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1 Motivation
Neben der digitalen Transformation, E-Mobilität und dem autonomen Fahren gewinnen insbesondere Themen wie Klimawandel, Klimaschutz und Ressourcenknappheit immer mehr an Bedeutung. Hieraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit, den Verkehrsträger Straße und somit auch den Straßenoberbau hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit zu überprüfen und anzupassen. Hauptsächlich im Kontext mit dem Investitionshochlauf sind Maßnahmen zu treffen, die alle beteiligten Akteure zum Umdenken und einem nachhaltigen Handeln bewegen, denn heute werden die Straßen von morgen gebaut. Zu beachten ist, dass einige der angeführten Aspekte eine treibende Wirkung besitzen oder gar disruptive Veränderungen hervorrufen können.
2 Nachhaltigkeit
Der Begriff Nachhaltigkeit existiert schon seit dem frühen 18. Jahrhundert und findet spätestens mit der Agenda 21 der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 [1] auch außerhalb wissenschaftlicher Diskussionen vermehrt Anwendung. Über die Jahre hat der Begriff eine starke semantische Aufladung erfahren und stellt seit einiger Zeit einen Mainstream dar.
Nachhaltigkeit sollte sich auf ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beziehen. Dabei stellt die vollkommene Nachhaltigkeit einen theoretischen „Idealzustand“ dar, der nie vollends erreicht werden kann. Vielmehr ist sie als Ziel eines Prozesses bzw. einer fortwährenden Entwicklung (nachhaltige Entwicklung) zu sehen, die auch im Bereich des Straßenbaus stattfindet.
Für die Beschreibung der Nachhaltigkeit von Produktionsprozessen oder Lebenszyklen – wie dies im Kontext mit dem Straßenoberbau der Fall ist – wird im Allgemeinen eine Erweiterung der drei Grundaspekte um die Gesichtspunkte Produktund Prozessqualität vorgenommen (Bild 1). Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes sind die Aspekte der Nachhaltigkeit in den unterschiedlichen Lebenszyklusphasen (LZP) des Straßenoberbaus bzw. des Produktes Straße zu beleuchten. Die verschiedenen LZP des Straßenoberbaus sind im Bild 2 vereinfacht dargestellt.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass das Argument von Nachhaltigkeit oder Qualität unscharf und unbestätigt bleibt, wenn keine Ziele existieren und keine objektive Beschreibung bzw. Bewertung möglich ist. Für eine sachliche Bewertung werden demzufolge entsprechende inhärente Merkmale für die angeführten Nachhaltigkeitsaspekte benötigt. Spätestens an dieser Stelle wird erkennbar, dass die Betrachtung der Nachhaltigkeit ein sehr komplexes vernetztes Themenfeld darstellt. In diesem Beitrag wird daher nur ein Teilaspekt behandelt, ohne die Verbindung zum ganzheitlichen Ansatz und zur realen Praxis zu verlieren.
Bild 1: Kriterien der Nachhaltigkeit gemäß dem Fünfsäulenprinzip
Bild 2: Lebenszyklusphasen eines Straßenoberbaus gemäß dem Prinzip „Cradle to Cradle“
3 Nachhaltiger Straßenoberbau
Zum Aufbau einer geeigneten Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit des Straßenoberbaus ist es daher nicht nur erforderlich, eine neue Denkweise einzuführen, bei der bestehende Wechselwirkungen und Vernetzungen hinreichend genau beachtet werden. Vielmehr müssen neue Modelle bzw. Methoden Akzeptanz finden, welche es ermöglichen z. B. die Dauerhaftigkeit, Robustheit und Qualität von Straßen ganzheitlich zu bewerten und letztlich zu verbessern. Dabei spielen insbesondere die Nachhaltigkeitskriterien „Produkt- und Prozessqualität“ in Verbindung mit den LZP „Planung und Realisierung“ eine große Bedeutung. Denn nur in diesen Phasen ist die Qualität bzw. die Nachhaltigkeit des Straßenoberbaus beherrschend beeinflussbar. Die Qualität ist im Allgemeinen als ein konsistentes System subjektiver Einstellungen hinsichtlich des Grades der Eignung eines Produktes zu sehen, die Eigenschaften der Produktelemente gemäß den Erwartungen der Produktnutzer auszuprägen (vgl. [2]). Für das Produkt Straße tritt primär die Qualität der Straßenoberfläche in den Vordergrund, da sie die eigentliche Kommunikationsschnittstelle bzw. Verbindung zwischen dem Nutzer (Fahrzeug/Reifen) und dem Straßenoberbau bildet. Zudem werden über die Fahrbahnoberfläche bzw. -textur die relevanten Funktions-/Gebrauchseigenschaften bereitgestellt. Das heißt, alle verkehrssicherheits- und fahrkomfortrelevanten Parameter des Fahrens werden hauptsächlich durch die Interaktionen zwischen rollendem Reifen und der Fahrbahnoberfläche bestimmt. Eine weitere wesentliche Rolle spielt die Substanz des Straßenoberbaus, da sie die Trägerfunktion – Fähigkeit des Straßenoberbaus, als dauerhafte Basis zu dienen – besitzt. Die Substanz beeinflusst jedoch nicht das direkte Qualitätsempfinden des Nutzers. Die Qualität der Oberfläche hingegen bezieht sich auf das erfahrbare Produkt, auf „das, was der Nutzer erhält – die funktional-nutzungsbezogenen Eigenschaften der Straße“.
Aus diesem Grund wurde für die Bewertung der Qualität im Kontext mit der Nachhaltigkeit von Straßenoberflächen ein denkbares Bewertungsmodell der Effektivität entwickelt. Dies hat zum Vorteil, dass die Effektivität die Gesamtwirkung bewertet und nicht nur die Wirkung einzelner Qualitätsmerkmale (Teilqualitäten). Zudem kann somit die Qualität in Anlehnung an die gültige Norm zum Qualitätsmanagement beschrieben werden. Hier wird die Qualität als „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt“ definiert [3]. Außerdem war wichtig, für die Operationalisierung eine Dimension von messtechnisch quantifizierbaren Merkmalen zu nutzen, die die relevanten Oberflächenmerkmale einschließen und der objektiven Leistungscharakterisierung dienen. Ferner wurde auf eine eindeutige Interpretationsfähigkeit und Beeinflussbarkeit der Merkmale geachtet. Hinsichtlich der Messbarkeit ist zu beachten, dass diese in direkt und indirekt messbare Merkmale zu unterscheiden sind.
Da der Reifen das Fahrzeug – den Nutzer – mit der Straße verbindet, wurden in einem ersten Schritt die drei Kriterien des Reifenlabels: Nasshaftung (Bremsweg auf nasser Straße), externes Rollgeräusch (Lautstärke) und Rollwiderstand (Kraftstoffverbrauch) als mögliche Merkmale aufgegriffen (Bild 3). Obwohl diese Kriterien auch im Bereich des Straßenbaus Anwendung finden bzw. genutzt werden, sind die eigentlichen Kenngrößen nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Möglichkeit einer abgestimmten Operationalisierung in Richtung Reifen und Straße ist daher nur bedingt möglich und sollte künftig verbessert werden. Das aktuell gültige Regelwerk des Straßenbaus beachtet derzeit die Merkmale Griffigkeit und Ebenheit, die auch bauvertraglich geschuldete Leistungen darstellen. Das Rollgeräusch bzw. der Geräuschpegel wird aktuell nicht im oben angeführten Sinne betrachtet. Vielmehr wird diesem Merkmal über den sog. Korrekturwert für Straßenoberflächen (DStrO) Rechnung getragen, der den verschiedenen Fahrbahnoberflächen fest zugeordnet ist. Gemäß den „Richtlinien für Lärmschutz an Straßen“ (RLS-90) beachtet der Korrekturwert den Einfluss der Straßenoberfläche auf den sog. Mittelungspegel [4]. Das Merkmal Rollwiderstand wird derzeit nicht verfolgt.
Für die ganzheitliche Bewertung einer Straßenoberfläche wird in dem entwickelten Modellansatz ein sog. Effektivitätsindex für Straßenoberflächen EStrO verwendet. Er ist ein Maß für die Gesamtwirksamkeit, welches das Verhältnis von erreichtem Ziel zu definiertem Ziel zum jeweiligen Betrachtungszeitpunkt oder über einen gewählten Zeitraum beschreibt. Das Ziel setzt sich dabei aus den gewählten Einzelzielen zusammen, deren Leistungsgrad aus den Verhältniswerten der inhärenten Merkmale des Objektes bestimmt wird. So sind in diesem ersten Ansatz die Performanceeigenschaften der Straßenoberfläche als ein Satz inhärenter Merkmale des Objekts „Oberfläche“ zu verstehen. Der Effektivitätsindex erschafft somit ein objektives Beurteilungskriterium, mit dem sich darstellen lässt, ob eine Oberfläche geeignet ist, ein vorgegebenes globales Ziel zu erreichen. Über die Art und Weise der Zielerreichung werden dabei keine Aussagen getroffen. Das Bild 4 zeigt an einem frei gewählten Fallbeispiel den entwickelten Modellansatz für die ganzheitliche Bewertung einer Straßenoberfläche. Hierzu wurden in einem ersten Schritt vier identifizierte Hauptmerkmale (Oberflächenperformances) – mit einem exemplarisch festgelegten Wichtungsanteil – zum Ansatz gebracht (Tabelle 1).
Tabelle 1: Exemplarisch gewählte Eingangswerte für die Beispieldarstellung im Bild 4
Da die Qualität der Straßenoberfläche auch von anderen Kriterien abhängt, ist zu prüfen, ob eine Erweiterung der Oberflächenperformances zweckmäßig bzw. zielführend ist. Zudem wurde jeder Performance ein zeitlich bezogener Leistungsgrad zugeteilt. Dieser kann auch Werte > 1 annehmen. Als Bewertungszeitpunkte wurden der Anfang und das Ende im Lebenszyklus (LZ) sowie ein Orientierungspunkt in der Mitte festgelegt.
Das Bild 4 zeigt die grafische Ergebnisdarstellung. Die vorderste Fläche (Summe aller farbigen Rechteckflächen) der Grafik beschreibt die erzielte Effektivität der Oberfläche zu Beginn des LZ (z. B. direkt nach Herstellung der Fahrbahndecke). Der Flächeninhalt dieser Fläche ist im Vergleich zu jenem der schwarz gerahmten Fläche zu sehen, die einer 100 %-igen Zielerreichung entspricht. Flächenanteile – die aus einem Leistungsgrad > 1 resultieren – werden nicht beachtet und sind als Reserve oder Überschuss zu werten. Die zu evaluierende Oberfläche weist zum Anfangszeitpunkt einen Effektivitätsindex EStrO von 0,92 auf. Die mittlere und hintere Fläche in der Grafik zeigen die zum Betrachtungszeitpunkt (tx,i - im LZ und t1 - Ende des LZ) vorliegenden Effektivitätsindizes.
Gemäß dem allgemeinen Wissen, dass sich der jeweilige Leistungsgrad im Zuge der Nutzung ändert, sind hier Szenarien der Ab- und Zunahme dargestellt. Aus der Praxis ist bekannt, dass insbesondere für die Oberflächenperformances Griffigkeit, Ebenheit und Geräuschpegel mit einer signifikanten Abnahme des Leistungsgrades bzw. des EStrO-Wertes zu rechnen ist. Für die Beschreibung der Gesamteffektivität wird das entstandene Hüllvolumen zwischen Anfang und Ende des Lebenszyklus ermittelt. Die Approximation der Hüllgeometrie erfolgt dabei unter Berücksichtigung weiterer Stützpunkte und ist somit hinreichend genau bzw. kann als polygonales Objekt beschrieben werden. Das Gesamtvolumen wird letztlich mit Integralen berechnet. Für den dargestellten Musterfall beträgt EStrO,ges = 0,82.
Bild 3: Gelabelter Reifen auf einer Fahrbahnoberfläche mit Waschbetontextur
Bild 4: Modellansatz für die ganzheitliche Bewertung von Straßenoberflächen mittels Effektivitätsindex EStrO
An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dieser Kennzahl keine grundsätzliche Aussage über die Nachhaltigkeit des Straßenoberbaus getroffen werden kann. Außerdem ist diese nicht in Verbindung mit der „Zustandserfassung und -bewertung der Fahrbahnoberflächen von Straßen“ (ZEB) zu sehen [5]. Vielmehr stellt der Effektivitätsindex für Straßenoberflächen eine Kennzahl dar, die dazu dienen soll, künftig die Produkt- und Prozessqualität sowie die Nachhaltigkeit des gesamten Straßenoberbaus objektiv bewerten, vergleichen bzw. steigern zu können. Das heißt, für die zielgerichtete Weiterentwicklung des Betonstraßenbaus stellt diese Kennzahl eine wichtige Ergänzung dar. Insbesondere soll die Kennzahl jedoch künftig für die systemische Weiter- und Neuentwicklung von Technologien zur Oberflächengestaltung von Fahrbahndecken für Bundesfernstraßen genutzt werden. Dies gilt auch im Zusammenhang mit dem Top-Down-Modell [6], welches seit einiger Zeit im Betonstraßenbau genutzt wird, um den Gedanken „performanceorientierte Fahrbahnoberflächen“ in die Praxis umsetzen zu können.
4 Straßenoberflächen und Oberflächentexturen
Alle dargestellten Überlegungen erscheinen auf den ersten Blick als überzogen oder unangemessen, wenn man sich die aktuelle Situation im Straßenbau vor Augen führt. So weisen Straßenoberflächen herstellungsbedingte Toleranzen auf, die sich mehr oder weniger auf die Performance (z. B. Griffigkeit, Ebenheit) auswirken. Zudem kann die Straßenoberfläche bzw. Oberflächentextur von Asphalt- und Betonfahrbahndecken nahezu ausschließlich über die verwendete Gesteinskörnung dauerhaft gestaltet werden, die als Naturprodukt einer entsprechenden Heterogenität unterliegt. Im Betonstraßenbau erfolgt die Herstellung der Oberflächentextur in einem gesonderten Arbeitsprozess (z. B. Teilprozess Ausbürsten), der einen hohen Einfluss auf die Prozesssicherheit und die Produktqualität besitzt. Aus diesem Grund werden seit einigen Jahren Bemühungen unternommen, die Prozesssicherheit, die Produktqualität aber auch die Leistungsfähigkeit der Oberflächentexturen zu steigern.
Als wichtigste technologische Neuerung ist in diesem Kontext das sog. Texturgrinding zu benennen, das aus der bestehenden Grinding- und Groovingtechnologie hervorgegangen ist. Mit dem Texturgrinding besteht nunmehr die Möglichkeit, zum einen die Prozesssicherheit im Fertigungsprozess signifikant zu erhöhen. Zum andern ist eine präzise und reproduzierbare Herstellung der Textur auch unter den in der Praxis vorherrschenden Randbedingungen mög- lich. Durch die aktive Weiterentwicklung dieser innovativen Technologie ist das Betreten einer vollkommen neuen Epoche der Oberflächentexturierung möglich. So ist aus wissenschaftlicher Sicht sowohl die Herstellung performanceorientierter Fahrbahnoberflächen als auch die Herstellung von High Performance Road Surfaces (HPRS) in naher Zukunft denkbar.
Um dies zu ermöglichen, ist ein erfolgreicher Transfer dieser Technologie in die Praxis erforderlich. Hierzu sind zum Teil langwierige und neue Wege zu beschreiten, so dass alle Beteiligten Akteure eingebunden werden müssen. Aktuell werden insbesondere folgende Themen bearbeitet:
– Verwendung von Leistungskennzahlen (KPI – Key Performance Indicator) für die Beschreibung der Oberflächenperformance,
– Entwicklung und Erprobung geeigneter Mess-/Prüfverfahren für die zweidimensionale Oberflächen- bzw. Texturansprache im Kontext mit der bauvertraglichen Abwicklung und der Erstellung von Prüfvorschriften,
– dreidimensionale Oberflächen- bzw. Texturansprache für die wissenschaftliche Oberflächencharakterisierung in Verbindung mit dem Top-Down-Ansatz,
– Ableitung relevanter Texturparameter und Kenngrößen für die Oberflächencharakterisierung sowie die Operationalisierung von KPI,
– Monitoring der Oberflächenperformances in der Praxis,
– Weiterentwicklung der Maschinentechnik (z. B. automatisierte Steuerung von Abtrag und Linienführung),
– Weiterentwicklung der Schneidwerkzeuge (z. B. Schneidgeometrie, -präzision und -leistung),
– systematische Erprobung der Technologie „Texturgrinding“ auf BAB sowie
– die Vorbereitung zur Aufnahme der Oberflächentextur in das Regelwerk.
Die systematische Erprobung der Technologie „Texturgrinding“ beschränkt sich in erster Linie auf die Texturen „Typ S“ und „Typ S+“ (Bild 6). Hier werden die Texturen in Verbindung mit verschiedenen Betonrezepturen (z. B. Variation Gesteinsart, Größtkorn) untersucht. Zudem werden hier präferierte Texturen erprobt, die sich hinsichtlich des Texturtypus und deren Ausprägung unterscheiden. Wichtig ist, dass hier noch keine direkte Steuerung der Oberflächenperformances stattfindet. Vielmehr sollen hiermit die aktuellen Basisanforderungen hinsichtlich Griffigkeit, Lärm und Ebenheit abgedeckt werden. Damit stellen derartige Texturen eine vorteilhafte Alternative zur aktuellen Standardtextur „Waschbeton“ dar. Darüber hinaus ergibt sich neben den oben angeführten Vorteilen ein weiterer in Bezug auf die erzielbare Ebenheit. So kann dem eigentlichen Arbeitsgang der Texturierung ein sog. Ebenheitsgrinding vorgeschaltet werden, um ggfs. qualitätsbeeinflussende Unebenheiten aus dem konventionellen Fertigungsprozess (Wellenlängenbereich bis 15 m) zu beseitigen. Für den Nutzer resultieren hieraus folgende Vorteile:
– geringere Beanspruchung bzw. Beschleunigung für Mensch/Fahrzeug/Ladegut,
– Erhöhung des Fahrkomforts und
– ggf. Senkung des Kraftstoffverbrauchs.
Für den Betreiber der Straße ergibt sich hieraus ggf. eine geringere Belastung des Straßenoberbaus, die bestenfalls in der Dauerhaftigkeit bzw. der Nutzungsdauer zum Ausdruck kommt. Zudem spiegeln sich derartige Leistungsunterschiede in der Oberflächenperformance im Leistungsgrad der Einzelperformance als auch im Effektivitätsindex EStrO wider und können somit bei der ganzheitlichen Bewertung der Nachhaltigkeit objektiv beachtet werden. Eine versachlichte Darstellung der Oberflächenperformance bzw. deren Vergleich ist auch für monetäre Fragestellungen von Bedeutung, z. B. ob der entstandene Nutzen den erbrachten Aufwand (z. B. Kosten) rechtfertigt.
Bild 6: Grindingtexturen „Typ S“
Bild 7: Lage der Untersuchungsstrecken „systematische Erprobung Texturgrinding“ im BAB-Netz
Gegenwärtig werden die beiden Texturtypen auf insgesamt zehn realisierten Erprobungsstrecken mit einer Gesamtlänge von ca. 35 km untersucht. Diese umfassen insgesamt 38 verschiedene Einzelabschnitte auf denen in Summe 15 verschiedene Texturvariationen (Textur oder Beton) appliziert sind. Das Bild 7 zeigt die Lage der realisierten, geplanten und im Bau befindlichen Untersuchungsstrecken im BAB-Netz.
Die bisherigen Erkenntnisse der durchgeführten Untersuchungen und Forschungsvorhaben [z. B. 7, 8] zeigen, dass insbesondere die Standardanforderungen an die Oberfläche, die sich aus der konventionellen bauvertraglichen Abwicklung ergeben, erfüllt oder übererfüllt werden. Die Ergebnisse zeigen auch, dass theoretisch eine gezielte Steuerung der einzelnen Leistungsmerkmale möglich ist. Hierfür ist jedoch ein spezifisches Wissen hinsichtlich der Mechanismen und physikalischen Zusammenhänge in der Interaktion Reifen/Fahrbahn erforderlich, um sowohl die Fahrbahneigenschaften, die Grindingtechnologie als auch den Reifen zielorientiert weiterentwickeln zu können.
Bezogen auf die Grundvoraussetzungen des Texturgrindings ist es wichtig, dass der Basisträger (Betondecke bzw. Oberbeton) geeignet sein muss, die eigentliche Textur aufzunehmen und diese dauerhaft zu halten. Der Beton muss hierfür z. B. bestimmte Voraussetzungen in der Zusammensetzung sowie hinsichtlich der Festigkeit oder Frost-Tausalz-Beständigkeit erfüllen. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass die Standardtexturen (Typ S) bei der Herstellung mit einem bestimmten Basis-/Wirkvolumen ausgestattet werden, welches mit der Zeit verschleißt. Eine erste signifikante Volumenabnahme ergibt sich in der Regel durch das sog. „Brechen der Stege“. Dies geschieht innerhalb weniger Wochen nach Verkehrsfreigabe. Dieser Zustand wird als Nullzustand bezeichnet (Bilder 8 und 9) und kennzeichnet zudem den Zeitpunkt, ab dem eine reale Leistungs- und Effektivitätsbetrachtung möglich ist.
Aktuell ist davon auszugehen, dass der anschließend folgende Volumenverlust mit dem Graph einer linearen Funktion annähernd genau beschrieben werden kann. Der Einfluss aus dem „Brechen der Stege“ auf die Oberflächenperformances ist im Bild 10 zu sehen. Diese Grafik zeigt exemplarisch die Leistungskennwerte einer Grindingoberfläche „Typ S“. Für den Rollwiderstand wurde ein Leistungsgrad von 1,0 angesetzt, da für diesen keine Leistungsanforderungen bestehen und zum anderen kein genormtes Messverfahren zur Kennwertbestimmung existiert.
Bild 8: 3D-Aufnahmen Texturgrinding „Typ S“ im Herstellungszustand (rechts) und im Nullzustand (links) Textfeld: Griffigkeit/ DrainageTextfeld: EbenheitTextfeld: GeräuschpegelTextfeld: Rollwiderstand
Bild 9: Zustände der Grindingtextur über die Nutzungsdauer (schematische Darstellung)
Bild 10: Zustände der Grindingtextur über die Nutzungsdauer
Es ist zu erkennen, dass durch das Brechen der Stege der Leistungsgrad der Griffigkeit abnimmt und der des Geräuschpegels (Lärmminderung) ansteigt. Dieser Zusammenhang ist allgemein bekannt und bei Betrachtung der 3D-Oberflächenbilder im Bild 8 selbsterklärend.
Abschließend ist anzumerken, dass eine der gegenwärtigen Entwicklungen der Grindingtechnologie darauf basiert, eine vollständige Generierung der Oberflächentextur durch Schneiden zu erzielen. Rille und Steg werden faktisch gleichermaßen durch Materialabtrag erzeugt. Das bedeutet, die obere Steggeometrie als auch die Stegoberfläche können infolgedessen gezielt hergestellt bzw. nicht mehr durch das Brechen beeinflusst werden. Theoretisch wären dadurch die bautechnischen Voraussetzungen für die Herstellung von HPRS (High Performance Road Surfaces) gegeben.
5 Zusammenfassung und Ausblick
Neben den Herausforderungen der Digitalisierung und den sich daraus ergebenden Chancen im Verkehrssektor, rücken aktuell die Themengebiete Ressourcenknappheit, Klimawandel und Klimaschutz in den Vordergrund. Das bedeutet für alle Verkehrsträger gemeinsam, alle möglichen Potenziale zu bergen, um künftig die Lärm-, Schadstoff- und Treibhausgasemissionen sowie den Verbrauch an natürlichen Ressourcen signifikant zu reduzieren. Kurz gesagt: Das globale Ziel heißt, nachhaltig zu handeln! Um die Zielverfolgung und -erreichung messbar zu machen, sind entsprechende inhärente Merkmale für die zu betrachtenden Nachhaltigkeitskriterien notwendig.
Im Bereich des Straßenbaus sind insbesondere die Kriterien „Produkt- und Prozessqualität“ in Verbindung mit den LZP „Planung und Realisierung“ anzuführen, da in diesen beiden Phasen die Qualität bzw. die Nachhaltigkeit des Straßenoberbaus maßgeblich geprägt wird. Über den Nutzungszeitraum hinweg schaut letztlich der Nutzer auf die Qualität des fertigen Produktes Straße, auf „das, was er erhält – die funktional-nutzungsbezogenen Eigenschaften der Straße“. In Bezug auf die Nachhaltigkeit kann der Straßenoberfläche faktisch eine Schlüsselrolle zugeschrieben werden. Die Substanz hingegen ist als Basisträger der Oberfläche bzw. der Oberflächentextur zu sehen. Daher ist es essentiell, dass dieser möglichst dauerhaft ist.
Für die ganzheitliche Bewertung der Qualität im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit von Straßenoberflächen wurde ein vorstellbares Bewertungsmodell entwickelt. Mit diesem wird die Effektivität in Form eines Effektivitätsindizes EStrO für einen Betrachtungszeitpunkt oder eine Zeitspanne ermittelt, welches die Gesamtwirkung der verschiedenen Teilqualitäten der Oberfläche bewertet. Durch die Verwendung inhärenter Merkmale in Verbindung mit dem entsprechend vorliegenden Leistungsgrad können objektive Aussagen zur Performance, Qualität bzw. zur Nachhaltigkeit getroffen werden. Die Performances Griffigkeit, Ebenheit, Geräuschpegel und Rollwiderstand wurden in Anlehnung an das europäische Reifenlabel sowie aufgrund ihrer signifikanten Wirkung auf die fünf Aspekte der Nachhaltigkeit gewählt und daher nahezu gleich gewichtet.
Eine derartige ganzheitliche Bewertungsmöglichkeit wird insbesondere für die gezielte Weiter-/ Neuentwicklung von Straßenkonstruktionen und -oberflächen benötigt, um einen objektiven Vergleich bzw. eine Bewertung zu ermöglichen. Zudem ist eine Adaption des Modells bzw. der generierbaren Kennwerte für operative und globale Fragestellungen vorstellbar. Dies könnte beispielsweise monetäre Aspekte im Rahmen der bauvertraglichen Abwicklung als auch die Bewertung der Nachhaltigkeit des Verkehrsträgers Straße betreffen.
Im Bereich des Betonstraßenbaus kann dieses Modell beispielweise dazu dienen, eine ganzheitliche Bewertung von Grindingtexturen vornehmen zu können. So wird derzeit eine Vielzahl verschiedener Texturen der Generation „Texturgrinding“ (Typ S und Typ S+) auf Bundesautobahnen erprobt. Dabei wird primär das Ziel verfolgt, diese zeitnah als alternative Standardtexturen für den Betonstraßenbau einzuführen. Die nachfolgende Generation (Typ A und Typ A+) verfolgt u. a. die gezielte Texturierung für eine performanceorientierte Oberflächengestaltung. Das heißt, jede Performance der Oberfläche ist für sich steuerbar. Hierfür werden aktuell der Baustoff Beton, die Konstruktion und die Grindingtechnologie systematisch weiterentwickelt. In einer nächsten Texturgeneration wäre somit die Herstellung von High Performance Road Surfaces (HPRS) möglich. Das Label besitzt die Aufgabe, den Nutzer beim Kauf über die Kriterien Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräuschemission im Zusammenhang mit einer höheren Fahrsicherheit, weniger Umweltverschmutzung und weniger Kraftstoffverbrauch hinreichend zu informieren. So hängt beispielsweise die Kraftstoffeffizienz eines Reifens von dessen Rollwiderstand ab. Eingestuft wird diese in die Klassen A (höchste Effizienz) bis G (geringste Effizienz). Die Kraftstoffersparnis, die sich bei Verwendung von Reifen der Klasse A an Stelle von Reifen der Klasse G ergeben kann, wird bei Pkw mit ca. 7,5 % geschätzt. Dies entspricht bei den meisten Pkw einer Kraftstoffersparnis von ca. 0,5 l/100 km [9].
Bild 11: EU-Reifenlabel
Bild 12: Fahrbahnoberfläche „Texturgrinding Typ S 2,4 / 2,2“ mit Effizienzklassen der Performanceindizes (Oberflächenlabel)
Die aktuellen und künftigen Herausforderungen im Kontext mit der Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur erfordern auch im Bereich des Straßenbaus das Beschreiten neuer Wege. Zudem sind diese als Chance bzw. Aufruf für den Beginn einer neuen globalen Partnerschaft bzw. Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren im Dienste einer nachhaltigen Entwicklung zu sehen.
Literaturverzeichnis
1 AGENDA 21: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung. Rio de Janeiro, Juni 1992
2 Lefkoff-Hagius, R.; Mason, C. H.: Characteristics, Beneficial, and Image Attributes in Consumer Judgements of Similarity and Judgements. Journal of Consumer Research, Vol. 20, 1993
3 DIN EN ISO 9000: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe. ISO 9000:2015
4 Der Bundesminister für Verkehr, Abteilung Straßenbau: Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90). Ausgabe 1990 (FGSV 334)
5 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB), Ausgabe 2006/geänderter und korrigierter Nachdruck 2018, Köln (FGSV 489)
6 Wieland, M.; Jungen, B.: Innovationsfeld Betonfahrbahndecken (Betonstraßenbau) – Oberflächenperformance. Straße und Autobahn, 1/2019, S. 28-32, Kirschbaum Verlag, Bonn
7 Villaret et. al.: Dauerhafte Betondecken – Optimierung der Fahrbahnoberfläche durch Texturierung mittels Grinding-Verfahren (FE 08.0220/2012/ORB), Schlussbericht 2017
8 Spielhofer et. al.: Innovative Grinding- und Grooving-Oberflächen (INGGO). Österreichisch-Deutsches Forschungsprojekt. Schlussbericht 2019
9 ADAC: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/reifen/reifenkauf/reifenlabel/ (Stand: 01.09.2019). |