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1 Begriffsbestimmung
Kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren so inflationär gebraucht wie der der Nachhaltigkeit. Doch was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Eine allgemeingültige, wissenschaftliche Definition des Begriffs existiert bislang jedenfalls nicht und ist auch nicht zeitnah zu erwarten. Die Ursprünge der Nachhaltigkeitsbestrebungen gehen auf Hans Carl von Carlowitz (1645–1714), einen Forstwirt, zurück. Nach ihm sollte in einem Wald nur so viel abgeholzt werden, wie in absehbarer Zeit auf natürliche Weise nachwachsen kann. Es sollte damit sichergestellt werden, dass ein natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt. Dieses System der nachhaltigen Forstwirtschaft soll nun auf möglichst alle Bereiche unseres Lebens übertragen werden, was jedoch bei Prozessen, die nicht ausschließlich mit nachwachsenden Rohstoffen arbeiten, schnell an seine Grenzen stößt oder doch zumindest gewaltige Herausforderungen beinhaltet.
Unter den inzwischen zahlreich zu findenden Definitionsversuchen des Begriffs Nachhaltigkeit scheint die folgende, im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 enthaltene, besonders treffend: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ [1] An diesem hohen Anspruch werden künftig alle Industrien zu messen sein, so natürlich auch die Asphaltindustrie. Dass hierbei nationale Alleingänge nicht zielführend sein werden, liegt bei einer solch globalen Aufgabe nahe. Ebenso gilt es, ein ausgewogenes Verhältnis von Ökologie und Ökonomie zu erreichen und Verzerrungen des freien Wettbewerbs zu vermeiden.
2 Globale und europäische Rahmenbedingungen
Das öffentliche Bewusstsein für ökologische Belange sowie die Medienpräsenz dieser Themen hat in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen. Hierfür verantwortlich dürfte in erster Linie die Tatsache sein, dass der kaum noch bestreitbare Klimawandel und die zum Teil katastrophalen Konsequenzen inzwischen für die allermeisten Menschen aus nächster Nähe erlebbar und in ihrem Alltag angekommen sind.
Mit der Agenda 2030 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Herbst 2015 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, sogenannte Sustainable Development Goals (SDGs), mit insgesamt 169 Unterzielen verabschiedet (Bild 1). Seither wurde bereits einiges erreicht, aber es gibt auch noch große Herausforderungen. Der neueste Bericht zum Stand der Umsetzung der SDGs zeigt, dass aktuell noch längst nicht genug getan wird, um die 17 Ziele zu erreichen. Globale Krisen wie der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie haben jüngst die Entwicklungsfortschritte nicht nur stagnieren lassen, sondern bei vielen Zielen sind sogar Rückschritte zu verzeichnen.
Bild 1: Globale Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030
Am 11. Dezember 2019 hat die Europäische Kommission den sogenannten European Green Deal vorgestellt. Es handelt sich dabei um ein Konzept, das das Ziel verfolgt, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und damit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Der European Green Deal soll zentraler Bestandteil der Klimapolitik der Europäischen Union werden. Einen Überblick der Ziele gibt Bild 2.
Bild 2: Überblick der Ziele des European Green Deal
Dabei greift der European Green Deal in sämtliche Wirtschaftszweige ein, von Bau und Verkehr über Energie, Landwirtschaft und Textil bis hin zu Branchen wie Stahl, Zement, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Chemie.
3 Nationale Entwicklungen
3.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
In seiner Sitzung am 10. März 2021 hat das Bundeskabinett die „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen. Mit ihr sollen Wirtschaft und Gesellschaft „enkeltauglich“ gemacht, also auch für zukünftige Generationen lebenswert erhalten werden. Die Auswirkungen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf den Straßenbau insgesamt und natürlich auch auf den Asphaltstraßenbau sind derzeit noch nicht vollumfänglich absehbar.
Ausgehend von den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung lassen sich für den Straßenbau jedoch unter anderem der sparsame und effiziente Einsatz jeglicher Ressourcen, die Ausschöpfung der Potenziale der Wiederverwendung, die Verwendung von RC-Baustoffen sowie die Minimierung von Treibhausgasemissionen als wichtige Aufgaben ableiten. Selbstverständlich müssen hierbei auch der Zustand der Verkehrswege und deren möglichst hohe Verfügbarkeit berücksichtigt werden.
Für die Asphaltindustrie ergeben sich mehrere Themenfelder. Zunächst sind dies die zu verwendenden Rohstoffe, hauptsächlich Gesteinskörnungen und Bindemittel, aber auch Zusätze wie Faserstoffe, Rejuvenatoren oder Mittel zur Viskositätsveränderung. All diese Stoffe sollten idealerweise nachwachsend oder aber zumindest ökologisch vertretbar herstellund beschaffbar sein. Der nächste Themenkomplex ist eine möglichst emissionsarme Herstellung des Asphaltmischgutes, welche zukünftig mit möglichst niedrigen Herstellungstemperaturen sowie einem möglichst erneuerbaren Energieträger erfolgen muss.
3.2 Aktivitäten innerhalb der FGSV
In der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) wurde vom Vorstand die Kommission 6 „Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen, die übergeordnet sämtliche Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit koordinieren soll. Auf Ebene der Arbeitsgruppen wurden auch bereits mehrere Gremien, die sich mit der Nachhaltigkeit auseinandersetzen, gegründet. Der Arbeitsausschuss 4.6 „Nachhaltigkeit im Straßenbau“ (der bisherige Arbeitsausschuss 4.6 „Wirtschaftlichkeit von Bauweisen“ wurde in einen Arbeitskreis 4.6.1 „Wirtschaftlichkeitsfragen“ überführt) und die ad hoc-Gruppe 7.03 „Umweltaspekte“, die zwischenzeitlich aufgrund der herausragenden Bedeutung der Thematik bereits in einen Arbeitsausschuss 7.9 „Nachhaltigkeit Asphaltbauweise“ (Arbeitstitel) überführt wurde, seien hier aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Asphaltbauweise gesondert genannt.
Die Arbeitsgruppe 7 „Asphaltbauweisen“ ist innerhalb der bautechnischen Arbeitsgruppen in Bezug auf die Implementierung des Themas Nachhaltigkeit in einer privilegierten Situation, da dort dieses Thema bereits seit vielen Jahren tief verankert ist und in zahlreichen Gremien bearbeitet wird, auch wenn dies teilweise nicht durch eine explizite Benennung im Gremiennamen deutlich wird. Der Arbeitsausschuss 7.8 „Wiederverwertung“ sowie die Arbeitskreise 7.3.7 „Temperaturabsenkung“, 7.4.2 „Frühere Verkehrsfreigabe“, 7.4.4 „Schaumbitumen“ und 7.6.3 „Zerstörungsfreie Messverfahren“ seien hierfür beispielhaft genannt.
Nichtsdestotrotz bleibt die Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung des gesamten Technischen Regelwerks auf Nachhaltigkeitsaspekte eine Mammutaufgabe, die unbedingt einer überlegten Priorisierung bedarf. Eine einfache Fokussierung zunächst auf das R 1- und R 2-Regelwerk greift hierbei sicher zu kurz, denn auch in Wissensdokumenten (W 1 und W 2) steckt bisweilen erhebliches Nachhaltigkeitspotenzial, was nicht ungenutzt bleiben darf.
3.3 Aktivitäten der BASt
Zum Thema Nachhaltigkeit werden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), einer Forschungseinrichtung im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, derzeit zwei Forschungsprojekte betreut. In einer „Literaturstudie zur Nachhaltigkeit im Straßenbau“ (FE 04.0335/2021/ARB) sollen nationale und internationale Ansätze von Katalogen, Methoden und Tools zur Bewertung der Nachhaltigkeit recherchiert, für den Straßenbau geeignete Ansätze ausgewählt und schließlich ein Konzept für die digitale Umsetzung erarbeitet werden. Im Forschungsprojekt „Nachhaltigkeitspotenziale im Straßenbau mit dem Fokus auf Treibhausgasemissionen, Energiebedarf und Ressourcenschonung“ (FE 04.0341/2021/ ARB) soll der Lebenszyklus mit dem Fokus auf die Aspekte der Nachhaltigkeitskriterien abgestimmt, ein Konzept für die Beschaffung, Erfassung, Auswertung und Analyse der Daten erarbeitet und Optimierungspotenziale für ausgewählte Bauweisen identifiziert und quantifiziert werden. Es bleibt abzuwarten welche Schlussfolgerungen aus den zu erwartenden Forschungsergebnissen gezogen werden und welche Konsequenzen sich dann für die einzelnen Bauweisen im Verkehrswegebau ergeben.
4 Nachhaltigkeit der Asphaltbauweise
4.1 Regionale Verfügbarkeit
Asphaltmischgut wird in Deutschland in derzeit 535 stationären Asphaltmischanlagen industriell hergestellt. Diese im Vergleich zu anderen Ländern hohe Dichte fördert einerseits einen intakten Wettbewerb und sichert andererseits kurze Transportentfernungen. Dies betrifft insbesondere den Transport der Gesteinskörnungen vom Steinbruch zur Asphaltmischanlage, den Transport des Fräsasphaltes beziehungsweise Aufbruchasphaltes von der Ausbaustelle zur Asphaltmischanlage oder dem Ausbauasphaltlagerplatz sowie den Transport des Asphaltmischgutes von der Asphaltmischanlage zur Einbaustelle. Eine Verteilung der Asphaltmischanlagen in Deutschland veranschaulicht das Bild 3, wobei Ballungszentren mit mehr als 10 Asphaltmischanlagen als gelbe Kreise und Regionen mit weniger als 10 Asphaltmischanlagen als grüne Kreise dargestellt sind. Die Anzahl der im Bild dargestellten Standorte ist größer als die Anzahl der Asphaltmischwerke, da auch Verwaltungsstandorte miterfasst wurden.
Bild 3: Übersicht der Verteilung der Asphaltmischanlagen in Deutschland
4.2 Wiederverwendbarkeit
Ein großer Vorteil der Asphaltbauweise im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte liegt in der 100 %igen Wiederverwendbarkeit des Baustoffs. So kann Asphalt nicht nur, wie es zum Teil bei anderen Bauweisen und Baustoffen der Fall ist, im ungebundenen Bereich, beispielsweise in Schichten ohne Bindemittel, verwertet werden, sondern kann aufgrund der thermoplastischen Eigenschaften des Bindemittels Bitumen in der gleichen Schicht höchstwertig wiederverwendet werden. Dies schont wertvolle natürliche Ressourcen (vor allem Gesteinskörnungen und Bitumen), was angesichts der aktuellen Ressourcenknappheit gar nicht hoch genug bewertet werden kann, spart zudem Energie und wirkt sich letztlich positiv auf die CO2-Bilanz aus.
Deshalb ist die Weiterentwicklung der Wiederverwendung unbedingt geboten und wird sowohl innerhalb der FGSV als auch industrieseitig beim Deutschen Asphaltverband e. V. (DAV) und Deutschen Asphaltinstitut e. V. (DAI) mit großem Engagement verfolgt. So wird bei der derzeit laufenden Überarbeitung der ZTV Asphalt-StB und TL Asphalt-StB [2; 3] voraussichtlich die Verwendung eines Bitumens, das bis zu zwei Sortenspannen weicher ist als das ausgeschriebene Bitumen als Frischbindemittel bei der Mitverwendung von Asphaltgranulat ermöglicht. Dieser bereits seit Jahren in einigen Bundesländern erfolgreich praktizierte Weg ist ein wichtiger und überfälliger Schritt. Insgesamt sind jedoch noch deutlich weiter reichende Schritte notwendig, um die ehrgeizigen Klimaziele der Politik zu erreichen. Das Potenzial der Wiederverwendung ist enorm, wie das zwischen 2011 und 2015 in Baden-Württemberg entwickelte und inzwischen fachtechnisch untersuchte „Maximalrecycling“, bei dem bis zu 80 M.-% Asphaltgranulat in Asphalttrag- und Asphaltbinderschichten und bis zu 50 M.-% Asphaltgranulat in Asphaltdeckschichten unter Zugabe eines weichen Frischbitumens wiederverwendet werden, zeigt. „Das Untersuchungsergebnis der Maximalrecyclingstrecken mit dem Einsatz einer erhöhten Asphaltgranulatmenge mit der Zugabe von frischem weichem Bitumen ist insgesamt sehr positiv.“ [4]. Daher sind diese positiven Ergebnisse folgerichtig in die Fortschreibung des Technischen Regelwerks für den Bereich der Landesstraßen in Baden-Württemberg eingeflossen und werden dort seither standardmäßig angewendet. Eine Ausweitung auf das bundesweit gültige Technische Regelwerk ist bislang leider noch nicht absehbar.
Gleiches gilt für die Mitverwendung von Asphaltgranulat in Splittmastixasphalt, für die sowohl auf Landesebene (z. B. Freie und Hansestadt Hamburg) als auch im Zuge privater Baumaßnahmen hinreichend positive Erfahrungen vorliegen [5]. Zwar werden für eine Mitverwendung von Asphaltgranulat in Splittmastixasphalt bei der derzeitigen Überarbeitung des Merkblattes für die Wiederverwendung von Asphalt [6] die notwendigen technischen Voraussetzungen geschaffen, aber eine bundeseinheitliche standardmäßige Anwendung ist leider ebenfalls nicht absehbar.
Häufig werden auftraggeberseitig negative Auswirkungen der Mitverwendung von Asphaltgranulat befürchtet und als Grund für diese Zurückhaltung bei der Fortschreibung der technischen Standards genannt. Bisweilen gipfeln diese Befürchtungen sogar in einem Ausschluss der Mitverwendung von Asphaltgranulat oder zumindest in erheblichen Einschränkungen. Um solche Vorurteile gegenüber der Wiederverwendung von Asphaltgranulat auszuräumen, müssen vorhandene belastbare Daten dem zuständigen FGSV-Arbeitsausschuss 7.8 „Wiederverwertung“, in dem sämtliche beteiligten Kreise seit Jahren konstruktiv zusammenarbeiten, vorgelegt und dort behandelt werden. Nur so können die richtigen Schlussfolgerungen für die Fortschreibung des Technischen Regelwerks für die Wiederverwendung von Asphalt gezogen werden und die Potenziale der Wiederverwendung von Asphalt vollständig nutzbar gemacht werden. Dem Bund als mit Abstand größtem Auftraggeber kommt hierbei eine besondere Bedeutung und Vorreiterrolle zu. Der weitere Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Straßen- und Verkehrswegebau hat einen wesentlichen Einfluss auf die Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung im Verkehrssektor. Deshalb sollte die Weiterentwicklung der Wiederentwicklung vom Bund gefordert und damit maßgeblich vorangetrieben werden, so wie es Baden-Württemberg mit der Entwicklung der „Maximalrecycling“-Bauweise auf Landesebene bereits vorgemacht hat.
4.3 Energieeinsparung
Durch Einsparung von Energie in allen Bereichen der Prozesskette des Asphaltstraßenbaus kann ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet werden. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz energieeffizienter Maschinen und Anlagen und auch eine energieeffiziente Betriebsweise erreicht werden. Dies gilt gleichermaßen für die Bereiche Rohstoffgewinnung, Asphaltproduktion, Transport und Asphalteinbau. Hier wurden in den letzten Jahren bereits große Fortschritte erreicht. Die Umstellung des Maschinen- und Fahrzeugbestandes auf energieeffiziente und emissionsarme Geräte, die Erneuerung und Modernisierung der Asphaltmischanlagentechnik und der thermoisolierte Asphalttransport seien hierfür beispielhaft genannt.
Großes Potenzial für die Verringerung des Verbrauchs an Primärenergie bietet auch die Absenkung der Herstellungs- und Verarbeitungstemperaturen von Asphaltmischgut. Diese maßgeblich von einer Grenzwertsetzung des Ausschusses für Gefahrstoffe für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen getriebene, Entwicklung verläuft aktuell sehr dynamisch. Hierbei ist der partnerschaftliche Umgang des Bundes, maßgeblich des damaligen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, mit der Auftragnehmerseite bei der Erprobung der temperaturabgesenkten Asphaltbauweise, die sich im ARS Nr. 9/2021 widerspiegelt, [7] ausdrücklich positiv hervorzuheben. Umso bedauerlicher ist allerdings, dass sich die Straßenbauverwaltungen einiger Bundesländer ihrer Mitverantwortung bei der Lösung dieser wichtigen Zukunftsaufgabe entziehen und die Verantwortung einzig der Industrie zuweisen, indem sie Ausschreibungen von Erprobungsstrecken gemäß der Vorgabe des Bundes bislang ablehnen. Die bisher vorliegenden Ergebnisse – momentan natürlich fokussiert auf die Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes – zeigen einerseits, dass die bisherigen Bestrebungen erfolgreich sind, aber andererseits auch, dass sie bislang noch nicht ausreichen. Die tatsächlich, durch die Absenkung der Herstellungstemperatur von Asphaltmischgut induzierte Einsparung von Primärenergie lässt sich bislang nur schwer quantifizieren, da sie erheblich vom Produktionsprofil einer Asphaltmischanlage beeinflusst wird. Sobald jedoch einzelne, perspektivisch sogar alle, Anlagen ausschließlich bei reduzierter Temperatur produzieren, wird sich die Energieeinsparung, den Gesetzen der Physik folgend, in vollem Umfang zeigen.
Sehr genau lässt sich hingegen quantifizieren welche Steigerung des Bedarfs an elektrischer Energie der Betrieb einer Einrichtung zur kontinuierlichen Erfassung der Gesamtkohlenstoffemissionen verursacht. Um über 8 % steigert diese Form der Emissionsmessung den Stromverbrauch von Asphaltmischanlagen wie eine Studie im Jahr 2018 ergeben hat [8]. Die dabei für die seinerzeit im DAV organisierten Anlagen ermittelten Energiemengen zeigt die Tabelle 1. Dieser signifikanten Steigerung des Elektroenergiebedarfs steht jedoch an einer durchschnittlichen, diskontinuierlich arbeitenden Asphaltmischanlage keinerlei Erkenntnisgewinn gegenüber.
Tabelle 1: Steigerung des Elektroenergiebedarfs infolge kontinuierlicher Gesamt-C-Messung
Durch solche unsinnigen Forderungen von Genehmigungsbehörden wie der Verpflichtung zur kontinuierlichen Emissionserfassung an diskontinuierlich arbeitenden Asphaltmischanlagen werden alle Bemühungen zur Energie- und Emissionseinsparung vollkommen konterkariert. Überdies werden allein durch die zu befürchtende Anordnung einer solchen, mit enormen Investitions- und Folgekosten verbundenen, Messeinrichtung notwendige Investitionen in moderne und umweltschonende Asphaltmischanlagentechnologie behindert, da diese auf unbestimmte Zeit verschoben oder gar nicht getätigt werden. Dies ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, da so ein veralteter Stand der Technik unterstützt wird [9]. Hiervon betroffen sind beispielsweise Umrüstungen der Entstaubungsanlage, Maßnahmen zur Absenkung der Herstellungstemperatur oder auch Einrichtungen zur Steigerung der Wiederverwendungsquote. Ferner leistet die behördliche Forderung einer kontinuierlichen Emissionserfassung von Asphaltmischanlagen einer Deregionalisierung der Asphaltindustrie Vorschub, da dann an wenigen, dafür sehr großen und produktionsstarken, Standorten eine annähernd kontinuierliche Produktion erreicht werden kann, die auch kontinuierlich überwacht werden kann. Längere Transportwege werden dabei billigend in Kauf genommen. Hier ist ein Umdenken der deutschen Genehmigungsbürokratie überfällig, um ökologisch sinnvolle Entwicklungen im Sinne der Kreislaufwirtschaft und Emissionsreduzierung zu fördern, statt sie weiter zu behindern.
4.4 Nutzungsdauer
Bei Betrachtung der Nutzungsdauer von Verkehrsflächenbefestigungen ist eine Unterscheidung zwischen (bau)technischer und wirtschaftlicher Nutzungsdauer erforderlich. Erstere wird im Sinne des Technischen Regelwerks als die Zeitspanne zwischen Fertigstellung der Straße und dem Zeitpunkt, an dem diese soweit abgenutzt oder substanziell zerstört ist, dass eine bestimmungsgemäße Nutzung nicht mehr möglich ist. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer umfasst hingegen die Zeitspanne zwischen der Fertigstellung einer Straße und dem Zeitpunkt, zu dem aus wirtschaftlichen Gründen eine Erneuerungsmaßnahme vorgenommen werden sollte [10]. Darüber hinaus kann auch noch die Betrachtung weiterer Nutzungsdauern erforderlich sein, beispielsweise für Deckschichten mit lärmmindernden Eigenschaften die lärmtechnische Nutzungsdauer.
Die Nutzungsdauer einer Verkehrsflächenbefestigung hat einen erheblichen, wenn nicht sogar den größten, Einfluss auf die Nachhaltigkeit einer Bauweise. Bei Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt ist hierbei zu berücksichtigen, dass diese aus mehreren Schichten und gegebenenfalls Lagen bestehen können. Mehrschichtige Asphaltbefestigungen stellen für höher beanspruchte Verkehrsflächen den Regelfall dar, deshalb ist die Abstimmung der Nutzungsdauern der einzelnen Asphaltschichten aufeinander wichtig, um das bautechnische Nutzungsdauerpotenzial der einzelnen Asphaltschichten möglichst optimal auszunutzen. Idealerweise sollte die bautechnische Nutzungsdauer der darunter liegenden Schicht immer ein Vielfaches der darüber liegenden Schicht betragen.
Der Ermittlung dieser bautechnischen Nutzungsdauern kommt für die zukünftige Betrachtung der Nachhaltigkeit einer Verkehrsflächenbefestigung oder Bauweise eine Schlüsselrolle zu. Die inzwischen existierenden rechnerischen Verfahren können hierfür herangezogen werden, ohne jedoch die bestehenden Erfahrungen mit unserem auf Empirie gegründeten Technischen Regelwerk des Straßenbaus zu vernachlässigen. Eine Bauweise in allen Belangen als „ausentwickelt“ anzusehen scheint dabei vermessen, wie allein die tausenden Kilometer zerstörter Eisenbahnstrecken und die enormen Schäden der jüngsten Vergangenheit im Bundesfernstraßennetz aufgrund von Alkali-Kieselsäure-Reaktion im Beton leider eindrucksvoll beweisen.
Vielmehr ist es eine vordringliche Aufgabe, die Nutzungsdauern sämtlicher Verkehrsflächenbefestigungen zu sichern und weiter zu steigern. Hierfür ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller am Straßenbau Beteiligten erforderlich und es dürfen auch sonstige Erfordernisse und Bedürfnisse nicht unberücksichtigt bleiben. Gerade, aber nicht ausschließlich, im kommunalen Bereich kommt auch im Hinblick auf lange Nutzungsdauern Themen wie Trenching oder Aufgrabungen eine große Bedeutung zu und es bedarf einer soliden Planung und Abstimmung aller Interessensträger, um am Ende zu einer Straßenbefestigung mit möglichst langer Nutzungsdauer zu gelangen.
Dass bislang das Potenzial zur Erhöhung der bautechnischen Nutzungsdauer von Deckschichten aus Offenporigem Asphalt (PA) nicht vollständig genutzt wird, ist nur schwer nachvollziehbar. Die Gründe hierfür sind eher formaler Natur und können nur in einem viele Jahre dauernden Verfahren aus dem Weg geräumt werden. Dabei haben Untersuchungen des DAV, die in Fachkreisen auch weitgehend unumstritten sind, gezeigt, dass die Nutzungsdauer eines PA deutlich verlängert werden kann, wenn ca. 5 M.-% Sand zugegeben werden [11]. Diese Ergebnisse wurden zwischenzeitlich von der TU Dresden bestätigt. Bei diesen neuerlichen Untersuchungen wurde zudem noch herausgearbeitet, dass eine Asphaltkonservierung den Kornverlust eines PA zusätzlich reduzieren und damit die Nutzungsdauer Offenporiger Asphaltbefestigungen weiter erhöhen kann [12].
5 CO2-Bilanz und Umweltproduktdeklaration
Umweltproduktdeklarationen (auch EPD für Environmental Product Declaration) enthalten Informationen über Umweltauswirkungen von Baustoffen oder Bauprodukten und sollen letztlich einer ökologischen Bewertung dienen. Dazu werden Ressourcenverbrauch, Emissionen und weitere ökologisch relevante Aspekte über den gesamten Lebenszyklus betrachtet.
Bild 4: Schematische Darstellung der Phasen bei der Lebenszyklusbetrachtung eines Bauwerks
Das Bild 4 zeigt die einzelnen Phasen des Lebenszyklus und verdeutlicht, dass die Zuständigkeit für die einzelnen Phasen im Regelfall unterschiedlich sein wird. Die Kernaufgabe für die Hersteller von Asphaltmischgut liegt zunächst auf der Herstellungsphase (A1 – A3) jedoch stellt sich hierbei natürlich die Frage, wie die Mitverwendung von Asphaltgranulat berücksichtigt werden kann, da die Wiederverwendung in Phase D angesiedelt ist. Dies zeigt, wie wichtig die Definition der Systemgrenzen im Vorfeld ist. Diese Aufgabe kann nicht vom Auftragnehmer oder Baustoffproduzenten übernommen werden, da sonst Verzerrungen durch unterschiedliche Betrachtungsweisen unvermeidlich wären.
Der DAV ermittelt derzeit mit seinen Mitgliedsunternehmen die ökobilanziellen Ausgangsdaten, mit der Zielsetzung diese anschließend in die Erarbeitung einer (oder gegebenenfalls mehrerer) Muster-EPD(s) einfließen zu lassen. Leider liegen bislang auch seitens der Rohstofflieferanten häufig noch keine EPDs vor, was die Erstellung von EPDs für Asphaltmischgut natürlich erschwert, beziehungsweise verzögert. Diese EPDs können dann vom Auftraggeber bei der Nachhaltigkeitsbewertung des Gesamtbauwerkes herangezogen werden. Wie diese aussehen wird, ist für den Bereich des Straßenbaus bislang noch weitgehend offen [13]. Genau dieser Bewertung wird aber eine Schlüsselrolle zufallen, und beeinflussen, wie und mit welchen Baustoffen wir künftig bauen. Asphalt dürfte in jedem Fall eine wichtige Rolle für die Mobilität der Zukunft spielen.
6 Zusammenfassung und Ausblick
Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten in vielen Bereichen des täglichen Lebens hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, was sicher auch auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, den European Green Deal der Europäischen Kommission und die im Bundeskabinett beschlossene „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ zurückzuführen ist. Auch wenn der inzwischen inflationäre Gebrauch des Begriffs Nachhaltigkeit für die unterschiedlichsten Belange bisweilen für Verdruss sorgt, hat sich bei den meisten Menschen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt. Maßgeblich hierfür dürften insbesondere das Erleben von Naturkatastrophen aus „nächster Nähe“ oder gar persönliche Betroffenheit sowie die nun für jeden spürbare Verknappung – und damit einhergehende Verteuerung – vieler Ressourcen sein.
Für die am Straßenbau Beteiligten ergeben sich hieraus verschiedene Aufgabenstellungen, wie die Überprüfung und Anpassung des Technischen Regelwerks, die Setzung einheitlicher und nicht den Wettbewerb verzerrender Rahmenbedingungen für die Wertung der Nachhaltigkeit. Wenn zukünftig ein System zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Vergabe von Bauleistungen im Straßenbau etabliert ist, wird dies hoffentlich auch dazu führen, dass auftraggeberseitige Vorgaben, die die Nachhaltigkeit negativ beeinflussen der Vergangenheit angehören. Dies betrifft für den Asphaltstraßenbau beispielsweise die Forderung der Verwendung bestimmter Gesteinskörnungen, die über große Entfernungen transportiert werden müssen, obwohl regionale Alternativen verfügbar sind oder auch den Ausschluss oder die Einschränkung der Wiederverwendung. Ferner muss die Nachhaltigkeit künftig auch als ressortübergreifende Aufgabe verstanden werden und unsinnige Auflagen von Umwelt- und Genehmigungsbehörden, die zur Steigerung des Energieverbrauches und der Emissionen führen, wie beispielsweise die kontinuierliche Emissionserfassung an Asphaltmischanlagen, unterbleiben.
Der Nutzungsdauer von Straßenbefestigungen dürfte künftig unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten eine noch größere Bedeutung als bislang zukommen. Deshalb gilt es, unnötige Einschränkungen zu identifizieren und aufzuheben, um letztlich längere Nutzungsdauern zu erreichen.
Umweltproduktdeklarationen wird in Zukunft sicherlich eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit zukommen. Auch die Mitverwendung von Produkten mit negativem CO2-Fußabdruck wird dabei zu berücksichtigen sein. Zwar konnte für einzelne Produkte bereits ein Nachhaltigkeitspotenzial nachgewiesen werden [14], jedoch sollten generell nur Produkte verwendet werden, die neben einem ökologischen auch einen bautechnischen Vorteil oder zumindest bautechnische Gleichwertigkeit bieten. Darüber hinaus darf durch Mitverwendung solcher Produkte weder die Wiederverwendbarkeit noch das Emissionsverhalten negativ beeinflusst werden. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe, transparente Regeln, die auch die Besonderheiten der einzelnen Bauweisen berücksichtigen, für Umweltproduktdeklarationen aufzustellen. Wettbewerbsverzerrungen sollten dabei unbedingt vermieden werden.
Literarturverzeichnis
- Hauff, (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB), Ausgabe 2007/Fassung 2013, Köln (FGSV 799)
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB. Ausgabe 2007/ Fassung 2013), Köln (FGSV 797)
- Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (2020): Standardbauweisen zur Erhöhung des Recyclinganteils im Straßenbau, Stuttgart
- Schünemann, M. (2019): Wiederverwendung von Asphaltgranulat aus Offenporigem Asphalt in SMA, Fachzeitschrift asphalt, Heft 8/2019; Stein-Verlag, Iffezheim
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für die Wiederverwendung von Asphalt (M WA), Ausgabe 2009/Fassung 2013, Köln (FGSV 754)
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021): Allgemeines Rundschreiben Straßenbau 9/2021, Durchführung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen zum Einsatz von temperaturabgesenktem Walzasphalt in Verbindung mit Absaugeinrichtungen am Straßenfertiger; Bonn
- Großmann Ingenieur Consult GmbH (2018): Auswertung Energieverbrauchsmessungen und gutachterliche Stellungnahme kontinuierliche C-Gesamt-Messeinrichtungen; Studie im Auftrag des Deutschen Asphaltverband e. V., Leipzig
- Deutscher Asphaltverband V. (2019): Die Forderung kontinuierlicher Emissionsüberwachung bei Änderungsgenehmigungen an Asphaltmischanlagen verursacht Investitionsstau und verhindert ökologisch und ökonomisch sinnvolle Verbesserungen, Positionspapier, Bonn
- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01), Ausgabe 2001, Köln (FGSV 488)
- Deutscher Asphaltverband e. V. (2017): Untersuchungen zum Einfluss der Sanddosierung auf den Hohlraumgehalt bei Offenporigem Asphalt (PA), Bonn
- Technische Universität Dresden, Straßenbaulabor (2021): Vergleichende Untersuchungen zur Bestimmung des Kornverlustes von Probekörpern aus Offenporigem Asphalt, Dresden
- Zander, U. (2022): Forschungsausrichtung in Balance von Ökologie und Ökonomie, Zeitschrift Straße und Autobahn, Heft 5/2022, Kirschbaum Verlag, Bonn
- Gogolin, D. (2022): Nachhaltigkeitspotenzial Gummimodifizierter Asphalt – ein zusätzlicher Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz? Zeitschrift Straße und Autobahn, Heft 8/2022, Kirschbaum Verlag, Bonn
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