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1 Einleitung
Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) haben eine große Bedeutung an Bundesfernstraßen für die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf. Vor dem Hintergrund neuer Technologien in der Datenerfassung und der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation stellen sich Straßenbetreiber die Frage nach Optimierungspotentialen in den Steuerungsalgorithmen, um Staustunden weiter zu reduzieren und (Folge-)Unfällen noch besser vorzubeugen.
Die Eingangsdaten der lokalen Sensoren einer SBA ermöglichen die Abbildung einer Vielzahl von Verkehrssituationen. Die Steuerungsalgorithmen in den Unterzentralen leiten hieraus Maßnahmen ab, welche auf die lokalen Anzeigequerschnitte übertragen werden. Neben Warnungen umfassen die Maßnahmen einer SBA die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, Lkw-Überholverbote und Fahrstreifensperrungen je nach Verkehrssituation. Im Weiteren liegt der Fokus auf der Harmonisierungsaufgabe einer SBA mittels dynamischer Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Dabei wird der Verkehr mit SBA indirekt beeinflusst, das heißt über die Verkehrsteilnehmer und deren Bereitschaft zur Umsetzung von verkehrsrechtlichen Anordnungen. Die Bereitschaft der Verkehrsteilnehmer mitzuwirken wird als „Befolgung“ definiert. Die Befolgung von verkehrsrechtlichen Anordnungen einer SBA gilt als entscheidend für die Wirksamkeit der Maßnahmen. Der empirische Nachweis der Wirkung erfordert für einen plausiblen Vergleich im Idealfall konstante Einflussfaktoren wie Umfeld- und Verkehrsbedingungen, um den Einfluss von SBA auf den Verkehrsablauf zu identifizieren (vgl. [1]). Da derartige ideale Randbedingungen nur äußerst schwer zu erreichen sind, werden meist vereinfachte Bedingungen angenommen oder Simulationen eingesetzt.
Die Wirksamkeitsanalyse der SBA-Algorithmen erfordert auch die Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel von Maßnahmen, Befolgung und Wirksamkeit: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dynamischen Geschwindigkeitsbeschränkungen und den zeitlich-räumlich unmittelbaren Wirkungen auf den Verkehrsablauf in Abhängigkeit vom Befolgungsverhalten? Welchen Einfluss hierauf haben unterschiedliche Konfigurationen einer SBA? Um die verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten, die das Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen (MARZ) [2] in Hinblick auf die Umsetzung der SBA-Algorithmen variabel lässt, zu bewerten, bietet sich eine Simulation an. Dies betrifft zum Beispiel die Lage der Detektoren, die Abstände der Anzeigequerschnitte und die Wahl von Parametern.
Untersucht wird nachfolgend die bislang weder praktisch noch theoretisch beantwortete Frage, wie sich eine Halbierung des Abstands zwischen zwei Anzeigequerschnitten (AQ) im Verkehrsablauf auswirken würde. Kleinere Abstände zwischen den AQ werden in Fachkreisen mit einem besseren Befolgungsverhalten in Verbindung gebracht. Ein Simulationsmodell kann unterschiedliches Befolgungsverhalten im Sinne einer Eingangsgröße abbilden. Auf dieser Grundlage soll im Modell abgeschätzt werden, ob aus der Verkürzung der AQ-Abstände eine erhebliche Verbesserung der Harmonisierungswirkung einer SBA folgt.
2 Agentenbasierte Simulation der SBA
2.1 Herausforderung in der Simulation von SBA (Stand der Technik)
Die Simulation von SBA ist mit einigen Herausforderungen verbunden, insbesondere dann, wenn die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Verkehrslage, SBA-Steuerung und Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer mikroskopisch abgebildet werden müssen. Hierfür müssen Fahrprozesse, Befolgungsregeln und die Steuerungsverfahren einer SBA vereinfacht in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden.
Die Abbildung der SBA-Schaltlogik erfolgt meist mit den Mitteln der Simulationssoftware in einer unmittelbaren Wunschgeschwindigkeitsverteilung. Dabei werden die Funktionen der SBA oft stark vereinfacht umgesetzt, z.B. hinsichtlich der zeitlichen Aggregation der Datenverarbeitung oder der Schaltbildermittlungslogik. [3] Alternativ können die in gängigen Simulationssoftwareprodukten verfügbaren Schnittstellen genutzt werden, so dass die SBA-Schaltlogik in einer externen Programmumgebung abgebildet werden kann. Im Rahmen einer bis Anfang 2021 laufenden Forschungsaktivität erfolgt daher die unmittelbare softwaretechnische Verknüpfung einer MARZ-Unterzentrale mit der Simulationssoftware AIMSUN, um die SBA-Schaltlogik umfassend abbilden zu können. [4]
Die größere Herausforderung stellt das Nachbilden des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer in der Mikrosimulation dar, denn die Reaktionen von Verkehrsteilnehmern auf die Anordnungen der SBA sind zu keiner Zeit und an keinem Ort gleich oder von außen vorhersehbar. Eine Möglichkeit hierfür ist, Verhaltensweisen aus empirischen Daten abzuleiten (vgl. [4] und [5]). Hier gilt es zu beachten, dass
- die Maßnahmen (Schaltzustände für Geschwindigkeitsbeschränkungen, Fahrstreifensignalisierung, Überholverbote und Warnungen) in zahlreichen Kombinationen möglich sind. Einige Kombinationen treten dabei sehr selten ein. Änderungen sind innerhalb kurzer Zeitintervalle möglich.
- die komplexe Logik der SBA-Schaltlogik begründet, dass verschiedene Umstände, ein und denselben Anzeigezustand erfordern. Hinzu kommt der Einfluss des Längsabgleichs, welcher einen Geschwindigkeitstrichter anfordert, ohne dass sich diese Geschwindigkeitsbeschränkung unmittelbar am Anzeigequerschnitt in den Verkehrsdaten ablesen lässt.
- das Verhalten der Verkehrsteilnehmer nicht nur durch die Anzeigezustände der SBA, sondern auch durch die Verkehrslage, ganz besonders auch durch die Verhaltensweisen der unmittelbar umgebenden Verkehrsteilnehmer, und andere Einflüsse wie Streckencharakteristik und Witterung beeinflusst wird.
Die wesentliche Herausforderung besteht also darin, zum einen die unterschiedlichen Wirkeinflüsse in einem Modell abzubilden und dieses auf Grundlage der verfügbaren lokalen Verkehrsdaten, der Anzeigezustände sowie der Wetter- und Umfelddaten zu kalibrieren.
Die wesentliche Herausforderung besteht also darin, zum einen die unterschiedlichen Wirkeinflüsse in einem Modell abzubilden und dieses auf Grundlage der verfügbaren lokalen Verkehrsdaten, der Anzeigezustände sowie der Wetter- und Umfelddaten zu kalibrieren.
Alternativ könnten Verhaltensweisen auf Basis von Befragungen ermittelt werden (vgl. [6]). Hier interessieren besonders die Gründe von Missachtungen der verkehrsrechtlichen Anordnungen im situativen Kontext. Die Literaturauswertung hierzu ergab jedoch keinen Hinweis, ob ein hierauf aufbauendes hinreichend genaues Befolgungsmodell für dynamische Geschwindigkeitsbeschränkungen einer SBA bereits entwickelt wurde.
Hinsichtlich der möglichen Nutzung von Befragungsergebnissen zur Modellierung des Fahrerverhaltens diskutiert eine portugiesische Studie die Eignung gängiger Simulationstools zur Mikrosimulation von Telematik. Darin heißt es, dass Multi-Agenten-Systeme das Zusammenwirken von zahlreichen heterogenen Einheiten sehr genau simulieren können [7]. Da zum Projektstart zwei laufende Forschungsaktivitäten (vgl. [4] und [5]) zur mikroskopischen Simulation von SBA noch nicht abgeschlossen waren, bot es sich für die einleitend beschriebene Aufgabenstellung an, den agentenbasierten Simulationsansatz zu verfolgen. Wie sich zeigen wird, bietet die agentenbasierte Simulation die Möglichkeit, Verhaltensweisen einzelner Verkehrsteilnehmer situativ und individuell – also auch in Anlehnung an Befragungen – beschreiben zu können.
2.2 Agentebasierte Simulation (NetLogo)
Die agentenbasierte Simulation zeichnet sich speziell darin aus, die Interaktionen zwischen heterogenen Individuen situativ abzubilden, und ermöglicht, die resultierende Wirkung auf ein Gesamtsystem zu bewerten. Die Grundidee dabei ist, dass komplexe Systeme das Ergebnis des Handelns vieler autonomer Einheiten sind. Diese Einheiten selbst haben wiederum nur eine begrenzte Wahrnehmung und verfügen über bestimmte individuelle Handlungsmöglichkeiten. Dies ist besonders dann von Vorteil, wenn komplexe dynamische Interaktionen nicht vollständig durch mathematische Funktionen abgebildet werden können. [8]
Im Gegensatz zur traditionellen diskreten Ereignissimulation, bei der Fahrzeuge eine bestimmte Handlungssequenz aus einer „Top-Down“-Systemperspektive durchführen, ermöglicht die agentenbasierte Simulation einen „Bottom-up“-Ansatz. Dabei werden individuelle Verhaltensregeln, die situativ variieren können, den Fahrzeugen zugeordnet, so dass sich das Systemverhalten allein daraus ableitet. Agentenbasierte Simulation zur Abbildung menschlichen Verhaltens hat sich nicht nur in medizinischen und ökonomischen Bereichen seit Jahren bewährt, sondern wird zum Beispiel in MATSim zur Modellierung von Wegentscheidungen in großen Verkehrsnetzten genutzt. [8]
Da der agentenbasierte Ansatz eine sehr umfassende Modellierung von Individuen erlaubt, bietet die gewählte Vorgehensweise einen wesentlichen Vorteil: Die Abbildung des vermuteten mikroskopischen Verhalten der Agenten erlaubt es, die aus SBA-Schaltungen resultierenden Verkehrskenngrößen auf makroskopischer Ebene zu bewerten. Um die geplanten Bewertungs- und Entwicklungsmöglichkeiten flexibel im Projektverlauf entwickeln und anpassen zu können, wurde eine eigene Simulationsanwendung basierend auf NetLogo erstellt. NetLogo wurde am Northwestern University's Center for Connected Learning and Computer-Based Modeling, Evanston, Illinois, entwickelt. Es handelt sich um eine kostenfreie, programmierbare Modellierungsumgebung für agentenbasierte Simulationen (open source, GPL (GNU General Public License), Version 2). Zum Einsatz kommt die Programmier-sprache Logo. Die Simulationsumgebung kann mit Hilfe von Standardfunktionen, eigenen Funktionen und Grafiken sowie variablen Raum-Zeit-Dimensionen auf die jeweilige Aufgabenstellung angepasst werden. [9]
NetLogo-Modelle bestehen aus beweglichen und unbeweglichen Einheiten. Unbewegliche Einheiten (bezeichnet als „patch“) charakterisieren den Raum, in dem sich die beweglichen Einheiten, die „Agenten“, bewegen können. Modellierer können tausenden von Agenten Anweisungen erteilen, die alle unabhängig voneinander agieren. Dies ermöglicht es, die Verbindung zwischen dem Verhalten auf der Mikroebene von Individuen und den Wirkungen auf der Makroebene, die aus ihrer Interaktion hervorgehen, zu untersuchen. [9] Damit ist eine wichtige Voraussetzung erfüllt, dass die Wechselwirkung von individuellem Verhalten und dem Einfluss der SBA abgebildet werden kann.
Das entwickelte NetLogo-Modell besteht aus vier Teilmodellen: ein vereinfachtes Streckenmodell (Kapitel 2.3), ein mikroskopisches Verkehrsmodell (Kapitel 2.4), ein Verhaltensmodell zur Abbildung der Verhaltensweisen im Beeinflussungsbereich von SBA (Kapitel 2.5) und ein Modell zur Abbildung der SBA-Harmonisierungsalgorithmen (Kapitel 2.6).
2.3 Aufbau eines einfachen Streckenmodells
Bild 1 veranschaulicht das zu Grunde gelegte Streckenmodell. Die modellierte Strecke besteht aus zwei Fahrstreifen ohne Ein- und Ausfahrten in einer Fahrtrichtung. Die Strecke repräsentiert einen zehn Kilometer langen Autobahnstreckenabschnitt. Einige patches werden als Anzeigequerschnitte (AQ), andere als Detektoren definiert. Für die hier vorliegende Aufgabenstellung wurden Agenten der Fahrzeugtypen Lkw und Pkw definiert, wobei Pkw hinsichtlich eines normalen, defensiven und aggressiven Fahrstils unterschieden wurden. Dies bewirkt unterschiedliche Eigenschaften beispielsweise in Bezug auf die Parameter, z.B. potentielle Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit, als auch Verhaltensregeln.
Bild 1: Streckenmodell für die Einbettung in NetLogo im Szenario großer AQ-Abstände
2.4 Integration des "Intelligent Driver Modell"
Die Agenten, die Fahrzeuge repräsentieren, benötigen eine Beschreibung, mit welcher Geschwindigkeit sie sich auf der definierten Strecke bewegen sollen. Hierfür wurde basierend auf Untersuchungen von [10] das „Intelligent Driver Modell“ in NetLogo implementiert. Es handelt sich dabei um ein aus Fahrstrategien hergeleitetes Fahrzeugfolgemodell, welches in detailliert [11] beschrieben ist. Das Modell zeichnet sich dadurch aus, dass es ein „einfaches, vollständige[s] und unfallfreie[s] Modell [ist], welches in allen Verkehrssituationen realistische Beschleunigungswerte und ein zumindest plausibles Beschleunigungsverhalten modelliert“ [11]. Die Modelleigenschaften werden in der Beschleunigungsgleichung (Gleichung 1, gemäß [11]) beschrieben:
Formel siehe PDF
Damit ... (Beschreibung siehe PDF)
Formel siehe PDF
Erste Simulationsdurchläufe zeigten ein Fahrverhalten, welches vergleichbar ist mit Abstandsreglertempomaten (Adaptiv Cruise Control) ausgestatteten Fahrzeugen. Daher wurden die Eigenschaften von Agenten gemäß der Empfehlungen nach [11] zusätzlich mit Zufallsfaktoren variiert und zufällige, typenabhängige Verhaltensvariationen, zum Beispiel bei der Bestimmung der Abstände zum Vorderfahrzeug, in die Funktionen integriert.
2.5 Entwicklung eines Befolgungsmodells
Die durch eine SBA-Steuerung hervorzurufende Verhaltensänderung („Befolgung“) ist eine zwingende Voraussetzung für ihre Wirksamkeit. Im Intelligent Driver Modell wird das Verhalten der Agenten indirekt dahingehend abgebildet, dass es der Bestimmung der individuellen Wunschgeschwindigkeit v0 der Agenten dient. Dies ist keine real messbare Größe. In [4] und [5] wird die von Höchstgeschwindigkeiten beeinflusste Wunschgeschwindigkeit auf der Grundlage empirischer Daten abgeleitet. Diese Daten unterliegen jedoch den Wechselwirkungen und resultierenden Wirkungen der zu Grunde liegenden SBA-Schaltung, so dass die Ableitung kausaler Zusammenhänge eingeschränkt ist.
Um dem geplanten Projektziel, der Weiterentwicklung der SBA-Algorithmen, Rechnung zu tragen, sollte in NetLogo daher ein situatives, regelbasiertes Befolgungsmodell zum Einsatz kommen, welches ausgehend von der erlebten Situation des Agenten eine Anpassung der Wunschgeschwindigkeit ableitet. Um diese Verhaltensänderung in NetLogo zu modellieren wurde eine Befragung zum Verhalten im Zusammenhang mit präventiven Schaltungen herangezogen (vgl. [6]). Diese Befragung sollte seinerzeit Hintergründe und Motivationen zur Missachtung von verkehrsabhängigen Höchstgeschwindigkeiten ermitteln. Dabei wurden unter anderem nachfolgende Erkenntnisse abgeleitet, die in Bild 2 zusammengefasst werden:
- 84% der Befragten haben den AQ wahrgenommen, 16% sind sich des (aktiven) AQ nicht mehr bewusst.
- Von den Befragten, die den AQ überhaupt wahrgenommen haben, können sich wiederum 17% an die Inhalte nicht korrekt erinnern.
- Etwa 62% derer, die sich die Inhalte korrekt gemerkt haben, sind bereit ihr Verhalten zu verändern. 38 % waren hierzu nicht bereit.
Bild 2: Befragungsergebnisse zum Verhalten im Einflussbereich von SBA basierend auf [6]
Die erfragten Verhaltensweisen können mit Hilfe der agentenbasierten Simulation in Handlungsanweisungen überführt werden. So wurde beispielsweise eine mangelndeWahrnehmung der SBA oder eine gewisse Trägheit in der Anpassung der Wunschgeschwindigkeit durch den Zeitpunkt des Aufrufs der Funktion zur Bestimmung der Wunschgeschwindigkeit abgebildet: Der Zeitpunkt des Aufrufs ist für jeden Agenten individuell und zeitabhängig parametriert. Um Verkehrsteilnehmer abzubilden, die einzelne AQ nicht wahrnehmen, rufen 15 % der Agenten diese Funktion nur alle drei Minuten auf. 85 % der Agenten sind hingegen mit Werten zwischen 15 bis 60 Sekunden parametriert.
Neben dem zeitlich individuellen Aufruf der Funktion zur Bestimmung der Wunschgeschwindigkeit werden hier weitere beim Simulationsbeginn für die Agenten festgelegte Eigenschaften ausgewertet. Dies ist zunächst die „Höhe der potentiellen Missachtung von angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen [km/h]“. Liegt eine Geschwindigkeitsbeschränkung vor, wird nach Aufruf der Funktion die Wunschgeschwindigkeit aus der Summe von „zulässiger Höchstgeschwindigkeit“ und „Höhe der potentiellen Missachtung von angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen [km/h]“ gebildet. Dabei erfolgt ein Zuschlag auf die Wunschgeschwindigkeit nach 750 Metern Entfernung zum letzten AQ, um eine mögliche Missachtung wegabhängig zu berücksichtigen („vergessen“).
Abschließend wird die Beeinflussbarkeit durch Vorausfahrende abgebildet. Hierzu unter-scheiden sich Agenten in der Eigenschaft „Beeinflussbarkeit durch Vorausfahrende [niedrig, mittel, hoch]“. Ist diese gering, bleibt die bis dahin ermittelte Wunschgeschwindigkeit unverändert. Je höher die Beeinflussbarkeit ist, desto stärker geht in eine Mittelwertbildung die Wunschgeschwindigkeit des vorausfahrenden und des nachfolgenden Fahrzeugs ein. Haben diese ihre Wunschgeschwindigkeit bereits angepasst, wirkt dies genauso beeinflussend auf den Agenten, wie im umgekehrten Fall.
Erste Simulationen zeigten im Abgleich mit empirischen Daten Abweichungen stromabwärts von Störungen. Hier zeichneten sich empirische Geschwindigkeitsdaten durch ein deutlich zügigeres Beschleunigungsverhalten aus. Daher wurde das Befolgungsmodell abschließend erweitert: Das ursprüngliche auf Befragungen basierende Befolgungsmodell gilt nun nur noch stromaufwärts einer Störung. Sobald Agenten eine Verdichtung durchfahren haben und die Fahrzeugabstände deutlich zunehmen, wechselt das Befolgungsmodell. Stromabwärts der Verdichtung gilt nun eine in Abhängigkeit der gültigen Höchstgeschwindigkeit individuell definierte Wunschgeschwindigkeit, welches ein realistischeres Beschleunigungsverhalten hervorruft.
2.6 Modell zur Abbildung der SBA-Harmonisierungsalgorithmen
Das Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen (MARZ) [2] beschreibt die technischen Aspekte einer SBA. Sie basiert auf einer lokalen Verkehrslageerfassung in der Regel durch Detektoren mit Induktivschleifen. Diese erfassen pro Minute die lokale mittlere Geschwindigkeit V und die Verkehrsstärke Q getrennt nach Pkw und Lkw. Davon abgeleitet wird die lokale Verkehrsdichte D. In Kombination ergeben sich Verkehrszustände, die eine unterschiedlich starke Harmonisierung des Verkehrs erfordern.
Tabelle 1: Harmonisierungsschaltung nach MARZ [2] für 2 Richtungsfahrstreifen
Tabelle 1 fasst die Einschaltbedingungen anhand der drei Kenngrößen zusammen. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 Kilometer pro Stunde würde demnach aktiviert, wenn die stündliche Verkehrsstärke über 3600 Fahrzeuge pro Stunde auf zwei Fahrstreifen beträgt oder wenn die gemessene lokale Geschwindigkeit unter 90 Kilometer pro Stunde absinkt und zusätzlich die richtungsbezogene Verkehrsdichte 35 Fahrzeuge pro Kilometer übersteigt. Analoge Festlegungen enthält das MARZ [2] für die Ausschaltbedingungen. Der Längsabgleich mit benachbarten Anzeigequerschnitten zur Stautrichterung und Glättung von Geschwindigkeitssprüngen erfolgt im hier genutzten NetLogo-Modell ebenfalls nach MARZ [2].
Für die angestrebten Erkenntnisse zur harmonisierenden Wirkung von SBA in Abhängigkeit der AQ-Abstände wurden die Algorithmen nach Anlage A5.1.2 des MARZ [2] in die NetLogo-Simulation eingearbeitet. Da mit dem NetLogo-Modell keine bestehende SBA-Strecke nachgebildet wurde, wurden die Ein- und Ausschaltschwellwerte aus dem MARZ [2] übernommen. Die Berechnung erfolgt für das Szenario der großen Abstände basierend auf sieben bzw. im Fall verkürzter Abstände mit 13 ausgewählten Detektoren (patches), welche je einem AQ zugeordnet sind. Das MARZ [2] lässt die konkrete Lage der Detektoren und die Zuordnung zu den AQ offen, so dass die Praxis durch verschiedene Ausführungen charakterisiert ist. Im Paper dargestellt ist die Variante mit einem um einen Anzeigequerschnitt stromabwärts versetzten Messquerschnittquerschnitt. Konkret bedeutet das im Szenario großer AQ-Abstände, dass der zugehörige Messquerschnitt 1500 Meter stromabwärts des AQ angeordnet ist, und im Fall kleiner AQ-Abstände 750 Meter stromabwärts.
3 Simulationsszenarien und Ergebnisse
3.1 Simulationsszenarien
Die in Kapitel 2 beschriebenen Teilmodelle bilden zusammen das agentenbasiertes Simulationsmodell einer theoretischen SBA. Dieses soll nun genutzt werden, um die Auswirkung unterschiedlicher AQ-Abstände auf die Harmonisierungswirkung zu ermitteln. Bild 3 zeigt einen Ausschnitt der hierfür erstellten NetLogo-Entwicklungsumgebung.
Bild 3: Netlogo-Modell zur Simulation von SBA (Stand 01.11.2019)
Die nachfolgenden Auswertungen beziehen sich auf zwei Szenarien. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der AQ-Abstände: Es erfolgt der Vergleich zwischen verkürzten Abständen (13 Anzeigequerschnitte je alle 750 Meter, Szenario 1) mit großen Abständen der Anzeigequerschnitte (7 Anzeigequerschnitte je alle 1500 Meter, Szenario 2) für ein Fahrerkollektiv.
Dieses Fahrerkollektiv besteht aus 15 Lkw, 95 defensiven, 250 normalen und 55 aggressiven Pkw-Fahrern. Hieraus ergibt sich eine über die Simulationsdauer konstante mittlere Dichte von 20 Fahrzeugen pro Kilometer, die an der Stabilitätsgrenze liegt. Am Anfang jeder Simulation wird die eingestellte Anzahl Agenten zufällig auf der Strecke platziert. Erreichen sie das Ende der Strecke werden sie gelöscht und die gleiche Anzahl mit gegebenenfalls variierenden Eigenschaften und in veränderter Reihenfolge zu Beginn der Strecke platziert. Beide Szenarien sind im hinteren Drittel der Strecke durch eine Verdichtung von etwa 35 bis 40 Fahrzeugen pro Kilometer zu Beginn charakterisiert. Die Dichte in den angrenzenden Streckenabschnitten liegt bei 10 bis 15 Fahrzeugen pro Kilometer.
Da die Anzahl der Agenten über die Dauer der Simulation konstant bleibt, kann die räumlich-zeitliche Entwicklung der anfänglichen Störung (Verdichtung) beobachtet werden ohne den Einfluss einer zunehmenden oder abnehmenden Gesamtnachfrage. Dies ist im Sinne der Aufgabenstellung hilfreich, da die unmittelbare Wirkung von Steuerungsverfahren, die ohnehin nur bei Erreichen eines definierten (kritischen) Zustands reagieren sollen, auf definierte Situationen bewertet werden kann.
3.2 Bewertungsmethodik hinsichtlich der verkehrlichen Wirkung
Zur Wirksamkeitsermittlung stellt sich die Frage, in welchem Indikator Unterschiede auf Grund unterschiedlicher AQ-Abstände zu erwarten sind. Auf der Basis bisheriger empirischer Untersuchungen zur Harmonisierungswirkung von SBA ist festzustellen, dass „[bislang] keine einheitlich anerkannte Größe existiert, welche die Harmonisierung des Verkehrs beschreibt“ [12]. Als gängige Wirksamkeitskenngrößen einer „lokalen Verkehrsharmonisierung“ von SBA gelten beispielsweise die lokalen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen benachbarten Fahrstreifen, Zeitlücken oder Geschwindigkeits- sowie Verkehrsstärkedifferenzen aufeinanderfolgender Zeitintervalle (vgl. [12]).
Auffallend ist, dass in der Literatur beschriebene Wirksamkeitskenngrößen zwar zeitbasiert sind aber nicht unterschieden wird, ob die Daten eine Situation kurz vor dem Eintreten, während oder nach Auflösung einer Störung charakterisieren. Um den Einfluss unterschiedlicher AQ-Abstände zu beurteilen, scheint eine rein punktuelle Betrachtung zudem nicht angebracht, um dies im Kontext der Situation zu beurteilen. Hierfür ist es erforderlich, streckenbezogene momentane Kenngrößen, wie die Verkehrsdichte, für die Wirksamkeitsermittlung in Betracht zu ziehen. Dabei kann unterschieden werden, ob ein AQ-Standort stromaufwärts, innerhalb oder stromabwärts des verdichteten Bereichs liegt.
Da eine SBA mit Hilfe von unterschiedlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen Einfluss nimmt und somit zwangsläufig unterschiedliche Geschwindigkeiten über den Beeinflussungsraum zur Zielerreichung erfordert, erscheint es sinnvoll, die hieraus resultierende Dichte entlang der Strecke im Sinne einer Ausgangsgröße zu betrachten. Diese kann als Dichteverlaufsfunktion D(x) über den Weg x beschrieben und mathematisch analysiert werden. Die Änderung der maximalen und minimalen Dichte, Veränderungen in der Steigung als auch die Häufigkeit der Steigungsänderung lassen sich mit der ersten und zweiten Ableitung beschreiben. Im Fall gleichbleibender Nachfrage können auch Mittelwerte und Standardabweichungen verglichen werden. Werden mehrere Zeitpunkte in Folge betrachtet, ergibt sich ein Bild hinsichtlich der räumlich-zeitlichen Auswirkungen der SBA-Maßnahmen je Szenario.
3.3 Vergleich der verkehrlichen Wirkung in den Szenarien
Um einen ersten Eindruck über die Entwicklung der Verkehrsdichte im Strecken- und Zeitverlauf der Simulation zu erhalten, wird für beide Szenarien ein Zeit-Weg-Diagramm der Verkehrsdichte in NetLogo erstellt. Die Farbkategorien basieren auf den Festlegungen in Tabelle 2. Die Einteilung der Dichteklassen geschah in Anlehnung an [13] unter Beachtung der unterschiedlichen Bezugsstrecken. Es hebt sich die etwa zwei Kilometer lange Verdichtung zu Beginn der Simulation im hinteren Streckenbereich mit einer hohen Dichte ab. Dieser verdichtete Bereich bewegt sich stromaufwärts. Auf der x-Achse des Zeit-Weg-Diagramms entspricht eine Rastereinheit der Zeit von einer Minute. Auf der y-Achse veranschaulicht eine Rastereinheit eine Strecke von 1,5 Kilometer bzw. die Lage der Anzeigequerschnitte im Szenario 2. Die numerische Beschriftung der Achsen ist in NetLogo in der Bildausgabe nicht vorgesehen – die Bilder dienen hier nur der visuellen Ersteinschätzung. Die zugrunde liegenden Daten werden weiter ausgewertet.
Da die Dichte eine Kenngröße mit einem räumlichen Bezug ist, beeinflusst die Wahl des räumlichen Bezugsraums die Aussagegenauigkeit. Ist der Bezugsbereich sehr groß, würde die Dichte lokal unterschätzt. Umgekehrt würde die Dichte bei einem sehr kleinen Bezugsbereich überschätzt. Im Simulationsmodell ist die momentane Dichte definiert als „Anzahl aller Fahrzeuge in einem Radius von 250 Metern vor und nach dem Querschnitt (patch) auf beiden Fahrstreifen“. Somit ergibt sich eine Dichte von X Fahrzeugen pro einem Fahrstreifen-Kilometer. Die Berechnung der Dichte erfolgt alle 15 Sekunden für jedes „patch. Diese Definition im Modell hat den Vorteil, dass tatsächliche Dichtespitzen im gesamten Streckenverlauf gut lokalisiert, Sprünge vermieden werden und sehr kleine verdichtete Bereiche nicht überbewertet werden.
Tabelle 2: Farbgebung Zeit-Weg-Diagramm Verkehrsdichte (in Anlehnung an [13])
Bild 4: Verkehrsdichte Szenario 1 mit kurzen AQ-Abständen (750 Meter), Farbgebung Tab. 2
Bild 5: Verkehrsdichte Szenario 2 mit langen AQ-Abständen (1500 Meter), Farbgebung Tab. 2
Bild 6: Einfluss der Höchstgeschwindigkeit auf den Geschwindigkeitsverlauf
Es zeigen sich unterschiedliche Wirkungen der SBA für die unterschiedlichen Entfernungen der Anzeigequerschnitte im Vergleich von Bild 4 und Bild 5. Im Szenario kurzer AQ-Abstände (Bild 4) sinkt die maximale Dichte von ursprünglich 39 Fzg/km in 8 Minuten nur wenig auf den Maximalwert von 37 Fzg/km. Erst nach 11 Minuten wird in diesem Szenario ein Absinken der maximalen Dichte auf 27 Fzg/km erreicht. Dabei verändert sich die Standardabweichung der Dichte von ursprünglich 10 Fzg/km auf 3 Fzg/km nach 10 Minuten. Im Szenario der längeren AQ-Abstände (Bild 5) sinkt die maximale Dichte von 43 Fzg/km auf 28 Fzg/km nach 8 Minuten. In dieser Zeit sinkt die Standardabweichung der Dichte von 11 Fzg/km auf 3 Fzg/km. In beiden Szenarien bleibt die Standardabweichung nach der Stauauflösung anschließend auf dem Niveau von 3 Fzg/km.
Um die zügigere Stauauflösung trotz großer AQ-Abstände zu erklären, ist in Bild 6 der Einfluss der an den Anzeigequerschnitten geschalteten Höchstgeschwindigkeit auf die mittlere Geschwindigkeit der Fahrzeuge dargestellt. Dabei stellt die schwarz gestrichelte Linie die Ausgangsgeschwindigkeit dar. Diese ist der Übersichtlichkeit halber aus Szenario 1 übernommen, da die Ausgangslage in allen Szenarien ähnlich ist. Etwa bis Kilometer 5,5 nähern sich die Verkehrsteilnehmer zu Beginn der Simulation mit ca. 100 km/h dem Stauende. Bei Kilometer 6 ist die Geschwindigkeit auf ca. 30 km/h abgesunken und steigt nach der Staudurchfahrt zügig auf etwa 90 km/h an. Nach der ersten Simulationsminute werden die vom MARZ-Algorithmus erfassten Daten zur Verkehrsstärke, Dichte und mittlerer Geschwindigkeit vom nächsten stromabwärtigen Messquerschnitt erhoben und an den Anzeigequerschnitten aktualisiert.
In beiden Fällen ergibt sich, wie in Bild 6 dargestellt, die Stauendeabsicherung nach der ersten Minute mit einer angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h und ein Geschwindigkeitstrichter über die nächste 3 Anzeigequerschnitte mit 80 – 100 – 120km/h Höchstgeschwindigkeit. Auf Grund der kurzen AQ-Abstände ergibt sich in Szenario 1 eine wesentlich kürzere Trichterlänge. In diesem Szenario unterschreitet die nun angeordnete Höchstgeschwindigkeit im Trichter nur an zwei Anzeigequerschnitten die aktuelle Geschwindigkeit und führt hier zu einem Absinken der mittleren Geschwindigkeit in Minute 2. Im Ergebnis nähern sich nun ab Kilometer 4,5 die Fahrzeuge mit einer deutlich geringeren Verzögerung dem Stauende. Im Szenario 2 zeigt der Trichter auf einer wesentlich längeren Strecke eine Wirkung und führt zu einer erheblichen Reduktion der Verzögerung auf den letzten 2 Kilometern vor dem Stauende. Neben diesem Vorteil zeigt der unruhige Geschwindigkeitsverlauf im zweiten Szenario den unerwünschten Effekt des „Vergessens“ in der Befolgung deutlich, da etwa nach 750 Metern Entfernung ein Ansteigen der Geschwindigkeit beobachtet werden kann.
Die Länge des wirksamen Geschwindigkeitstrichters führt zu einem Anstieg der Dichte in Teilen des Geschwindigkeitstrichters. Dies ist in Bild 5 als verdichteter Bereich im Zufluss der Störung zu erkennen. Die erzielte Verdichtung wirkt sich wiederum durch ein weiteres Absinken der Geschwindigkeit auch auf die zufließende Verkehrsstärke aus. Bild 7 zeigt ein Sinken der Verkehrsstärke unmittelbar vor der Störung. Die Minderung der Verkehrsstärke wirkt sich positiv auf die Stauauflösung aus, da die Anzahl zufließender Fahrzeuge unterhalb der Anzahl abfließender Fahrzeuge stromabwärts der Verdichtung sinkt.
Bild 7: Einfluss der Höchstgeschwindigkeit auf die Verkehrsstärke
4 Fazit und Ausblick
SBA-Maßnahmen beeinflussen die Verhaltensweise einzelner Verkehrsteilnehmer z.B. hinsichtlich ihrer Geschwindigkeits- oder Abstandswahl mit dem Ziel der Harmonisierung des Verkehrsablaufs. Dabei hängt die Wirkung in besonderem Maße von der Befolgung der angeordneten Maßnahmen ab. Ausgehend vom Stand der Technik zeigten sich besondere Herausforderungen in der Simulation der Wechselwirkung zwischen Verkehr, Anordnungen der SBA und dem Befolgungsverhalten.
Für die Untersuchung des Einflusses der Entfernung zwischen Anzeigequerschnitten auf die Harmonisierungswirkung wurde daher ein einfaches kausales Modell auf Basis der Agentenbasierten Simulation erstellt. Dieses basiert auf dem Fahrzeug-Folge-Modell „Intelligent Driver Modell“ und wurde um ein regelbasiertes, situatives Befolgungsmodell erweitert. In Kombination mit den Harmonisierungsschaltungen einer SBA, bildet das Modell ein mögliches Zusammenspiel von SBA und Befolgungsverhalten ab. Hieraus ergeben sich im Verlauf der Simulation Änderungen im Verkehr im Sinne einer Wirkung.
Durch die Veränderung einzelner Aspekte, wie der Lage und Zuordnung der Messquerschnitte zu Anzeigequerschnitten, lassen sich deren Bedeutung im Modell abschätzen. Unter diesen Voraussetzungen lassen sich auch Verbesserungspotentiale für die SBA-Algorithmen ableiten. So wurde deutlich, dass die Wirkung der SBA hinsichtlich der Auflösung der Störung geringer ausfällt, wenn Anzeigequerschnitte von der ursprünglichen Konzeption nach MARZ abweichen. Die Harmonisierungswirkung für kürzere Anzeigequerschnitte fiel geringer aus als in einem vergleichbaren Fall mit doppelten Abständen. Dies ist für kleinere Abstände der Anzeigequerschnitte auf einen geringeren dämpfenden Einfluss auf den Geschwindigkeitsverlauf und damit den geringeren Einfluss auf die zufließende Verkehrsstärke im verkürzten Geschwindigkeitstrichter zu beobachten.
Die Aussagekraft der Ergebnisse eines Modells ist theoretischer Natur. Beispielsweise können im Modell psychologische Wirkungen und mögliche Vorteile in der präzisen Stauendeabsicherung hinsichtlich der Verkehrssicherheit nicht bewertet werden. Eine empirische und inhaltlich umfassende Analyse der Frage nach optimalen Abständen zwischen Anzeigequerschnitten ist daher zur Festlegung von wirtschaftlich und verkehrstechnisch sinnvollen Regelabständen zwischen Anzeigequerschnitten empfehlenswert. Die Forschung sollte hierfür zunächst den Einfluss der Befolgung auf die Wirksamkeit von Maßnahmen vertiefen. Zudem kann der vorgestellte methodische Ansatz der momentanen Wirksamkeitsbewertung helfen, um die Wirkungen der unterschiedlichen Abstände zwischen Anzeigequerschnitten zu beurteilen.
Neben dem dargestellten Szenario einer Nachfrage bei mittlerer Dichte und einem kurzen verdichteten Bereich wurde die Wirkung weiterer MARZ-Konfigurationen und Nachfragesituationen im Modell ausgewertet, um Verbesserungspotentiale zu identifizieren. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen derzeit in ein laufendes Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Straßenwesen mit dem Ziel die Steuerungslogik der SBA hinsichtlich der Harmonisierungswirkung und Stauauflösung weiter zu verbessern.
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