FGSV-Nr. FGSV 002/120
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2017
Titel Potenzial des Verfügbarkeitsmodells für den Straßenbetriebsdienst
Autoren Dipl.-Ing. Michael Ditter
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Die Systemverantwortlichen, die Straßenbaulastträger und Straßenbaubehörden haben sich auf den Weg begeben, neue – oder andere – Formen der Aufgabenerledigung zu erproben und dazu geeignete Formen der Leistungsvereinbarung durch Performance-Verträge oder auch Zielvereinbarungen (Output-Spezifizierung) zu entwickeln und zu nutzen.

Wichtige Schritte auf diesem Weg sind die Entwicklung

– des Leistungsheftes für den Straßenbetriebsdienst, im ersten Ansatz sogar: des Leistungsheftes für den Straßenbetriebsdienstes als Grundlage zur Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung,

– der Vertragsform Funktionsbauvertrag als Aus-/Bau- und Erhaltungsvertrag mit der Option der Übertragung von Teilleistungen oder der Gesamtleistung des Straßenbetriebsdienstes,

– des Konzessionsvertrags nach dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz. Hier baut, betreibt, erhält und finanziert der private Betreiber einen bestimmten Streckenabschnitt und übernimmt diese Tätigkeiten zur Ausübung. Die Vergütung erfolgt über eine Anschubfinanzierung und eine von allen Nutzern der Mautstrecke erhobene Maut,

– des Konzessionsvertrags nach dem A-Modell; bei den bisherigen A-Modellen plant und baut der Auftragnehmer den 6-streifigen Ausbau einer bestehenden, hochbelasteten Bundesautobahn, zudem erhält und betreibt er den gesamten Streckenabschnitt. Diese Leistungen übernimmt er zur Ausübung. Die Vergütung erfolgt durch eine Anschubfinanzierung und verkehrsleistungsabhängig über Anteile der streckenbezogen erhobenen Lkw-Maut, und

des Verfügbarkeitsmodells.

Den Vertragsformen ist gemein, dass das verfügbar machen und verfügbar halten des Vertragsgegenstandes Leistungsziel ist. Der Grad der Zielerreichung ist unmittelbar oder mittelbar relevant für die Leistungsbeurteilung und mithin die Vergütung des Leistungserbringers. In diesem Zusammenhang spielt das Verständnis der Funktionalität von Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb eine wichtige, wenn nicht herausragende Rolle bei der Steuerung der Leistungen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit. Die Idee, die Steuerung der Leistungserbringung im Straßenbetriebsdienst um das Kriterium der Verfügbarkeit zu erweitern – durchaus auch durch Straßen- und Autobahnmeistereien in der öffentlichen Hand – fokussiert die Straßennutzerseite stärker als bisher, ohne Leistungssicherheit und Leistungsqualität in Frage zu stellen. Sie bietet ein noch auszulotendes Potenzial.

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1 Was ist „das Verfügbarkeitsmodell“?

Das Verfügbarkeitsmodell (V-Modell) auf einen Blick:

– Das erste Verfügbarkeitsmodell in Deutschland, die A 9 AS Lederhose – Landesgrenze Thüringen/Bayern (TH), ist seit 2009 unter Vertrag.

– Es handelt sich rechtlich betrachtet um einen Bauvertrag mit verfügbarkeitsabhängiger Vergütung.

– Merkmal der Vertragsform ist die Nutzerorientierung durch Verfügbarkeitsabhängigkeit, das heißt durch eine Vergütung in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Vertragsstrecke und der Qualität der Einhaltung vereinbarter Leistungsziele.

– Die Vergütung ist verkehrsmengenunabhängig, daher hat der ÖPP-Auftragnehmer kein unmittelbares Verkehrsmengenrisiko zu tragen.

– Die bisher geschlossenen bzw. in Vorbereitung befindlichen Verträge haben Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren.

– Das Verfügbarkeitsmodell ist auch geeignet für reine Neubau- und Erhaltungsmodelle.

In Deutschland sind derzeit die in der Tabelle 1 gelisteten Projekte in der Phase der Vorbereitung der Vergabe oder unter Vertrag.

Tabelle 1: Verfügbarkeitsmodelle in Deutschland

Beim Verfügbarkeitsmodell übernimmt der ÖPP-Auftragnehmer – wie auch in den anderen ÖPP-Modellen, dem F-Modell und dem A-Modell – auf einem bestimmten Streckenabschnitt Planungs-, Bau-, Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen über einen Zeitraum von 20 und mehr Jahren.

Zudem muss er einen eigenen Finanzierungsbeitrag leisten (Eigen- und Fremdkapital).

Die Ermittlung der Vergütung im Verfügbarkeitsmodell unterscheidet sich vom A-Modell in einem zentralen Punkt, der Vergütung: der Auftragnehmer erhält ein verkehrsmengenunabhängiges „Verfügbarkeitsentgelt“. Die Risikostruktur von A-Modell und Verfügbarkeitsmodell unterscheiden sich somit in einem zentralen Punkt: der Vergütung. Die Verkehrsmenge kann der Auftragnehmer nicht in dem Maße beeinflussen, wie er die Verfügbarkeit beeinflussen kann. Das Verkehrsrisiko verbleibt beim öffentlichen Sektor. Unter dem Begriff Verkehrsrisiko werden zwei Aspekte angesprochen: die Festsetzung der Mauthöhe und die Verkehrsmenge. Beide Aspekte werden stark von öffentlichen Maßnahmen beeinflusst, weswegen die Zuordnung in die Risikosphäre des Auftraggebers, die Risikoallokation, bei der öffentlichen Hand hier die richtige Entscheidung ist. Der ÖPP-Auftragnehmer trägt beim Verfügbarkeitsmodell allerdings regelmäßig auch das sogenannte mittelbare Verkehrsmengenrisiko, nämlich das Risiko zusätzlicher Erhaltungsmaßnahmen durch höheren Verkehr.

Das Verfügbarkeitsentgelt richtet sich nach dem Umfang der Verfügbarkeit und nach der Qualität der Vertragsstrecke für die Verkehrsteilnehmer. Die Vertragsparteien vereinbaren im Projektvertrag „Verfügbarkeitsmodell“ ein Verfügbarkeitsprofil. Im Verfügbarkeitsprofil wird abgebildet, in welchem Maße erhaltungs- oder betriebsbedingte Fahrstreifenreduzierungen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen die theoretische jährliche Verfügbarkeit (z. B. 365 Kalendertage/Jahr x 24 Stunden/Jahr) einschränken und, daraus abgeleitet, der Verlauf der Verfügbarkeit kumuliert über den Vertragszeitraum als Summenlinie der jährlichen Verfügbarkeiten.

In der Angebotsphase planen die Bewerber nach den Anforderungen und Bestimmungen des Projektvertrages sowie der Leistungsbeschreibungen Erhaltung und Betrieb die zur Vertragserfüllung erforderlichen Leistungen der Erhaltung und des Betriebs und stellt deren Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Vertragsstrecke in einem Verfügbarkeitsprofil dar. Nach Prüfung dieser Planungen (der Erhaltung- und Betriebskonzepte) erhält das Angebot mit der plausibel dargelegten höchsten Verfügbarkeit über den Vertragszeitraum die beste Bewertung in diesem Wertungskriterium.

Die aus dieser Planung ermittelte Summe der Verfügbarkeitseinschränkungen über die Vertragslaufzeit wird auf einem „Verfügbarkeitskonto“ gutgeschrieben. In der Vertragsphase wird jährlich überprüft, ob und inwieweit der erfolgreiche Bieter, das heißt der Auftragnehmer die mit Vertragsschluss vereinbarten Verfügbarkeitsziele – jährlich und kumulativ – erreicht hat. Erfüllt der Auftragnehmer diese – seine eigene – Soll-Vorgabe, bewegt er sich damit also innerhalb des Gutschriftbetrages, dann erhält er das volle vereinbarte Verfügbarkeitsentgelt; steht die Strecke dagegen nur in geringerem Umfang oder nur in schlechterer als der vertraglich vereinbarten Qualität zur Verfügung, erhält er einen Abzug vom Verfügbarkeitsentgelt. Überschreitet die tatsächliche Verfügbarkeit dagegen die vertraglich vereinbarte, kann der ÖPP-Auftragnehmer einen Bonus erhalten (bei ÖPP A 9) oder er erwirtschaftet einen Überschuss im Verfügbarkeitskonto.

Auch bei Projekten nach dem Verfügbarkeitsmodell wird – genauso wie im konventionellen Bereich – ein Privater lediglich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt.

Vorteile des Verfügbarkeitsmodells sind ein relativ einfacher Aufbau und klare Schnittstellen, was sich auch in den Verträgen widerspiegelt, die einfacher zu gestalten sind als im Mautbereich (z. B. in A-Modellen und F-Modellen). Es werden begrenzte, jährlich budgetierbare, bekannte Ausgaben für die öffentliche Hand, eine deutliche Risikoübertragung auf den Privatsektor in den Bereichen Bau, Betrieb und Erhaltung erreicht.

Das Verfügbarkeitsmodell setzt starke Anreize für die Optimierung von Projektkosten und Leistungen über den gesamten Lebenszyklus. Überlegungen, zwischen Investition, Betrieb und Erhaltung zu optimieren, bedeuten, dass der Wettbewerb der Anbieter über den Barwert der Verfügbarkeitszahlungen erfolgt. Das wesentliche Konkurrenzkriterium ist, wieviel Verfügbarkeitsentgelt eingefordert wird – und nicht spekulative Elemente wie Mauthöhen oder Verkehrsmenge.

Das Anreizsystem für den Betreiber – sei es der Baulastträger selbst oder sei es ein privater Vertragspartner als „Gehilfe“ zur Erfüllung der Baulastträgerverpflichtungen – ist die Optimierung der Leistungserbringung mit dem Ziel, die Verfügbarkeit bestmöglich zu gewährleisten und außerplanmäßige Verkehrsbeeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten.

Das Verfügbarkeitsmodell bietet somit einen wirkungsvollen Handlungsrahmen, der es erlaubt die Leistungserfüllung dem jeweiligen Bedarf angemessen und fein zu steuern. 

2 Wie werden Straßenbetriebsdienstleistungen im Verfügbarkeitsmodell vereinbart?

Das Verfügbarkeitsmodell beinhaltet hinsichtlich aller darin zu erbringenden technischen Leistungen, also Bau bzw. Um- und Ausbau, Straßenbetriebsdienst und Erhaltung, Leistungsbeschreibungen mit funktionalem Charakter. Es wird das Ziel der Leistungserbringung beschrieben, nicht jedoch der Weg, auf dem dieses Ziel erreicht werden soll, vorgegeben.

Insbesondere für die Planung und Durchführung des Straßenbetriebsdienstes ist die Leistungsvereinbarung also eine Service Level Vereinbarung (SLV). In einer solchen Vereinbarung werden qualitative Standards – Leistungsziele – festgelegt, das heißt, die Qualität einer Leistung – der Output –, auf den die Leistungserbringung gerichtet ist wird beschrieben, wird „spezifiziert“: durch „Output Spezifikationen“.

Es ist dann die Aufgabe des Auftragnehmers im Verfügbarkeitsmodell, diese Output Spezifikationen für die Durchführung des Straßenbetriebsdienstes im Rahmen seiner Jahresarbeitsplanung(en) zu interpretieren und so umzusetzen, dass die Leistungsziele zuverlässig und nachprüfbar im Sinne einer Überwachung der Vertragserfüllung erreicht werden.

Das ist im Rahmen eines ÖPP-Projektes, eines ÖPP-Vertrages, mit einer Laufzeit von 20 oder mehr Jahren ein ganz wichtiger Punkt. Schließlich muss definiert sein, was der Auftragnehmer schuldet und was der Auftraggeber eigentlich haben will. Außerdem muss der Vertrag Raum geben für eine Anpassung von Leistungszielen: die Änderung, das Entfallen oder das Hinzukommen von Leistungszielen.

Hier beginnt üblicherweise eine fast dogmatische Diskussion um den Ansatz Output-spezifizierter Leistungen, das heißt um das Konzept, ein Leistungsziel als Vertrags-Soll Auftraggeberseitig zu beschreiben und zu definieren dergestalt, dass die Vertragspartner dasselbe Verständnis des Leistungsziels haben, die Art und Weise der Leistungserbringung zur Erreichung des Leistungsziels dagegen jedoch weitestgehend in die Entscheidungs- und Ausführungskompetenz des privaten Partners zu übertragen wird.

Es ist unsere Aufgabe, die Leistungsziele so zu definieren, dass sie von beiden Vertragspartnern in derselben Art und Weise verstanden werden, damit deren Umsetzung oder Realisierung nicht durch langwierige, kostspielige und häufig durch einen Vergleich unbefriedigende Auslegungen behindert wird.

Es ist auch wichtig zu verstehen, dass durch die Formulierung von Leistungszielen für die Phase des Nutzungszeitraums einer Verkehrsanlage die Funktionalität der Leistungsbereiche Planung, Bau bzw. Um- und Ausbau, Straßenbetriebsdienst und Erhaltung unterstrichen wird.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Vertragspartner auf beiden Seiten lernen und auch lernen müssen, einen solchen Output spezifizierten Vertrag nach dem Verfügbarkeitsmodell „zu leben“: International agierende Unternehmen – und diese sind regelmäßig an den Projekten nach dem Verfügbarkeitsmodell beteiligt – haben hier schon einige Erfahrungen gesammelt und ich denke, es gehört zum erforderlichen partnerschaftlichen Umgang, diese Erfahrungen im positiven Sinne in die Umsetzung des Verfügbarkeitsmodells, den „Vertragsvollzug“, einzubringen. 

3 Wie funktioniert das Verfügbarkeitsmodell?

Leistungsziel des ÖPP-Vertrags ist das Verfügbarmachen und das Verfügbarhalten der Vertragsstrecke durch Herstellen und/bzw. Erhalten/Unterhalten derselben über einen Vertragszeitraum von 20 bis 30 Jahren. Der (Werk-)Erfolg wird an der tatsächlich festgestellten Verfügbarkeit der Vertragstrecke gemessen. Eine höhere Verfügbarkeit als die vertraglich vereinbarte führt zu einem höheren (Verfügbarkeits-)Entgelt des privaten Partners. Eine geringere Verfügbarkeit reduziert hingegen sein Entgelt.

Vergleichsmaßstab für diese Betrachtung ist die vom Auftraggeber geforderte, durchschnittliche jährliche Verfügbarkeit, die berücksichtigt, dass regel- oder planmäßig bestimmte Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit durch Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen, beispielweise durch Reinigung der Fahrbahn, Grünpflege auf dem Mittelstreifen oder die Reinigung von Entwässerungseinrichtungen, erforderlich sind. Die Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit durch Erhaltungsleistungen werden planmäßig erforderlich durch die regelmäßige Abnutzung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Vertragsstrecke.

Dagegen können Qualitätsmängel bei der Herstellung aber auch nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch (z. B. Groß- und Schwertransporte) zu außerplanmäßigen Erhaltungs- oder Unterhaltungsleistungen führen.

Die Ausführung von Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen bedingt die Einrichtung von Verkehrsführungen zur Sicherung der Arbeitsstellen nach den „Richtlinien zur Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA). Mit einer zur Ausführung der jeweiligen Leistung erforderlichen, einzurichtenden Verkehrsführung gehen Verfügbarkeitsbeeinträchtigungen einher: beispielsweise ist zur Grünpflege am Mittelstreifen oder zur Reinigung von Abläufen der Streckenentwässerung am linken Fahrbahnrand einer 2-bahnigen Straße (Autobahn) in der Regel die (zeitweise) Einziehung des linken, das heißt des 1. oder 2. Überholfahrtreifens verbunden. Art und Dauer solcher Verfügbarkeitsbeeinträchtigungen bestimmen die Höhe des Abzugs vom Verfügbarkeitsentgelt.

Im Wettbewerb um die Auftragserteilung konkurrieren die Bewerber um die geringste Summe der Verfügbarkeitseinschränkungen über die Vertragslaufzeit.

Letztlich ist für den Werkerfolg – das Verfügbarkeitsmodell basiert auf einem bauvertraglichen Regelungsgerüst – die tatsächlich erreichte Verfügbarkeit der Vertragsstrecke in Verbindung mit dem festgestellten anforderungsgemäßen Zustand der baulichen Anlagen der Vertragsstrecke maßgebend. Der Nachweis der in einer Leistungsperiode tatsächlich erreichten (Ist-) Verfügbarkeit gegenüber der vereinbarten (Soll-)Verfügbarkeit und des vertragsgemäßen Zustands der baulichen Anlagen der Vertragsstrecke ist somit entscheidend für die Auszahlung des Entgelts (Vergütung) an den privaten Partner.

Das nach dem ÖPP-Vertrag durch den privaten Partner im Rahmen den Management-Informations-Systems (MIS) zu leistende Monitoring – im Sinne der Eigenüberwachung der Leistungserbringung oder auch Qualitätssicherung zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung und Vertragserfüllung – hat deshalb zwei Zielaspekte.

Zum einen ist die Verfügbarkeit der Vertragsstrecke und ihrer Straßenbestandteile (FStrG § 1: Straßenkörper, Zubehör, Nebenanlagen und Nebenbetriebe) für die Straßennutzer zu überwachen. Dazu ist die Verfügbarkeit der Verkehrsflächen (Fahrstreifen, Seitenstreifen, Rampen, Brücken, Parkflächen) zu erfassen: Es ist über einen Vertragszeitraum von 20 bis 30 Jahren laufend (täglich) zu beobachten und rechtssicher zu dokumentieren, ob innerhalb eines bestimmten Beobachtungsintervalls (24 Stunden) arbeitsstellen- oder auch unfallbedingte Einschränkungen der Verfügbarkeit der Verkehrsflächen festgestellt werden. Die Verfügbarkeit gilt – unter bestimmten Randbedingungen – als eingeschränkt, wenn vorhandene Fahrstreifen den Straßennutzern nicht vollständig, das heißt in der vorhandenen Geometrie (Anzahl der Fahrstreifen, Fahrstreifenbreite und Fahrstreifenlänge), zur Verfügung stehen und/oder die zulässige Geschwindigkeit in einer oder mehreren Teilstrecken der Vertragsstrecke beschränkt ist.

Zum anderen ist der Zustand der baulichen Anlagen der Vertragsstrecke zu überwachen. Dabei geht es darum, den Straßenkörper, das Zubehör, die Nebenanlagen und die Nebenbetriebe dahingehend zu beobachten, dass sie hinsichtlich ihrer Gebrauchs- und Substanzmerkmale (geometrische, baustofftechnische und strukturelle Beschaffenheit) bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Tun sie dies nicht, ist der private Partner verpflichtet, die in Bezug auf die jeweiligen Anlagenteile nach dem ÖPP-Vertrag geforderten Gebrauchs- und Substanzmerkmale durch geeignete Maßnahmen, in der Regel Maßnahmen des Straßenbetriebsdienstes und der baulichen Erhaltung, wieder herzustellen. Mit der Durchführung solcher Maßnahmen sind in der Regel Einschränkungen der Verfügbarkeit verbunden.

Die Verfügbarkeit der Vertragsstrecke ist täglich, im 24-Stunden-Turnus, zu dokumentieren, das heißt es sind täglich entsprechende Erklärungen (Eintragungen beispielsweise in eine EXCEL-Tabelle – das ist der derzeitige Modus Operandi) von Seiten des privaten Partners erforderlich. Parallel dazu überwacht der Auftraggeber (die Straßenbauverwaltung – künftig dann: die Infrastrukturgesellschaft Verkehr oder das Fernstraßen Bundesamt) stichprobenhaft die Verfügbarkeit der Vertragsstrecke (Kontrollprüfung), um feststellen zu können, ob/dass die Erklärungen des privaten Partners zum Zeitpunkt der Stichprobe zutreffend sind.

Es ist also hier die Aufgabe, die Überwachung des Verkehrsgeschehens und der Verkehrsabläufe auf der Vertragsstrecke täglich zu verfolgen und rechtssicher zu dokumentieren. Die Auswertung muss sehr zeitnah erfolgen und im MIS bereitgestellt werden, damit zum einen der Dokumentationsverpflichtung des privaten Partners genüge getan wird und zum anderen der Auftraggeber indikativ weitere Kontrollinstrumente einsetzen kann.

Die Überwachung des Zustands der baulichen Anlagen der Vertragsstrecke erfolgt etwa durch tägliche Kontrollfahrten bzw. Besichtigungen, durch jährliche Begehungen sowie durch Funktionsinspektionen in einem Turnus von 4 Jahren und Bauwerksprüfungen im 3-Jahresrythmus. Im Rahmen dieser Überwachung werden visuelle Erfassungen von Schadens- und Zustandsmerkmalen durchgeführt aber auch messtechnische Erfassungen von Zustandsmerkmalen an den baulichen Anlagen der Vertragsstrecke.

Anforderungen an den Zustand der baulichen Anlagen der Vertragstrecke sind in Leistungsprogrammen für den Straßenbetriebsdienst und für die (Straßen-)Erhaltung funktional, als Funktionsanforderungen definiert: als Output „Spezifikationen“ oder „Leistungsziele“. Die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien“ (ZTV Funktion-StB) in der Fassung für Pilotprojekte behandeln die Funktionsanforderungen an den Erdbau, die Entwässerungseinrichtungen, den Straßenoberbau, die Ingenieur- und anderen Bauwerke, die Straßenausstattung (das Zubehör) sowie die trassennahen Maßnahmen des Landschaftspflegerischen Begleitplans im Hinblick auf die einzuhaltenden Zustandsgrößen und Schadensmerkmale während der Vertragslaufzeit.

Derzeit sind in den Verfügbarkeitsmodellen also noch abgegrenzte Leistungsdefinitionen üblich: Leistungsanforderungen, die für die Durchführung des Straßenbetriebsdienstes maßgeblich sind, werden in den Leistungsbeschreibungen „Betrieb“ gefasst, diejenigen, die die Ziele der Straßenerhaltung definieren werden in Leistungsbeschreibungen „Erhaltung“ und den projekt-spezifischen ZTV Funktion-StB zusammengestellt. Handlungsgegenstand ist dieselbe Vertragsstrecke, dieselbe Verkehrsanlage Straße mit einem einheitlichen Leistungsziel: deren Verfügbarkeit zu gewährleisten. Insoweit stellt sich nun schon die Frage, ob die tradierte, wohl organisatorisch begründete und bis heute kultivierte, getrennte Betrachtung der Leistungsbereiche Straßenbetriebsdienst und Straßenerhaltung einem integrierten Straßen- und Verkehrsmanagement Raum geben sollte. 

4 Welche Potenziale bietet das Verfügbarkeitsmodell für den Straßenbetriebsdienst?

Grundsätzlich kann wohl festgestellt werden, dass die Leistungserbringung im Straßenbetriebsdienst unter dem Verfügbarkeitsmodell ebenso wie die Leistungserbringung im Rahmen der konventionellen Aufgabenerledigung unmittelbar durch die Straßenbauverwaltungen (Straßenbaulastträger) das strategische Ziel eines sicheren und leistungsfähigen Verkehrsablaufes verfolgen.

Im Verfügbarkeitsmodell werden Anreize gesetzt, Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen im technischen und organisatorischen Kontext zu betrachten und umzusetzen – eben vor dem Hintergrund, hier eine Minimierung der Verfügbarkeitsbeeinträchtigung über den Vertragszeitraum zu erreichen. Beispielsweise durch eine Kombination von verschiedenen Straßenbetriebsdienstleistungen (z. B. Reinigung, Grünpflege) oder Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen (z. B. Reinigung und Fugenpflege).

Der ÖPP-Auftragnehmer hat die Möglichkeit, seinen Ressourceneinsatz sehr flexibel zu gestalten und beispielsweise durch zusätzlichen Ressourceneinsatz oder Leistungseinkauf die Gleichzeitigkeit der Leistungserbringung, die „Maßnahmenbündelung zur Erfüllung der Leistungsziele“, zu optimieren und mithin erforderliche Verkehrsbeeinträchtigungen (Verkehrsführungen) zur Optimierung der Verfügbarkeit effektiv auszunutzen. Die strategische, integrierte Leistungsplanung von Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen durch die im Rahmen einer Projektfinanzierung bereitgestellten, flexibel einsetzbaren Finanzmittel erhöhen ganz praktisch den Handlungsspielraum der ÖPP-Auftragnehmer.

Damit findet der Life-Cycle-Ansatz zur Betreuung der Straßeninfrastruktur in der Vertragsform Verfügbarkeitsmodell eine sicherlich beachtenswerte Entsprechung. Die bisher beauftragten Projekte befinden sich weit überwiegend noch in der Anlaufphase (Ramp Up). Es bleibt abzuwarten – und wird auch durch die Rechnungshöfe aufmerksam verfolgt – ob die gewünschten Effekte im Hinblick auf eine Verbesserung der Verfügbarkeit und eine Verbesserung des Erhaltungszustandes erreicht werden.

Es stellt sich die Frage, ob sich nun auch die Straßenbaulastträger und Straßenbaubehörden, selbst auf den Weg begeben sollen, den mit dem Verfügbarkeitsmodell aufgespannten Handlungsrahmen zu nutzen und in der Aufgabenerledigung zur Leistungssteuerung der Straßenbetriebsdienst- und Erhaltungsleistungen in Eigenleistung zu erproben.

Dies kann ein richtiger Weg sein, wenn auch im Rahmen eines offenen Benchmarkings Erkenntnisse und Erfahrungen ausgetauscht werden und das Strategieziel einer an den Anforderungen an die Verfügbarkeit des Systems Straße und an die wirtschaftliche und qualitätsvolle Erhaltung des Systems durch adaptierte Leistungserbringung im Straßenbetriebsdienst und komplementär in der Straßenerhaltung ernsthaft und konsequent umgesetzt wird. Es tritt zu den bisher gewohnten und geübten Strategiezielen der wirtschaftlichen und qualitätsvollen Leistungserbringung ein weiteres hinzu: die Verfügbarkeit. Es wird die Frage zu klären sein, wie eine Abwägung unter diesen Strategiezielen vorgenommen werden kann und welche vorgenommen werden soll.