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Hintergrund:
Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Hierfür sind leistungsfähige und optimal vernetzte Verkehrswege unabdingbar. Zunehmende Verkehrsleistungen sind aber auch mit steigenden Umweltbelastungen, wie z.B. der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe verbunden. Aus diesem Grund müssen zukunftsfähige Lösungen entwickelt werden, die unsere Mobilität langfristig sichern, wirtschaftlich tragfähig sind und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Umweltsensitives Verkehrsmanagement:
Ein Umweltsensitives Verkehrsmanagement (UVM) kann als Teil eines Gesamtkonzeptes zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Verkehrs führen. Im Fokus steht hierbei die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid. Soweit möglich, sollte sich ein UVM auch positiv auf die Reduktion der Lärm- und CO2-immissionen auswirken oder zumindest die Belastung im Bereich von empfindlichen Nutzungen nicht erhöhen. Der Vorteil eines UVM gegenüber statischen Maßnahmen zur Reduzierung von Immissionsbelastungen besteht in dem kurzfristigen und temporären Eingreifen in den Verkehrsablauf. Solche Eingriffe können verschiedene Arten von Verkehrsbeeinflussungen bis hin zu Fahrverboten sein.
Mögliche Eingriffe in den Verkehrsablauf:
· Fahrverbote, besonders für Lkw
· Pförtnerampeln zur Zuflussdosierung
· Umlenkung von Verkehrsströmen durch Signalisierung mittels Lichtsignalanlagen oder mittels „Wechselverkehrszeichen"
· Verstetigung des Verkehrsflusses in Hauptrichtung durch Veränderung der Grünzeiten bzw. des Grünbandes zu Lasten der Wartezeit / des Verkehrsflusses auf Querstraßen und ggf. in der Gegenrichtung
· Reduktion der zulässigen Geschwindigkeit
Ein UVM ist keine standardisierte Maßnahme, die an allen Verkehrswegen kongruent angewendet werden kann. Ein UVM ist vielmehr ein Werkzeug, welches konkret auf den Wirkungsungsbereich zugeschnittene verkehrliche Maßnahmen zur Immissionsminderung bei Erfordernis und Aussicht auf Erfolg temporär aktivieren kann. Ein UVM muss also an örtliche Gegebenheiten angepasst werden und kann je nach Immissionsvorbelastung, vorhandener Infrastruktur und finanziellem Rahmen unterschiedlich komplex aufgebaut sein. Entscheidend für die Wirksamkeit ist die Planung sinnvoller Maßnahmen, die, im Rahmen von Voruntersuchungen, im UVM umgesetzt werden sollen.
Die bisher in Deutschland realisierten UVM-Systeme sind lokal begrenzt und statisch oder dynamisch ausgelegt. Statische bzw. permanente Maßnahmen mit umweltbezogener Begründung (z.B. Geschwindigkeitsbegrenzung zu bestimmten Zeiten) sind relativ kostengünstig, beeinflussen den Verkehrsablauf aber unabhängig der Verkehrs- und Immissionsbelastung. Fortschrittliche (dynamische) Lösungen greifen in das Verkehrsgeschehen erst dann ein, wenn es aufgrund eines aktuellen Monitorwertes oder durch Prognosen der Belastungssituation erforderlich und zweckmäßig ist.
Abb. 1: Funktionsschema eines Verkehrsmanagements mit integrierter umweltsensitiver Verkehrssteuerung
Für den Einsatz eines vollständigen und weitgehend automatisierten UVM ist ein System erforderlich, das es erlaubt, den aktuellen Verkehrszustand zu erfassen und zu steuern sowie die aktuelle und/oder zu erwartende Luftschadstoffbelastung zu bestimmen, um die notwendigen Informationen für die Umsetzung von Steuerungsmaßnahmen bereitzustellen.
Um dies zu realisieren, wird i. d. R. an die Verkehrsteuerung ein Umweltmodul (Online-Prognosemodell) gekoppelt. Ein bereits vorhandenes dynamisches Verkehrsmanagement (VM) wird damit zu einem multikriteriellen Managementsystem erweitert (Abb. 1).
Zur Erfassung und Darstellung der aktuellen und der zu erwartenden Umweltsituation, der Überwachung der Managementmaßnahme und der Datenarchivierung zur Evaluierung des Systems bedarf ein vollständiges und weitgehend automatisiertes UVM folgender technischer Einrichtungen:
Technische Voraussetzungen:
· Verkehrsdetektoren zur Erfassung von Verkehrsstärken, Fahrzeugarten und Geschwindigkeiten bzw. der Verkehrsqualität
· meteorologische Messeinrichtungen (Wind, Temperatur, Globalstrahlung, Stabilität der Atmosphäre)
· Luftschadstoffmesseinrichtungen (Ableitung der regionalen oder urbanen Vorbelastung)
Infrastruktur zur Verkehrsbeeinflussung:
· Verkehrsrechner
· Steuerbare LSA
· Wechselbeschilderung
Statische Daten:
· Geometrie der Randbebauung in den Hot Spots
· Georeferenziertes digitales Straßennetz mit Verkehrsmengen
· Emissionskataster
Software:
· Verkehrsmodell zur Einschätzung der aktuellen Verkehrslage für nicht detektierte Abschnitte
· Verkehrsmodell zur Prognose der Verkehrslage
· Prognosedaten für die meteorologischen Eingangsdaten
· Luftschadstoffmodelle zur Bestimmung der Vorbelastung und der Gesamtbelastung in den Hotspots sowohl für den aktuellen Zustand wie für die notwendigen Prognosehorizonte
· Schnittstellen zwischen Verkehrs- Luftschadstoffmodell und dem Verkehrsmanagementsystem
Ein automatisiertes und dynamisches UVM ist wegen der notwendigen Investitionen und Betriebskosten in Abhängigkeit von der bereits vorhandenen Infrastruktur in der Regel aufwändiger als ein rein statisches System. Dafür bietet es geeignet konfiguriert die Chance, mit der minimal erforderlichen Eingriffstiefe in Bezug auf die verkehrlichen Abläufe ein Optimum an Umweltwirkungen zu erzielen. Vereinfachte Systeme kommen auch mit einer geringeren technischen Ausstattung aus. Hier ist eine Abwägung zwischen der Komplexität der Maßnahme im Straßennetz, der notwendigen Genauigkeit bzw. dem gewünschten Detaillierungsgrad der Berechnungsergebnisse, dem notwendigen bzw. gewünschten Automatisierungsgrad der Maßnahmenaktivierung und den Kosten des Systems zu treffen (Abb. 2).
Abb. 2: Komplexität und Aufwand verschiedener UVM-Systeme
Einige UVM sind bereits im operationellen Betrieb. Eine pauschale Aussage der Möglichkeiten zur Verbesserung der Luftqualität mittels UVM ist dabei nicht möglich. Zum einen wirkt ein UVM je nach konkreter Maßnahme unterschiedlich auf die betrachteten Komponenten NO2 und PM10. Zum anderen bestimmt eine Vielzahl von Einflussfaktoren die Wirksamkeit der vorgesehenen Maßnahmen. Auch die Häufigkeit, mit der eine Maßnahme eingesetzt wird und die Intensität der Überwachung spielen eine Rolle.
Die Minderungspotenziale für NO2 liegen - bezogen auf die Gesamtbelastung - zwischen einstelligen Prozentbereichen bis hin zu ca. 30%. Bei PM10 wurden Minderungspotenziale bis zu 10 Überschreitungstagen identifiziert. Die Höhe des Potenzials hängt dabei stark von der Aktivierungshäufigkeit ab. So entspräche z.B. eine Aktivierung jeden Montag bis Freitag von 5 bis 22 Uhr (also jeweils 17 Stunden) einer Aktivierungsrate von knapp 50%. Die Minderungspotenziale von UVM liegen damit in der Größenordnung nachgewiesener Wirkungen von Umweltzonen, teilweise auch deutlich darüber. Im Gegensatz zu einer Umweltzone kann UVM jedoch ohne juristischen Vorlauf an zukünftige Entwicklungen angepasst werden.
Die Vorteile von dynamischen UVM liegen in der bedarfsorientierten, kurzfristigen und temporären Beeinflussung des Verkehrsablaufes, eine Verkehrsbeeinflussung erfolgt nur dann, wenn es aus Umweltsicht erforderlich ist. Als Nachteile müssen die Kosten für Investition und Betrieb genannt werden. Auch kann es im Einzelfall Nachteile geben, wenn durch Verkehrsverlagerungen neue Betroffenheiten generiert werden. Letzteres sollte aber durch eine sorgfältige Planung der UVM-Maßnahmen weitestgehend ausgeschlossen, zumindest abgewogen werden.
Ausgewählte Literatur:
BUW, pwp (2013): Schlussbericht Umweltsensitive Verkehrssteuerung Erfurt (UVE) UVE-Pilotmaßnahme Bergstraße / Talstraße Erfurt. Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, pwp-systems GmbH im Auftrag vom Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr Thüringen. April 2013.
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Diegmann, V. 2013: Potentiale des Umweltorientierten Verkehrsmanagements - eine Übersicht. In: BASt; FGSV (Hrsg.): Luftqualität an Straßen 2013. Tagungsband. Kolloquium der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 20.-21.3.2013 in Bergisch Gladbach. 2013.
Diegmann, V.; Düring, I.; Löhner, H.; Kraus, T.; Schönharting, J.; Voigt, R. 2017: Minderungspotenziale und Qualitätsanforderungen zum Einsatz von Verfahren zum dynamischen umweltsensitiven Verkehrsmanagement (UVM) an Verkehrswegen. In: BASt; FGSV (Hrsg.): Luftqualität an Straßen 2017. Tagungsband. Kolloquium der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 29.-30.3.2017 in Bergisch Gladbach. 2017.
Düring, I., Hoffmann, T. u.a, 2014: Luftschadstoffprognosemodelle als Umweltmodule für umweltorientiertes Verkehrsmanagement. In Tagungsband zur HEUREKA ´14 - Optimierung in Verkehr und Transport am 2./3. April 2014 in Stuttgart. FGSV-Verlag. ISBN 978-3-86446-074-6.
IVU Umwelt 2012: Machbarkeits- und Wirkungsabschätzung einer Dynamischen Umweltgesteuerten Verkehrsumleitung (DUV) für Frankfurt (Oder); Auftraggeber Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, unter Mitarbeit von CS Plan GmbH, Berlin und Ansorge & Partner GmbH, Frankfurt (Oder); Entwurf 2012
Ludes, G.; Siebers, B.; Kuhlbusch, T.; Quass, U.; Beyer, M.; Weber, F. 2008: Feinstaub und NO2– Entwicklung und Validierung einer Methode zur immissionsabhängigen dynamischen Verkehrssteuerung. Forschungsbericht 205 45 130. Abschlussbericht. Veröffentlichung 2010 in der Reihe UBA-Texte, Nr. 25/2010. Im Auftrag des Umweltbundesamtes. 2008.
LUNG 2013: LRP der Hansestadt Rostock-Anpassung des Analysefalls für NO2 und PM2.5 an den aktuellen Datenstand sowie Berechnung der reduzierten NO2-Gesamtbelastung bei Einsatz verkehrssteuernder Maßnahmen. Ing.-Büro Lohmeyer GmbH & Co. KG im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) Güstrow, April 2013.
Neunhäuserer, L.; Diegmann, V. 2010: Analysis of the Impacts of an Environmental Traffic Management System on Vehicle Emissions and Air Quality. Proceedings ''Transport and Air Pollution TAP 2010''. Poster Session 2. 18th International Symposium. May 18-19, 2010 in Dübendorf, Switzerland. 2010.
UVM-BS 2012: Umweltorientiertes Verkehrsmanagement Braunschweig – Stufe 2. Gemeinsamer Ergebnisbericht. Erarbeitet von Bellis GmbH, Braunschweig; BLIC GmbH, Berlin; IVU Umwelt GmbH, Freiburg und WVI GmbH, Braunschweig. Auftraggeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Förderinitiative „Mobilität 21 - Beispiele für innovative Verkehrslösungen“. 2012.
HAG1 2010: Ludes, G., Siebers, B., Kuhlbusch, T., Quass, U., Beyer, M., Weber, F.: Entwicklung und Validierung einer Methode zur immissionsabhängigen dynamischen Verkehrssteuerung. Auftrag des Umwelbundesamtes, FKZ 205 45 130, UBA-FB 001366. |