verlustzeit an. Dies wird in der Regel durch die LSA selbst oder durch die Verkehrslage bedingt und führt zu entsprechenden Verzögerungs-, Warte- und Beschleunigungsvorgängen, die sich in der angesammelten Verlustzeit eines Fahrzeugs widerspiegeln. Vom Prinzip her greift die Steuerung diese Information nun als Eingangsgröße auf und verlängert eine laufende Freigabephase unter Beachtung einer minimal und maximal zulässigen Phasendauer solange, bis alle Fahrzeuge mit angesammelter Verlustzeit in der zugehörigen Zufahrt bzw. Phase abgeflossen sind. Dann erfolgt ein Phasenwechsel und das Prinzip läuft in der nächsten Zufahrt bzw. Phase eines Umlaufs ab. Eine genauere Beschreibung der verlustzeitbasierten Steuerung findet sich in [9], [10], [11], [12].

2.2 Kooperatives Steuerungsverfahren

Bei diesem Verfahren wird eine verkehrsabhängige, regelbasierte Steuerung mit der GLO-SA-Funktionalität [13] (Green Light Optimal Speed Advisory) verknüpft [14]. Das heißt, dieses Verfahren kann verkehrsabhängig agieren und gleichzeitig verlässliche Annäherungsempfehlungen an die herannahenden Fahrzeuge versenden. Dafür werden die herannahenden Fahrzeuge frühzeitig in den einzelnen Zufahrten mit ihren Positionen und Geschwindigkeiten erfasst und deren weitere Fahrtverläufe prognostiziert. Dies kann auf Grundlage eines Modells oder einer Simulation geschehen. Anhand dieser prognostizierten Verläufe lassen sich dann die Fahrzeugankünfte an den Haltelinien der einzelnen Zufahrten vorhersagen und die Freigabezeiten entsprechend verkehrsabhängig anpassen. Dies passiert ebenfalls unter Beachtung minimal und maximal zulässiger Phasendauern. Den Schritt der Freigabezeitanpassung nimmt dabei ein auf dynamischer Programmierung basierender Optimierungsalgorithmus vor. Dieser verfolgt das Ziel, die Summe der Wartezeiten aller Fahrzeuge am Knotenpunkt zu minimieren. Prinzipiell kann das Verfahren den herannahenden Fahrzeugen das so für sie errechnete, optimale Geschwindigkeitsprofil übermitteln oder alternativ die entsprechend prognostizierten Freigabe- und Sperrzeiten. So können die Fahrzeuge ihre Fahrtverläufe entsprechend dynamisch anpassen. Die Optimierung findet kontinuierlich statt und es kommt zur fortlaufenden Iteration zwischen Prognose und Beeinflussung und damit zur benannten Verknüpfung der Verkehrsabhängigkeit mit der gleichzeitigen GLOSA-Funktionalität. Details zum kooperativen Verfahren können [15] entnommen werden.

3 Implementierung der Steuerungsverfahren im Feld

3.1 Versuchsknotenpunkte

Im Rahmen des Forschungsprojektes VITAL (Verkehrsabhängig intelligente Steuerung von Lichtsignalanlagen) [16] sollten die beiden neuartigen Verfahren (nachfolgend auch VITAL-Verfahren genannt) in die Praxis überführt und prototypisch validiert werden. Dafür mussten zunächst geeignete Testknotenpunkte gefunden werden. Um diese Auswahl zu vereinfachen, wurde ein Kriterienkatalog für potentielle Knotenpunkte definiert. Wichtigste Voraussetzung war dabei, dass die zuständige Kommune die Bereitschaft hatte, einen Knotenpunkt für Forschungszwecke bereitzustellen. Der Knotenpunkt selbst sollte dabei nicht in eine Koordinierung eingebunden sein und verkehrsabhängig gesteuert werden, idealerweise mit einer flexiblen Umlaufzeit. Diese Randbedingungen waren wichtig, da die beiden VITAL-Verfahren in der ersten Ausbaustufe zunächst nur für den Einsatz an einem Einzelknoten konzipiert sind. Zudem sollten die VITAL-Verfahren durch möglichst wenige Restriktionen bei der Freigabezeitbestimmung eingeschränkt werden. Die Verkehrsstärken sollten nach Möglichkeit schwanken, um das Verhalten bei Lastwechseln und in verschiedenen Verkehrssituationen beobachten zu können. Bestehende ÖPNV-Bevorrechtigungen sollten unangetastet bleiben. Fußgänger und Radfahrer sollten zwar berücksichtig werden, aber keinen aktiven Einfluss auf die Steuerung nehmen können. Zwei Knotenpunkte, die diese Voraussetzungen erfüllen, wurden dafür in Halle (Saale) und Braunschweig ausgewählt. Es handelt sich dabei um die Knoten Dölauer Straße / Brandbergweg bzw. den Tostmannplatz, wie diese in Abb. 1 dargestellt sind.

Bild 1: VITAL-Versuchsknotenpunkte in Halle (Saale) - Dölauer Stra0e/Brandbergwerg (links) und Braunschweig - Tostmannplatz (rechts)

Beide Knotenpunkte unterscheiden sich in ihrer Geometrie, der technischen Ausstattung und den verkehrlichen Verhältnissen. Der Versuchsknoten in Halle (Saale) verfügt über drei Arme mit jeweils einer zu- und einer abführenden Fahrspur, ergänzt um einzelne Abbiegespuren. Die bestehende LSA-Steuerung erfasst über Induktionsschleifen und Infrarot-Sensoren die Belegungsdauern und Zeitlücken für die verkehrsabhängige Anforderung und Bemessung. Eine Busbevorrechtigung ist vorhanden. Der zweite Versuchsknotenpunkt in Braunschweig ist mit vier Armen komplexer. Auf der durchgehenden Hauptfahrbahn sind zudem zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung und zusätzliche Abbiegespuren vorhanden. Auch hier erfolgt die verkehrsabhängige Anforderung und Bemessung über eine Vielzahl von Induktionsschleifen in den Zufahrten. Eine Buslinie befährt den Knotenpunkt zwar, diese ist aber nicht bevorrechtigt.

3.2 Detektionsgrundlage

Um die beiden VITAL-Steuerungsverfahren nun im Feld testen zu können, mussten zunächst die systemtechnischen Voraussetzungen geschaffen werden [17]. Dies betraf die Detektionsgrundlage, das LSA-Steuergerät und sowie zusätzlich notwendige Komponenten. Die größte Herausforderung stellte dabei die Erfassung der zur Steuerung benötigten Kenngrößen wie Verlustzeiten, Positionen und Geschwindigkeiten der Fahrzeuge dar. Wie bereits beschrieben, wurden beide Verfahren für den Einsatz auf Basis der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) entwickelt. Damit sollte auch demonstriert werden, dass die Verkehrssteuerung nicht nur mit Fahrzeuganzahlen (Verkehrsstärken) und anderen klassischen Kenngrößen (Zeitlücken, Belegungen) funktionieren kann. Derzeit gibt es allerdings noch praktisch keine Serienfahrzeuge, deren Daten aus C2I bereits verwendet werden können. Die für die Verfahren erforderliche Mindestausstattungsrate an Fahrzeugen von etwa 20% [7], [8] ist aktuell noch nicht verfügbar, weshalb die entsprechenden Ersatzdaten mit Hilfe von konventioneller Sensorik beschafft werden mussten. Das machte den realen Aufbau für die Feldtests der beiden neuartigen Verfahren deutlich komplizierter als eigentlich notwendig und stellt eine Übergangsvariante für den Ausgleich der fehlenden C2I-Daten dar.

Als Übergangsvariante [12] wurden daher in jeder zuführenden Fahrspur zwei voneinander abgesetzte Messquerschnitte zur Fahrzeugerfassung installiert. Diese bilden zusammen einen dazwischenliegenden Messabschnitt, in dem die zur Steuerung erforderlichen Verlustzeitinformationen und Ankunftszeitpunkte der herannahenden Fahrzeuge bestimmt werden. Grundsätzlich wird damit jedes Fahrzeug beim Einfahren und Verlassen des Messabschnitts erfasst, eine Fahrzeugwiedererkennung ist nicht notwendig. Da die einzelnen Ströme in allen Zufahrten der Versuchsknoten stets in einer gemeinsamen Phase signalisiert werden und keine gesichert geführten Abbiegeströme vorhanden sind, bilden alle parallelen Fahrspuren einer Zufahrt mit ihren jeweils zwei Messquerschnitten einen gemeinsamen, großen Messabschnitt. Der erste Messquerschnitt sollte dabei idealerweise mit 100 m möglichst weit entfernt von der Haltelinie liegen, um einen zeitlichen Vorlauf für Steuerungsentscheidungen zu ermöglichen. Der zweite Messquerschnitt sollte unmittelbar hinter der Haltelinie liegen, damit Fahrzeuge den Messabschnitt nur während der Freigabezeit verlassen können. Eine Kommunikation von der LSA hin zu den Fahrzeugen für Geschwindigkeitsempfehlungen ist über diesen Kanal naturgemäß nicht möglich.

Da die vorhandenen Induktionsschleifen an den Knotenpunkten in Halle (Saale) und Braunschweig diese erforderliche Kombination nicht abdeckten, wurden zusätzliche Detektoren installiert. Verwendet wurden dabei Magnetfeldsensoren für den Einbau in die Fahrbahnoberfläche. Diese bieten den Vorteil, dass eine aufwändige Verkabelung über weite Distanzen entfallen konnte, da die Informationsübermittlung auf Funkbasis zur LSA erfolgt. Die Anordnung dieser Magnetfeldsensoren ist in Abb. 2 für die beiden Versuchskreuzungen schematisch dargestellt. In einigen Zufahrtsspuren wurden dabei noch zusätzliche Sensoren angeordnet, um Effekte wie ein Schneiden der Kurve beim Abbiegen oder ein- und ausbiegende Fahrzeuge aus Nebenstraßen besser berücksichtigen zu können.

Bild 2: Detektoranordnung an den beiden VITAL-Versuchsknotenpunkten in Halle (Saale) (links) und Braunschweig (rechts)

Zusätzlich zu den Magnetfeldsensoren wurde der Versuchsknotenpunkt in Braunschweig mit einer Road Side Unit (RSU) ausgerüstet (Abb. 3). Die RSU enthält eine C2I-Einheit, die eine direkte Kommunikation mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen ermöglicht, auch wenn dies im Feldtest noch nicht zur Anwendung kam, aber beispielsweise auf dem DLR-Gelände bereits für das verlustzeitbasierte Verfahren getestet wurde [18]. Da die LSA am Braunschweiger Tostmannplatz eine Anlage im Testfeld AIM (Anwendungsplattform Intelligente Mobilität) [19] ist, gehört eine entsprechende RSU zur Grundausstattung.

Bild 3: Installation eines Magnetfeldsensors (links) und Road Side Unit (rechts) am VITAL-Versuchsknotenpunkt in Braunschweig

3.3 Steuerungsimplementierung

Im nächsten Schritt mussten die beiden VITAL-Verfahren für die Einspielung in die LSA-Steuergeräte an den Versuchsknotenpunkten vorbereitet werden. Für die Implementierung des verlustzeitbasierten Verfahrens musste dieses zunächst an die örtlichen Gegebenheiten der Versuchsknoten angepasst, in eine Steuerungslogik umgesetzt und in eine einspielbare Versorgungsdatei überführt werden. Grundlage dafür waren die bestehenden verkehrsabhängigen Steuerungen, so wie sie in den verkehrstechnischen Unterlagen der Versuchsknotenpunkte dokumentiert waren. Vom Ansatz her wurden die bestehenden Steuerungen komplett beibehalten, nur das Abbruchkriterium für eine laufende Phase wurde durch die VITAL-Verfahren ersetzt. Das heißt Größen wie Zwischenzeiten, Umlaufzeiten, Phasenfolgen, minimale und maximale Signalzeiten, Parameter zur ÖPNV-Bevorrechtigung, etc. wurden nicht angetastet. Einzig die Dehnung einer Phase erfolgte nun anstatt nach dem Zeitlückenkriterium (aktuell gemessener Wert ist größer als maximal zulässiger Wert) über neue Abbruchkriterien. Im Falle des verlustzeitbasierten Verfahrens ist dies das Kriterium der Verlustzeitfreiheit, im Falle des kooperativen Verfahrens sind dies die prognostizierten, wartezeitoptimalen Fahrzeugankünfte.

Für die Umsetzung des verlustzeitbasierten Verfahrens nach diesem beschriebenen Ansatz, waren die bestehenden Steuerungslogiken der beiden Knotenpunkte an verschiedenen Stellen zu modifizieren und durch mehrere Funktionsmodule zu erweitern. Die Module enthalten dabei die Funktionalitäten des verlustzeitbasierten Verfahrens und wurden einfach in den Bestandslogiken ergänzt. Diese Herangehensweise sorgte dabei für eine hohe Transparenz und Wiederverwendbarkeit der Module, auch auf andere Bestandssteuerungen. Gleichzeitig minimierte sich dadurch der Anpassungsaufwand durch einen Verkehrsingenieur. Das verlustzeitbasierte Verfahren ist grundsätzlich auf jedem LSA-Steuergerät umsetzbar, da es mit den Funktionalitäten aus den Standardbibliotheken gängiger Verkehrsingenieurarbeitsplätze abbildbar ist. Es benötigt keine zusätzliche Recheneinheit und wird ausschließlich auf dem LSA-Steuergerät ausgeführt.

Für die Umsetzung des kooperativen Verfahrens wurde eine ähnliche Herangehensweise gewählt. Da bestimmte Komponenten dieses Verfahrens allerdings bisher nicht auf einem gängigen LSA-Steuergerät ausführbar sind, wurden diese auf einen externen Industrie-Mini-PC (Abb. 4, links) ausgelagert. Bei diesen Komponenten handelt es sich um eine SUMO-Simulation [20] im Hintergrund sowie den Optimierungsalgorithmus. Der Simulation kommt dabei die Aufgabe zu, aus den Detektionen der Magnetfeldsensoren die weitere Bewegung der Fahrzeuge auf dem Weg zu den Haltelinien zu prognostizieren. Dies ist wiederum Grundlage für den Optimierungsalgorithmus. Die Bestandssteuerung musste dann dahingehend modifiziert werden, dass sie in der Lage ist, die Detektionen der Magnetfeldsensoren und aktuelle Signalbilder über digitale Ausgänge des LSA-Steuergeräts an den externen Industrie-Mini-PC zu übermitteln. Dieser wurde dafür mit dem LSA-Steuergerät über eine Vielzahl von Detektorausgängen verkabelt, die normalerweise für z.B. Quittierungssignale genutzt werden, hier nun aber zur Informationsausgabe. Umgekehrt musste die Bestandslogik in die Lage versetzt werden, Schaltinformationen über die digitalen Eingänge des LSA-Steuergeräts vom externen Industrie-Mini-PC empfangen und verarbeiten zu können. Nachdem der Industrie-Mini-PC ein optimales Schaltbild errechnet hat, sendet dieser einen Befehl für den Phasenabbruch an einen der standardmäßigen Detektoreingänge des LSA-Steuergeräts, welche normalerweise z.B. für Belegungsmeldungen genutzt werden. Die Logik auf dem LSA-Steuergerät hat damit nur noch eine Dummy-Funktion, die die Schaltbefehle des kooperativen Verfahrens vom externen Industrie-Mini-PC weiterleitet und die Einhaltung der Rahmenbedingungen überwacht.

Bild 4: Industrie-Mini-PC am VITAL-Versuchsknotenpunkt in Halle (Saale) (links) und DLR-eigenes LSA-Labor am Standort Berlin-Adlershof (rechts)

Bevor diese Modifikationen an den Versuchsknotenpunkten im Feld durchgeführt wurden, haben zunächst prototypische Umsetzungen im DLR-eigenen LSA-Labor (Abb. 4, rechts) stattgefunden. Dieses ist mit realen LSA-Steuergeräten und gängigen Verkehrsingenieurarbeitsplatzen ausgestattet. Damit war es möglich, sämtliche Änderungen in der Laborumgebung auf Lauffähigkeit und Umsetzbarkeit zu testen. Daneben wurden hier vor der Versorgung der LSA mit den VITAL-Verfahren im Feld, verschiedene Simulationsstudien [21][20], [22] durchgeführt, um verkehrliche Effekte bereits im Vorfeld abschätzen und Steuerungsparameter nachparametrieren zu können. Die beiden neuen VITAL-Verfahren wurden dann bei der abschließenden Versorgung im Feld mit zusätzlichen Signalzeitenplänen in den LSA-Steuergeräten verknüpft. Diese Signalzeitenpläne konnten vom Verkehrsrechner der Städte Halle (Saale) und Braunschweig samt VITAL-Logiken aktiviert und deaktiviert werden. So wäre es möglich gewesen, einfach über den Fernzugriff wieder in die jeweilige Bestandssteuerung zu wechseln, sollte es zu Problemen mit den neuen VITAL-Verfahren im Praxistest kommen.

4 Praxistests

4.1 Testläufe

Nachdem die beiden Versuchsknotenpunkte technisch vorbereitet und mit den VITAL-Steuerungsverfahren versorgt waren, konnte der Validierungsbetrieb im Feld starten. Zunächst mussten die Testzeiträume für die Aktivierung der VITAL-Verfahren festgelegt werden. Zu beachten waren dabei Anforderungen hinsichtlich von Ferienzeiträumen und regionalen Baumaßnahmen, die Einfluss auf den Verkehrsablauf an den Versuchsknotenpunkten hatten. Die Beachtung dieser Randbedingungen war dabei wichtig, um möglichst vergleichbare Verkehrsbelastungen an den Knotenpunkten für alle Verfahren während der Testläufe zu gewährleisten. Ein Testzeitraum sollte dabei mindestens drei Wochen betragen, idealer- weise sogar länger. Innerhalb dieser Zeit sollten für jeweils eine Woche das verlustzeitbasierte Verfahren, gefolgt vom kooperativen Verfahren und die jeweilige Bestandssteuerung als Vergleichsreferenz aktiviert werden. Der Programmwechsel wurde dabei in der Wochenschaltautomatik hinterlegt.

Innerhalb der Testzeiträume wurden dann Mitschnitte zu den VITAL-Verfahren und zu den Bestandssteuerungen durch die Verkehrsrechner der beiden Städte erstellt. Diese Mitschnitte enthalten Parameter wie Verkehrsstärken, Signalzeiten, Detektorbelegungen und -zählwerte, Phasendauern und Umlaufzeiten, ÖPNV-Anforderungen, etc. Zudem wurde über zuvor definierte Anwenderparameter eine Vielzahl weiterer Kenngrößen mitgeschrieben. Dazu zählen z.B. Werte von Fahrzeugzählern, Verlustzeiten der Fahrzeuge sowie Kontrollwerte und Checksummen von einzelnen Funktionsmodulen der VITAL-Verfahren. Zusammen mit den Mitschnitten für die Bestandssteuerung bildeten diese die wichtigste Grundlage für die anschließende Auswertung und Evaluierung. Für die Erfassung der Verlustzeiten der Fahrzeuge wurde dabei die ohnehin schon für die VITAL-Verfahren notwendigen, ortsfesten Erfassungseinheiten und Messabschnitt genutzt. Das heißt, das verlustzeitbasierte Verfahren ermittelt für seine Steuerungsentscheidung bereits die Verlustzeiten in den Zufahrten über die zwei verbauten Magnetfeldsensoren je Fahrspur. Diese Information, die nicht nur während der Aktivierung des verlustzeitbasierten Verfahrens, sondern immer im Hintergrund auch für die anderen Verfahren ermittelt wird, wurde während der Testzeiträume aufgezeichnet und für die Bewertung genutzt. Daneben wurde an jeweils einem Tag der Aktivierung der VITAL-Verfahren eine Verkehrsbeobachtung und Zählung vor Ort an den beiden Versuchsknotenpunkten in Halle (Saale) und Braunschweig vorgenommen.

Durchgeführt wurden die Testläufe im Jahr 2016 in den Kalenderwochen KW 26-28 bzw. KW 36-39 in Halle (Saale) und KW 37-41 in Braunschweig. Der zweite Testlauf wurde in Halle (Saale) notwendig, da bei der anfänglichen Analyse der Aufzeichnungen festgestellt wurde, dass die VITAL-Verfahren sehr hohe Gewinne bei der durchschnittlichen Verlustzeit je Fahrzeug erzielten, die Bestandssteuerung aber noch ein gewisses Optimierungspotential beim durchsetzten Linksabbiegen hatte. Um möglichst realistische Ergebnisse zu erzielen und Unregelmäßigkeiten sicher ausschließen zu können, wurde die Bestandssteuerung daher leicht verändert, diese Verbesserung an der Testkreuzung eingespielt und ein zweiter Testlauf durchgeführt.

4.2 Auswertung und Evaluierung der Ergebnisse

Nach dem Abschluss der Testläufe fand dann die umfangreiche Auswertung und Evaluierung der beiden VITAL-Verfahren anhand der erhobenen Aufzeichnungen statt. Es wurden hierbei die in den Mitschnitten erhobenen Kenngrößen analysiert und die Ergebnisse der verlustzeitbasierten Steuerung sowie der kooperativen Steuerung denen der bereits sehr gut funktionierenden Bestandssteuerungen in Halle (Saale) und Braunschweig gegenübergestellt.

In den nachfolgenden Betrachtungen werden zunächst die Ergebnisse aus Halle (Saale) diskutiert, bevor anschließend auf die Ergebnisse aus Braunschweig eingegangen wird. Teilweise werden die Ergebnisse auf die einzelnen Signalgruppen an den beiden Versuchsknotenpunkten heruntergebrochen, deren Zuordnung nochmals der in Kapitel 3.2 vorangegangenen Abb. 2 entnommen werden können.

Zunächst wurden die absoluten Verkehrsmengen betrachtet, die innerhalb des Betrachtungszeitraums über den Versuchsknoten in Halle (Saale) geflossen sind. Die Gesamtbelastung war mit rund 100.000 Fahrzeugen pro Woche für jedes Verfahren bei dessen Aktivierung etwa gleich, was ebenfalls für die Belastungen in den einzelnen Zufahrten zutrifft. Die Verkehrsströme innerhalb des Versuchsknotens teilen sich dabei je nach Tageszeit allerdings unterschiedlich auf. In der Abb. 5 ist einmal exemplarisch ein Tagesgang für den 28.06.2016 dargestellt, unterschieden nach Fahrrelationen (li - Linksabbieger, re - Rechtsabbieger). Dabei werden klassische Spitzenstunden und Flutrichtungen erkennbar, am Morgen mit K3 und K3li stadteinwärts, am Nachmittag vor allem mit K2re und K1 stadtauswärts. Für die Testläufe bedeutete dies, dass es eine Dynamik im Verkehrsablauf gab, mit denen alle drei zu testenden Verfahren verkehrsabhängig umgehen mussten.

Bild 5: Halle (Saale) - Tagesganglinien für die einzelnen Verkehrsrelationen am 28.06.2016 (li – Linksabbieger, ri - Rechtsabbieger)

Im nächsten Schritt wurde untersucht, wie gut die Verfahren mit diesen schwankenden Belastungen umgehen können. Als Indikator wurde dafür die mittlere Verlustzeit je Fahrzeug betrachtet. Diese Kenngröße wurde aus den Mitschnitten bestimmt und zunächst über die tatsächliche Anwendungsdauer eines Verfahrens und über die Anzahl der in dieser Zeit passierten Fahrzeuge normiert. Somit konnte sichergestellt werden, dass die ermittelten Werte für die einzelnen Verfahren sinnvoll miteinander vergleichbar sind. Das Ergebnis dieses Vergleichs zwischen der Bestandssteuerung als Referenz, der kooperativen Steuerung und der verlustzeitbasierten Steuerung ist für die KW 36-39 des Jahres 2016 in der Abb. 6 dargestellt. Darin sind die mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug nochmals in einen Mittelwert für den Gesamtknoten und in die Ergebnisse für die einzelnen Signalgruppen unterteilt. Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist erkennbar, dass beide VITAL-Verfahren in diesem Testlauf, bezogen auf den Gesamtknoten, reduzierte Verlustzeiten erzielen konnten. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Signalgruppen wird dabei deutlich, dass dieser Effekte fast ausschließlich an der Signalgruppe K1 erzielt wurde. In dieser Zufahrt waren in den Spitzenstunden regelmäßig längere Warteschlangen vorhanden, die die VITAL-Verfahren trotz gleicher Steuerungsrahmenparameter wie bei der Bestandssteuerung (z.B. maximal zulässige Freigabezeit), offenbar in anderer Weise bedienen, wie die Beobachtungen vor Ort bestätigt haben.

Bild 6: Halle (Saale) - Vergleich der mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug der KW36-39 in 2016 unterschieden nach Signalgruppen K1-3 und Mittelwert

Da diese Beobachtungen bei den mittleren Verlustzeiten jeweils sämtliche Nachfragesituationen über den Betrachtungszeitraum von mindestens einer Woche beinhalten, wurde noch eine weitere Detaillierung auf Grundlage von verschiedenen Nachfrageszenarien vorgenommen. Damit sollte untersucht werden, wie sich die VITAL-Verfahren in unterschiedlichen Nachfragesituationen verhalten. Hierfür wurden ein Schwachlast-, ein Mittellast- und ein Starklastszenario gebildet. Dafür wurden die Gesamtverkehrsstärken der drei Verfahren über ihren jeweiligen Betrachtungszeitraum zunächst in stündliche Werte aggregiert. Ausgehend von der Bestandssteuerung als Referenz, wurde die Spitzenstunde der Verkehrsstärke über deren gesamten Betrachtungszeitraum bestimmt. Anhand dieser ermittelten Spitzenstunde, wurden dann Abstufungen vorgenommen:

- Schwachlast: 0-60% der Verkehrsbelastung der Spitzenstunde

- Mittellast: 60-80% der Verkehrsbelastung der Spitzenstunde

- Starklast: 80-100% der Verkehrsbelastung der Spitzenstunde

Alle zuvor ermittelten, stündlichen Verkehrsstärkescheiben aller drei Steuerungen, wurden dann einem der drei Szenarien zugeordnet. Über diese Zuordnung der Verkehrsstärkescheiben, erfolgte dann letztendlich auch die Zuordnung der zugehörigen mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug.

Die Ergebnisse dieser Unterteilung sind in Abbildung 7 dargestellt. Ersichtlich wird, dass die beiden VITAL-Verfahren im Falle der schwachen Verkehrsnachfrage zunächst nur geringe Unterschiede gegenüber der Bestandssteuerung aufweisen. Aufgrund der Einhaltung der minimalen und für alle drei Steuerungen gleichen Mindestfreigabezeiten, besteht hier offenbar nur wenig Potential zur Umverteilung von Freigabezeitanteilen. Mit steigender Verkehrsnachfrage werden die Unterschiede zwischen den Steuerungen in Form von reduzierter mittlerer Verlustzeit je Fahrzeug stetig größer, um bei einer starken Verkehrsnachfrage ihr Maximum zu erreichen. Die verlustzeitbasierte Steuerung liefert über alle Verkehrsnachfragen dabei die geringsten mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug.

Bild 7: Halle (Saale) - Vergleich der mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug der KW36-39 in 2016 unterschieden nach Nachfrageszenario

Abschließend soll an dieser Stelle noch ein Blick auf die geschalteten Umlaufzeiten geworfen werden. Diese stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den ermittelten Verlustzeiten und bedingen diese durch die letztendlich geschalteten Freigabezeiten maßgeblich. In Abb. 8 sind Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen für die gemessenen Umlaufzeiten der drei Steuerungen abgetragen. Dabei wird ersichtlich, dass die Bestandssteuerung und die kooperative Steuerung einen sehr ähnlichen Verlauf aufweisen, wobei die Bestandssteuerung gegenüber der kooperativen Steuerung tendenziell mehr kürzere Umlaufzeiten schaltet. Dies entspricht genau dem Charakter der kooperativen Steuerung, welche Phasen eher vorausschauend und damit länger dehnt. Dieses Verhalten war ebenfalls bei den Verkehrsbeobachtungen vor Ort zu erkennen. Die verlustzeitbasierte Steuerung zeigt hingegen ein komplett anderes Schaltverhalten, sowohl gegenüber der Bestandssteuerung, als auch gegenüber der kooperativen Steuerung. Hier werden sehr viel häufiger kurze Umlaufzeiten geschaltet, was mit häufigeren Phasenwechseln einhergeht, da keine Phase an der Versuchskreuzung übersprungen werden kann. Dieses sehr agile Schaltverhalten konnte ebenfalls vor Ort beobachtet werden. Die Unterschiede des kooperativen Verfahrens gegenüber der Bestandssteuerung stammen damit offenbar aus dem vorausschauenden Schaltverhalten, die Unterschiede des verlustzeitbasierten Verfahrens hingegen aus dem schnellen Umschalten. Die in der Abbildung erkennbaren, sehr kurzen oder langen Umlaufzeiten stammen dabei aus Programmwechseln sowie Ein- und Ausschaltvorgängen.

Bild 8: Halle (Saale) - Wahrscheinlichkeitsdichten der Umlaufzeiten für die drei Verfahren in den KW36-39 des Jahres 2016

In gleicher Art und Weise wurden nun die beiden VITAL-Verfahren mit der Bestandssteuerung in Braunschweig verglichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist für die KW 37-41 des Jahres 2016 in der Abb. 9 dargestellt. Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist erkennbar, dass für beide VITAL-Verfahren in diesem Testlauf, bezogen auf den Gesamtknoten, ebenfalls reduzierte Verlustzeiten beobachtet werden konnten. Die genauere Betrachtung der Signalgruppen bezieht sich in diesem Fall auf K1, K3 und K4. Die Signalgruppe K2 wurde nicht weiter untersucht, da in dieser Zufahrt nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs sind (Zufahrt Einfamilienhaussiedlung). Der größte Unterschied gegenüber der Bestandssteuerung, der maßgeblich für den gesamten Knotenpunkt ist, war an der Signalgruppe K4 zu beobachten. Wie in Halle (Saale) auch, treten hier regelmäßig längere Warteschlangen aufgrund von Schichtwechseln in einem nahen Automobilwerk auf, die die VITAL-Verfahren offenbar anders behandeln, als dies die Bestandssteuerung tut. Dies konnte wiederum durch Beobachtungen vor Ort bestätigt werden.

Bild 9: Braunschweig - Vergleich der mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug der KW37-41 in 2016 unterschieden nach Signalgruppen K1, K3, K4 und Mittelwert

Anschließend erfolgte noch der Vergleich der mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug unterteilt nach Nachfrageszenario in Abb. 10. Ähnlich wie am Testknoten in Halle (Saale) sind die Unterschiede zwischen den Steuerungen bei schwachen Verkehrsstärken am kleinsten und steigen mit zunehmender Verkehrsnachfrage stetig an. Wiederum konnten für die verlust- zeitbasierte Steuerung die kleinsten mittleren Verlustzeiten beobachtet werden.

Bild 10: Braunschweig - Vergleich der mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug der KW37-41 in 2016 unterschieden nach Nachfrageszenario

Mit dem Abschluss der Auswertungen der Testläufe in Halle (Saale) und Braunschweig, konnten für die neuartigen VITAL-Verfahren einige erste Beobachtungen im Praxiseinsatz gemacht werden. Offenbar haben sowohl das verlustzeitbasierte Verfahren, als auch das kooperative Verfahren ein gegenüber den Bestandssteuerungen verändertes Schaltverhalten. Ausdrücklich soll an dieser Stelle allerdings betont werden, dass die in den Testläufen erzielten Ergebnisse nicht verallgemeinerbar sind, auch wenn sie offenbar einen positiven, oder zumindest keinen negativen Einfluss auf den Verkehrsablauf vermuten lassen. Die Durchführung weiterer Testläufe unter ganz unterschiedlichen Randbedingungen ist daher von großem Interesse der fortführenden Arbeiten.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Mit dem verlustzeitbasierten und dem kooperativen Verfahren wurden zwei neuartige Ansätze zur LSA-Steuerung entwickelt, die grundsätzlich auf Informationen aus Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) aufsetzen. Diese wurden bisher in sehr umfangreichen Simulationsstudien getestet und bewertet. Das Ziel des Forschungsprojektes VITAL (Verkehrsabhängig intelligente Steuerung von Lichtsignalanlagen) war es nun, diese beiden neuartigen Steuerungsverfahren erstmals auch praktisch im Feld umzusetzen und zu validieren. Dafür wurden zwei Knotenpunkte in den Städten Halle (Saale) und Braunschweig ausgestattet, die gewissen Anforderungen eines ersten Testlaufs genügten. Da eine Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) zwischen LSA und Fahrzeugen bisher nicht ausreichend verfügbar ist, musste zur Kenngrößenerfassung eine Übergangslösung mit ortsfesten Detektoren geschaffen werden. Dafür kamen Magnetfeldsensoren zum Einsatz, die in jeder zuführenden Fahrspur eines Knotenpunktes paarweise angeordnet wurden, um entsprechende Messquerschnitte aufzuspannen. Die beiden neuartigen LSA-Verfahren wurden dann derart in die Bestandssteuerungen integriert, dass diese vom Aufbau und von den grundsätzlichen Parametern unangetastet blieben. Einzig das Abbruchkriterium für eine laufende Freigabe wurde durch den verlustzeitbasierten bzw. den kooperativen Ansatz ersetzt. Das verlustzeitbasierte Steuerungsverfahren ist dabei vollständig auf einem standardisierten LSA-Steuergerät abbildbar. Das kooperative Steuerungsverfahren ist hingegen komplexer und benötigt einen zusätzlichen Industrie-Mini-PC, der mit dem LSA-Steuergerät für den Informationsaustausch verkabelt wurde. Bevor diese beschriebenen Modifikationen an den Testknotenpunkten in Halle (Saale) und Braunschweig umsetzbar waren, wurden zunächst knotenspezifische Simulationsstudien und Integrationstests im DLR-eigenen LSA-Labor durchgeführt. Nach der Versorgung der Anlagen im Feld, erfolgten dann die mehrwöchigen Testläufe unter realem Verkehr. Bei der anschließenden Auswertung von dabei aufgenommenen Messwerten konnte für die beiden VITAL-Verfahren ein anderes Schaltverhalten gegenüber den jeweiligen, bereit sehr gut funktionierenden Bestandssteuerungen der Testknotenpunkte beobachtet werden. Dies drückte sich vor allem in veränderten Umlaufzeiten und mittleren Verlustzeiten je Fahrzeug aus. Offenbar können sowohl die verlustzeitbasierte Steuerung, als auch die kooperative Steuerung einen positiven, oder zumindest keinen negativen Einfluss auf den Verkehrsablauf an einem LSA-geregelten Knoten haben. Verallgemeinerbar sind diese ersten Beobachtungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Hier besteht weiterer Forschungs- und Erprobungsbedarf, gerade mit Hinblick auf einen Dauereinsatz der Verfahren, um auch längerfristige Effekte beobachten zu können.

In diesem Zusammenhang lässt sich ausblickend ebenfalls festhalten, dass die Detektionsgrundlage von ganz entscheidender Bedeutung für die VITAL-Verfahren ist. Zwar wurde mit dem Ansatz der Verwendung von Magnetfeldsensoren eine Übergangslösung gefunden, allerdings ist diese nicht optimal. So hat sich in den Testläufen beispielsweise gezeigt, dass es zu Ungenauigkeit bei der Detektion der Fahrzeuge kommen kann, wie der Abgleich mit den ebenfalls ortsfesten Induktionsschleifen gezeigt hat. Da diese Ungenauigkeiten nur bei wenigen der Magnetfeldsensoren aufgetreten sind, besteht die Vermutung, dass dies in Zusammenhang mit der Lage und der Funkverbindung stehen könnte. Kompensiert wurden diese Differenzen durch entsprechende Korrekturmodule innerhalb der Ablauflogiken. Mit dem zukünftigen Einsatz der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) könnten sich derartige Ungenauigkeiten verringern, auch weit unterhalb von Ausstattungsraten einer Vollausstattung.

Ein ebenfalls wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der VITAL-Verfahren hin zur Koordinierungsfähigkeit. Bisher waren diese für den Einsatz am Einzelknoten konzipiert. Gerade im städtischen Umfeld sind allerdings viele Lichtsignalanlagen in eine Grüne Welle eingebunden. Um die VITAL-Verfahren auch hier zur Anwendung bringen zu können, wurden daher bereits Ansätze für die Koordinierung entwickelt und erfolgreich in der Simulation getestet. Die nächsten Schritte müssen auch hier erste Testläufe hin zu einer praktischen Erprobung im Feld sein.

Da die VITAL-Verfahren bisher ausschließlich Informationen vom MIV zur Steuerung verwenden, besteht weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf bei der Integration vom ÖPNV, von Sondereinsatzfahrzeugen, von Fußgängern und von Radfahrern. Zwar könnten diese prinzipiell bereits jetzt in die Verfahren integriert werden, da diese nicht unterscheiden, von welchem Verkehrsteilnehmer beispielsweise Informationen zu Position, Geschwindigkeit oder Verlustzeitstatus stammen. Allerdings wäre hier eine gesonderte Behandlung von Vorteil, ganz abgesehen von den Herausforderungen bei der Detektion der Fußgänger und Radfahrer.

6 Danksagung

Die Autoren möchten dem Helmholtz-Validierungsfonds (HVF) und dem Technologiemarketing des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die finanzielle Förderung sowie den Städten Halle (Saale) und Braunschweig für die stets sehr kooperative Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsprojektes VITAL danken.

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