FGSV-Nr. FGSV 002/137
Ort Bergisch-Gladbach
Datum 19.04.2023
Titel Messfahrzeug im mobilen Einsatz zur Bestimmung der Luftqualität
Autoren Kombiz Sultani
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Eine funktionierende Mobilität wird als zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung moderner Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften betrachtet. Ein wesentlicher Anteil dieser Mobilität wird durch den Straßenverkehr abgedeckt. Damit ist die Entstehung verschiedener Luftschadstoffe bei Abrieb- und Verbrennungsprozessen von Kraftfahrzeugen verbunden. Diese führen zu einer Verminderung der Luftqualität und wirken sich so schädigend auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt aus. Vor diesem Hintergrund ist die Luftqualität an Verkehrswegen weiterhin im öffentlichen Interesse.

Zur Minderung verkehrsbedingter Luftschadstoffe sind u.a. die Luftschadstoffimmissionen für Stickstoffdioxid (NO2), Stickstoffmonoxid (NO), Feinstaub (PM10, PM2,5), Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2), Benzol (C6H6), Kohlenmonoxid (CO) und Blei (Pb) durch die EU-Luftqualitätsrichtlinie (2008/50/EG) und die 39. BImSchV begrenzt.

Veränderungen der Fahrzeugflotte durch technische Optimierungen von Kraftfahrzeugmotoren, die Weiterentwicklung der Abgastechnik, den Einsatz von Katalysatoren sowie die Anpassung der Treibstoffe haben in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten die Luftschadstoffimmissionen des Straßenverkehrs in Bezug auf Schwefeldioxid, Benzol, Kohlenmonoxid und Blei deutlich absinken lassen und stehen in diesem Sektor nicht mehr unter Beobachtung. Die Entwicklung der Luftschadstoffimmissionsbeiträge von Stickstoffdioxid, Stickstoffmonoxid, Feinstaub und Ozon werden jedoch weiterhin in den Messnetzen aller Bundesländer aufgenommen und die Grenzwerteinhaltung überwacht. Insbesondere in Ballungsgebieten sowie an hochbelasteten Verkehrswegen können grenzwertnahe Luftschadstoffimmissionen auftreten und im Hinblick auf weitere Verschärfungen der Grenzwerte durch den Gesetzgeber zu neun Herausforderungen für die Luftreinhalteplanung führen.

Die Umstellung des Verkehrssektors auf erneuerbare Energien und emissionsarme Fahrzeugflotten ist in einen mittel- bis langfristigem Planungszeitraum einzuordnen, womit auch der Rückgang der Luftschadstoffimmissionen verbunden ist. Zum derzeitigen Stand konnten die Luftreinhaltepläne weitestgehend erfolgreich umgesetzt werden. Für das Jahr 2022 liegen nur in zwei Städten Grenzwertüberschreitungen für den Luftschadstoff NO2 vor. Die Feinstaubbelastung liegt weiterhin unter dem EU-Grenzwert. In Anlehnung an die WHO-Richtwerte 2021 finden jedoch Überschreitungen für den Luftschadstoff NO2 und Feinstaub (PM10, PM2,5) statt [UBA „Luftqualität 2022“].

Die neue WHO-Leitlinie von 2021 schlägt verschärfte Luftschadstoffgrenzwerte für 2030 vor. Dies bedeutet eine Reduktion des NO2-Jahresmittelgrenzwertes von 40 µg/m³ auf 10 µg/m³, des PM2,5 -Jahresmittelgrenzwertes von 25 µg/m³ auf 5 µg/m³ und des PM10-Jahresmittelgrenzwertes von 40 µg/m³ auf 15 µg/m³. Zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte sind weiterhin Lösungen zu finden, die in einem kurzfristigen Planungsmaßstab zu nennenswerten Reduktionsbeiträgen der Luftschadstoffimmissionen führen.

Eine wesentliche Voraussetzung, um geeignete Maßnahmen zur Reduzierung von Luftschadstoffen zu identifizieren, ist die genaue Kenntnis der verursachenden Schadstoffquellen und der Luftschadstoff-Hotspots. Eine mobile Messstation kann hierzu flexibel an verschiedenen Messstandorten, die noch keine Datengrundlage bieten, eingesetzt werden. Dazu hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ein energieautarkes mobiles Luftschadstoff-Messlabor entwickelt. Damit sollen Luftschadstoffkonzentrationen von Stickoxiden (NO2, NO, NOX), Partikeln (PM10, PM2,5, sowie Ultrafeinstaub) und Ozon (O3) sowie meteorologische Parameter erhoben und ausgewertet werden.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Mobiles Luftschadstoff-Messlabor der BASt

Zur Erhebung derartiger Messungen hat die BASt im Jahr 2018 mit der Konzeptionierung und Entwicklung eines Messfahrzeuges begonnen. Am Anfang fand hierzu eine umfangreiche Recherche ähnlicher, bereits umgesetzter Projekte statt. Es hat sich gezeigt, dass das Paul Scherrer Instituts (PSI) in der Schweiz bereits seit Anfang des Jahres 2000 ein mobiles Messfahrzeug für Luftschadstoffimmissionen mit dem Namen MOSQUITA - Measurements Of Spatial Quantitative Imissions of Trace gases and Aerosols betreibt. Darüber hinaus werden das mobile Messlabor Sniffer des Laboratory of Automotive Engineering of Helsinki Politechnic oder das MOBILAB des Forschungszentrums Jülich in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dieser Thematik geführt.

Die Anforderungen an das Messfahrzeug wurden im Wesentlichen durch eine unabhängige Energieversorgung für einen autarken Messbetrieb von bis zu 8 Stunden Messzeit und eines stationären und mobilen Mess-Einsatzzwecks beschrieben. Dadurch sollte das Fahrzeug als mobiles Messfahrzeug im Fahrmodus als auch als stationäre Messstation an ortsfesten Standorten betrieben eingesetzt werden können. Im Messeinsatz sollte die eingetragene Wärme von außen und die Abwärme der Geräte nicht zur Überschreitung der zulässigen Raumtemperatur der Messgeräte führen, da der Einfluss auf die Messgenauigkeit nicht auszuschließen ist. Die Stationstemperatur sollte nach DIN EN 15625:2012 bei 20 °C liegen und die Toleranz von +/- 4 °C nicht überschreiten. Dazu wurde eine Klimatisierung installiert.

Aus diesen Anforderungen entstand ein Konzept für das neue Messfahrzeug der BASt für Luftschadstoffimmissionen (s. Abbildung 1). Das Messfahrzeug verfügt über eine Energieversorgung aus Lithium-Polymer-Batterien mit einer Kapazität von 22,4 kWh. Diese sorgen in Verbindung mit einer Klimaanlage und einer PE-Schaumstoff-Transportraumwärmedämmung mit einer Stärke von bis zu 30 mm für ein stabiles Energiekonzept und erlauben den Einsatz des Messlabors mit einer stabilen Innenraumtemperatur von 20 °C innerhalb der zulässigen Toleranz bei unterschiedlichen Außenbedingungen für bis zu 8 Stunden. Der Ladevorgang des Batteriepacks benötigt ca. 6 Stunden.

Abbildung 1: Mobiles Luftschadstoff-Messlabor der BASt

Genau wie standortfeste Luftmessstationen ist das Messfahrzeug mit eignungsgeprüften Messgeräten für das Monitoring von Stickoxiden (NO,NO2, NOX), Ozon(O3) und Feinstaub (PM2.5, PM10) in Echtzeit ausgestattet. Darüber hinaus werden mit einem Aethalometer Rußmessungen vorgenommen, die es ermöglichen, den fossilen Anteil und den Anteil aus Biomassenverbrennung (z. B. Hausbrand) zu unterscheiden. Für die Untersuchung ultrafeiner Partikel ist zudem ein FMPS (Fast Mobility Particle Sizer) an Bord, welches in hoher zeitlicher Auflösung (1/s) die größenaufgelöste Partikelanzahlkonzentration in der Größenordnung von 5,6 bis 560 nm aufnimmt.

Für den Betrieb des Messfahrzeugs im Fahrmodus sind Messungen aller oben genannten Luftschadstoffkomponenten mit einer Messrate von ebenfalls 1/s realisiert. Die Messungen von Feinstaub und der ultrafeinen Partikel erfolgt im Fahrmodus über separate isokinetische Probenahmen, die bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h verwendet werden können. Dazu hat das Thünen-Institut eine isokinetische Probenahme nach dem Revolver-Prinzip entwickelt (s. Abbildung 2). Darin ist ein Revolverrad mit neun Düsen zu sehen, das an einem Motor drehbar angebunden ist. Die oberste Düse ist in diesem Moment vor die Probenahmeleitung positioniert. Damit soll je nach entgegenströmender Strömungsgeschwindigkeit der Fahrtluft eine angemessene Düse gewählt werden, die bei konstanter Proben-Durchflussrate die richtige Proben-Durchflussgeschwindigkeit am Düseneingang sicherstellt.

Abbildung 2: Konstruktionsentwurf isokinetische Probenahme (Quelle: Thünen-Institut, Dr. Marcus Clauß)

Damit können Luftschadstoffprofile längs und quer zu Bundesstraßen, Autobahnen und innerhalb von Tunneln gemessen werden.

Die technische Umsetzung ermöglicht den Einsatz des Messfahrzeugs zu unterschiedlichen Zwecken:

  • für unterstützende Voruntersuchungen bei der Standortwahl von Dauermesseinrichtungen,
  • als mobile Referenzmessstation zur Unterstützung der Forschung mobiler Luftschadstoffsensoren und der Anwendungen weiterer mobiler Messungen wie bspw. drohnengestützte Messungen oder Fahrradmessungen,
  • als Ergänzung bestehender Messstationen zur Untersuchung von Luv - und Lee-Bedingungen,
  • zur temporären Beurteilung der Luftschadstoffimmissionen durch veränderte Verkehrssituationen im Hinblick auf die Verlagerungen des Verkehrs auf andere Verkehrsabschnitte,
  • zur Beurteilung der Auswirkungen von Luftschadstoff-Reduktionsmaßnahmen durch begleitende Messungen,
  • zur Identifizierung von Luftschadstoffquellen auf Basis systematischer Messungen sowie
  • zur Erweiterung der Datengrundlage der ortsfesten Messstationen der BASt durch Messkampagnen an ausgewählten Standorten und Streckenabschnitten von Bundesstraßen, Autobahnen und Tunneln.

Ergebnisse der Validierungsmessungen sowie der ersten stationären Messungen und Fahrten des Messfahrzeugs der BASt werden präsentiert.