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1 Einleitung
Nach den „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA 2010)1) werden Lichtsignalanlagen (LSA) zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Qualität des Verkehrsablaufs eingerichtet. Die Einrichtung einer LSA ist sinnvoll, wenn Unfälle zu erwarten sind oder sich ereignet haben, die durch eine Lichtsignalsteuerung hätten vermieden werden können. LSA sollten zudem ununterbrochen, das heißt bei Tag und bei Nacht, in Betrieb gehalten werden, da das Abschalten die Unfallwahrscheinlichkeit erhöhen kann.
In der Praxis ereignen sich an LSA jedoch immer wieder schwerste Unfälle zwischen Linksabbiegern und dem entgegen kommenden Verkehr bzw. dem parallel freigegebenen Fußgänger-/Radverkehr. Auch an nachts abgeschalteten LSA sind immer wieder schwere Unfälle zu verzeichnen. Nach Berechnungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) können die Unfallkosten an Landstraßenknotenpunkten durch separate Phasen für Linksabbieger halbiert werden. Auch der Verzicht auf die Nachtabschaltung trägt zu einer deutlichen Verbesserung der Verkehrssicherheit bei. Sowohl gegen eigene Linksabbiegephasen als auch gegen den Verzicht auf die Nachtabschaltung gibt es bei den Entscheidungsträgern jedoch häufig Widerstand. Einerseits bestehen Befürchtungen, dass durch eine eigene Linksabbiegephase deutliche Einbußen bei der Leistungsfähigkeit zu erwarten sind und andererseits wird behauptet, die Nachtabschaltung hätte deutliche Vorteile hinsichtlich Emissionen, Stromkosten und Fahrzeiten. Die UDV hat deshalb in zwei Auftragsstudien durch die Technische Universität Dresden ermitteln lassen, ob diese Argumente zutreffen.
1) Die neuen „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA) sowie eine „Beispielsammlung zu den Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ sind beim FGSV Verlag, Wesselinger Straße 17, 50999 Köln erhältlich.
2 Auswirkung eigener Phasen für Linksabbieger auf die Leistungsfähigkeit von Knotenpunkten
2.2 Linksabbieger als nichtverträgliche bzw. bedingt verträgliche Ströme
Da Linksabbieger sowohl mit dem Gegenverkehr als auch mit Fußgängern und Radfahrern in gleicher Richtung gemeinsame Konfliktflächen haben, gelten sie vom Grundsatz als nicht-verträgliche Ströme. Sie gelten dann als signaltechnisch gesichert geführt, wenn während ihrer Freigabe alle mit ihnen konfligierenden Ströme gesperrt sind. Wird so verfahren, entstehen mehrphasige Steuerungen, bei denen nacheinander die einzelnen Geradeausverkehre und Abbiegeverkehre freigegeben werden. Werden abbiegende Verkehrsströme bedingt verträglich geführt gelten für sie die Vorrangregeln nach StVO. Diese Abbiegeströme müssen den Vorrang des parallelen (Fußgänger-)Stromes beachten und den entgegenkommenden Verkehrsstrom „durchsetzen“. Daraus entstehen im einfachsten Fall 2-Phasen-Systeme. Wird die Freigabe für Linksabbiegeströme in einen „gesicherten“ und einen „ungesicherten“ Teil untergliedert, wird dies als zeitweilig gesicherte Freigabe bezeichnet. Dabei wird nach Vorgabezeiten und Zugabezeiten unterschieden, die mit einem Hilfssignal (Grünpfeil für die gesicherte Freigabezeit und gegebenenfalls ein gelb blinkendes Signal für die Freigabezeit mit Durchsetzen) angezeigt werden können. Vorgabezeiten ohne Anzeige gelten aus Sicherheitsgründen als nicht vertretbar. Zugabezeiten ohne Anzeige sind nicht empfehlenswert, da die Zeiten schlecht ausgenutzt werden.
2.3 Auswahl von Untersuchungsfällen
Folgende Kriterien wurden für die zu betrachtenden Untersuchungsfälle angelegt:
- Knotenpunkte mit einstreifiger Führung des Geradeausverkehrs in allen Richtungen,
- kein Einfluss parallel geführter nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer2),
- keine deutliche Längsneigung,
- keine ungewöhnlichen Fahrstreifenbreiten,
- keine besonders großen oder besonders kleinen Abbiegeradien.
2.4 Ausgangsbedingungen für die Berechnungen
Für den Vergleich der unterschiedlichen Steuerungsvarianten sind Simulationsläufe durchgeführt worden. Für die Simulationen wurden folgende Eingangsgrößen aus den aktuellen Regelwerken und neueren Untersuchungsergebnissen verwendet:
- Umlaufzeit tU = 60 s,
- Zwischenzeitenberechnung nach RiLSA (1992)3),
- Geschwindigkeiten in der Zufahrt v = 70 km/h und somit Gelbzeiten von 5 s,
- keine Gelbfahrt, wenn sich das Fahrzeug bei Gelbbeginn mehr als 10 m vor der Haltlinie befindet,
2) Bei gesichertem Linksabbiegen durch eigene Grünphase tritt kein parallel freigegebener Fußgänger- und Radverkehr auf. Demgegenüber wirken sich die Fußgänger-/Radverkehrsströme bei ungesichertem Linksabbiegen je nach Verkehrsstärke negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Die Ergebnisse wären dadurch zugunsten der gesicherten Abbiegephasen beeinflusst worden. Um die Vergleichbarkeit der beiden Signalisierungsformen jedoch sicherzustellen und auch Betriebszeiten und Knotenpunktformen mit keinem oder sehr geringem Fußgänger-/Radverkehr abzubilden, wurde auf den Einfluss des nichtmotorisierten Verkehrs verzichtet.
3) Unter Berücksichtigung der praktischen Umsetzung, bei der die Freigabezeit nicht vor Ende der Gelbzeit beginnt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren noch die alten Richtlinien von 1992 gültig.
- Sättigungsverkehrsstärken für den Geradeausfahrer von qS = 2.000 Fz/h, für den Linksabbieger von qS = 1.950 Fz/h (tF > 10 s) bzw. qS = 1.900 Fz/h (tF: 6 bis 10 s) und für den Rechtsabbieger von qS = 1.800 Fz/h, qS = 1.700 Fz/h für zeitweilig gesicherte Linksabbieger,
- Grenz- bzw. Folgezeitlücken für durchsetzende Linksabbieger von 5,9 s bzw. 2,5 s ohne Rechtsabbiegeeinrichtung und 6,4 bzw. 3,0 s mit Rechtsabbiegeeinrichtung,
- keine Schwerlastfahrzeuge, nur reine Pkw-Ströme und
- keine nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer.
Die unterschiedlichen Knotenpunktformen wurden mit verschiedenen Steuerungsvarianten simuliert. Jede Signalisierungsvariante wurde mit sechs verschiedenen Startzufallszahlen simuliert.
Bei der festen Freigabezeit wurden – ausgehend von maximalen Zufluss in allen Fahrstreifen (1000 Fz/(h • Fahrstreifen)) – die Verkehrsstärken der übergeordneten Rechtsabbieger und Geradeausfahrer schrittweise verringert. Somit ergeben sich größere Zeitlücken, die bei ausreichender Größe vom Linksabbieger genutzt werden können. Zuerst wurde die maximale Verkehrsstärke ohne Linksabbiegereinfluss bestimmt (Grundknotenkapazität) und im weiteren Verfahren mit den Anteilswerten 0,8 – 0,6 – 0,5 – 0,4 – 0,3 – 0,2 – 0,1 – 0,0 verkleinert. Der Fall „ohne Geradeausfahrer und Rechtsabbieger“ dient zur Bestimmung (theoretisch) der größtmöglichsten Verkehrsstärke für den Linksabbieger. Bei der variablen Freigabezeit sind die Verkehrsstärken der Geradeausfahrer und Rechtsabbieger nicht verändert worden. Um in jedem Umlauf einen gesättigten Zustand zu erhalten, sind die Verkehrsstärken der zufließenden Verkehrsströme für alle Fahrbeziehungen mit 1000 Fz/h je Fahrstreifen gewählt worden. Zuerst ist von einer Mindestfreigabezeit für den Linksabbieger von tF = 5 s ausgegangen worden, so dass sich für die Geradeausfahrer und Rechtsabbieger eine maximale Freigabezeit ergab. Anschließend wurde die Freigabezeit für den Linksabbieger schrittweise um 2 s bis zum Maximum erhöht. Die Freigabezeiten für den übergeordneten Gegenverkehr bewegen sich immer vom Maximum bis zur minimalen Freigabezeit nach den RiLSA von tF,min = 5 s. Die Fälle „keine Linksabbieger“ bzw. „keine Rechtsabbieger/Geradeausfahrer“ sind zur Bestimmung der theoretischen Werte maximaler Abflussmöglichkeiten verwendet worden.
2.5 Ergebnisse der Simulationsrechnungen
2.5.1 Mögliche Verkehrsstärken von Linksabbiegern bei hoher Belastung im Gegenverkehr
Bei allen mehrstreifigen Varianten von Knotenpunktzufahrten tritt bei geringen Linksabbiegeverkehrsstärken der Fall auf, dass bis zu ca. 120 Linksabbieger/h (bei einer Umlaufzeit von 90 s) während der Phasenwechsel abfließen können und daher auch bei ungesicherter Freigabe keine Einschränkungen des Geradeausverkehrs auftreten. Bis zu dieser Belastung hat eine gesicherte Freigabe grundsätzlich Leistungsfähigkeitseinbußen für den Gegenverkehr zur Folge, weil die Zeit für die Sonderphase dem Gegenverkehr entzogen wird. Je mehr Umläufe in einer Stunde auftreten (bei kürzeren Umlaufzeiten), desto mehr Linksabbieger können während der Phasenwechsel abgefertigt werden. Andererseits ist die Zahl aber abhängig von der Knotenpunktgeometrie (Anzahl der Aufstellplätze im Knoten). Der kapazitätsmindernde Effekt der Sonderphase im Bereich kleiner Linksabbiegeströme ist geringer, wenn Zugabezeiten eingerichtet werden. Dies ist aber nur möglich in jeweils einer Fahrtrichtung (unsymmetrische Lösung). Sobald mehr als 120 Fahrzeuge als Linksabbieger auftreten, haben gesicherte Freigaben für diese Ströme teilweise deutlich höhere Leistungsfähigkeiten als die Zweiphasigkeit. Die Einrichtung einer Zugabezeit (die unsymmetrische Belastungsverhältnisse voraussetzt) erreicht immer bessere Werte, die in den Bereich höherer Verkehrsstärken von Linksabbiegern verschoben werden können durch variable Freigabezeiten. Treten starke Linksabbiegeströme in beiden Fahrtrichtungen auf, so muss in aller Regel eine 4 Phasen-Steuerung gewählt werden, wenn Vorgabezeiten vermieden werden sollen (weil sie Sicherheitsnachteile haben). Bei Betrachtung der maximal möglichen Verkehrsstärke für Linksabbieger in Abhängigkeit vom Steuerungsverfahren bei unterschiedlichen geometrischen Ausgangssituationen zeigt sich, dass bei 2-Phasen-Steuerung nur unwesentlich mehr Fahrzeuge als während des Phasenwechsels abfließen können. Bei gesicherter Freigabe ist dieser Wert teilweise erheblich größer, das heißt, insbesondere in den Fällen mit mehreren Fahrstreifen kann in der Sonderphase durch größere Zeitanteile eine erhebliche Verkehrsleistung des Linksabbiegers erreicht werden. Die variable Zugabezeit erreicht den höchsten Abfluss der Linksabbieger, kann aber nur jeweils für eine Fahrtrichtung realisiert werden. Eine besondere Rolle spielt der kleine Knotenpunkt mit nur einem Fahrstreifen je Zufahrt: Die Ergebnisse hier sind nicht vergleichbar mit den anderen Kreuzungen. Die Freigabe in gesicherten Phasen führt in diesen Fällen zu einer spürbaren Reduktion der Gesamtleistungsfähigkeit auf der Konfliktfläche. 300 Fahrzeuge können diese Konfliktfläche je Stunde befahren (dies ist die Kapazität der einstreifigen Knotenpunktzufahrt bei Zufahrtsignalisierung). Je größer die Linksabbiegerverkehrsstärke wird, desto kleiner ist die Leistungsfähigkeit für den restlichen Verkehr.
2.5.2 Gesamtkapazitäten von Knotenpunkten mit unterschiedlicher Steuerungsform
Die Gesamtkapazität am Knotenpunkt erreicht ca. 3.300 Fz/h bei zweistreifigen Zufahrten und etwas über 6.000 Fahrzeuge bei dreistreifigen Zufahrten. Wenn Rechtsabbieger ungehindert abfließen können (neben nicht signalisierten Dreiecksinseln) erhöht sich der Wert noch auf nahezu 7.000 Fz/h. Sobald Linksabbieger in nennenswerter Zahl auftreten, wird die Gesamtkapazität des Knotenpunktes vor allem im Fall ungesicherter Freigabe bei ca. 15 %-Anteil durch Linksabbieger (zweistreifige Zufahrten) oder 7 % (dreistreifige Zufahrten) vermindert. Die Mehrphasensysteme zeigen dagegen nur einen geringen Rückgang der Knotenpunktkapazität bei Ansteigen des Linksabbiegeranteils. Unter günstigen Verhältnissen bleibt die Gesamtkapazität nahezu konstant. Die Sicherung des Linksabbiegers durch eine Zugabezeit, insbesondere wenn diese variabel gehalten werden kann, bringt mindestens bis in den Bereich von 20 % Linksabbiegeranteil teilweise noch deutlich höhere Gesamtkapazitäten als bei 4-Phasen-Steuerung. Ein weiterer Sonderfall ist die große Kreuzung mit freien Rechtsabbiegern: Hier gewinnt ausschließlich die Sicherung mit Zugabezeiten an Kapazität gegenüber den ungesicherten Zweiphasensystemen, während die Mehrphasensysteme maximal gleiche Kapazitäten im Bereich mittlerer Linksabbiegeanteile erreichen können. Dies liegt daran, dass bei ungesicherten Zweiphasensystemen die Rechtsabbieger kontinuierlich frei fließen können. Der Effekt tritt also nur ein, wenn auch hoch belastete Rechtsabbiegeströme vorhanden sind. Dann wird am Umkehrschluss aber auch ein großer Linksabbiegeanteil auftreten, so dass die Werte der geringen Linksabbiegerbelastung nicht realistisch sein werden.
2.5.3 Kombination ungleicher Knotenpunktzufahrten an Kreuzungen
In der Realität werden sehr häufig unterschiedliche Zufahrten an Kreuzungen miteinander verknüpft. In diesen Fällen können mit Hilfe der jeweiligen Darstellung von Verkehrsstärken an den Konfliktflächen die dort sich einstellenden maximalen Leistungsfähigkeiten aus Kombination der unterschiedlichen Verhältnisse zusammengesetzt werden. Im Ergebnis stellen sich dann Werte ein, die jeweils zwischen den betrachteten Gesamtsituationen einheitlicher Bauart liegen. Diese Kombinationen wurden ohne zusätzliche Simulationsrechnungen aus den vorhandenen Ergebnissen in Analogieschlüssen abgeleitet, das heißt, es wurden keine neuen Zwischenzeiten in Ansatz gebracht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Leistungsfähigkeitsunterschiede zwischen gesicherten und ungesicherten Steuerungen im Bereich mittlerer bis hoher Linksabbiegerströme bestätigt werden. Meist hat die gesicherte Steuerungsvariante erhebliche Vorteile für die Gesamtknotenkapazität, in keinem Fall – mit Ausnahme kleiner Linksabbiegeanteile (bis zu 10 %) – ist die 2-Phasen-Steuerung leistungsfähiger.
2.5.4 Gesicherte Freigabe des Linksabbiegers als Vorgabezeit, Zugabezeit oder kombiniert jeweils mit fester und variabler Länge
Aus Gründen der Verkehrssicherheit wird in aller Regel bei einer Verlängerung der Freigabezeit zugunsten der Linksabbieger eine Zugabezeit gewählt, das heißt, im Anschluss an die Freigabezeit des Gegenverkehrs wird dieser angehalten und dem Linksabbieger wird eine „Zugabezeit“ gegeben. Wird die zusätzliche Freigabezeit vor Beginn der Freigabe des Gegenverkehrs eingerichtet, so entsteht eine Vorgabezeit. Bei der Simulation zeigt sich:
- Vorgabezeiten erreichen etwas höhere Leistungsfähigkeiten als Zugabezeiten.
- Die Regelung mit Vorgabezeit oder Zugabezeit ist jeweils nur in einer Fahrtrichtung möglich. Die Gegenrichtung muss jeweils ohne eigene Freigabezeit für den Linksabbieger auskommen. Dies ist also nur sinnvoll bei unsymmetrischer Verkehrsbelastung.
- Ein Angebot für beide Fahrtrichtungen führt notwendigerweise zu einer Kombination von Vor- und Zugabezeiten. Dies erlaubt bei höheren Verkehrsstärken der Gegenrichtung eine größere Verkehrsmenge der Linksabbieger. Zu berücksichtigen sind aber schwer verständliche Signalzustände.
- Variable Vorgabezeiten oder Zugabezeiten können nur begrenzte Längen erhalten.
2.5.5 Auswirkungen unterschiedlicher Umlaufzeiten
Generell wirken sich kürzere Umlaufzeiten derart aus, dass die Verluste bei Phasenwechseln anteilig größer werden, weil die Zwischenzeiten absolut gleiche Länge erhalten müssen. Dies führt generell zu einer Zunahme der Knotenpunktkapazität bei steigender Umlaufzeit. Allerdings erfolgt die Zunahme der Kapazität nicht linear mit der Umlaufzeit, weil auch die Verlustzeiten anteilig bei größeren Umlaufzeiten kleinere Veränderungen bewirken.
2.6 Ergebnisse
Die Ergebnisse der Untersuchung durch die Technische Universität Dresden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Bei großen Kreuzungen mit viel Verkehr ist immer ein eigenes Signal für Linksabbieger vorzusehen. Dadurch wird die Verkehrssicherheit für Abbieger, entgegenkommende Fahrzeuge, Fußgänger, sowie Radfahrer erheblich verbessert.
- Bei großen Kreuzungen mit mittlerer Belastung und kleineren Kreuzungen mit hoher Belastung ist das „gesicherte“ Linksabbiegen hinsichtlich Verkehrsablauf und Verkehrssicherheit sogar die günstigste Lösung.
- Kein eigenes Linksabbiegesignal ist nur an kleinen Kreuzungen mit fehlender Abbiegespur und geringem Verkehr vertretbar.
- Unter Umständen muss das Linksabbiegen auch ganz unterbunden werden.
- Die Kosten für die Umrüstung der Ampelanlage auf eine separate Linksabbiegephase liegen in der Regel deutlich unter den vermeidbaren Unfallkosten.
Auf Grundlage der Forschungsergebnisse fordert daher die Unfallforschung der Versicherer:
Neu angelegte Lichtsignalanlagen müssen an Kreuzungen immer eine separate Grünphase für Linksabbieger haben, bestehende Anlagen müssen bei bekannten Problemen unverzüglich umgerüstet werden, alle anderen spätestens dann, wenn ohnehin Baumaßnahmen anstehen.
3 Nachtabschaltung von Lichtsignalanlagen
3.1 Vorbemerkung
Lichtsignalanlagen (LSA) werden an Knotenpunkten aller Art eingesetzt, wenn dies aus Gründen des Verkehrsablaufs oder der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen zur Verkehrssicherheit bei nächtlichem Abschalten von Lichtsignalanlagen sind älteren Datums und beschäftigen sich mit Anlagen im ehemaligen Westdeutschland.
Nach der Wiedervereinigung waren in Großstädten der ehemaligen DDR sehr viele Anlagen nachts ausgeschaltet, teilweise aufgrund mangelnder Flexibilität der technischen Ausstattung, teilweise auch begründet mit dem geringen Verkehrsaufkommen. In einer Untersuchung des Instituts für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden für die Unfallforschung der Versicherer (UDV) wurde nachgewiesen, dass die weit verbreitete Praxis der Städte, Lichtsignalanlagen nachts abzuschalten, aus Sicherheitsgründen nicht vertretbar ist.
3.2 Untersuchungsdesign
3.2.1 Unfalluntersuchungen
Die Untersuchung der Wirkung von Nachtabschaltungen wurde in Form eines „MIT/ OHNE“-Vergleichs in Dresden, Leipzig und im Landkreis Harburg durchgeführt. Dabei wurde die Verkehrssicherheit von Knotenpunkten mit zeitweiser Abschaltung mit der von Knotenpunkten vergleichbarer Eigenschaften mit durchlaufenden Signalanlagen bei Berücksichtigung einer Kontrollgruppe (Signalanlage in Betrieb) verglichen. Die Datenbasis bildeten Unfälle mit Personenschaden im 3-Jahres-Zeitraum 2003 bis 2005 bzw. Unfälle mit Sachschaden des Jahres 2005.
Das Gesamtkollektiv umfasste 272 Lichtsignalanlagen, an denen sich in 3 Jahren 1.855 Unfälle mit Personenschaden und 3.005 Sachschadenunfälle in 2005 ereigneten. Dabei wurden 182 LSA abgeschaltet, 90 liefen im Dauerbetrieb.
3.2.2 Messfahrten und Simulation
In Dresden wurden mit Hilfe eines mit einem GPS-Empfänger ausgestatteten Fahrzeugs Messfahrten durchgeführt. Dabei befuhr das Fahrzeug zu verschiedenen Zeiten eine zuvor festgelegte Route auf der sich Knotenpunkte mit LSA verschiedener Betriebsformen befanden.
Die Untersuchung möglicher Steuerungsverfahren für eine Sicherung lichtsignalgeregelter Knotenpunkte zu Schwachlastzeiten erfolgte in Form einer Simulationsstudie an einem typischen Knotenpunkt, der für Abschaltung bzw. verkehrsabhängige Steuerungsverfahren infrage kommt. Untersucht wurden vier verschiedene Steuerungsprogramme:
- Tagesprogramm (Festzeitsteuerung),
- Schwachlastprogramm (Festzeitsteuerung),
- Alles-Rot-Sofort-Grün-Schaltung (VA-Steuerung),
- Hauptrichtung Dauergrün-Schaltung (VA-Steuerung).
Der gewählte Knotenpunkt wurde unter Einbeziehung realer Zähldaten im Simulationsprogramm VISSIM modelliert und anschließend mit den vier erstellten Steuerungsprogrammen unter sonst gleichen Verkehrsverhältnissen simuliert.
3.2.3 Betriebskosten
Für die Beurteilung der Betriebskosten wurden vorhandene Untersuchungen ausgewertet.
3.3 Untersuchungsergebnisse
3.3.1 Unfalluntersuchungen
In der Unfallcharakteristik werden die sieben bundeseinheitlichen Unfalltypen gemäß ihrem relativen Anteil dargestellt. Die Interpretation wird daher in starkem Maß davon beeinflusst, ob einzelne Unfalltypen anteilig starken Veränderungen unterliegen. Die Betrachtung der Typen für alle Unfälle zeigt im Abschaltzeitraum an beiden Betriebsformen eine Zunahme des Anteils der Fahrunfälle. Ein möglicher Grund könnte in höheren nachts gefahrenen Geschwindigkeiten und schlechterer Erkennbarkeit der Verkehrssituation bei Dunkelheit liegen. Die Anteile der Abbiegeunfälle unterscheiden sich zwischen den zwei Betrachtungszeiträumen kaum. Dagegen ist beim Vergleich der Einbiegen/Kreuzen-Unfälle für abgeschaltete LSA eine deutliche Zunahme des Anteils am Gesamtunfallgeschehen zu erkennen. Durch das Abschalten der LSA wird an Knotenpunkten folglich häufiger die Vorfahrt bevorrechtigter Fahrzeuge missachtet.
Ein Grund für den deutlich ansteigenden Anteil der Vorfahrtmissachtung (Einbiegen/ Kreuzen-Unfall) durch die Nachtabschaltung kann in der baulichen Gestaltung von LSA-Knotenpunkten liegen. Diese unterscheidet sich in der Regel von der sicheren Ausstattung und Gestaltung vorfahrtgeregelter Knotenpunkte. Während an vorfahrtgeregelten Knotenpunkten die Erkennbarkeit des Knotenpunktes, die Begreifbarkeit der Vorfahrtsituation und die Sicht im Vordergrund stehen, ist es an LSA-Knotenpunkten der Betriebsablauf. Die Unfallstruktur während der Abschaltzeit entspricht daher dem Bild mangelhaft gesicherter Knotenpunkte mit Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen. An abgeschalteten Lichtsignalanlagen tritt bei Nacht gegenüber LSA in Betrieb eine in Zahl und Schwere etwa doppelt so hohe Gefahr zu verunglücken auf.
Im Rahmen der Untersuchung erfolgt eine indirekte Anpassung der Unfallkostensätze nach der Verunglücktenstruktur. Diese wird für die Unfälle mit Personenschaden an den LSA-Knotenpunkten mit und ohne Nachtabschaltung sowohl für die Betriebszeit (6 bis 20 Uhr) als auch für die Abschaltzeit (20 bis 6 Uhr) vorgenommen. Durch die Anpassung der Unfallkostensätze werden Abweichungen in der Verunglücktenstruktur der Untersuchungskollektive berücksichtigt. Die ermittelten Unfallkostensätze zeigen, dass Signalanlagen mit Abschaltung offensichtlich eine generell höhere Unfallschwere – um 17 % höherer Unfallkostensatz der Unfälle mit schwerem Personenschaden – als LSA im Dauerbetrieb aufweisen. Während der Abschaltzeit (20 bis 6 Uhr) ist die Unfallschwere zusätzlich erhöht. Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Ergebnissen früherer Forschungen. Neben der Unfallstruktur muss auch der Einfluss der erhöhten Unfallschwere an den zeitweise abgeschalteten Anlagen beachtet werden. Dies erfolgt durch die Unfallkostenrate UKR der Unfälle mit Personenschaden. Da die UKR auf die Knotenpunktüberfahrten bezogen wird, erlaubt sie vergleichende Aussagen zum individuellen Unfallrisiko unter Berücksichtigung der Unfallschwere (Sicherheitsrisiko).
Im Ergebnis zeigt sich ein deutlicher Sicherheitsverlust zeitweise abgeschalteter LSA gegenüber LSA im Dauerbetrieb während der nächtlichen Abschaltstunden.
3.3.2 An welchen Knotenpunkte darf abgeschaltet werden?
Eine differenzierte Betrachtung nach geometrischen und verkehrstechnischen Eigenschaften der untersuchten Knotenpunkte lässt nicht erkennen, dass es Ansätze für Kriterien gibt, nach denen eine Abschaltung aus Sicherheitsgründen eher zu vertreten wäre. Auch einfache Knotenpunkte dürfen aus Sicherheitsgründen offensichtlich nicht abgeschaltet werden. Jede Charakteristik im Hinblick auf komplexe Knotenpunkte (Anzahl Fahrstreifen, geometrische Fragen, aufwändige Steuerung) beeinflusst die Ergebnisse zusätzlich negativ.
3.3.3 Messfahrten und Simulation
Bei den Messungen zeigt sich, dass über die vier Messzeiten die mittlere Reisegeschwindigkeit, mit der die Route befahren wurde, zunimmt. Da die Geschwindigkeiten auf Strecken mit LSA beider Betriebsformen in nahezu gleichem Umfang zunehmen, sind Gründe hierfür nicht zwangsläufig in den abgeschalteten LSA zu suchen. Geringere Verkehrsstärken in den Abend- und Nachtstunden führen ebenfalls zu einer Erhöhung der Reisegeschwindigkeit. Entsprechend geht der Zeitbedarf je Kilometer Fahrtstrecke zurück. Die Differenz zwischen den Werten bei Dauerbetrieb und Abschaltung ist das Maß für den Zeitgewinn durch Abschaltung und liegt bei 2 bis 4 s je Kilometer Fahrt. Die 2 Sekunden je Kilometer in der Zeit nach 0 Uhr bedeuten eine Fahrzeiteinsparung von weniger als 3 %. Fahrzeitersparnisse liegen in Größenordnungen, die durch die Fahrweise, durch die Witterung oder die gewählte Route wesentlich stärker verändert werden. Messfahrten und Simulationen des Verkehrsablaufs zeigen, dass durch verkehrsabhängige Steuerung statt starrer Festzeitabläufe ähnliche Zeitgewinne wie bei Abschaltung zu erzielen sind, eine Abschaltung bereits verkehrsabhängig gesteuerter Anlagen bringt kaum weitere Vorteile.
3.3.4 Betriebskosten
Die Betriebskosten lassen sich in Wartungs-, Reparatur- und Stromverbrauchsanteile unterteilen. Wartungs- und Reparaturkosten sind dabei prinzipiell unabhängig von der Betriebsweise der Lichtsignalanlage (durchgängig bzw. zeitweise abgeschaltet). Allein der aus den Betriebsstunden der Lichtsignalanlage resultierende Stromverbrauch variiert. Bei optimistischen Annahmen könnten maximal Kosteneinsparungen in der Größenordnung von 500 € je Knotenpunkt und Jahr erwartet werden. Diese Einsparungen sind durch den verstärkten Einsatz moderner Technik (LED-Technik) wesentlich zu übertreffen.
3.4 Ergebnisse
Alle Erkenntnisse bestätigen die bereits in früheren Arbeiten niedergelegten Wirkungen. Nächtliches Abschalten von Lichtsignalanlagen führt zur Verschlechterung der Verkehrssicherheit, führt zu vergleichsweise geringen Stromeinsparungen, nur zu geringen Fahrzeiteinsparungen und damit zu marginalen Rückgängen bei Kraftstoffverbrauch, Lärmbelastung und Schadstoffbelastung.
Obwohl die Fakten seit vielen Jahren bekannt sind, wird weiterhin über die Abschaltung nicht nur diskutiert, sondern es werden in Städten die zuständigen Verwaltungen mit Forderungen konfrontiert, einen bestimmten Prozentsatz Signalanlagen nachts außer Betrieb zu nehmen. Solche verkehrspolitischen Forderungen sind – wie hier erneut belastbar nachgewiesen wurde – volkswirtschaftlich in keiner Weise zu vertreten und vernachlässigen den Schutz von Menschen und Sachgütern unserer Städte.
Die Unfallforschung der Versicherer fordert daher:
- die konsequente Umsetzung der Vorgaben der VwV-StVO,
- ein Abschalten von Signalanlagen darf nur in begründeten Ausnahmefällen bei kontinuierlicher Überprüfung des Unfallgeschehens erfolgen,
- Einsatz verbesserter Technik (Niedervolttechnik, LED),
- Anwendung intelligenter, verkehrsabhängiger
4 Fazit
Die Ergebnisse der beiden Forschungsarbeiten zeigen, dass sich durch eine zusätzliche gesicherte Grünphase für Linksabbieger in der Regel keine relevanten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Kreuzung ergeben und sich durch die Nachtabschaltung nur geringe Einsparungen erzielen lassen:
- Die Nachtabschaltung führt nur zu marginalen Verringerungen von Lärmbelastungen, Kraftstoffverbrauch, Betriebskosten und Fahrzeiten. Demgegenüber steht eine Verdoppelung der Unfallkostenrate an nachts abgeschalteten Signalanlagen
- Bei großen Kreuzungen mit hoher Belastung ist hinsichtlich Sicherheit und Leistungsfähigkeit immer ein eigenes Signal für Linksabbieger vorzusehen.
- Bei großen Kreuzungen und mittlerer Belastung sowie bei kleineren Kreuzungen mit hohem Linksabbiegeanteil ist die eigene Signalisierung sogar die günstigste Lösung (Verkehrsablauf und Verkehrssicherheit).
- Kreuzungen ohne Linksabbiegesignal sind nur bei kleinen Kreuzungen mit fehlender Abbiegespur und geringer Belastung vertretbar.
- Die Kosten für die Umrüstung der Ampelanlage auf eine separate Linksabbiegephase liegen in der Regel deutlich unter den dadurch vermeidbaren Unfallkosten.
Auf Basis der Forschungsergebnisse und vor dem Hintergrund, dass gemäß aktueller VwV-StVO die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs vorgeht, empfiehlt daher die UDV, auf die Nachtabschaltung zu verzichten und bei der Neu-/Umplanung signalgesteuerter Knotenpunkten immer eine separate Grünphase für Linksabbieger vorzusehen. Bestehende LSA sollten bei auffälligem Unfallgeschehen mit Linksabbiegern unverzüglich umgerüstet werden.
Zu beiden Forschungsberichten stehen ausführlichere Informationen auf der Homepage der Unfallforschung der Versicherer unter www.udv.de, Fachbereich Verkehrsinfrastruktur, zur Verfügung. |