FGSV-Nr. FGSV 002/88
Ort Berlin
Datum 15.05.2007
Titel OKSTRA kommunal – Ergebnisse des Forschungsprojekts „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“
Autoren Dr.-Ing. Jochen Hettwer
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Jochen Hettwer ist Mitarbeiter der interactive instruments GmbH in Bonn. Die interactive instruments GmbH hat zusammen mit der momatec GmbH aus Aachen das beschriebene Forschungsprojekt bearbeitet und ist die von der BASt beauftragte OKSTRA®- Pflegestelle.

Der OKSTRA® als eingeführter IT-Standard im Straßen- und Verkehrswesen hat eine klare Fokussierung auf das überörtliche Straßennetz. Um auch für den Bereich der kommunalen Straßennetze eine adäquate, standardisierte Netzbeschreibung bereitzustellen, wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“ ein entsprechendes Netzmodell – der „OKSTRA kommunal“ - sowie ein technisches und betriebliches Konzept für die Erstellung und Pflege dieses Modells erstellt. Der OKSTRA kommunal bietet zur geometrischen Repräsentation des Verkehrsnetzes ein Knoten-Kanten-Modell und ein Flächenmodell an, die wahlweise einzeln oder in Kombination verwendet werden können. Das Knoten-Kanten-Modell ist darüber hinaus routingfähig und kann bei Bedarf in das überörtliche OKSTRA®/ASB-Straßennetz integriert werden. Fachdaten können sowohl auf die geometrischen Repräsentationen des Netzes als auch auf das Straßenverzeichnis oder auf Hausnummern bezogen werden.

Der OKSTRA kommunal wurde im modellierungstechnischen Bereich sehr eng an den bestehenden OKSTRA® angelehnt, um eine reibungslose Kombination beider Netzmodelle zu ermöglichen. Somit steht mit der Kombination OKSTRA®/OKSTRA kommunal ein Standard zur Verfügung, mit dem das gesamte deutsche Straßennetz - von der Autobahn bis zur Anliegerstraße – IT-technisch abgebildet werden kann. Um den OKSTRA kommunal in die Praxis zu überführen, ist es nun nötig, weitere Fachdatenmodelle zu ergänzen sowie seine Publikation, Pflege und Fortschreibung zu organisieren.

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1. Das Forschungsprojekt

Vom 01.12.2004 bis zum 31.01.2007 wurde von den Firmen momatec GmbH und interactive instruments GmbH das Forschungsprojekt FE 77.480/2004 „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“ bearbeitet, das Bestandteil des „Forschungsprogramms Stadtverkehr“ (FoPS) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) war und durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) betreut wurde. Ziel des Projektes, über dessen Anfänge bereits beim OKSTRA®-Symposium im Jahr 2005 berichtet worden ist [1], war „ein technisches und betriebliches Konzept zur Erstellung und Pflege eines integrierten kommunalen und überörtlichen Verkehrsnetzes“ [2]. Die Motivation bestand darin, dass ein intergriertes kommunales und überörtliches Modell die wesentliche Voraussetzung für Anwendungen darstellt, die eine Sicht auf das gesamte Netz erfordern. Dies betrifft insbesondere Anwendungen, bei denen die verkehrliche Nutzung des Netzes und weniger die bauliche Zuständigkeit im Vordergrund steht (z.B. Routingaufgaben). Für solche Zwecke ist der OKSTRA® in der heutigen Form aufgrund seiner Fokussierung auf das überörtliche Verkehrsnetz nicht ausreichend, sodass eine Ausweitung des Netzmodells auf den kommunalen Bereich sinnvoll erscheint. Darüber hinaus besteht durch die Einführung einer standardisierten Netzbeschreibung für kommunale Straßennetze auch für die Kreise und Kommunen die Möglichkeit, von den vom OKSTRA® bekannten Vorteilen zu profitieren: Durch eine standardisierte konzeptionelle Netzbeschreibung und  daraus abgeleitete Datenformate können Prozessketten geschlossen, Medienbrüche beseitigt und die Vorzüge eines umfassenden Datenmanagements ausgeschöpft werden. Teure Mehrfacherfassungen von Daten können dadurch vermieden, einmal erfasste Daten mehrfach genutzt werden; der Fortführungsaufwand lässt sich aufgrund der Möglichkeit zur redundanzfreien Speicherung der Netzdaten erheblich senken.

Das Forschungsprojekt wurde – methodisch betrachtet – in drei wesentlichen Schritten durchgeführt: In einer initialen Analysephase wurden zunächst der Ist-Zustand der Nutzung netzbezogener Daten in den Kommunen sowie die kommunalspezifischen Anforderungen an ein Netzmodell ermittelt. Dazu wurden in interessierten Kommunen eine Fragebogenaktion und teilweise auch detaillierte Interviews durchgeführt. Die einschlägigen Regelwerke wurden analysiert, und es wurde auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines umfangreichen Betreuerkreises zurückgegriffen, der die Forschungsnehmer bei der Bearbeitung des Projektes in fachlicher Hinsicht unterstützte.

In der darauf folgenden Konzeptionsphase wurden auf der Grundlage der in der Analysephase gewonnenen Kenntnisse das betriebliche und das technische Konzept erarbeitet, wobei das Netzmodell für den kommunalen Bereich mit Kopplungsmöglichkeiten an das überörtliche OKSTRA®/ASB-Netz – der „OKSTRA kommunal“ – das Herzstück des technischen Konzepts bildete. Beide Konzepte wurden intensiv mit dem Betreuerkreis diskutiert.

In der abschließenden Evaluationsphase erfolgte eine Überprüfung der Praxistauglichkeit des entwickelten Netzmodells anhand geeigneter Prototyping-Szenarien.

2. Das Netzmodell

Aus der Analysephase ergaben sich verschiedene Anforderungen an das im Rahmen des Projektes zu definierende Netzmodell: Wesentlich war vor allem die Erkenntnis, dass zur geometrischen Repräsentation des Netzes sowohl ein Knoten-Kanten-Modell als auch ein Flächenmodell integriert werden sollten, da beide Repräsentationsformen für bestimmte Aufgabenbereiche spezifische Vorteile besitzen. Ob eine Kommune für ihre Verkehrsnetzdokumentation nur eine oder beide Repräsentationsformen benutzt, sollte ihr selbst überlassen bleiben. Die Forderung nach einer Aufnahme beider Varianten ergab sich sowohl aus der Fragebogenaktion als auch aus den Diskussionen mit den kommunalen Vertretern des Betreuerkreises. Da in den Kommunen viele Daten nicht geometrisch, sondern über die Angabe von Adressen (Straße, Hausnummer) verortet sind, sollte darüber hinaus auch die Möglichkeit zur Adressverortung als weitere Alternative in das Modell integriert werden.

Für das Knoten-Kanten-Modell ergab sich aus der Motivation des Forschungsprojektes die weitere Forderung, dass es optional routingfähig und mit dem OKSTRA®/ASB-Netz koppelbar sein sollte. Die zweite Forderung impliziert eine weitgehende inhaltliche und technische Kompatibilität mit dem bestehenden OKSTRA®. Schließlich sollten beliebige Fachdaten ergänzbar und auf das Netzmodell referenzierbar sein.

Um mit dem bestehenden OKSTRA® weitgehend kompatibel zu sein, wurden zur Modellierung des OKSTRA- kommunal-Modells dieselben Modellierungstechniken verwendet wie für den OKSTRA®, d.h. es wurde eine grafische Modellierung mit NIAM-Diagrammen und eine lexikalische Referenzmodellierung in EXPRESS erstellt. Aus dem EXPRESS-Referenzmodell wurde – ebenfalls analog zum Vorgehen beim OKSTRA® – ein XML-Format (als GML- Applikationsschema) abgeleitet. Das zweite beim OKSTRA® verwendete Format – CTE – ergibt sich direkt aus einer generischen Abbildung der Modellierungssprache EXPRESS und ist deshalb für den OKSTRA kommunal im Prinzip ebenfalls verfügbar.

Um neben dieser formal-technischen Kompatibilität auch eine möglichst weitgehende inhaltliche Kompatibilität mit dem OKSTRA® zu gewährleisten, wurden für das OKSTRA-kommunal-Modell die EXPESS-Basisschemata „Allgemeine Objekte“, „Geometrieschema“ und „Historisierung“ aus der Version 1.011 des OKSTRA® direkt übernommen. Verschiedene Objektarten aus dem Schema „Straßennetz“ wurden ebenfalls übernommen oder in weitgehend identischer Form nachmodelliert (dies gilt z.B. für die Objektarten Straßenelement, Verbindungspunkt und Verbotene_Fahrbeziehung).

Das OKSTRA-kommunal-Netzmodell [3] besteht aus sieben verschiedenen Teilmodellen, deren Abhängigkeiten voneinander schematisch in Abbildung 1 dargestellt sind. Das Teilmodell Straßenverzeichnis enthält ein (nicht geometrisch repräsentiertes) Straßenverzeichnis zur Darstellung kommunaler Straßen mit ihren Namen und Schlüsselzahlen gemäß dem amtlichen Straßenschlüssel der jeweiligen Kommune. Eine kommunale Straße kann optional in mehrere Segmente aufgeteilt werden (im Regelfall besteht eine Straße aus einem Segment). Die Segmente können – von einer Kommune frei definierbaren – Straßenklassen zugeordnet und von Fachdaten im Sinne einer nicht-geometrisch repräsentierten Verortung referenziert werden.

Abbildung 1: OKSTRA-kommunal-Netzmodell (schematisch)

Im Teilmodell Hausnummern sind Hausnummern, Hausnummernbereiche und Hausnummernblöcke als Grundlage für eine Verortung von Fachdaten über Hausnummern definiert. Ein Hausnummernbereich erstreckt sich maximal entlang einer kommunalen Straße (bzw. entlang eines Straßenelementes, wenn das Knoten-Kanten-Modell  verwendet wird), und wird über eine Anfangs- und eine Endnummer oder alternativ über die Angabe sämtlicher enthaltener Hausnummern definiert. Ein Hausnummernblock wird aus mehreren linear zusammenhängenden Hausnummernbereichen gebildet. Jede Hausnummer besitzt eine Pflichtrelation zu dem Segment der kommunalen Straße, an dem sie liegt.

Der OKSTRA kommunal besitzt im Teilmodell Knoten-Kanten-Modell zur geometrischen Repräsentation des Verkehrsnetzes ein einfaches (unstrukturiertes) Knoten-Kanten-Modell, das aus den (nachmodellierten) OKSTRA®- Objektarten Straßenelement und Verbindungspunkt besteht (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Die Straßenelemente sind – im Gegensatz zum OKSTRA® - stationierbar, um eine stationsbezogene Verortung auf ihnen zu ermöglichen. Zur Angabe eines Ortes in Bezug auf ein Straßenelement dient die Objektart Straßenelementpunkt. Ein Straßenelementpunkt besitzt eine Referenz auf das Straßenelement, auf das er sich bezieht, sowie eine Stationsangabe. Optional können auch noch ein Querabstand von der Liniengeometrie des Straßenelementes und ein Abstand zur Fahrbahnoberkante angegeben werden. Die Objektart Routenausschnitt ermöglicht die Angabe beliebiger, linear zusammenhängender Bereiche auf dem Netz. Sie basiert auf der aus der OKSTRA® übernommenen Objektart Route (einer Menge von linear zusammenhängenden Straßenelementen), aus der mittels zweier Straßenelementpunkte ein beliebiger Bereich „ausgeschnitten“ wird.

Abbildung 2: Basiselemente des Knoten-Kanten-Modells

Abbildung 3 zeigt zwei etwas komplexere Strukturen des Knoten-Kanten-Modells: Ein Teilnetz ist ein Bereich des Netzes, der aus einer beliebigen Menge von Straßenelementen besteht. Straßenelemente und Verbindungspunkte einer komplexen Knotenpunktsituation können darüber hinaus mit der Objektart Komplexer_Knoten zusammengefasst werden, wobei dann die Art des Knotenpunktes (z.B. „Kreisverkehr“) angegeben werden muss.

Abbildung 3: Komplexe Strukturen des Knoten-Kanten-Modells

Fachdaten können zur Verortung im Knoten-Kanten-Modell auf folgende Objektarten referenziert werden:

  • Straßenelementpunkt,
  • Verbindungspunkt,
  • Komplexer_Knoten,
  • Routenausschnitt und
  • Teilnetz.

Das Teilmodell Flächenmodell besteht im Wesentlichen aus hierarchisch schachtelbaren Verkehrsflächen, mit denen der Straßenraum in verschiedenen Granularitäten beschrieben werden kann. Mittels einer Verkehrsfläche lässt sich z.B. die gesamte Straße, ein Straßenabschnitt, eine Spur oder ein Gehweg darstellen (Abbildung 4). Die Zugehörigkeiten werden dabei über Relationen ausgedrückt: Ein Gehweg oder eine Spur ist Bestandteil eines Straßenabschnittes, der wiederum Bestandteil einer Straße ist. Unabhängig von den Verkehrsflächen können auch Verkehrsnutzungsflächen definiert werden, mit denen ausgedrückt werden kann, dass der Bereich innerhalb der angegebenen Flächengeometrie für eine spezielle Form von verkehrlicher Nutzung vorgesehen ist (z.B. für den „motorisierten Individualverkehr“). Fachdaten können im Flächenmodell entweder durch Referenzen auf die vorhandenen Verkehrsflächen oder über das Tragen eigener Geometrie verortet werden. Bei der zweiten Variante ergibt sich die Beziehung zwischen dem jeweiligen Fachdatum und den Elementen des Flächenmodells über den geometrischen Bezug.

Abbildung 4: Elemente des Flächenmodells

Das Teilmodell Verkehrsnutzungen enthält den abstrakten Supertypen Verkehrsnutzungsobjekt, der die Basis für die Angabe von verkehrlichen Nutzungen im Knoten-Kanten- und im Flächenmodell darstellt und Informationen zu Art und Zeitraum einer Verkehrsnutzung enthält. Von diesem Supertypen erbt beispielsweise die bereits erwähnte Objektart Verkehrsnutzungsfläche aus dem Flächenmodell; im Knoten-Kanten-Modell gibt es als Analogon dazu die Objektart Verkehrsnutzungsbereich. Ein Verkehrsnutzungsobjekt kann auch über eine Hausnummer (bzw. einen Hausnummernbereich oder –block) verortet werden.

Das Teilmodell ASB-Netz-Referenzierung dient zur optionalen Ankopplung des Knoten-Kanten-Modells an das OKSTRA®/ASB-Netzmodell. Ein Verbindungspunkt des kommunalen Knoten-Kanten-Modells kann dabei entweder auf einen Nullpunkt des OKSTRA®/ASB-Netzes oder einen Straßenpunkt (d.h. einen beliebigen Punkt im Umfeld eines Abschnitts oder Astes des OKSTRA®/ASB-Netzes) bezogen werden (Abbildung 5). Die zweite Variante ist z.B. dann sinnvoll, wenn eine kommunale Straße in eine klassifizierte Straße einmündet und dort im OKSTRA®/ASB-Netz kein Netzknoten (und somit auch kein Nullpunkt) vorhanden ist. Zusätzlich kann ein Straßenelement des kommunalen Modells auch direkt auf einem Abschnitt oder Ast des klassifizierten Netzes verortet werden. Dieses Verfahren kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn eine klassifizierte Straße (z.B. eines Bundesstraße) durch eine Kommune verläuft und diese die klassifizierte Straße in ihrem eigenen Netzmodell ebenfalls abgebildet hat.

Die Referenzen auf die Elemente des OKSTRA®/ASB-Modells (d.h. auf die OKSTRA®-Objektarten Abschnitt_oder_Ast und Nullpunkt) wurden im OKSTRA-kommunal-Modell als abstrakte Verweise formuliert; auf diese Weise wird eine Referenzierung über einen konzeptionellen Schlüssel (d.h. eine Abschnitts-, Ast- oder Nullpunktnummer) ermöglicht, ohne dass Instanzen dieser Objektarten in einem kommunalen Datenbestand vorhanden sein müssen.

Abbildung 5: Referenzierung des OKSTRA-kommunal-Knoten-Kanten-Modells auf das OKSTRA®/ASB-Netz

Das Teilmodell Routing ist ein Aufsatz auf das Knoten-Kanten-Modell, der dieses routingfähig macht. Die dafür verwendeten Objektarten – Verbotene_Fahrbeziehung und Beschränkung_verkehrlich – wurden ebenso wie die zentralen Objektarten Verbindungspunkt und Straßenelement des Knoten-Kanten-Modells direkt aus dem OKSTRA® übernommen. Dies hat den Vorteil, dass bei einer Ankopplung eines kommunalen Netzes an das überörtliche OKSTRA®/ASB-Netz das Routing auf denselben Objektarten und einer einheitlichen Datenstruktur erfolgen kann.

Der Grundgedanke des Routing-Modells besteht darin, dass das Einfahren von einem Straßenelement aus in ein benachbartes Straßenelement grundsätzlich möglich ist. An denjenigen Stellen, wo dies nicht der Fall ist, muss für die entsprechende Kombination von Straßenelementen eine Instanz der Objektart Verbotene_Fahrbeziehung angelegt werden (vgl. Abbildung 6; in dieser Abbildung ist das Linksabbiegen nicht erlaubt). Die Objektart Beschränkung_verkehrlich liefert zusammen mit ihren Subtypen weitere routingrelevante Informationen, z.B. über Größen- oder Gewichtsbeschränkungen für Fahrzeuge auf bestimmten Streckenabschnitten.  Routingrelevant sind ggf. auch noch die Informationen über die zulässigen verkehrlichen Nutzungen im betrachteten Teil des Netzes.

Abbildung 6: Elemente des Teilmodells Routing

 

3. Vergleich der Knoten-Kanten-Modelle von OKSTRA® und OKSTRA kommunal

Die im OKSTRA® (bzw. der ASB Netz [4]) und im OKSTRA kommunal definierte Knoten-Kanten-Modelle weisen eine Reihe von Unterschieden auf. Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass der OKSTRA® bzw. die ASB Netz faktisch nicht ein, sondern zwei Knoten-Kanten-Modelle enthalten: Für die bauliche Sicht wird ein auf dem ASB- Netzknoten-Stationierungssystem beruhendes Modell vewendet, das im Wesentlichen aus den Objektarten Abschnitt, Ast, Nullpunkt und Netzknoten besteht, für die verkehrliche Sicht ein weiteres, aus den Objektarten Straßenelement und Verbindungspunkt aufgebautes Modell. Beide Modelle besitzen ihre eigene Geometrie und können optional aufeinander referenziert, technisch betrachtet aber auch unabhängig voneinander verwendet werden. Fachdaten können grundsätzlich nur auf die bauliche Sicht, die für das Routing wichtigen verbotenen Fahrbeziehungen nur auf die verkehrliche Sicht bezogen werden. Als einzige Ausnahme von dieser Regel können Streckeneigenschaften dann auf die verkehrliche Sicht – d.h. auf ein Straßenelement – bezogen werden, wenn der entsprechende Bereich der Straße nicht als Abschnitt oder Ast erfasst wurde; lt. ASB Netz [4] kann dies „z.B. bei kurzen Abbiegespuren in plangleichen Kreuzungsbereichen“ der Fall sein. Das Konzept des Linear Referencing kommt hier nicht zur Anwendung, d.h. das Straßenelement ist nicht stationierbar, und eine Streckeneigenschaft bezieht sich in diesem Fall stets auf das gesamte Straßenelement; zur Herstellung einer feineren Granularität muss es ggf. in mehrere Straßenelemente zerlegt werden.

Demgegenüber besitzt der OKSTRA kommunal nur ein einziges, auf den Objektarten Straßenelement und Verbindungspunkt basierendes Knoten-Kanten-Modell. Dieses Modell dient für sämtliche Aufgaben, die mit einem Knoten-Kanten-Modell erledigt werden können. Aus diesem Grund sind sowohl die Fachdaten als auch die Routing- Informationen direkt auf das Modell referenziert. Um zu vermeiden, dass Straßenelemente ständig in Abhängigkeit der zu verortenden Fachdaten neu unterteilt werden müssen, sind sie stationierbar und werden – analog zu den Abschnitten und Ästen im ASB-Netzknoten-Stationierungssystem – von den Fachdaten linear referenziert.Die eigentliche Netzbeschreibung kann somit auch bei sich ändernden Fachdaten konstant bleiben.

Der Vorteil des OKSTRA-kommunal-Modells besteht darin, dass es wesentlich schlanker ist als das OKSTRA®/ASB-Modell: Der Umgang mit dem Modell wird aufgrund des einheitlichen Zugriffs auf alle auf das Modell referenzierten Daten erleichtert und der Fortführungsaufwand reduziert, da nur noch eine – und nicht zwei – Graphenstrukturen gepflegt werden müssen. Nachteilig ist möglicherweise, dass die Geometrie des Netzes nicht gleichzeitig in unterschiedlichen Granularitäten vorgehalten werden kann. Dies führt dazu, dass bereits bei der Ersterfassung des Netzes die Entscheidung über eine mögliche Routingfähigkeit des aufzubauenden Modells gefällt werden sollte, da diese Entscheidung die notwendige Granularität der Erfassung wesentlich beeinflusst. Wird der Detaillierungsgrad des Knoten-Kanten-Modells nachträglich erhöht, hat dies zur Folge, dass auch viele vorhandene Fachdaten neu auf das Netz referenziert oder sogar neu erhoben werden müssen, da sie nicht in der erforderlichen Granularität vorliegen. Beim OKSTRA®/ASB-Modell kann man dagegen zunächst mit einer gröberen Granularität für die bauliche Sicht beginnen; soll später die Routingfähigkeit ergänzt werden, kann dies durch die Erfassung von Straßenelementen und Verbindungspunkten geschehen, ohne dass die auf die bauliche Sicht bezogenen Fachdaten angepasst werden müssen. Dieser Nachteil des OKSTRA-kommunal-Modells führt allerdings maximal zu einem einmalig erhöhten Aufwand, wogegen die Nachteile des OKSTRA®/ASB-Modells – insbesondere der erhöhte Pflegeaufwand – dauerhaft ins Gewicht fallen.

Ein weiterer Unterschied zwischen den Knoten-Kanten-Modellen des OKSTRA® und des OKSTRA kommunal besteht darin, dass das OKSTRA®-Modell für die bauliche Sicht – durch seinen Aufbau bedingt – in obligatorischer Weise hierarchisch strukturiert ist, das OKSTRA-kommunal-Modell hingegen nicht: Das dem OKSTRA® zugrundeliegende Netzknoten-Stationierungssystem setzt zwingend eine Zwei-Ebenen-Struktur voraus, bei der zwischen einer gröberen Ebene (Abschnitte und Netzknoten) und einer feineren Ebene (Nullpunkte und Äste innerhalb der Netzknoten) unterschieden wird. Eine solche Pflichtstrukturierung ist für die Beschreibung von Bundesfernstraßen mit langen linearen Abschnitten zwischen vereinzelten Knotenpunkten sicherlich sinnvoll, für die Darstellung innerstädtischer Verkehrsnetze aber unpraktikabel: Hier wäre die Definition ASB-konformer Netzknoten und ihre Abgrenzung gegeneinander aufgrund der erheblich größeren Knotenpunktdichte sehr problematisch [5]. Ebenfalls problematisch (und mit der Definition von Netzknoten direkt verbunden) wäre darüber hinaus die Festlegung, ob eine Straße bzw. ein Straßenteil als Abschnitt oder als Ast zu klassifizieren ist. Aus diesem Grund verwendet der OKSTRA kommunal grundsätzlich ein unstrukturiertes Knoten-Kanten-Modell. Er enthält zwar mit der Objektart Komplexer_Knoten ebenfalls eine Möglichkeit zur Einführung einer weiteren Strukturierungsebene, diese ist jedoch optional und kann – da ein komplexer Knoten auf einer einfachen Aggregation der Basiselemente Straßenelement und Verbindungspunkt beruht – jederzeit nachträglich hinzugefügt oder entfernt werden, ohne dass sich dadurch die Geometrie des Netzes ändert.


4. Das Fachdatenmodell

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde eine Fachdatenmodellierung zur Thematik verkehrlicher Beeinträchtigungen durch Baustellen, Aufbrüche und Sondernutzungen erstellt [6]. Diese Modellierung war gedacht als exemplarisches Beispiel für die Referenzierung von Fachdaten auf das Netzmodell und gleichzeitig als Grundlage für das Prototyping (vgl. Abschnitt 5); aus diesem Grund wurden sowohl die Thematik als auch das Modell selbst mit den Prototyping-Partnern abgestimmt. Da somit bislang nur für einen sehr eingeschränkten Teilbereich eine Fachdatenmodellierung für den OKSTRA kommunal zur Verfügung steht, muss das Fachdatenmodell für eine Etablierung des OKSTRA kommunal in der Praxis erheblich erweitert werden.

Das erstellte Fachdatenmodell lässt sich in zwei Teile untergliedern: Das Vorgangsmodell beschreibt allgemein Vorgänge, die zu verkehrlichen Beeinträchtigungen führen oder führen können; das Beeinträchtigungsmodell beschreibt die Beeinträchtigungen selbst und eventuell zu ihrer Umgehung eingerichtete Umleitungen.

Abbildung 7 zeigt das NIAM-Diagramm zum Vorgangsmodell. In der Mitte des Diagramms ist die zentrale Objektart, der Vorgang_m_verkehrl_Beeintr, dargestellt. Ein solcher Vorgang liegt in einem Gemeindebezirk, findet in einem bestimmten Zeitraum statt und kann allgemein auf Dokumente verweisen (z.B. erteilte Genehmigungen etc.). Außerdem kann er im Verlauf der Zeit mehrere Vorgangsstufen durchlaufen, die jeweils mit ihrem Anfangs-Datum und dem zu diesem Zeitpunkt erreichten Vorgangsstatus („beantragt“, „genehmigt“ etc.) angegeben werden. Als Spezialisierungen des allgemeinen Vorgangs existieren die Objektarten Aufbruch, SondernutzungNeubaumaßnahme und Erhaltungsmaßnahme. Für einen Aufbruch können noch eine Reihe weiterer Informationen in Form von Schlüsseltabellen angegeben werden: der Grund des Aufbruchs, die Art der Leitung und die Art der Verlegung (sofern Leitungen verlegt werden).

Abbildung 7: NIAM-Diagramm zum Fachdatenmodell: Vorgang mit verkehrlicher Beeinträchtigung

Das NIAM-Diagramm zum Beeinträchtigungsmodell ist in Abbildung 8 dargestellt. Im Zentrum des Diagramms ist die Objektart Beeinträchtigung_verkehrl angesiedelt. Sie kann durch einen Vorgang_m_verkehrl_Beeintr ausgelöst werden, findet in einem bestimmten Zeitraum statt und wird durch eine Punktgeometrie dargestellt (Vererbung vom Punktobjekt_Modell). Die Art der Beeinträchtigung muss über die Schlüsseltabelle Art_Beeinträchtigung, die Lage der Beeinträchtigung im Straßenraum kann über die Schlüsseltabelle Lage_Straßenraum näher spezifiziert werden. Eine Beeinträchtigung_verkehrl kann im Netzmodell des OKSTRA kommunal folgendermaßen verortet werden:

  • auf einer Verkehrsfläche des Flächenmodells (Vererbung vom Flächenbezugsobjekt),
  • als Punkt oder Strecke im Knoten-Kanten-Modell (Vererbung vom Netzbezugsobjekt_Punkt und vom Netzbezugsobjekt_Strecke),
  • auf einer Hausnummer, einem Hausnummernbereich oder einem Hausnummernblock (Vererbung vom HsNrBezugsobjekt, vom HsNrBereichBezugsobjekt und vom HsNrBlockBezugsobjekt).

Zu einer Beeinträchtigung können auch Umleitungen angegeben werden, die als Strecke im Knoten-Kanten-Modell verortet werden können. Über die Schlüsseltabelle Richtung_Routenausschnitt kann eine Angabe zu den möglichen Fahrtrichtungen auf der Umleitung erfolgen.

Abbildung 8: NIAM-Diagramm zum Fachdatenmodell: Verkehrliche Beeinträchtigung


5. Das Prototyping

Zur Evaluierung des im Rahmen des Forschungsprojektes erstellten Netzmodells wurden in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern vier Prototyping-Szenarien entwickelt, von denen drei ganz oder teilweise realisiert wurden. Neben dem Netzmodell wurden dabei auch Teile der im vorigen Abschnitt beschriebenen Fachdatenmodellierung umgesetzt. Im Folgenden werden die drei realisierten Szenarien beschrieben.

Zusammen mit der Stadt Münster wurde ein webbasiertes Auskunftssystem für Aufbrüche und Sondernutzungen im Stadtgebiet entwickelt (Abbildung 9). In diesem System werden die in der städtischen Straßendatenbank enthaltenen Daten zum Straßennetz und zu Aufbrüchen und Sondernutzungen über einen Web Feature Service (WFS) im Internet zur Verfügung gestellt, der auf der Grundlage des aus dem OKSTRA-kommunal-Modell abgeleiteten XML-Schemas arbeitet. Zur Abfrage dieses Services wurde ein browserbasierter Web-Client erstellt, mit dem im Stadtgebiet navigiert und die Daten über Aufbrüche und Sondernutzungen abgefragt, visualisiert und nach der Art und dem Zeitraum der Beeinträchtigung gefiltert werden können. Für die Darstellung des Kartenhintergrundes und die Möglichkeit zum Springen zu einer beliebigen Adresse wurden Web-Dienste des Landesvermessungsamtes Nordrhein-Westfalen verwendet. Der WFS und der Web-Client befinden sich momentan im Demonstrationsbetrieb (letzterer unter http://services.interactive-instruments.de/fops-client/PAS.php).

Abbildung 9: Prototyping-Szenarien Münster / Schwerte

Ein weitgehend gleiches Szenario, das sich hauptsächlich durch den Einsatz anderer technischer Komponenten vom Szenario Münster unterscheidet, wurde zusammen mit der Stadt Schwerte, der Stadtentwässerung Schwerte GmbH und der GIS Consult GmbH entwickelt. Dieses Szenario wurde insofern teilweise realisiert, als die in Schwerte verwendete Straßendatenbank die enthaltenen Daten zunächst nicht über einen OKSTRA-kommunal-konformen WFS, sondern über eine Dateischnittstelle auf der Grundlage des OKSTRA-kommunal-XML-Formates zur Verfügung stellt. Mit denselben Abbildungsvorschriften ließe sich auch ein WFS betreiben, der ebenfalls von dem für das Szenario Münster entwickelten Web-Client abgefragt werden könnte.

Inhalt des Szenarios Pforzheim (Abbildung 10) ist der Austausch von Informationen über verkehrliche Beeinträchtigungen zwischen der Straßendatenbank der Stadt Pforzheim und dem von der Landesstelle für Straßentechnik Baden-Württemberg (LST) betriebenen Baustelleninformationssystem (BIS). Ziel ist dabei eine bessere Koordinierung von Maßnahmen im kommunalen und im überörtlichen Netz. Technisch betrachtet wird der Datenaustausch über Web-Services abgewickelt, die in regelmäßigen Zeitabständen von der Gegenseite abgefragt werden. Die Daten der Stadt Pforzheim werden dabei über einen OKSTRA-kommunal-konformen WFS zur Verfügung gestellt, für die Daten des BIS wird der bereits vorhandene BIS-WFS benutzt. Dieses System ist softwaretechnisch weitestgehend realisiert, allerdings von den zuständigen Stellen noch nicht vollständig installiert und in Betrieb genommen worden. Für das Forschungsprojekt ist dieses Szenario deswegen von besonderer Bedeutung, weil hier versuchsweise eine Integration des kommunalen Netzes in das überörtliche OKSTRA®/ASB-Netz vorgenommen worden ist.

Abbildung 10: Prototyping-Szenario Pforzheim

Insgesamt ergab die Auswertung des Prototypings, dass das OKSTRA-kommunal-Netzmodell für die betrachteten Szenarien geeignet war und im realisierten Bereich keine logischen Inkonsistenzen aufwies. Die Modelltransformation zwischen dem OKSTRA-kommunal-Netz und den systemintern verwendeten Strukturen war meist problemlos möglich. Ebenfalls erfolgreih verliefen die Tests zur Integration des kommunalen Netzes in das klassifizierte Netz des Landes Baden-Württemberg im Rahmen des Szenarios Pforzheim. Leichter Nachbesserungsbedarf zeigte sich bei der Fachdatenmodellierung: Hier erscheint es sinnvoll, einige Pflichtrelationen in optionale Relationen umzuwandeln sowie die Wertekataloge für bestimmte Schlüsseltabellen umfassender zu definieren.

6. Fazit

Mit dem Abschluss des Forschungsprojektes liegt ein funktionsfähiges, praktisch evaluiertes Netzmodell für kommunale Straßennetze vor, das bei Bedarf in das klassifizierte Straßennetz integriert werden kann. Es existieren auch bereits erste prototypische Anwendungen. Auf dieser Grundlage können zukünftig auch im kommunalen Straßenwesen erweiterte Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen den verschiedenen verwendeten Systemen geschaffen werden, die die Basis darstellen für die Schließung von Prozessketten, die Vermeidung von Medienbrüchen und die Einrichtung eines umfassenden Datenmanagements. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass

  • die Fachdatenmodellierung erheblich erweitert und praxisgerecht ausgebaut wird und
  • die weitere Pflege, Publikation und Fortschreibung des OKSTRA kommunal organisiert werden kann.

Nur wenn es gelingt, diese beiden Voraussetzungen zu erfüllen, hat der OKSTRA kommunal die Chance, zu einem echten Standard zu werden. Und nur dann kann sich sein Potenzial – insbesondere zum Nutzen der Kommunen – voll entfalten.

Literatur

  1. König und A. Kochs: OKSTRA® kommunal – Forschungsprojekt zur integrierten kommunalen Verkehrsnetzdokumentation, Beitrag zum 3. OKSTRA-Symposium am 24./25. Mai 2005 in Münster
  2. Kirschfink, A. Kochs, B. Weidner und J. Hettwer: Forschungsprojekt FE 77.480/2004 „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“: Schlussbericht, 2007 (bisher unveröffentlicht)
  3. Kirschfink, A. Kochs, B. Weidner und J. Hettwer: Forschungsprojekt FE 77.480/2004 „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“: Netzmodell-Spezifikation Version 0.7, 2006; im Internet verfügbar unter http://www.okstra.de/docs/fops0021.pdf
  4. Betreuungsgruppe 1 (BG 1) des Bund-/Länder-Fachausschusses IT-Koordinierung (Straßenwesen): ASB – Anweisung Straßeninformationsbank, Teilsystem Netzdaten, Stand: April 2005. Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr.
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV): FGSV-Arbeitspapier zur „Systematik der Straßenerhaltung“, Reihe K: Kommunale Belange, Abschnitt K 1: Grundlagen, Unterabschnitt K 1.2: Ordnungssystem und Netzbeschreibung für innerörtliche Verkehrsflächen, Stand: Juli 2004
  6. Kirschfink, A. Kochs, B. Weidner und J. Hettwer: Forschungsprojekt FE 77.480/2004 „Integrierte kommunale Verkehrsnetzdokumentation“: Fachdaten-Spezifikation Version 0.3, 2006;im Internet verfügbar unter http://www.okstra.de/docs/fops0023.pdf