FGSV-Nr. FGSV 002/120
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2017
Titel Neue Lösungen für die dezentrale Abwasserbehandlung an PWC-Anlagen
Autoren Dipl.-Ing. Matthias Hartmann, Prof. Dr.-Ing. Jörg Londong
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Die spezifische Charakteristik der an PWC-Anlagen anfallenden Abwässer (viel Urin und hoher Anteil von Toilettenpapier und Grobstoffen) erfordert angepasste Konzepte und Technologien für einen wirtschaftlichen und sicheren Betrieb der Abwasserentsorgung. Im vorliegenden Beitrag werden Untersuchungen vorgestellt, welche die Optimierung der Vorklärung sowie die Separation des männlichen Urins als neue Lösungsansätze zum Ziel hatten.

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1 Einführung

In Deutschland existieren derzeit etwa 900 PWC-Anlagen, von denen schätzungsweise 100 nicht an eine zentrale Kläranlage angeschlossen sind. Wie die langjährigen Erfahrungen der für den Betrieb der PWC-Anlagen zuständigen Autobahnmeistereien zeigen, erfordern die abwassertechnischen Anlagen der dann notwendigen dezentralen Abwasserbehandlung einen bisweilen unverhältnismäßig hohen Unterhaltungsaufwand. Typische Störungen sind Verstopfungen und Verkrustungen von Leitungen und Pumpen. Teilweise kommt es auch zu Überschreitungen von gesetzlich geforderten Ablaufgrenzwerten (Londong et al. 2010).

Für das an PWC-Anlagen anfallende Abwasser sind starke Abflussschwankungen typisch, die sich in Abhängigkeit zum Verkehrsaufkommen der Autobahn im Tages-, Wochen und Jahresverlauf ergeben. Charakteristisch ist zudem der hohe Anteil von Urin, Toilettenpapier und anderen Grobstoffen im Abwassergemisch, was einem durch kurzzeitigen und anonymen Aufenthalt geprägten Nutzerverhalten geschuldet ist. In Verbindung mit wassersparender Sanitärtechnik resultieren gering verdünnte Abwässer, die im Vergleich zu häuslichem Schmutzwasser durch erhöhte Konzentrationen an Stickstoff und Phosphor, insbesondere aber suspendierte Stoffe gekennzeichnet sind. Aufgrund ihrer extremen Abwassercharakteristik können PWC-Anlagen somit als Extremstandorte angesehen werden.

Im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hatte die Professur Siedlungswasserwirtschaft der Bauhaus-Universität Weimar bereits 2008 ein Forschungsprojekt mit dem Ziel bearbeitet, veraltete Planungs- und Entscheidungshilfen bezüglich der Abwasserentsorgung von PWC-Anlagen zu aktualisieren. Der Schwerpunkt dieses Projektes lag in der Entwicklung, Durchführung und Auswertung von Messkampagnen zur Ermittlung der an PWC-Anlagen anfallenden Abwassermengen und deren Beschaffenheit. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass die typische Abwassercharakteristik von PWC-Anlagen (viel Urin und hoher Anteil von Toilettenpapier und Grobstoffen im Abwassergemisch) eine wesentliche Ursache für die Unzulänglichkeiten bei der praktizierten Abwasserentsorgung ist. Die Projektergebnisse stellten die Grundlage für die Bemessungsansätze und Lösungsvorschläge der Abwasserentsorgung von PWC-Anlagen dar, wie sie im DWA-Merkblatt 279 „Schmutzwasser von unbewirtschafteten Rastanlagen“ veröffentlicht sind (vgl. DWA-M 279, 2014).

Sowohl dem Abschlussbericht als auch dem DWA-M 279 sind Vorschläge für theoretisch sinnvolle Modifikationen bei Planung, Bau und Betrieb von Abwasserentsorgungssystemen auf PWC-Anlagen zu entnehmen, die jedoch noch einer Verifikation im Praxistest bedurften. Aufbauend auf den vorliegenden Erfahrungen sollte deshalb die Bauhaus-Universität Weimar mit dem hier vorgestellten Anschlussvorhaben „Behandlung der Abwässer von PWC-Anlagen“ (FE 02.0325/2011/HRB) verschiedene Optimierungsmaßnahmen im laufenden Betrieb erproben und evaluieren.

Als Pilotanlage und somit Untersuchungsstandort diente die PWC-Anlage „Jalmer Moor“, die sich an der BAB A 7 in Fahrtrichtung Hamburg zwischen den Abfahrten Tarp (4) und Schleswig (5) bei Betriebskilometer 22,5 befindet. Das Bild 1 zeigt stark vereinfacht das abwassertechnische System mit seinen wichtigsten Komponenten, wie es auf der PWC „Jalmer Moor“ umgesetzt wurde. Als Besonderheit der Anlage sind neben den speziell für den Versuchsbetrieb konzipierten Bauwerken (Urinspeicher und kleine Vorklärung im Kombinationsbauwerk) die kreisförmigen Bodenfilter sowie die Rezirkulation im Freigefälle zu nennen. Die Anlage ist zudem für die Mitbehandlung der an der gegenüberliegen PWC-Anlage „Jalm“ anfallenden Abwässer ausgelegt, was das ungewöhnlich große Volumen der Vorklärung (V = 60 m³) erklärt.

Bild 1: Verfahrensschema der abwassertechnischen Anlage auf der PWC Jalmer Moor

Das an die Möglichkeiten der Pilotanlage angepasste Untersuchungsprogramm gliederte sich in mehrere Phasen mit folgenden Zielen:

1. Untersuchungen zur Optimierung der Vorklärung,

2. Auswirkungen der Urinseparation auf die biologische Abwasserbehandlung,

3. Dokumentation und Fernüberwachung des Anlagenbetriebs.

Zudem wurden die Daten zur Fahrzeugzählung sowie zum Nutzerverhalten auf der PWC-Anlage ausgewertet. Nachfolgend wird der Schwerpunkt auf die Untersuchungen zur Optimierung der Vorklärung sowie die Urinseparation gelegt. Weitere Ergebnisse sind dem Abschlussbericht des Forschungsvorhabens zu entnehmen (Londong; Hartmann 2016). 

2 Optimierung der Vorklärung

2.1 Konstruktive Weiterentwicklung konventioneller Absetzbecken

Der hohe Anteil von Toilettenpapier und anderen Feststoffen im Abwasser von PWC-Anlagen stellt erhöhte Anforderungen an deren mechanische Vorreinigung – insbesondere dann, wenn die nachfolgende biologische Behandlung der Abwässer über Bodenfilter (Pflanzenkläranalgen) stattfinden soll. Der Eintrag von Grob- und Feststoffen auf bzw. in den Bodenfilter kann zu Kolmationserscheinungen des Bodenfilters und damit gravierenden Betriebsstörungen führen. Prinzipiell stehen für die mechanische Abtrennung von partikulären Stoffen aus dem Abwasser zahlreiche Verfahren mit unterschiedlichem Technisierungsrad und Leitungsvermögen zu Verfügung, doch kommen bislang ausnahmslos Absetzanlagen mit ebener Sohle in Form von Einkammer- und Mehrkammerabsetzgruben zur Anwendung. Vorteile gegenüber allen anderen Verfahren sind die vergleichsweise einfache Herstellung und Handhabung sowie erfahrungsgemäß ein geringer Wartungsaufwand, was letztlich zu geringen Bau- und Betriebskosten führt.

Grundsätzlich nimmt die Abscheideleistung der Absetzanlagen im Verhältnis zur ihrem Volumen, respektive der Anzahl an abgetrennten Kammern, zu. Konsequenterweise müssen Absetzanlagen für die Abwässer von PWC-Anlagen größer bemessen werden, als es für häusliches Schmutzwasser notwendig wäre. Mit der hydraulischen Aufenthaltszeit erhöht sich aber auch der mikrobiologische Abbau der zurückgehaltenen Feststoffe, so dass sich speziell in den Absetzgruben von PWC-Anlagen sehr mächtige Schwimmschlammschichten mit zum Teil stichfester Konsistenz ausbilden können. Dies führt mitunter bei der Schlammentsorgung zu Problemen, wenn das Material nicht pumpfähig ist. Bei unzureichendem Höhenabstand zwischen Zu- und Ablauf kann es zudem zu unerwünschten Verstopfungen im Zulauf oder auch zu Feststoffaustrag im Ablauf kommen.

Das DWA-M 279 enthält zwar Hinweise zur Bemessung der Absetzanlagen, jedoch keine Empfehlung zur konstruktiven Ausgestaltung. Um diese geben zu können, wurde über 20 Wochen hinweg die Entstehung der Schwimmschlammschicht im kleinen Absetzbecken (kleine Vorklärung im Bild 1) dokumentiert. Gleichzeitig wurden an drei Messpunkten (Zulauf, Mitte, Ablauf) regelmäßige Profilmessungen von Trübung (als Indikator für den Feststoffgehalt), pH-Wert, Leitfähigkeit und Temperatur über die Behältertiefe durchgeführt (Handmessgerät wtw 3430). Um die Handmesssonde trotz Schwimmschlammschicht in den Wasserkörper einführen zu können, wurden KG Rohre (DN 250) senkrecht in die Vorklärung gehängt, die ca. 1 m in das (Ab-)wasser tauchten.

Das Bild 2 zeigt die Ergebnisse der Profilmessung über die Behältertiefe für den Parameter Trübung, der als Indikator für den Feststoffgehalt anzusehen ist. Angegeben sind die Mittelwerte (Balken) und Streubreiten (Spannweitenlinien) der Messungen in den jeweils 40 cm starken Schichten (oberste Schicht nur 20 cm). Deutlich sind die Unterschiede im Schichtenaufbau entlang des Fließweges zu erkennen. Nur im Ablauf stellte sich eine Zonierung wie erwartet ein. Die Trübungen, respektive die Feststoffgehalte, waren am Boden am größten und nahmen nach oben hin ab. Die feststoffreiche Eindickzone erreichte am Ende der Versuchsphase eine Mächtigkeit von ca. 1,5 m, was 50 % der Behälterhöhe bzw. -tiefe entspricht. Darüber befand sich die feststoffarme Trübwasserzone von ebenfalls etwa 1,5 m Höhe.

Bild 2: Schichtenaufbau der Trübung bzw. Feststoffe im Vorklärbecken

Prinzipiell sollte der Abzug bzw. Ablauf aus der Vorklärung aus der Schicht mit dem geringsten Feststoffgehalt erfolgen. Dieser Punkt befindet sich in der Trübwasserzone zwischen Bodenschlamm und Schwimmschlammschicht. Anhand der angegeben Mittelwerte kann nachvollzogen werden, dass die niedrigsten Trübungswerte in 1,2 m Tiefe (repräsentativ für die Schicht 1,0–1,4 m) gemessen wurden. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabstandes zur Eindickzone nach unten sowie zur Schwimmschlammschicht nach oben, wird für den Abzug eine Tiefe zwischen 0,5 und 1,0 m unterhalb der Wasserspiegelhöhe empfohlen. Dies kann mit senkrechten Tauchrohren realisiert werden, doch muss zusätzlich der Austrag von aus dem Bodenschlamm aufsteigenden Feststoffen konstruktiv verhindert werden, z. B. durch Verschluss des unteren Endes und waagerechte Ablauföffnungen (Schlitze).

Das Aufsteigen von Feststoffpartikeln aus dem Bodenschlamm (Flotation) ist wiederum eine wesentliche Ursache für die Schwimmschlammbildung und aufs Engste mit dem anaeroben Abbau von organischen Stoffen verbunden. Festzustellen war, dass nach etwa 14 Tagen eine plötzliche Abnahme des pH-Wertes im Bodenschlamm einsetzte, die den Beginn des anaeroben Abbaus von organischen Feststoffen markierte. Innerhalb von 50 Tagen fiel der pH-Wert von ursprünglich pH = 8,7 auf pH = 5,2 ab. Der an diese Versäuerung anschließende Anstieg des pH-Wertes auf 6,7 deutete wiederum den Beginn des nun einsetzenden Prozesses der Methanbildung an. Gleichzeitig kam es zur verstärkten Bildung von Schwimmschlamm, wobei es sich offensichtlich um angefaulten Bodenschlamm handelte (dunkelbraune bis schwarze Färbung). Nach etwa 9 Wochen hatte sich im Zulaufbereich eine durchgängig geschlossene Schwimmschlammsicht steifer Konsistenz ausgebildet (TR ~ 10 %), die bis zum Ende der Untersuchung auf eine Dicke von ca. 10 cm aufwuchs.

Insgesamt lassen die Beobachtungen den Schluss zu, dass die Entstehung der ungewöhnlich festen Schwimmschlammschicht prinzipiell über drei Schritte abläuft:

1. sofortiges Aufschwimmen von spezifisch leichten Grobstoffen (Toilettenpapier, Hygieneartikel wie Damenbinden und Tampons, sonstige Abfälle),

2. späteres Flotieren von Bodenschlamm durch Gasentwicklung bei vollständigem anaeroben Abbau (Methanbildung) und

3. fortschreitendes Vernetzen der aufgeschwommenen Partikel zu größeren Verbünden (Agglomeration).

Die Schwimmschlammdecke tritt zunächst verstärkt im Zulaufbereich in Erscheinung, weil es hier zu einer Anreicherung von organischem Material und folglich zu einer höheren Gasentwicklung im Bodenschlamm kommt. Mit zunehmender Betriebsdauer breitet sich die Schwimmschlammschicht aber flächig über die gesamte Wasseroberfläche aus. Daraus lassen sich zusätzlich folgende konstruktive Empfehlungen ableiten:

– Zwischen Unterkante des Einlauf- bzw. Zulaufrohres und Wasserspiegel im Absetzbecken sollte ein Mindestabstand von wenigstens 50 cm eingehalten werden, um Verstopfungen im Zulauf durch Schwimmschlamm zu verhindern.

Dementsprechend sind die Sohle des Zulaufrohres und der Scheitel des Ablaufrohres in der Höhe um mind. 50 cm versetzt anzuordnen.

Das vollständige Zuwachsen der Wasseroberfläche mit Schwimmschlamm sollte zudem durch entsprechende Einbauten (z. B. Tauchrohre) an geeigneter Stelle bzw. Stellen unterbunden werden, um die Schwierigkeiten bei der Schlammentnahme zu umgehen. Im günstigen Fall ist es dann ausreichend, nur den Bodenschlamm zu entnehmen, das heißt die vollständige Entleerung der Vorklärung entfällt und es werden Entsorgungskosten gespart.

2.2 Untersuchungen an einem Bogensieb als Alternative zum Absetzbecken

Ziel der Untersuchungen war es, die Potenziale eines Bogensiebs als verfahrenstechnische Alternative zu konventionellen Absetzanlagen aufzuzeigen. Als wesentlicher Vorteil wurde die mit dem Bogensieb zu realisierende Separation des „frischen“ Abwassers gesehen, welche die Belastung der biologischen Stufe reduziert und somit deren Leistungsreserve erhöht. Zu befürchten war aber, dass der geringe aber stark schwankende Abfluss sowie der hohe Anteil von Toilettenpapier zu Verstopfungen der Siebplatten und somit zu Betriebsproblemen führen würden. Grundsätzlich stellte der Einsatz eines Bogensiebes an PWC-Anlagen ein Novum dar und war mit vielen Unwägbarkeiten verbunden.

Das für den Eignungstest zum Einsatz kommende Bogensieb wurde von der Firma Hollandfilter angefertigt und unter ständiger Aufsicht für eine Woche auf der PWC-Anlage „Jalmer Moor“ mit zwei verschiedenen Siebplatten (1 und 3 mm) getestet. Tatsächlich traten im Versuchsbetrieb Betriebsprobleme durch Verstopfungen der Siebplatten auf und das Bogensieb musste mehrfach baulich modifiziert werden (siehe Bild 3).

Bild 3: Konfiguration des Bogensiebs bei Inbetriebnahme (links) und Versagen der Funktion durch Verstopfung (rechts)

Ungeachtet der Betriebsstörungen wurden zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Bogensiebs in allen Testphasen repräsentative Mischproben von Siebdurchgang und Siebgut gezogen und vor Ort in einem Feldlabor analysiert. Um den Vergleich zum konventionellen Absetzbecken herstellen zu können, wurden zudem Stichproben aus dem Ablauf der großen Vorklärung (V = 60 m³, vgl. Bild 1) entnommen und analog analysiert. Die Probenahme erfolgte dabei außerhalb des Testzeitraums für das Bogensieb, um Einflüsse des Versuchsbetriebs auf die Untersuchungsbefunde auszuschließen.

Für den Leistungsvergleich des Bogensiebes mit dem konventionellen Absetzbecken sind in den nachfolgenden Bildern die gemessenen Ablaufkonzentrationen in Form von Boxplot-Diagrammen dargestellt. Die Box kennzeichnet hierbei das obere und das untere Quartil (25 %- und 75 %-Percentil), das heißt die Höhe der Box entspricht dem Interquartilsabstand (IQR). Der Median ist als Strich eingezeichnet, der Mittelwert zusätzlich als kleines Rechteck. Mittelwert sowie Stichprobenumfang (n) der jeweiligen Datenreihe sind neben der Box numerisch angegeben. Die Antennen (Whisker) sind maximal so lang wie das 1,5-fache des IQR und enden am Datenwert, der noch innerhalb dieser Grenze liegt. Unterschiedliche Längen der Antennen sind somit möglich. Werte außerhalb der Grenzen werden als separate Datenpunkte auf den Antennenachsen dargestellt und als „Ausreißer“ interpretiert.

Die linke Grafik im Bild 4 zeigt die Ergebnisse bezüglich des unterschiedlichen Rückhalts von partikulären Stoffen. Zwar liegen nur wenige Messwerte für den Betrieb des Bogensiebes mit der Siebweite 3 mm vor. Dennoch lässt sich die Aussage treffen, dass mit der engeren Siebweite (1 mm) deutlich bessere Abscheideleistungen erzielt worden sind, was auch den Erwartungen entspricht. Im Vergleich zum konventionellen Absetzbecken schneidet das Bogensieb mit Siebweite 1 mm etwas schlechter ab – die Unterschiede sind aber gering. Hervorzuheben ist an dieser Stelle das außergewöhnliche große Volumen des Absetzbeckens (V = 60 m³) und die daran gekoppelte sehr lange Aufenthaltszeit von etwa 12 Tagen. Im Normalfall sind die Absetzbecken deutlich kleiner, weswegen dann von höheren Feststoffkonzentrationen im Ablauf auszugehen ist.

Bild 4: Feststoffkonzentrationen im Ablauf des Bogensiebes im Vergleich zur Vorklärung mit großem Absetzbecken (links) und Bilanzierung für Bogensieb mit 1 mm Siebweite (rechts)

Wie die Ergebnisse der Massenbilanzierung für das Bogensieb mit 1 mm Siebweite zeigen (rechte Grafik im Bild 4), werden etwa 9 % des anfallenden Abwassers als Siebgut abgetrennt, welches 85 % der im Abwasser vorkommenden Feststoffe enthält (TR ~ 0,5 %). Bezogen auf ein durchschnittliches Abwasseraufkommen der PWC-Anlage von 5 m³/d, würden demnach täglich 450 l Siebgut anfallen. Wird der Speicher für das Siebgut unter Berücksichtigung des üblichen Transportvolumens von Saugwagen auf 9 m³ ausgelegt, resultiert ein Abfuhrintervall von 20 Tagen bzw. ca. 3 Wochen.

Aus dem Bild 5 geht hervor, dass das Bogensieb mit 1 mm Siebweite im Hinblick der chemischen Abwasserparameter durchaus Vorteile gegenüber dem Absetzbecken bietet. Der pH-Wert im Ablauf des Bogensiebes ist deutlich höher, die Konzentrationen an CSB, PO4-P und NH4-N hingegen deutlich geringer. Dies hat unmittelbare Auswirkung auf die biologische Abwasserbehandlung, da deutlich geringere Stofffrachten (CSB ~ 35 %, PO4-P ~ 55 %, NH4-N ~ 60 %) abgebaut werden müssen. Ursächlich dafür ist, dass die partikulären Stoffe (das Siebgut) beim Bogensieb sofort und auf Dauer vom restlichen Abwasser (Siedurchgang) getrennt werden, das heißt die Versäuerung und Hydrolyse der Feststoffe im Siebgut wirkt sich nicht auf die Qualität des feststoffarmen Siebdurchgangs aus. Im Absetzbecken finden hingegen Abtrennung und Abbau der Feststoffe simultan statt – und zwar unter anaeroben Bedingungen. Infolge Hydrolyse und Versäuerung des Bodenschlamms kommt es somit zu Rücklösungen von CSB, Phosphor und Stickstoff in die flüssige Phase.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass mit dem Bogensieb prinzipiell eine Optimierung der Abwasserbehandlung erreicht werden könnte, weil die Stofffrachten des biologisch weiter zu behandelnden Abwassers wesentlich reduziert werden. Zudem könnte das abgetrennte Siebgut als mögliches Co-Substrat für die Erzeugung von Biogas dienen, woraus sich ganz neue Perspektiven für die Schlammentsorgung ergeben. Der hohe Anteil von Toilettenpapier im Abwassergemisch kann jedoch zu Verstopfungen der Siebplatten und somit zu schwerwiegenden Betriebsstörungen führen. Tatsächlich stellt die getestete Version des Bogensiebs somit keine geeignete Alternative zu einem konventionellen Absetzbecken dar. Durch gezielte Weiterentwicklung von speziell an die Belange von PWC-Anlagen angepassten Konstruktionen (geringere Breite, längeres Sieb, eventuell Mazeration des Zulaufs) könnten die Leistungspotenziale aber zukünftig gehoben werden.

Bild 5: Konzentrationen chemischer Parameter im Ablauf des Bogensiebes mit Siebweite 1 mm im Vergleich zum Ablauf aus dem großen Absetzbecken (große Vorklärung) 

3 Separation des männlichen Urins

3.1 Hintergrund und Ziele der Urinseparation

Aufgrund des kurzzeitigen Aufenthalts der Besucher und dem eingeschränkten Serviceangebot (nur Toiletten) ist das an PWC-Anlagen anfallende Abwasser durch einen hohen Anteil von Urin im Abwassergemisch gekennzeichnet. Tatsächlich stammen die Stofffrachten im Abwasser von PWC-Anlagen überwiegend aus dem Urin. Folglich könnte durch die separate Sammlung von männlichem Urin – wie sie vergleichsweise einfach mit wasserlosen Urinalen zu bewerkstelligen ist – die Stofffracht im Abwasser reduziert werden, insbesondere im Hinblick der Stickstofffrachten. Fraglich ist jedoch, ob es infolge der fehlenden Stickstofffracht in der Vorklärung zu Rücklöseprozessen aufgrund verstärkter biologischer Aktivität kommt, die den positiven Effekt kompensieren oder sogar zum Nachteil umkehren.

Ziel der Untersuchungen war es, die theoretisch zu erwartenden Auswirkungen der Urinseparation auf die Abwasserbehandlung in der Praxis nachzuweisen. Dafür wurden im Abstand von einem Monat zwei Messkampagnen von jeweils einer Woche Dauer durchgeführt:

1. Messkampagne: Regelbetrieb

2. Messkampagne: Urinseparation.

In beiden Messkampagnen wurden Stichproben vom Ablauf der Vorklärung und im größeren Umfang Stichproben vom Ablauf der Bodenfilter im Messschacht gezogen (vgl. Bild 1) und vor Ort im Feldlabor analysiert.

3.2 Auswirkungen auf den anaerobern Abbau im Vorklärbecken

Im Bild 6 sind die gemessenen Konzentrationen im Ablauf der großen Vorklärung während des Regelbetrieb (RB) und der Urinseparation (US) als Box-Plots dargestellt. Zwar ist der Stichprobenumfang für den Regelbetrieb deutlich geringer als beim Betrieb mit Urinseparation. Dennoch können Aussagen zum Einfluss der Urinseparation auf die Ablaufqualität der großen Vorklärung getroffen werden.

Bild 6: Gegenüberstellung der Konzentrationen vom Ablauf der großen Vorklärung im Regelbetrieb (RB) und bei Urinseparation (US)

Offensichtlich führt die Urinseparation zu einem Anstieg der Konzentrationen an CSB und Phosphor im Ablauf der Vorklärung, während der Gehalt an Ammoniumstickstoff (NH4-N) sowie der pH-Wert abnehmen. Die Erklärung für dieses Phänomen ist die Wechselwirkung der Urinseparation mit dem anaeroben Abbau der in der Vorklärung zurückgehaltenen Feststoffe. Weil weniger Harnstoff zugeführt und hydrolysiert wird, nehmen die Konzentration an Ammoniak bzw. dissoziiertem Ammonium ab (CO(NH2)2 + H2O → CO2 + 2 NH3) und es werden weniger Hydroxidionen freigesetzt (NH3 + H2O ↔ NH4+ + OH-). Durch den sinkenden pH-Wert verschiebt sich das NH3/NH4+-Gleichgewicht auf die Seite des dissoziierten Ammoniums und die Konzentration des toxisch auf die Biozönose wirkenden Ammoniaks nimmt ab. Letztlich führen geringeren Ammoniakkonzentrationen und pH-Werte im neutralen Bereich dazu, dass der anaerobe Abbau von Feststoffen weniger gehemmt wird. Infolgedessen findet eine verstärkte Rücklösung von CSB und Phosphor statt.

3.3 Auswirkungen auf die biologische Abwasserbehandlung

Im Bild 7 sind die Konzentrationen einzelner Parameter im Ablauf des Bogenfilters bei Regelbetrieb (RB) und Urinseparation (US) gegenübergestellt. Zudem sind mit Bezug auf die jeweiligen Zulaufkonzentrationen die Abbauleistungen (Wirkungsgrade) angegeben.

Anhand der Datenreihen für Gesamtstickstoff (TNb-N) kann zunächst abgelesen werden, dass mit der Urinseparation die Stickstoffemissionen der Kläranlage deutlich reduziert werden: Gegenüber dem Regelbetrieb sind die Konzentrationen an Gesamtsickstoff um etwa 30 % geringer, was in der Größenordnung der durch Urinseparation abgetrennten Stickstofffrachten entspricht (22 % Reduktion von NH4-N im Zulauf, vgl. Bild 6). Die unterschiedlichen Stickstofffraktionen betrachtend fällt zudem die wesentlich verbesserte Nitrifikationskapazität des Bodenfilters bei Urinseparation auf: im Ablauf sind bei gleichbleibend hohen Nitratkonzentrationen (NO3-N) nur noch geringe Konzentrationen an Ammonium (NH4-N) und Nitrit (NO2-N) vorhanden. Bezogen auf den Gehalt an Ammoniumstickstoff steigt der Wirkungsgrad der Anlage von 81 % bei Regelbetrieb auf 97 % bei Urinseparation an.

Bild 7: Ablaufkonzentrationen und Wirkungsgrade der Bodenfilter im Regelbetrieb (RB) und bei Urinseparation (US)

Auch für CSB und Phosphor sind deutliche Leistungssteigerungen beim Betrieb mit Urinseparation zu verzeichnen. Im Fall von CSB kompensiert der sehr hohe Wirkungsgrad von 90 % die zusätzliche Belastung, wie sie durch Rücklöseprozesse in der Vorklärung zu Stande kam. Infolgedessen sind die CSB-Konzentration im Ablauf des Bodenfilters bei Urinseparation geringer als im Regelbetreib. Bezüglich Phosphor sind die Ablaufkonzentrationen indes höher als im Regelbetrieb, das heißt die zusätzlichen Frachten aus der Vorklärung finden sich trotzt höherer Wirkungsgrad anteilig im Ablauf des Bodenfilters wieder. Aufgrund der begrenzten Adsorptionskapazität des Bodenfilters würden aber auch im Regelbetrieb mit fortschreitender Betriebsdauer die Phosphorfrachten im Ablauf zunehmen, das heißt die Emissionen der beiden Betriebsweisen unterscheiden sich über längere Zeiträume betrachtet nicht.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Urinseparation einen signifikanten Beitrag zur Erhöhung der Betriebssicherheit der biologischen Reinigungsstufe beitragen kann, wobei die Wechselwirkungen mit dem vorgelagerten Verfahren zur mechanischen Vorbehandlung des Abwassers zu beachten sind. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Kosten für die zusätzlichen Installationen in Grenzen halten, stellt die Urinseparation eine vergleichsweise preiswerte Lösung zur Kompensation von Belastungsspitzen im Zulauf der Kläranalage dar und ist deshalb grundsätzlich für alle PWC-Anlagen mit dezentraler Abwasserbehandlung zu empfehlen. Insbesondere für Anlagen mit Bodenfilter als biologische Stufe bietet sich die Urinseparation als wirksame Maßnahme zur Stabilisierung der Reinigungsleistung an. Als Entsorgungsmöglichkeiten für den Urin stehen die Abfuhr sowie die partielle Mitbehandlung des gesammelten Urins bei geringer Auslastung der PWC-Anlage zur Auswahl.

4 Zusammenfassung

Mit dem F&E-Vorhaben „Pilotversuche zur Behandlung der Abwässer von PWC-Anlagen“ sollten Optimierungsansätze für die mechanische Vorbehandlung erarbeitet sowie die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit einer Abtrennung von männlichem Urin aus dem Abwassergemisch evaluiert werden. Als Pilotanlage diente die PWC-Anlage „Jalmer Moor“, deren abwassertechnische Sanierung auch unter Berücksichtigung der für das Forschungsvorhaben notwendigen baulich-technischen Komponenten erfolgte. Die Vorklärung konnte wahlweise als konventionelles Absetzbecken betrieben oder mit einem Bogensieb bestückt werden. Für die separate Erfassung des männlichen Urins wurden wasserlose Urinale installiert, die sich im Betrieb als unproblematisch erwiesen, installiert.

Im Ergebnis der Untersuchungen zur Optimierung der Vorklärung konnten konstruktive Empfehlungen für konventionelle Absetzanlagen von PWC-Anlagen erarbeitet werden, welche die Leitungsfähigkeit in Bezug auf den Rückhalt von Feststoffen und die Betriebssicherheit erhöhen und zugleich die Schwierigkeiten bei der Schlammentsorgung infolge des massiven Auftretens von Schwimmschlamm umgehen. Der Eignungstest eines Bogensiebs als mögliche Alternative zum Absetzbecken zeigte einerseits die Potenziale zur Frachtenreduzierung auf. Anderseits musste konstatiert werden, dass sich das eingesetzte Bogensieb aufgrund der vielen betrieblichen Probleme als ungeeignet erwiesen hat.

Die Untersuchungen zur Abtrennung des männlichen Urins machen deutlich, dass diese einen signifikanten Beitrag zur Sicherstellung von Ablaufgrenzwerten und insbesondere zur Stabilisierung der Nitrifikation bei der biologischen Abwasserbehandlung (hier Bodenfilter) leisten kann. Mit der Urinseparation lassen sich auf einfache Weise Belastungsspitzen dämpfen, weswegen sie für alle PWC-Anlagen mit dezentraler Abwasserbehandlung zu empfehlen ist. Die Urinabtrennung allein ist aber kein Garant für das Einhalten von Ablaufgrenzwerten. Wichtig ist der ordnungsgemäße Betrieb der Gesamtanlage, der solide Fachkunde erfordert und deshalb bevorzugt an eine geeignete Institution/Firma übergeben werden sollte. Auf tägliche Kontrollgänge, wie sie prinzipiell von geschultem bzw. eingewiesenem Personal der Autobahnmeisterei zu leisten wäre, kann letztlich nicht verzichtet werden. Um den dafür erforderlichen zeitlichen Aufwand in Grenzen halten, müssen die Belange des späteren Betriebs bei der Planung zukünftiger Anlagen noch stärker Berücksichtigung finden. 

Literaturverzeichnis

Londong, J.; Meyer, D.; Hartmann, M. (2010): Abwasserbehandlung an PWC-Anlagen. Bericht zum Forschungsprojekt FE 02.202/2000/MRB: Einsatz von Pflanzenkläranlagen an unbewirtschafteten Autobahnrastanlagen. In: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen V, Verkehrstechnik (Band 195). Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven. ISBN: 978 386 918 01

DWA-M-279 (2014): Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Hrsg.): Merkblatt 279: Schmutzwasser von unbewirtschafteten Rastanlagen. Hennef 2014, ISBN 978-3-944328-55-3

Londong, J.; Hartmann, M. (2016): Bericht zum Forschungsprojekt FE 02.0325/2011/HRB: Pilotversuche zur Behandlung der Abwässer von PWC-Anlagen. unveröffentlicht