FGSV-Nr. | FGSV 002/140 |
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Ort | Stuttgart |
Datum | 13.03.2024 |
Titel | Eignung verschiedener Verkehrsmittel in Abhängigkeit der Nachfrage: Pareto-Optimale Lösungen |
Autoren | Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich, Prof. Dr. Anita Schöbel, M. Sc. Julian Zimmer |
Kategorien | HEUREKA |
Einleitung | KurzfassungAufgabe der Verkehrsplanung ist es, eine gegebene Verkehrsnachfrage so abzuwickeln, dass der Mitteleinsatz (Energie und Kosten) geringgehalten wird und dennoch ein für die Nutzer zufriedenstellender Zustand in Form kurzer Reisezeiten erreicht wird. Zur Untersuchung der Eigenschaften unterschiedlicher Verkehrsmittel in Abhängigkeit der Nachfrage und einer paretooptimalen Auswahl von Verkehrsmitteln zur Bewältigung einer bestimmten Nachfrage wird ein einfaches Modell vorgestellt, das nur eine Nachfragerelation zwischen zwei flächigen Verkehrszellen betrachtet. Im Rahmen der Modellrechnung wird die Anzahl der nachgefragten Ortsveränderungen variiert. Bei der Aufteilung der Nachfrage auf die Verkehrsmittel Pkw, Ridepooling und Bus besteht keine Wahlfreiheit, stattdessen werden Lösungen für alle möglichen Verkehrsmittelaufteilungen berechnet. Für die Visualisierung der resultierenden Kenngrößen Reisezeit, Kosten und Energieverbrauch werden geeignete Diagramme vorgestellt und beispielhaft interpretiert. |
Volltext | Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.1 EinleitungZum Erreichen der Klimaziele ist eine energiesparendere Abwicklung des Personenverkehrs notwendig [1]. Aufgabe der Verkehrsplanung ist es, das verkehrsträgerübergreifende Verkehrsangebot so zu gestalten, dass eine energieeffiziente Abwicklung des Verkehrs ermöglicht wird. Eine zentrale Frage ist hierbei, welche Verkehrsmittel oder Kombinationen von Verkehrsmitteln für welche Größenordnungen der Personenverkehrsnachfrage – und somit für welche Regionen – dahingehend effizient sind, dass der Mitteleinsatz (Energie und Kosten) geringgehalten wird und dennoch ein für die Nutzer zufriedenstellender Zustand in Form kurzer Reisezeiten erreicht wird. Zur Annäherung an diese Frage wird dies im Folgenden am Beispiel einer einzelnen isolierten Nachfragerelation untersucht. „Um die inhärenten Eigenschaften der verschiedenen Verkehrsmittel zu verstehen“, empfiehlt Vučić [2] (S. 55), „sich von den realen Erfahrungen zu lösen, da diese von Faktoren beeinflusst werden, die die optimale Nutzung der Verkehrsmittel beeinträchtigen. Dazu gehören die Investitions-, Preis- und Regulierungspolitik, die ein Verkehrsmittel begünstigt, das unterschiedliche Alter und die Betriebsweisen bestehender Systeme sowie die lokalen Bedingungen in verschiedenen Städten.“ Daher wird in [2] an einem abstrakten Modell einer Stadt erklärt, wie mit zunehmender Größe der Stadt bestimmte Verkehrsmittel zur Bewältigung der Personenverkehrsnachfrage notwendig werden. Die Zusammenhänge werden dabei ohne Berechnungen erklärt. Ebenso wird nicht darauf eingegangen, welchen Anteil an der Bewältigung der Verkehrsnachfrage die einzelnen Verkehrsmittel tragen sollten. Die Idee eines abstrakten Modells wird in diesem Beitrag aufgegriffen. Ziel des Beitrags ist es, am einfachen Beispiel einer einzigen Nachfragerelation die Eignung unterschiedlicher Verkehrsmittel mit einem quantitativen Modell zu überprüfen und ihre Anteile an der Abwicklung der Verkehrsnachfrage zu variieren. So können Aussagen zu (pareto-)optimalen Kombinationen von Verkehrsmitteln gemacht werden. On-Demand-Ridepooling hat in den letzten Jahren in der verkehrswissenschaftlichen Forschung und in der Praxis viel Aufmerksamkeit erfahren [3, 4]. Unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen [5] wurden und werden entsprechende Angebote ausprobiert, in großstädtischen [6], in randstädtischen [7] und in ländlichen [8] Räumen. Ob On-Demand-Systeme tatsächlich dazu beitragen können, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, bleibt umstritten [4]. Ebenso ist unklar, welche Rolle das Ridepooling im Gefüge der Verkehrssysteme zukünftig einnehmen wird bzw. sollte. In welchen Räumen, in welcher Ausprägung und in welchem Verhältnis zum liniengebundenen ÖV ein On-Demand-Ridepooling angeboten werden sollte, bleibt Gegenstand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion [4, 9]. In diesem Beitrag wird Ridepooling neben Pkw, Bus und Stadtbahn als weitere Verkehrsmittelalternative betrachtet und mit diesen in Bezug auf Reisezeit, Energieverbrauch, Kosten und Kapazität verglichen. Zur Kapazität und den sinnvollen Einsatzbereichen unterschiedlicher Verkehrsmittel gibt es zahlreiche Werte in der Literatur, die weitgehend übereinstimmen. Werte für den sinnvollen Einsatzbereich gibt beispielsweise Köhler [10] an. Vučić [2] vergleicht Kenngrößen für verschiedene Verkehrsmittel. Für die Kapazität eines Korridors werden häufig die Werte von Breithaupt [11] wiedergegeben. Ausgewählte Werte sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Dieser Beitrag geht in mehrerlei Hinsicht einen Schritt weiter: Zum einen werden für eine variable Nachfrage unterschiedliche Kenngrößen des Verkehrsangebots berechnet, zum anderen werden die sinnvollen Einsatzbereiche von Kombinationen von Verkehrsmitteln untersucht. Darüber hinaus wird Ridepooling als weiteres Verkehrsmittel betrachtet. Tabelle 1: Sinnvolle Einsatzbereiche und Kapazitäten unterschiedlicher Verkehrsmittel aus der Literatur. 2 Modellbildung und Modellspezifikation2.1 PrämissenZur Untersuchung der Eigenschaften unterschiedlicher Verkehrsmittel in Abhängigkeit der Nachfrage und einer paretooptimalen Auswahl von Verkehrsmitteln zur Bewältigung einer bestimmten Nachfrage wird ein stark vereinfachtes Modell verwendet, dessen Annahmen und Berechnungsregeln im Folgenden vorgestellt werden. Als paretooptimal bezeichnet man einen Zustand eines Systems (hier: Verkehrssystem), in dem eine Systemeigenschaft (z.B. Reisezeit) nicht verbessert werden kann, ohne gleichzeitig eine andere Eigenschaft (z.B. Kosten) zu verschlechtern. Existieren mehrere solcher Zustände, bilden sie die sogenannte Paretofront. In diesem Beitrag werden immer nur zwei Eigenschaften (Kenngrößen) auf einmal betrachtet, auch wenn mehr Kenngrößen existieren. Betrachtet wird ein Nachfragestrom, in dem alle Nachfrager von der gleichen Startzelle zur gleichen Zielzelle wollen. Diese Annahme lässt bewusst außer Acht, dass in der Realität die von einer Quelle ausgehenden Nachfrageströme ihre Ziele in unterschiedlichen Richtungen haben, wodurch die Bündelung der Nachfrage für kollektive Modi erschwert wird. Die Start- und Zielzelle haben eine räumliche Ausdehnung in quadratischer Form. Innerhalb der Zellen sind die genauen Start- und Zielorte flächig gleichverteilt. Die Strecke zwischen den beiden Zellen wird im Folgenden verkehrsträgerneutral als „Link“ bezeichnet. Der Modellraum ist in Bild 1 dargestellt. Im Rahmen der Modellrechnung wird die Anzahl der nachgefragten Ortsveränderungen variiert. Bei der Aufteilung der Nachfrage auf die Verkehrsmittel besteht keine Wahlfreiheit, sondern diese wird im Rahmen der Modellrechnungen gesetzt und variiert. Die Aufteilung ist über die räumliche Ausdehnung der Zellen konstant. Es werden die folgenden Verkehrsmittel betrachtet:
Bus und Stadtbahn werden im Folgenden als „liniengebundener ÖV“ zusammengefasst, wenn gemeinsame Eigenschaften adressiert werden. Bild 1: Aufbau des Modellraums mit den konkreten Ausprägungen der untersuchten Parameter. Der betrachtete Nachfragestrom soll den Charakter einer zwischengemeindlichen Verbindung haben, soll jedoch nicht explizit einem urbanen oder ländlichen Raum zugeordnet werden. Der betrachtete Nachfragestrom wird nicht von weiteren Nachfragerelationen beeinflusst. Es wird die Nachfrage einer Spitzenstunde betrachtet, die für die Bemessung des Verkehrsangebots relevant ist. Die Nachfrage umfasst nur eine Lastrichtung (z.B. zum Stadtzentrum), so dass erforderliche Rückfahrten im ÖV und im Pooling keine Fahrgäste befördern. Während (in diesem Modell) im Pkw-Verkehr und im liniengebundenen ÖV die zu berechnenden Kenngrößen nur von der Gesamtzahl der Fahrtwünsche abhängen, beeinflussen im Ridepooling die individuellen Fahrtwünsche die Zahl der erforderlichen Ridepooling-Fahrzeuge und die Umwegigkeit einer Ortsveränderung. Deshalb können anders als im Pkw-Verkehr und dem liniengebundenen ÖV die zu berechnenden mittleren Kenngrößen nicht aus analytischen Überlegungen abgeleitet werden, sondern werden mittels einer Monte-Carlo-Simulationen ermittelt. Dazu dient ein einfaches Pooling-Modell, das in Abschnitt 2.3 vorgestellt wird. 2.2 Parameter und VariablenTabelle 2 gibt einen Überblick über die Parameter und Variablen des Modells und gibt für die Parameter die verwendeten Werte an. Die Parameter zu Energieverbrauch und Kosten wurden in Anlehnung an [12] gewählt. Es werden dabei keine hochautomatisierten Fahrzeuge betrachtet, die ohne Fahrpersonal genutzt werden können. Die Haltestelle der Stadtbahn befindet sich jeweils genau in der Mitte der Zelle. Beim Bus sind die Haltestellen innerhalb der Zellen in gleichmäßigem Abstand entlang der Mittelachse (in Verlängerung des Links) aufgereiht, sodass ihre Einzugsgebiete gleich groß sind. Alle angegebene Parameterwerte enthalten Setzungen. Einzelne Parameterwerte können und sollen für die Analyse der Verkehrsmitteleignung als Variablen aufgefasst und verändert werden. Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse basieren auf den dargestellten Werten. Die für das Verständnis der Verkehrsmitteleignung interessanten Auswirkungen bei veränderten Werten (z. B. Kosten für Fahrpersonal, Linklänge) sind nicht Gegenstand des Beitrags. Tabelle 2: Überblick über die Parameter und Variablen des Modells. 2.3 Einfaches Pooling-ModellFür die Gruppierung von Fahrtwünschen zu Fahrten eines Pooling-Fahrzeugs wird ein einfaches Pooling-Modell auf Grundlage einer mehrfachen KMeans-Clusterung [13] verwendet. Zunächst wird die Nachfrage zufällig auf - Formel in der PDF - gleich große Zeitintervalle aufgeteilt. Geclustert wird anschließend die Nachfrage innerhalb eines Zeitintervalls anhand zufällig erzeugter Startkoordinaten. Eine explizite Modellierung der Zeitachse erfolgt nicht. Das Pooling-Modell hat folgende Parameter: Formel in der PDF Bei der KMeans-Clusterung wird eine Zahl der zu erzeugenden Klassen vorgegeben, die Limitierung der Anzahl der Elemente in einer Klasse ist nicht möglich. Die Anzahl - Formel in der PDF - der in der KMeans-Clusterung zu erzeugenden Klassen ergibt sich nach: Formel in der PDF wobei ?? die Anzahl der zu poolenden Fahrtwünsche (Nachfrage) ist. Bei der Clusterung entstehen typischerweise auch Cluster mit mehr als ?? Elementen bzw. weniger als ?? Elementen. Diese können zunächst keiner Fahrt zugeordnet werden und werden in einer weiteren Iteration mit einer erneuten Clusterung verarbeitet. Dies wird iterativ wiederholt, bis alle Fahrtwünsche einem Cluster (also einer Fahrzeugfahrt) zugeordnet werden konnten. Wird in einer Iteration kein Cluster mit einer Größe zwischen ? und ?? erzeugt, so wird ein Cluster mit einer Größe < ?? als Fahrt akzeptiert, um für die nächste Iteration neue Voraussetzungen zu schaffen bzw. um die letzten verbliebenen Fahrtwünsche zu einer Fahrt zusammenzufassen. ?? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF Die Berechnungen mit dem Pooling-Modell werden nach dem Monte-Carlo-Ansatz vielfach wiederholt und im Anschluss die Mittelwerte ausgewertet. Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse ergeben sich aus Formel in der PDF. Die verwendeten Startkoordinaten und die erzeugten Cluster werden auch genutzt, um die mittlere Fahrtweite und die mittlere Zahl der Zwischenhalte je Passagier zu ermitteln, die für die Berechnung der Reisezeit benötigt werden. Zur Ermittlung der Fahrtweite sind Zielkoordinaten und eine Reihenfolge der Bedienung erforderlich. Die Zielkoordinaten werden gleichverteilt in der Zielzelle erzeugt, nach ihnen wird nicht geclustert. Zur Ermittlung der Reiseweite wird auf das Lösen eines Hamiltonpfadproblems verzichtet, stattdessen werden die Koordinaten sowohl in Start- als auch in der Zielzelle lediglich nach aufsteigender x-Koordinate sortiert. Dies ist für diesen Anwendungsfall eine ausreichend gute Heuristik für die Minimierung der Fahrtweite. Bild 2 stellt als Ergebnis des Poolingmodells den Besetzungsgrad und die Fahrtweite in Abhängigkeit der Nachfrage dar. Bei einer hohen Nachfrage ergibt sich in der betrachteten Richtung ein mittlerer Besetzungsgrad von 4,3 Personen. Bezogen auf die gesamten Fahrzeugkilometer (inkl. Leerkilometer der Rückrichtung) ergibt sich ein Besetzungsgrad von etwa 2,2 Personen. Dieser Besetzungsgrad entspricht etwa den Werten in [14]. Bild 2: Ergebnisse des einfachen Poolingmodells mit den gewählten Parametern: Mittlerer Besetzungsgrad (links) und mittlere Fahrtweite der Passagiere (rechts) in Abhängigkeit der Ridepooling-Nachfrage. 2.4 Modellierung der Wirkungszusammenhänge2.4.1 Fahrzeugbedarf und Fahrtweite Die Zahl der notwendigen Pkw-Fahrten ergibt sich direkt aus der Nachfrage im Pkw-Verkehr über den Besetzungsgrad von 1,15. Im Ridepooling wird die Zahl der notwendigen Fahrten und deren Weite mit dem oben beschriebenen Pooling-Modell ermittelt. Die Zahl der notwendigen Fahrzeuge wird über eine einfache Umlaufrechnung berechnet. Dabei wird die Zahl der Fahrzeuge minimiert, es wird also keine zusammengesetzte Zielfunktion mit Kosten oder Energieverbrauch verwendet. Energieverbrauch und Kosten der leeren Rückfahrten werden in vollem Umfang angelastet. Im liniengebundenen ÖV wird die Fahrtenzahl nachfrageorientiert aus einer Liste zulässiger Frequenzen ausgewählt, die den üblichen Takten entspricht. Es wird die geringste Frequenz gewählt, bei der die Nachfrage durch die damit angebotene Kapazität bewältigt wird. Sowohl beim Bus als auch bei der Stadtbahn ist eine Frequenz festgelegt, bei der zur Erhöhung der Kapazität zunächst auf eine größere Gefäßgröße gewechselt wird. Höhere Frequenzen werden dann immer mit dieser größeren Gefäßgröße angeboten. Auch im liniengebundenen ÖV wird der Fahrzeugbedarf in einer einfachen Umlaufrechnung ermittelt und es werden Energieverbrauch und Kosten der Rückfahrten in vollem Umfang angelastet. 2.4.2 FahrtzeitDie Fahrtzeiten ergeben sich prinzipiell aus den zurückgelegten Entfernungen und den festgelegten Geschwindigkeiten. Die Entfernungen innerhalb der Zellen berechnen sich nach einer Manhattan-Metrik, die einem beliebig feinen Rasternetz entspricht. Im Pooling und im ÖV sind die Haltezeiten an Zwischenhalten Teil der Fahrtzeit. Im ÖV ergibt sich die Zahl der Zwischenhalte aus der Zahl der Haltestellen, im Ridepooling ist diese ein Ergebnis des Pooling-Modells. Im straßengebundenen Verkehr (Pkw, Pooling und Bus) wird die Fahrtzeit mit einem Warteschlangenmodell ermittelt, bei dem ab dem Erreichen der Kapazität jedes zusätzliche Fahrzeug eine zusätzliche Verlustzeit verursacht. Für das Modell ist nur die mittlere Verlustzeit von Bedeutung, die sich ergibt als: Formel in der PDF wobei ?? die Kapazität des Links ist, ? die Verkehrsstärke in Pkw-Einheiten und ??Fzg der je weiterer Pkw-Einheit notwendige Zeitbedarf von 2 Sekunden. Übersteigt die Auslastung eine vorgegebene Grenze von 160 %, wird eine Lösung als ungültig erklärt. Gegenseitige Behinderung von Verkehrsmitteln mit unterschiedlicher Geschwindigkeit werden nicht berücksichtigt. Die Verlustzeit auf dem Link in Abhängigkeit der Verkehrsstärke ist in Bild 3 dargestellt. Innerhalb der Zellen treten keine auslastungsabhängigen Verlustzeiten auf. ?? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF 2.4.3 ReisezeitNeben den Fahrtzeiten umfasst die Reisezeit für jedes Verkehrsmittel Zu- und Abgangszeiten. Dazu kommen an der Haltestelle bzw. am Einstiegsort beim Ridepooling Startwartezeiten. Eine am Startort oder Zielort auftretende Anpassungszeit als Differenz zwischen gewünschter und tatsächlicher Abfahrts- bzw. Ankunftszeit wird nicht berücksichtigt. Im Pkw-Verkehr wird pauschal eine Summe aus Zu- und Abgangszeit von 3 Minuten unterstellt, im Ridepooling eine Summe aus Zugangs-, Abgangs- und Startwartezeit von 5 Minuten. Im liniengebundenen ÖV werden Zugangs-, Abgangs- und Startwartezeit explizit berechnet. Die Zugangs- und Abgangszeit ergeben sich aus der durchschnittlichen Entfernung zur Haltestelle und der Gehgeschwindigkeit von 4 km / h, wobei ebenfalls eine Manhattan-Metrik unterstellt wird. Durch die Gleichverteilung der Start- und Zielorte ergeben sich diese mittleren Fußweglängen direkt aus den Abmessungen der Verkehrszellen. Zur Ermittlung der Startwartezeit wird die Frequenz des ÖV-Verkehrsmittels in einen Takt umgerechnet. Für enge Takte unterhalb eines 5‘-Takt beträgt die mittlere Startwartezeit die halbe Taktzeit, die maximale mittlere Startwartezeit wird auf 10 Minuten festgesetzt. Zwischen der proportionalen und der konstanten Funktion erfolgt ein Übergang gemäß der quadratischen Funktion, die an beide ohne Knick anschließt. Die mittlere Startwartezeit in Abhängigkeit des Takts ist in Bild 3 dargestellt. Bild 3: Mittlere Verlustzeit auf dem Link aus dem Warteschlangenmodell in Abhängigkeit der Verkehrsstärke (links) und mittlere Startwartezeit im ÖV in Abhängigkeit des Takts (rechts). 2.4.4 EnergieverbrauchFür alle Verkehrsmittel wird der Energiebedarf direkt aus den Fahrzeugkilometern abgeleitet. 2.4.5 KostenIm Pkw-Verkehr wird lediglich ein Kostensatz je Kilometer verwendet, dieser repräsentiert die gesamten üblichen Halterkosten. Im Pooling und im ÖV fließen neben den fahrleistungsabhängigen Kosten auch zeitabhängige Kosten (insbesondere Fahrer) und Fahrzeugkosten mit ein, die mit der Zahl der Fahrzeuge aus der Umlaufrechnung multipliziert werden. Die täglichen Fahrzeugkosten werden dabei mit einem Spitzenstundenfaktor von 0,1 multipliziert, da die Fahrzeuge außerhalb der betrachteten Stunde anderweitig eingesetzt werden können. 2.5 ImplementierungDas Modell wurde in Python [15] mithilfe von NumPy [16] und dem KMeans-Algorithmus aus scikit-learn [17] implementiert. Zur Auswertung und Darstellung wurden pandas [18], Matplotlib [19] und mpltern [20] genutzt. 3 Ergebnisse für einzelne VerkehrssystemeIn einem ersten Schritt wird ein Zustand analysiert, in dem die gesamte Verkehrsnachfrage mit einem Verkehrsmittel abgewickelt wird. Die Kenngrößen mittlere Reisezeit, sowie Energieverbrauch und Kosten jeweils pro Personenweg werden für die vier unterschiedlichen Verkehrsmittel Pkw, Ridepooling, Bus und Stadtbahn ermittelt und in Abhängigkeit der Verkehrsnachfrage dargestellt. Bild 4 zeigt die mittleren Reisezeiten für die vier Verkehrsmittel. Sie sind im Pkw-Verkehr zunächst am geringsten und nehmen erst beim Erreichen der Kapazität der Straße deutlich zu. Bis zur Kapazitätsgrenze ist die Reisezeit im Pkw-Verkehr in diesem Modell unabhängig von der Nachfrage. Die Reisezeiten im Bus- und Stadtbahnverkehr sind bei geringer Nachfrage recht hoch und nehmen durch kürzere Startwartezeit bei dichteren Takten mit zunehmender Nachfrage in Sprüngen ab. Die Reisezeiten im Ridepooling sind bei sehr geringer Nachfrage am kürzesten, da hier den meisten Nachfragern eine Direktfahrt angeboten werden kann. Sie erreicht anschließend ein Maximum, wenn zur Bündelung hohe Umwege in Kauf genommen werden müssen und nimmt mit höherer Nachfrage aufgrund räumlich dichterer Startorte wieder leicht ab. Im Busverkehr kann mit Gelenkbussen bei einer Frequenz von 30 (2-Minutentakt) eine stündliche Nachfrage von bis zu 30 x 63 = 1.890 Personen befördert werden. Die 80m-Stadtbahn kann eine Nachfrage von bis zu 30 x 328 = 9.840 Personen bedienen. Im Pkw können bei einen Besetzungsgrad von 1,15 und einer Auslastung von 100 % 2.070 Personen transportiert werden. Bei einer Auslastung von 160 % steigt der Wert auf rund 3.300 Personen, die dann allerdings Verlustzeiten in Kauf nehmen müssen. Werden alle Pkw durch Ridepooling-Fahrzeuge ersetzt, können bei einer Auslastung von 100 % rund 7.800 Personen und bei einer Auslastung von 160 % bis zu 12.500 Personen bewältigen werden. Das entspricht einem mittleren Besetzungsgrad von 4,3. Bild 4: Mittlere Reisezeiten der Verkehrsmittel in Abhängigkeit der Nachfrage. Bild 5 stellt die Entwicklung des Energieverbrauchs pro Person in Abhängigkeit der Nachfrage für zwei Nachfragebereiche dar. Wie zu erwarten, ist der Energieverbrauch pro Person bei Bus und Stadtbahn im Vergleich zu den anderen Verkehrsmitteln bei geringer Nachfrage sehr hoch. Mit zunehmender Nachfrage sinkt der Energieverbrauch pro Person jedoch für alle kollektiven Verkehrsmittel unter den des Pkw. Der Energieverbrauch pro Person ist beim Pkw konstant, da der Besetzungsgrad nicht von der Nachfrage abhängt und die Fahrleistung direkt proportional zur Nachfrage ist. Der Energieverbrauch des Ridepoolings ist trotz des höheren Besetzungsgrades nur geringfügig niedriger als beim Pkw. Dies erklärt sich neben den leeren Rückfahrten durch notwendige Umwegfahrten und größere Fahrzeuge beim Ridepooling. Der Verlauf des Energieverbrauchs pro Person für Bus und Stadtbahn zeigt charakteristische „Zacken“ aus einem Rücksprung auf einen höheren Wert gefolgt von einer weiteren hyperbolischen Abnahme. An diesen Stellen wird eine Ausweitung des Angebots notwendig, was den Energieverbrauch erhöht. Unterhalb von ca. 125 Personenwegen ist der Energieverbrauch im Busverkehr geringer, oberhalb davon befinden sich Bus und Stadtbahn auf ähnlichem Niveau. Welcher Wert geringer ist hängt dort davon ab, an welchen konkreten Stellen jeweils die Angebotsausweitung erfolgt. Bild 6 zeigt die Kosten für die Beförderung einer Person für zwei Nachfragebereiche. Grundsätzlich zeigt sich ein ähnlicher Zusammenhang wie beim Energieverbrauch. Wesentlicher Unterschied ist hier, dass die Kosten im Ridepooling auch bei hoher Nachfrage über den Pkw-Kosten liegen. Im Vergleich von Pkw und ÖV ist der relative Mehraufwand für den Pkw bei den Kosten geringer als bei der Energie. Im Vergleich von Bus und Stadtbahn gilt wie bei der Energie, dass bei niedriger Nachfrage der Bus günstiger ist, während sich die Kosten bei höherer Nachfrage auf sehr ähnlichem Niveau bewegen und es davon abhängt, an welchen konkreten Stellen jeweils die Angebotsausweitung erfolgt. Damit die Kosten beim Ridepooling unter die Kosten des Pkw sinken, müssten zwei Bedingungen erfüllt werden: geringere zeitabhängige Personalkosten durch hochautomatisierte Fahrzeuge und ein höherer Besetzungsgrad. Bild 5: Energieverbrauch pro Personenweg der Verkehrsmittel in Abhängigkeit d. Nachfrage. Bild 6: Kosten pro Personenweg der Verkehrsmittel in Abhängigkeit der Nachfrage. 4 Kombinationen von Verkehrssystemen und Pareto-LösungenIn einem zweiten Schritt werden Aufteilungen der Nachfrage auf drei Verkehrsmittel betrachtet. Dabei soll im fahrplangebundenen ÖV nur ein Verkehrsmittel angeboten werden, wobei im Folgenden nur die Variante mit Bus vorgestellt wird. Für die Analysen wird eine fixe Gesamtnachfrage in allen möglichen Kombinationen auf die Verkehrsmittel Pkw, Ridepooling und Bus aufgeteilt. Mit dem in Abschnitt 2 vorgestellten Modell werden dann für jede Kombination die verkehrsmittelübergreifenden Mittelwerte von Reisezeit, Energieverbrauch und Kosten berechnet. Die Ergebnisse werden in Diagrammen dargestellt, in denen jeweils zwei der Ergebniskenngrößen entlang der Achsen aufgetragen sind und die Farbe eines Punktes die Aufteilung wiedergibt, die über eine RGB-Codierung erfolgt: der Anteil von Pkw, Ridepooling und ÖV wird über den Farbanteil von Rot, Grün und Blau angegeben. Die zugehörigen Farben einer Verkehrsmittelkombination kann Bild 7 entnommen werden können. Bild 7: Legende für Bild 8 und Bild 9. Das Dreiecksdiagramm zeigt die Zuordnung der Farbwerte zu den Verkehrsmittelanteilen. Im Dreiecksdiagramm ist ein Ablesebeispiel für 20% Pooling, 20% ÖV und 60% Pkw dargestellt. In Bild 8 ist der Aufbau eines Diagramms erläutert. Das Diagramm zeigt die Ergebnisse des Modells für eine Nachfrage von ?? = 20 Personenwegen. Da sich mit steigender Nachfrage in einem ersten Modus die Zahl der möglichen Aufteilungen auf die übrigen beiden Modi verringert, ergibt die Gesamtzahl an Kombinationen eine Dreieckszahl und errechnet sich nach der Gauß’schen Summenformel zu hier - Formel in der PDF - möglichen Verkehrsmittelkombinationen. Im oberen Teil des Diagramms sind die Lösungen für jede Verkehrsmittelkombination in der aus je zwei Kenngrößen aufgespannten Ebene als farbige Punkte verortet – in Bild 8 sind das die Reisezeit und der Energieverbrauch. Die Farbe der Punkte gibt wie oben beschrieben die Zusammensetzung der Verkehrsmittel in dieser Lösung an. Die Paretofront ist darin als schwarze Linie eingetragen. Der untere Teil des Diagramms zeigt die Verkehrsmittelanteile entlang der Paretofront. Im dargestellten Diagramm lassen sich folgende Zusammenhänge erkennen
Bild 8: Darstellung der Kenngrößen Reisezeit – Energieverbrauch für Lösungen für eine Nachfrage von 20 Personenwegen. Bild 9 visualisiert die Ergebnisse für vier Ausprägungen der Gesamtnachfrage (20, 50, 1000 und 4000 Personenwege. Für jede Gesamtnachfrage werden drei Kenngrößenebenen aufgespannt:
Bild 9: Modellergebnisse und Paretofronten für vier Werte der Gesamtnachfrage. Ein Vergleich der Nachfragesituationen in Bild 9 erlaubt u. a. folgende Aussagen:
5 DiskussionDas vorgestellte Modell erhebt nicht den Anspruch, die Eignung unterschiedlicher Verkehrsmittel vollumfänglich abzubilden, sondern dient als qualitativer Input für eine Diskussion zu den Wirkungszusammenhängen und den Einsatzbereichen von Verkehrsmitteln. Die unrealistische, aber bewusst einfach gehaltene Nachfragesituation erleichtert Analyse und Verständnis der Ergebnisse. Sie erschwert eine direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Realität. Dass keine Nachfrage in der Gegenrichtung betrachtet wird und keine Beeinflussung durch andere Nachfragerelationen stattfindet, ist eine eher unkritische Vereinfachung. Entscheidend ist, dass die Nachfrage im Modell bereits stark „vorgebündelt“ ist (nur eine Startzelle und eine Zielzelle), wodurch viele reale Probleme der Verkehrsplanung im betrachteten Modell nicht auftreten. Ridepooling ist mit den gewählten Parametern nur in Ausnahmefällen Teil paretooptimaler Lösungen, da es langsamer und teurer ist als der Pkw und nur bei sehr geringer Nachfrage einen niedrigeren Energieverbrauch hat als der Bus. Das ändert sich im gewissen Umfang, wenn man Parameterwerte mit geringeren Personalkosten unterstellt, die bei hochautomatisiertem Fahren möglich sind. Ridepooling hat immer dann Vorteile, wenn bei geringer Nachfrage aus Gründen der Daseinsvorsorge ein Verkehrsangebot für Personen bereitgestellt werden soll, die keinen privaten Pkw nutzen können. Diese Randbedingung wurde bei der Betrachtung der Kombinationen von Verkehrsmitteln in Abschnitt 4 außer Acht gelassen. Aus den Ergebnissen der Betrachtung in Abschnitt 3 geht jedoch hervor, dass das Ridepooling bis zu einer Nachfrage von 6 Personen pro Stunde in diesem Segment energieeffizienter und bis zu einer Nachfrage von 9 Personen pro Stunde kostengünstiger ist als ein Bus. Das Ersetzen eines sehr gering ausgelasteten, jedoch gesellschaftlich notwendigen ÖV-Angebots durch ein On-Demand-Ridepooling-Angebot ist nach diesem Modell also möglich und sinnvoll, zumal dadurch gegenüber dem Bus auch die Reisezeit geringer wird. Die Ergebnisse zeigen außerdem die Wichtigkeit der Bündelung der Nachfrage für die Bereitstellung energie- und kosteneffizienter Verkehrssysteme. So wandert der Lösungsraum in der Energieverbrauch-Kosten-Ebene in Bild 9 mit zunehmender Nachfrage auf der betrachteten Relation nach links unten. Auch aus Bild 5 und Bild 6 ist deutlich erkennbar, dass mit steigender Gesamtnachfrage auf der Relation der Energieverbrauch und die Kosten je beförderter Person im Ridepooling und im ÖV abnehmen. Teilt man also eine bestimmte Nachfrage auf zwei Relationen auf, sind Energieverbrauch und Kosten höher, als wenn die Nachfrage auf nur einer Relation liegt. Diese Erkenntnis ist auch für die räumliche Planung relevant. 6 Danksagung und AutorenbeiträgeDie Idee für diesen Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsprojekts SynphOnie „Synergien aus physikalischen und verkehrsplanerischen Modellen zur multikriteriellen Optimierung multimodaler nachfrageorientierter Verkehre“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Projektpartner sind der Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik der Universität Stuttgart, die Arbeitsgruppe Optimierung der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität, das Fraunhofer IWTM Kaiserslautern und der Lehrstuhl für Mathematische Optimierung der Universität Passau. Julian Zimmer hat das Modell spezifiziert, implementiert und große Teile des Textes erstellt. Markus Friedrich hat die Spezifikation geprüft und Parameter sowie Ergebnisse des Modells plausibilisiert. Anita Schöbel hat Ideen beigetragen. 7 Literatur
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