FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Verkehrs- und Baustellenmanagement - mit dem Softwaretool roads
Autoren Dipl.-Ing. (FH) M.Sc. Jeff Marengwa
Kategorien Kongress
Einleitung

Hamburg ist eine Innovationsmetropole, die ihrer stetig wachsenden Bevölkerung mehr Komfort bieten und die Lebensqualität verbessern will. Eine ausreichende Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für die weitere Entwicklung der Stadt. Eine zentrale Rolle bei der Mobilität spielten hier Baumaßnahmen. Jede Baumaßnahme findet in einem individuellen Zeitraum statt und erfordert je nach Bauphase verschiedene Verkehrsführungen oder die Einrichtung von Umleitungen. Dabei konkurrieren die Baumaßnahmen um Ressourcen wie Flächen, Zeiträume und Umleitungsstrecken. Bei über 4.000 Baumaßnahmen, die jährlich in einem dicht bebauten Gebiet wie der Stadt Hamburg geplant und koordiniert werden, führt dies zwangsläufig zu Konflikten, die oftmals erst viel zu spät erkannt werden. Bislang fand die Koordinierung mit anderen Baudienststellen in Hamburg lediglich mit kurzem Vorlauf im Rahmen der verkehrlichen Anordnung statt. Sie hatte mehr den Charakter des Informationsaustausches. Eine wirkliche Koordinierung mit Entscheidungsspielraum für eine inhaltliche Veränderung der Baumaßnahme war dabei häufig unmöglich. Die Koordinierung von Baumaßnahmen schon zwei bis fünf Jahre vor ihrer Realisierung beginnen zu lassen verspricht eine deutliche Verbesserung. Insbesondere noch relativ unscharfe Bedarfe in der Zukunft sollen in die Koordinierung eingehen und ihr Zusammenspiel betrachtet werden. Um die verschiedenen Auswirkungen einschätzen zu können, müssen sogenannte Szenarien entwickelt und untersucht werden. Nur dann können Konflikte erkannt und beseitigt sowie Synergien gehoben werden. Der LSBG fungiert als Koordinierungsstelle für Straßenbaumaßnahmen an Hauptverkehrsstraßen und Bundesautobahnen in Hamburg. Ziel der Koordinierung ist es, dass der Verkehrsfluss für die Verkehrsteilnehmer in Hamburg bei steigender Anzahl von Baumaßnahmen so wenig wie möglich belastet wird. Um diese Ziele zu erreichen, hat der LSBG innerhalb kürzester Zeit das Baustellenmanagementsystem roads entwickelt, eingeführt und parallel die interne Organisation entsprechend umstrukturiert. Roads (Roadwork Administration and Decision System) ist ein neues innovatives IT-System, das zur Koordinierung im Hamburger Raum eingesetzt wird. Insbesondere die kooperative Koordinierung zwischen dem LSBG und Hamburger Leitungsträgern entwickelt dabei ein erhebliches Verbesserungspotenzial.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Als Metropole im Norden Deutschlands und überregionaler Verkehrsknotenpunkt ist die Verkehrsbelastung in Hamburg hoch, Staus gehören zur Tagesordnung. Die Lage der Stadt, ihre Bedeutung im Korridor und die Rolle als Hafenstadt führen immer wieder zu deutlichen Belastungen des Verkehrs.

Daneben hat sich über Jahrzehnte bei der Hamburger Infrastruktur ein Sanierungsstau aufgebaut. Der Hamburger Senat hat auf diesen Umstand reagiert und erste Erfahrungen mit dem planvollen Erhaltungsmanagement im Bereich der Stadtstraßen gesammelt. Auch die Konstruktiven Bauwerke werden zukünftig solch einem Programm unterzogen.

Die dringend notwendige Sanierung von wichtigen kommunalen Brücken, Tunneln, Straßen und der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie des Leitungsbestandes führt zwangsläufig zu einer steigenden Anzahl an Maßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum.

Die Akteure haben das Problem erkannt und reagiert. Der Senat hat eine deutliche Qualitätssteigerung der Baustellenkoordinierung angeschoben und die Zusammenarbeit der Beteiligten verbessert. Hamburg nimmt hier – auch aufgrund des Handlungsdrucks durch die sehr hohe Belastung – eine Vorreiterrolle ein. 

Baustellenkoordinierung in Hamburg

Ziel der Verbesserung der Baustellenkoordinierung sind verkehrlich relevante Baustellen. Relevant ist eine Baustelle dann, wenn die Straßenführung und die Verkehrsführung beeinflusst werden.

Jede Baumaßnahme findet in einem individuellen Zeitraum statt und erfordert je nach Bauphase verschiedene Verkehrsführungen oder die Einrichtung von Umleitungen. Dabei konkurrieren die Baumaßnahmen um Ressourcen wie Flächen, Zeiträume und Umleitungsstrecken.

Als zusätzliche Herausforderung kommt der Trend zur Ausdifferenzierung kommunaler Infrastrukturen erschwerend hinzu. Ein Ergebnis sind u. a. rechtlich selbständige Tochtergesellschaften mit eigenen strategischen Zielen.

Der Entwicklung hin zur sektoralen Betrachtung steht die Tatsache gegenüber, dass der öffentliche Wegegrund verschiedene Infrastruktursysteme beherbergt. Häufig beeinflussen Eingriffe an einzelnen Gewerken auch andere Gewerke im dreidimensionalen Gesamtsystem „öffentlicher Wegegrund“. Hier zeigt sich die Notwendigkeit der sektorübergreifenden Koordination der technischen Infrastruktur.

Neben den technischen Einflüssen aus den verschiedenen Infrastrukturen gibt es noch Einwirkungen aus der Nutzung an der Oberfläche des Systems Straße. Hier gibt es Anforderungen durch z. B. den Schwerlast-, Auto-, Fahrrad- sowie Fußgängerverkehr. Der Anspruch aller Nutzer des öffentlichen Wegegrunds ist, dass mit dem geringstmöglichen negativen Einfluss auf die Mobilitätsqualität und gleichzeitig unter früher und umfassender Information der Öffentlichkeit Arbeiten an dem System ausgeführt werden. 

Bild 1: Der Straßenraum als dreidimensionales System mit seinen unterschiedlichen Komponenten und Akteuren (Hamburg Wasser) 

Diesem Umstand folgenden wird derzeit in der Baumaßnahmenkoordinierung in Hamburg ein kooperativer Ansatz verfolgt. Dieser Ansatz macht es dringend erforderlich, die verschiedenen Infrastrukturen im dreidimensionalen Raum der Straße mit ihren Bedarfen gemeinsam zu betrachten. Die bislang vorgenommene Differenzierung nach Unternehmen und Stadt ist nicht zielführend und nicht zeitgemäß. Sie vernachlässigt die Notwendigkeit der verkehrlichen Koordinierung. Bedarfe der verschiedenen Infrastrukturen müssen frühzeitig ins Verhältnis zueinander gesetzt werden. Dadurch ergeben sich u. U. andere Prioritäten für die jeweiligen Assets.

Bei über 4.000 Baumaßnahmen mit vielen unterschiedlichen verkehrlichen Phasen, die jährlich in einem dicht bebauten Gebiet wie der Stadt Hamburg geplant und koordiniert werden, führt dies zwangsläufig zu Konflikten, die oftmals erst viel zu spät erkannt werden. Mögliche Synergien werden ebenfalls häufig übersehen.

Auch in der Vergangenheit fand in Hamburg eine Form der Koordinierung statt. Hier wurden bereits IT-Verfahren zur Unterstützung eingesetzt. Verwendet wurden dazu eine webbasierte Kartenanwendung sowie Excel-Tabellen mit Gantt-Diagrammen. Eine regelmäßige Koordinierung mit anderen Baudienststellen in Hamburg fand mit nur kurzem Vorlauf im Rahmen der verkehrlichen Anordnung statt.

Eine wirkliche Koordinierung mit Entscheidungsspielraum für eine inhaltliche Veränderung der Baumaßnahme war dabei häufig unmöglich.

Die Baustellenkoordination lässt sich in folgenden zeitlichen Ablauf einteilen:

Langfristige Koordination mit dem Ziel, eine Grobkoordination vorzunehmen.

Mittelfristige Koordination mit dem Ziel, einzelne Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen aufeinander abzustimmen bzw. eine rollierende Mehrjahresplanung zu machen.

Kurzfristige Koordination der Baustellen, das heißt Erstellen des Realisierungsprogrammes unter Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen.

Die mittelfristige Koordinierung von Baumaßnahmen, also ca. zwei bis fünf Jahre vor ihrer Realisierung, verspricht eine deutliche Verbesserung. Insbesondere noch relativ unscharfe Bedarfe in der Zukunft sollen in die Koordinierung eingehen und ihr Zusammenspiel betrachtet werden. Nur dann können Konflikte erkannt und beseitigt sowie Synergien gehoben werden.

Dies funktioniert dann auch über die sektoralen Grenzen hinweg.

Schätzungen versprechen durch diese verbesserte Koordinierung jährliche Ersparnisse von bis zu 10 % der investiven Kosten über alle Baumaßnahmen in der Straßenbestandsfläche. Dies ist insbesondere auch für die Leitungsträger von erheblichem Interesse, die aufgrund ihrer Folgepflicht bei Straßenveränderungen hohe Abschreibungsraten in ihrer Infrastruktur verkraften müssen.

Basierend auf dem Verständnis für die verkehrlichen Belange und flankiert durch betriebs- und volkswirtschaftliche Potenziale können die verschiedenen Beteiligten eine Gesamtstrategie bzw. -planung entwickeln.

Der LSBG, als Koordinierungsstelle für Straßenbaumaßnahmen an Hauptverkehrsstraßen und Bundesautobahnen in Hamburg, nimmt hierbei eine wichtige Aufgabe wahr. Die Baumaßnahmen in Hamburg müssen so koordiniert werden, dass der Verkehrsfluss für die Verkehrsteilnehmer in Hamburg bei steigender Anzahl von Baumaßnahmen so wenig wie möglich belastet wird, wichtige Verkehrsknoten wie der Hafen oder Flughafen stets erreichbar sind, der Transport per Lkw wenig beeinträchtigt wird und die Komplexität der Koordinierung von Baumaßnahmen verständlicher und nachvollziehbarer für den Bürger dargestellt wird.

Das Softwaretool roads

Eine große Anzahl von Baumaßnahmen mittel- bis langfristig zu planen und dabei die Auswirkungen auf den Straßenverkehr zu berücksichtigen, ist eine beträchtliche Herausforderung. Um diese Ziele zu erreichen, hat der LSBG innerhalb von nur 15 Monaten in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Softwarehaus Work Place Solutions (WPS) das Baustellenmanagementsystem roads entwickelt und parallel die interne Organisation weiterentwickelt. roads (Roadwork Administration and Decision System) ist ein IT-basiertes Entscheidungsunterstützungssystem, das Koordinierung von Baumaßnahmen im Hamburger Raum ermöglicht. Insbesondere die organisationsübergreifende Koordinierung zwischen dem LSBG und Hamburger Leitungsträgern entwickelt dabei ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Baumaßnahmen der verschiedenen Organisationen, die die gleichen Abschnitte im Straßensystem betreffen, können schnell identifiziert und mögliche Szenarien der Zusammenlegung durchgespielt werden. Dadurch bekommt die langfristige Koordinierung von Baumaßnahmen, die zwei bis zu fünf Jahre in der Zukunft liegen, ein ganz neues Gewicht.

Mit roads steht nun eine Lösung zur Verfügung, die es den Projektleitern des LSBG im Zusammenspiel mit den Projektleitern anderer Bedarfs- und Realisierungsträger ermöglicht, übergreifend und vorausschauend Baumaßnahmen zu koordinieren. Das System bietet verschiedene Arbeitsplatztypen. Am Desk-Arbeitsplatz können die Bedarfe und Baumaßnahmen für einen deutlich längeren Planungshorizont als früher erfasst werden (z. T. 5 bis 10 Jahre). Insbesondere für die langfristigen Planungen können Bedarfe mit einem Minimum an Informationen und entsprechenden „Unschärfen“ eingegeben werden, sodass sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Koordinierung einfließen können. Mit tieferem Maßnahmenwissen werden die Daten immer exakter, die in roads vorgehalten werden. Entscheidend ist, dass die Bedarfe jederzeit für alle Beteiligten sichtbar sind und somit immer ins Verhältnis zueinander gesetzt werden können.

Es finden regelmäßige Koordinationsrunden am Table statt. Bei dieser organisationsübergreifenden Koordination werden Konflikte und Synergien identifiziert und Vorschläge für Lösungen entwickelt. Durch die wissenschaftlich fundierte Visualisierung, die auf der Mustererkennungsfähigkeit des menschlichen Auges beruht, und die leicht erlernbare Interaktion, die der Bedienung eines Smartphones ähnelt, können mit roads auf dem Touchtisch selbst komplexe Probleme im Team erkannt, diskutiert und gelöst werden. Die Arbeitsplatzsituation am Touchtisch ermöglicht die kooperative Bearbeitung „in der Runde, auf Augenhöhe und Auge in Auge“. Somit ist der Tisch kein Selbstzweck, sondern er ermöglicht den Ingenieuren einen frühen Austausch und am Ende ein hohes Maß an Verbindlichkeit. 

Bild 2: Koordinierungsrunden am roads-Tisch 

Damit die Lösungsvorschläge für Konflikte und Synergien über eine Koordinationssitzung hinaus Bestand haben, werden sie in roads als Szenarien verwaltet. Innerhalb eines Szenarios können Baumaßnahmen zeitlich verschoben werden, ohne dass ihr ursprünglich geplanter Zeitraum gelöscht wird. So können die Planspiele mit Was-wäre-wenn-Szenarien durchgespielt und verschiedene Lösungsszenarien zu einem Konflikt oder zum Heben von Synergien vorschlagen werden. 

Bild 3: Szenariendarstellung in roads 

Sind alle möglichen Lösungen identifiziert und als Szenarien gespeichert, dann können diese Szenarien jeweils bei den Beteiligten besprochen und abgestimmt werden. Schließlich kann das abgestimmte Szenario dann in den Planungsstand übernommen und die alternativen Szenarien verworfen werden.

In diesem Prozess der Lösungsfindung werden die Beteiligten auch dabei unterstützt, indirekte Abhängigkeiten zwischen Baumaßnahmen, wie Umleitungen oder das Freihalten von Zufahrt zu wichtigen Verkehrsknotenpunkten, im Blick zu behalten.

Umleitungen werden direkt bei den geplanten Baumaßnahmen erfasst, andere indirekte Abhängigkeiten können als Regeln hinterlegt werden. Werden bei der Koordinierung Baumaßnahmen auf Umleitungsstrecken gelegt oder Regeln verletzt, so wird das entsprechend angezeigt. 

Zusammenfassung

Der öffentliche Straßenraum Hamburgs wird, neben der eigentlichen verkehrlichen Nutzung, sowohl durch Baumaßnahmen als auch Veranstaltungen u. Ä. genutzt und eingeschränkt. Alleine durch die jährlich steigende Anzahl an Baumaßnahmen wird eine Steigerung der Effizienz bei der zeitlichen und räumlichen Koordinierung zwischen den verschiedenen Straßenbaulastträgern und weiteren Maßnahmenträgern im öffentlichen Verkehrsraum zwingend notwendig. Weitere Maßnahmenträger sind die Eigentümer der Ver- und Entsorgungsleitungen und sonstige Bauträger (wie z. B. Bauherren von privaten Erschließungen, Deutsche Bahn, Hochbahn etc.). Vorausschauend in der Entwurfsplanung sind verkehrliche Belange zu berücksichtigen, damit im Abstimmungsprozess der verschiedenen Projektplanungen, die in Bauprogramme münden, nicht nur technische Erfordernisse, sondern auch gesamtwirtschaftliche Belange Berücksichtigung finden. Eine hohe Priorität erhält dabei die verkehrliche Verfügbarkeit des übergeordneten Straßennetzes für den Verkehr.

Um bei der Koordinierung spürbare Fortschritte machen zu können, muss ein integrierter Ansatz mit einer rollierenden Langfristplanung unter Verwendung von Alternativszenarien verfolgt werden. Nur so kann eine Optimierung in Hinblick auf Verkehrsfluss, Kosten und anderen Faktoren wie z. B. Umweltbelange erzielt werden.

Zu diesem Zweck hat der LSBG die Software roads (Roadwork Administration and Decision System) entwickelt. roads ermöglicht die Koordinierung von Baumaßnahmen zu einem früheren Zeitpunkt als bislang. Roads fasst die an verschiedenen Stellen vorhandenen relevanten Informationen übersichtlich zusammen. Die Darstellung erfolgt mit modernsten georeferenzierten Techniken auf einer digitalen Karte unter Nutzung der menschlichen Mustererkennungsfähigkeiten.

Durch die intelligente Darstellung der Baumaßnahmen, das intuitive Bedienkonzept und die Möglichkeit, als Gruppe am Multi-Touchtisch zusammenzuarbeiten, können Konflikte oder Synergien zwischen Baumaßnahmen einfach erkannt und durch Multitouch-Gesten Lösungsszenarien erarbeitet werden.

Neben dem LSBG nutzen auch andere Beteiligte das System (z. B. die Hamburger Bezirke und Leitungsträger). Zusammen mit der erforderlichen Umstellung der Prozesse können so organisationsübergreifende Bauprogramme mit mittelfristigem Vorlauf erstellt und abgeglichen werden.