FGSV-Nr. FGSV 002/134
Ort Weimar
Datum 05.05.2022
Titel Artenschutz bei der Unterhaltung und dem Betrieb von Straßen
Autoren Dr. jur. Marcus Lau
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Das besondere Artenschutzrecht nimmt in der Planfeststellung von Straßenbauvorhaben breiten Raum ein. Grundsätzlich wird dabei als betriebsbedingte Auswirkung nicht nur der Betrieb, sondern auch die Unterhaltung der Straße mit in den Blick genommen. Angesichts der Dynamik der Natur treten im Laufe der Zeit jedoch nicht selten Veränderungen ein, die Anlass zu einer Neubewertung geben können. Dies führt zwar nicht dazu, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.2009 – 9 A 64.07 – Rn. 50), doch ist damit die Frage aufgeworfen, wie mit dieser Situation bei der Unterhaltung und dem Betrieb von Straßen umzugehen ist. Die nähere juristische Prüfung zeigt, dass das besondere Artenschutzrecht weiterhin Anwendung findet, also weder die spezielle Funktionssicherungsklausel des § 4 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG noch der bestehende Planfeststellungsbeschluss eine Freistellung von den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG bewirken. Während die Auswirkungen des Betriebs in erster Linie die Straßenverkehrsbehörden in die Pflicht nehmen, sodass sie z. B. gegebenenfalls nach § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Nr. 4a StVO Geschwindigkeitsbegrenzungen vorsehen müssen, obliegt die Verantwortung für die Unterhaltung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG den Trägern der Straßenbaulast. Dabei muss aber nicht vor jeder Unterhaltungsmaßnahme eine artenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt werden, sondern Untersuchungen sind nur veranlasst, wenn belastbare Anhaltspunkte für die Betroffenheit besonders geschützter Arten vorliegen. Bestätigt sich ein entsprechender Konflikt oder wird dieser im Rahmen einer Worst-Case-Annahme unterstellt, muss die Trägerin der Straßenbaulast entsprechende Vermeidungsmaßnahmen ergreifen. Dabei sind ihr die Privilegierungen nach § 44 Abs. 5 BNatSchG einschließlich der Möglichkeit der CEF-Maßnahmen eröffnet. Lässt sich der Konflikt auch damit nicht bewältigen, bleibt noch der Weg in die Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG, die sich – entsprechend dokumentiert – die Trägerin der Straßenbaulast ausweislich § 4 Satz 2 FStrG selbst erteilen kann, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

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1 Einleitung

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. Der Gesetzgeber unterscheidet demnach zwischen dem Bau und der Unterhaltung von Bundesfernstraßen. Im Gegensatz zum Bau (einschließlich der Änderung) von Bundesfernstraßen bedarf die Unterhaltung nicht der Planfeststellung, sondern ist verfahrensfrei (Ronellenfitsch 2012, § 17 Rn. 8).

Der Begriff der Unterhaltung ist dabei weit zu fassen. Dies liegt darin begründet, dass der den Bau einer Bundesfernstraße ermöglichende Planfeststellungsbeschluss eine umfassende Gestattungswirkung hat. Die Vorhabenträgerin darf das zugelassene Vorhaben im genehmigten Umfang errichten und betreiben (Wysk 2019, § 75 Rn. 9). Die Gestattung erfasst dabei anders als z. B. im Baurecht nicht nur die erstmalige Herstellung der Anlage, sondern auch ihren Abbruch und ihre Wiederherstellung (Hönig 2019, S. 12). Der zugrunde liegende Planfeststellungsbeschluss verliert seine Gestattungswirkung vielmehr nur durch eindeutigen konträren Hoheitsakt oder infolge der Funktionslosigkeit der Anlage (BVerwG, Urteil vom 12.04.2000 – 11 A 18.98 – Rn. 87). „Unterhaltung“ ist ausgehend davon jede Maßnahme, die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des planfestgestellten Zustands dient. Unter den Begriff der Unterhaltung fallen folglich vielfältige Maßnahmen, angefangen von der Pflege des Straßenbegleitgrüns bis zur Ersetzung von Brückenbauwerken.

Bei all diesen Maßnahmen kann es zu artenschutzrechtlichen Konflikten kommen. Die Natur ist dynamisch. Es können daher nach Planfeststellung Situationen entstehen, die zum Zeitpunkt der Zulassung des Vorhabens noch nicht konkret absehbar waren. Dies wirft die Frage auf, ob und wenn ja, in welcher Weise dies im Rahmen der Unterhaltung zu berücksichtigen ist. Dieselbe Frage stellt sich mit Blick auf den Betrieb von Straßen, etwa wenn auf Grund der Veränderung des Lebensraums eine neue Fledermausflugroute entsteht, die eine bestehende Bundesfernstraße quert.

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst die Wirkung von Planfeststellungsbeschlüssen auf die Anwendbarkeit der Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG zu betrachten (2). Daran anschließend wird den sich bietenden Möglichkeiten der Konfliktlösung nachgegangen (3) und werden Zuständigkeitsfragen erörtert (4).

2 Wirkung des Planfeststellungsbeschlusses

Wie bereits erwähnt, vermittelt der Planfeststellungsbeschluss eine umfassende Gestattungswirkung für das Vorhaben. Dies betrifft nicht nur den Betrieb, sondern auch die Unterhaltung der Straße (Fischer-Hüftle, Czybulka 2021, § 14 Rn. 15). Daraus wird in der Literatur teilweise geschlossen, dass das besondere Artenschutzrecht auf planfestgestellte Vorhaben keine Anwendung mehr findet (Kautz 2018). Demgegenüber hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (Urteil vom 04.07.2018 – 5 S 2117/16 – juris, Rn. 62) ausgeführt:

„Die Regelung des § 44 BNatSchG, die u. a. Art. 12 und 16 der FFH-Richtlinie umsetzt […], findet auch auf bereits zugelassene Vorhaben Anwendung, wenn nachträglich artenschutzrechtliche Konflikte auftreten. […] In ihrer Funktion als verhaltensbezogene Sanktionsnorm bleiben sie jedoch anwendbar mit der Folge, dass auch für solche Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht vorhersehbar waren, die nachträgliche Prüfung und gegebenenfalls Erteilung entsprechender Ausnahmegenehmigungen erforderlich ist. […] Insoweit ist es strukturell mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, Planfeststellungsbeschlüssen eine Ausnahmegenehmigung für alle zukünftigen und zunächst unabsehbaren Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften beizumessen.“

Während jedoch die Vorhabenträgerin als Antragstellerin im Planfeststellungsverfahren verpflichtet ist, die für die Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens erforderlichen Unterlagen, einschließlich eines Artenschutzfachbeitrags, vorzulegen, gilt nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (OVG Lüneburg, Urteil vom 13.03.2019 – 12 LB 125/18 – juris, Rn. 79). Dies bedeutet, dass derjenige den artenschutzrechtlichen Verstoß darlegen und ggf. beweisen muss, der sich darauf beruft. Es besteht also keine Pflicht, vor jeder Unterhaltungsmaßnahme eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen.

Bestehen allerdings Anhaltspunkte für die Betroffenheit relevanter besonders geschützter Arten, darf die Trägerin der Straßenbaulast die Augen davor nicht verschließen. So ist bei der Fällung eines alten höhlenreichen Baumes regelmäßig mit der Besiedlung durch Anhang-IV-Arten oder europäische Vogelarten zu rechnen. Es ist in diesem Fall erforderlich, weitere Untersuchungen durchzuführen oder – sofern sich dadurch der Sachverhalt angemessen erfassen lässt – ein Worst-Case-Szenario anzunehmen.

3 Möglichkeiten der Konfliktlösung

Steht fest oder wird im Sinne eines Worst-Case-Szenarios unterstellt, dass durch den Betrieb oder die Unterhaltung der Straße Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht werden, stellt sich die Frage, wie dieser Konflikt gelöst werden kann.

Soweit die Verkehrssicherheit gefährdet und Gefahr im Verzug ist, kann und muss gehandelt werden. Verletzt die zur Abwendung dieser Gefahr erforderliche Maßnahme artenschutzrechtliche Verbotstatbestände, ist sie gleichwohl nach den allgemeinen Maßstäben der §§ 32, 34 StGB, §§ 228, 904 BGB gerechtfertigt (Müller-Walter 2013, § 44 Rn. 6; Lau 2021, § 44 Rn. 50; Rüwe 2020, S. 67).

Außerhalb der Fälle von Gefahr im Verzug muss jedoch grundsätzlich dafür Sorge getragen werden, dass es nicht zur Auslösung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände kommt. Das probateste Mittel hierfür sind Vermeidungsmaßnahmen. § 44 Abs. 5 BNatSchG sieht in Satz 3 zudem nicht nur die Möglichkeit „vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen“ vor, sondern beschränkt auch das relevante Artenspektrum auf die Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie, die europäischen Vogelarten und die nationalen Verantwortungsarten. Darüber hinaus enthält die Vorschrift in insgesamt drei Nummern Privilegierungen hinsichtlich des Tötungs-, Fang- und Schädigungsverbots. Sie bewirkt damit erhebliche Erleichterungen für die Lösung artenschutzrechtlicher Konflikte, sodass sich die Frage stellt, ob § 44 Abs. 5 BNatSchG auf die Unterhaltung und den Betrieb von Straßen anwendbar ist (3.1). Zudem ist die Frage aufgeworfen, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erteilt werden kann (3.2).

3.1 Anwendbarkeit des § 44 Abs. 5 BNatSchG

Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG gilt die Vorschrift für nach § 15 Abs. 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Abs. 1 oder 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 1. Stellt eine Unterhaltungsmaßnahme einen eigenen Eingriff in Natur und Landschaft dar, etwa weil hierfür – zumindest vorübergehend – Flächen in Anspruch genommen werden, die bislang nicht zu der Straße gehörten, findet § 44 Abs. 5 BNatSchG Anwendung, wenn das Vermeidungsgebot des § 15 Abs. 1 BNatSchG beachtet wird.

Schwieriger ist die Frage für den Betrieb sowie für die Unterhaltungsmaßnahmen zu beantworten, die keinen eigenen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, insbesondere die Maßnahmen der regelmäßigen Unterhaltung. Doch findet auch bei diesen Maßnahmen eine Prüfung statt, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei planfeststellungsbedürftigen Vorhaben Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 5 BNatSchG ist (BVerwG, Urteil vom 14.07.2011 – 9 A 12.10 – Rn. 118). Gegenstand dieser Prüfung ist die Frage, ob ein Eingriff vorliegt. Ist das Ergebnis dieser Prüfung, dass kein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt, ist § 44 Abs. 5 BNatSchG aber schon auf Grund eines Erst-Recht-Schlusses anwendbar, weil andernfalls ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch vorläge; die in ihrem Beeinträchtigungspotenzial schwerwiegendere, nämlich einen Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellende Maßnahme würde besser gestellt als die unterhalb der Eingriffsschwelle bleibende weniger beeinträchtigende Maßnahme (OVG Hamburg, Urteil vom 16.06.2016 – 1 Bf 258/12 – juris, Rn. 264).

Damit kommt § 44 Abs. 5 BNatSchG bei der Unterhaltung und dem Betrieb von Straßen zur Anwendung. Bei der Lösung artenschutzrechtlicher Konflikte kann auf die Privilegierungen nach dieser Vorschrift zurückgegriffen werden. Insbesondere sind „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG möglich.

3.2 Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG

Kommt es trotz der Privilegierungen nach § 44 Abs. 5 BNatSchG zu einem artenschutz-rechtlichen Konflikt und lässt sich dieser auch nicht über Vermeidungsmaßnahmen lösen, bleibt nur der Weg über die Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG. Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Ausnahmegrundes voraus. Der naheliegendste Ausnahmegrund sind dabei die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG.

Öffentliche Interessen sind alle Interessen gleich welcher Art, außer lediglich rein privater Belange (OVG Koblenz, Urteil vom 08.07.2009 – 8 C 10399/08.OVG – juris, Rn. 207). Zwingend ist ein Grund, wenn seine Verfolgung einem von Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetem staatlichem Handeln entspricht (BVerwG, Urteil vom 12.06.2019 – 9 A 2.18 – Rn. 124). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Betriebs und der Unterhaltung einer öffentlich gewidmeten Straße vor; denn § 4 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG sieht vor, dass bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken des öffentlichen Verkehrs als öffentliche Verkehrswege dienen oder in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten ist.

Überwiegend sind diese Gründe schließlich dann, wenn sie den Belangen des Artenschutzes in der Abwägung vorgehen (BVerwG, Urteil vom 09.07.2009 – 4 C 12.07 – Rn. 13). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier um ein bereits zugelassenes Vorhaben geht. Allein dies bewirkt mit Blick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit ein zusätzliches Gewicht für den (Weiter-) Betrieb der Straße bzw. die Durchführung der Unterhaltungsmaßnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 10.11.2016 – C-504/14 – Rn. 41; GA Kokott, Schlussanträge vom 03.09.2015 – C-141/14 – Rn. 134). Ausgehend davon wird in vielen Fällen der Ausnahmegrund der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zu bejahen sein.

Problematisch ist aber, dass hinter § 45 Abs. 7 BNatSchG europäisches Recht steht und der für die in Europa heimischen Vogelarten geltende Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie im Gegensatz zu Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie den Ausnahmegrund der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht kennt. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht bereits früh darauf hingewiesen, dass dieser Ausnahmegrund in Bezug auf Vögel wohl keine Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 12.03.2008 – 9 A 3.06 – Rn. 262). Der EuGH hat sich inzwischen in dieselbe Richtung geäußert (EuGH, Urteil vom 26.01.2012 – C-192/11 – Rn. 39).

Einen Ausweg bietet der Ausnahmegrund der öffentlichen Sicherheit gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG, den auch Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie kennt. Da dieser Ausnahmegrund auch bei der Errichtung einer neuen Straße angenommen wird, für die ein Verkehrsbedürfnis besteht (OVG Koblenz, Urteil vom 06.11.2019 – 8 C 10240/18.OVG – juris, Rn. 280; OVG Magdeburg, Urteil vom 23.08.2017 – 2 K 66.16 – juris, Rn. 192; OVG Münster, Urteil vom 29.03.2017 – 11 D 70/09.AK – juris, Rn. 949), muss er umso mehr für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit bereits bestehender Straßen Anwendung finden können.

Liegt ein tauglicher Ausnahmegrund vor, darf des Weiteren gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 BNatSchG keine zumutbarer Alternativen gegeben sein. Als Alternative kommen nur solche Maßnahmen in Betracht, mit denen sich die konkret verfolgten Ziele – wenn auch unter gewissen Abstrichen am Zielerfüllungsgrad – ebenfalls verwirklichen lassen (BVerwG, Urteil vom 17.01.2007 – 9 A 20.05 – Rn. 143). Da sich das Ziel des Betriebs bzw. der Unterhaltung einer Straße auf ein konkretes Vorhaben bezieht, erschöpfen sich die Alternativen mithin in der Wahl der Mittel. Standortalternativen kommen hingegen nicht in Betracht.

Schließlich verlangt § 45 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 BNatSchG das Ausbleiben einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art sowie – bei den Anhang-IV-Arten – das Ausbleiben einer Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands. Hierbei ist sowohl das natürliche Verbreitungsgebiet der betreffenden Art innerhalb der biogeografischen Region des jeweiligen Mitgliedstaats als auch das Gebiet der lokalen Population zu betrachten (EuGH, Urteil vom 10.10.2019 – C-674/17 – Rn. 58 f.). Es kann dabei auch auf FCS-Maßnahmen zurückgegriffen werden, mit denen eine Stützung der Populationen der Art erreicht wird, sodass es nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands kommt (OVG Magdeburg, Urteil vom 23.08.2017 – 2 K 66/16 – juris, Rn. 180; VGH Mannheim, Urteil vom 23.09.2013 – 3 S 284/11 – juris, Rn. 388).

4 Zuständigkeitsfragen

Während die Unterhaltung gemäß § 3 Abs. 1 FStrG der Trägerin der Straßenbaulast obliegt, unterfällt die Überwachung des Betriebs in erster Linie den Straßenverkehrsbehörden. Letztere haben mit § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Nr. 4a StVO auch eine Ermächtigungsgrundlage, um aus Gründen des besonderen Artenschutzes Maßnahmen zu ergreifen, z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen vorzusehen. Im Einzelfall kann die neu entstandene Konfliktlage aber auch ein Ausmaß annehmen, das sich mit den der Straßenverkehrsbehörde zustehenden Mitteln nicht mehr angemessen bewältigen lässt. So kann es beispielsweise erforderlich sein, auf Grund einer neu entstandenen Fledermausflugroute nachträglich eine Querungshilfe sowie entsprechende Leiteinrichtung und Kollisionsschutz zu errichten. Hierin wird regelmäßig eine erhebliche bauliche Umgestaltung in sonstiger Weise im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FStrG zu sehen sein, sodass diese Maßnahme grundsätzlich der Planfeststellung bedarf. Es ist dann die Aufgabe der Trägerin der Straßenbaulast die erforderlichen Pläne zu erstellen und die Planfeststellung zu beantragen.

Setzt die Unterhaltung umfangreiche Vermeidungsmaßnahmen, insbesondere den Zugriff auf Flächen Dritter, voraus, so kann auch dies eine Änderung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG bedeuten, was allerdings den seltenen Ausnahmefall darstellen dürfte. Jenseits solcher Ausnahmefälle handelt die Trägerin der Straßenbaulast jedoch nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG in eigener Verantwortung und verfahrensfrei. Kommt sie ihren Pflichten im Zusammenhang mit den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht ausreichend nach, kann – und muss gegebenenfalls – die Planfeststellungsbehörde analog § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nachträgliche Schutzanordnungen treffen (so für das Eisenbahnrecht VGH Mannheim, Beschluss vom 03.02.2012 – 5 S 190/12 – unveröffentlicht).

Fraglich ist indes, was geschieht, wenn eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich ist. Soweit diese keine baulichen Maßnahmen an der Straße oder sonstige reale Maßnahmen mit unmittelbarem Bezug zur Straße erfordert, die als Änderung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG einzustufen sind, bedarf es hierfür keiner Planfeststellung. Auch ist die Ausnahmeerteilung keine nachträgliche Schutzmaßnahme im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Folglich liegt nahe, die Ausnahme bei der zuständigen Naturschutzbehörde zu beantragen.

Dem steht bei Bundesfernstraßen jedoch § 4 FStrG entgegen. § 4 Satz 1 FStrG regelt, dass die Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen haben, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. § 4 Satz 2 FStrG sieht sodann vor, dass es behördlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen durch andere als die Straßenbaubehörden hierfür nicht bedarf. Die Vorschrift beinhaltet ein Ausschließlichkeits- und Konzentrationsgebot der Straßenbauverwaltung (Dünchheim 2012, § 4 Rn. 17). Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass die hier hoheitlich tätig werdende Straßenbauverwaltung selbst zuständig und verantwortlich für die Beachtung der von ihrem Tätigkeitsbereich berührten gesetzlichen Bestimmungen ist und dass eine andere Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen in ihre Tätigkeit eingreifen soll (OVG Lüneburg, Urteil vom 09.10.2008 – 12 LC 386/06 – juris, Rn. 31 f.).

Deshalb ist an Bundesstraßen ausschließlich die Straßenbauverwaltung zuständig. Dies gilt ausnahmslos, also auch dann, wenn eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich ist. Die Ausnahme erteilt sich die Trägerin der Straßenbaulast mithin selbst; sie handelt gleichsam in die Ausnahmelage hinein. Mit Blick auf § 45 Abs. 7 Satz 3 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 3 der FFH-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie muss das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen jedoch dokumentiert werden.

Eine Beteiligung der Umweltvereinigungen ist ebenfalls nicht notwendig. Für ein entsprechendes Handeln von Bundesbehörden sieht § 63 Abs. 1 BNatSchG keine entsprechenden Beteiligungsrechte vor und bei Zuständigkeit einer Landesbehörde findet nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG eine Beteiligung der Umweltvereinigungen nur vor der Zulassung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme durch Rechtsverordnung oder durch Allgemeinverfügung statt. Weitergehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus dem europäischen Recht (vgl. VGH München, Urteil vom 14.03.2017 – 22 B 17.12 – juris, Rn. 27 ff.).

Literaturverzeichnis

Dünchheim, T. (2012): Kommentierung zu § 4 FStrG. In: Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, Marschall, E. A. (Hrsg.), 12. Auflage, Carl Heymanns Verlag, Köln

Fischer-Hüftle, P.; Czybulka, D. (2021): Kommentierung zu § 14 BNatSchG. In: Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, Schumacher, J.; Fischer-Hüftle, P. (Hrsg.), 3. Auflage, Kohlhammer Verlag, Stuttgart

Hönig, D. (2019): Unterhaltungsmaßnahmen und Gefahren im Straßenrecht, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.), S. 12–17

Kautz, S. (2018): Artenschutz vs. Bestandsschutz? Umwelt- und Planungsrecht (UPR), S. 474–482

Lau, M. (2021): Kommentierung zu § 44 BNatSchG. In: Berliner Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz, Frenz, W.; Müggenborg, H.-J. (Hrsg.), 3. Auflage, Erich Schmidt Verlag, Berlin

Müller-Walter, M. (2013): Kommentierung zu § 44 BNatSchG. In: Naturschutzrecht, Lorz, K. et al. (Hrsg.), 3. Auflage, C.H. Beck Verlag, München

Ronellenfitsch, M. (2012): Kommentierung zu § 17 FStrG. In: Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, Marschall, E. A. (Hrsg.), 12. Auflage, Carl Heymanns Verlag, Köln

Rüwe, G. (2020): Wege zur Tötung sogenannter Problemwölfe unter Berücksichtigung der vom Bundestag beschlossenen zweiten Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, Niedersächsische Verwaltungsblätter (NdsVBl.), S. 65–71

Wysk, P. (2019): Kommentierung zu § 75 VwVfG. In: Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, Kopp, F.; Ramsauer, U. (Hrsg.), 20. Auflage, C.H. Beck Verlag, München