FGSV-Nr. FGSV 002/131
Ort online-Konferenz
Datum 24.03.2021
Titel AirQuality - Erstellung hyperlokaler Luftqualitätskarten durch mobile Messungen in Echtzeit - Transparente Luftqualitätsdaten im gesamten Stadtgebiet erreichen (POSTER)
Autoren Benedikt Moser, Harald Horn, Alisa Friedrich
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Die Belastung der Luftqualität durch Schadstoffe ist für viele Städte ein relevantes Thema. Deutschlandweit erfolgt die formelle Überwachung von Luftschadstoffen mithilfe von ca. 400 stationären, lokalen Messstationen (Umweltbundesamt, n. d.). Diese zeichnen sich zwar durch eine sehr hohe Genauigkeit aus, haben jedoch hohe Anschaffungskosten und durch ihre geringe Anzahl können nur einzelne, fragmentierte Messpunkte innerhalb einer Stadt erfasst werden. Kostengünstige Sensoren hingegen können auch in größeren Mengen in der Stadt verteilt werden, um ein genaueres Bild über die städteweite Luftqualität zu gewinnen.

Um Transparenz über die Luftqualität im gesamten Stadtgebiet zu schaffen, fehlt ein engmaschiges Netz an Luftqualitätssensoren, welches lokale Problemzonen in Abhängigkeit der Tageszeit erkennbar macht. Das AirQuality-Projekt des Center Smart Services, des FIR e. V. an der RWTH Aachen und des kanadischen Telematikanbieters Geotab GmbH verfolgt das Ziel der Entwicklung einer Methode zur Erhebung von Luftqualitätsdaten in bisher nicht vorhandener Granularität: Fahrzeugflotten, die innerhalb eines Stadtgebiets unterwegs sind, wie beispielsweise Fahrzeuge des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV), werden mit Sensorik zur Erfassung der Luftqualität ausgestattet. Die so gesammelten Daten werden analysiert und in einer über die Stadtkarte gelegten „Heatmap“ visualisiert. Mit dieser Luftqualitätskarte wird die Luftqualität straßen- und uhrzeitgenau angezeigt. Dadurch wird es ermöglicht, Hot Spots zu identifizieren und Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen objektiv zu bewerten. Darüber hinaus bietet die feingranulare Datenerfassung eine Grundlage für verschiedenste innovative Lösungen, wie beispielsweise intelligente Lichtsignalanlagen oder optimierte Routenführung für Bürger basierend auf aktuellen Luftqualitätswerten.

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Die Belastung der Luftqualität durch Schadstoffe ist für viele Städte ein relevantes Thema. Deutschlandweit erfolgt die formelle Überwachung von Luftschadstoffen mithilfe von ca. 400 stationären, lokalen Messstationen (Umweltbundesamt, n. d.). Diese zeichnen sich zwar durch eine sehr hohe Genauigkeit aus, haben jedoch hohe Anschaffungskosten und durch ihre geringe Anzahl können nur einzelne, fragmentierte Messpunkte innerhalb einer Stadt erfasst werden. Kostengünstige Sensoren hingegen können auch in größeren Mengen in der Stadt verteilt werden, um ein genaueres Bild über die städteweite Luftqualität zu gewinnen.

Um Transparenz über die Luftqualität im gesamten Stadtgebiet zu schaffen, fehlt ein engmaschiges Netz an Luftqualitätssensoren, welches lokale Problemzonen in Abhängigkeit der Tageszeit erkennbar macht. Das AirQuality-Projekt des Center Smart Services, des FIR e. V. an der RWTH Aachen und des kanadischen Telematikanbieters Geotab GmbH verfolgt das Ziel der Entwicklung einer Methode zur Erhebung von Luftqualitätsdaten in bisher nicht vorhandener Granularität: Fahrzeugflotten, die innerhalb eines Stadtgebiets unterwegs sind, wie beispielsweise Fahrzeuge des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV), werden mit Sensorik zur Erfassung der Luftqualität ausgestattet. Die so gesammelten Daten werden analysiert und in einer über die Stadtkarte gelegten „Heatmap“ visualisiert. Mit dieser Luftqualitätskarte wird die Luftqualität straßen- und uhrzeitgenau angezeigt. Dadurch wird es ermöglicht, Hot Spots zu identifizieren und Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen objektiv zu bewerten. Darüber hinaus bietet die feingranulare Datenerfassung eine Grundlage für verschiedenste innovative Lösungen, wie beispielsweise intelligente Lichtsignalanlagen oder optimierte Routenführung für Bürger basierend auf aktuellen Luftqualitätswerten.

Lösungsansatz der mobilen Datenerfassung

Für die Umsetzung des Vorhabens werden zunächst in den Städten Aachen, Halle an der Saale und Gelsenkirchen Fahrzeuge mit der notwendigen Sensorik ausgestattet. Dafür werden kostengünstige, auf dem Markt befindliche Sensoren zur Messung von PM 10, PM 2.5, Luftfeuchtigkeit und Temperatur in einem kleinen Sensorstack modular zusammengebaut. Dieser wird dann auf zuvor ausgewählten Fahrzeugen, wie z. B. Servicefahrzeugen und Bussen in Aachen, oder Straßenbahnen in Halle an der Saale, montiert. Auf den täglichen Fahrten werden Daten gesammelt, die mit Hilfe des Geotab GO7-Gerätes, welches sich im OBD2-Port der Fahrzeuge befindet, an eine Gateway Server Architektur übertragen werden, und von dort in eine Datenbank weitergeleitet werden (Abbildung 1). Jeder gemessene Sensorwert wird mit den entsprechenden GPS-Koordinaten versehen. Die Daten werden in die MyGeotab-Plattform geladen, analysiert und für die Erstellung der Heatmaps weiterverarbeitet. Das entwickelte System nutzt das existierende Mobilfunknetz und ist aufgrund der verbauten SIM-Karte weltweit einsetzbar.

Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung des Datenflows für die mobile Datenerfassung im AirQuality-Projekt.

Bei der Auswahl der für das Vorhaben geeigneten Sensorik, gab es eine große Herausforderung: für eine wirtschaftliche Skalierbarkeit mussten preisgünstige Luftqualitätssensoren gewählt werden, was allerding mit einer verringerten Datenqualität einhergeht. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Ziel des Projektes – städteweite Transparenz über Luftqualität – nicht darunter leidet. Um die Qualität der Daten zu überprüfen, wurden zwei der für das AirQuality-Projekt ausgewählten PM 10 Sensoren auf einer der offiziellen Messstationen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) in Aachen platziert. Die gesammelten Daten der drei Sensoren wurden gegeneinander geplottet (Abbildung 2). Die Auswertung zeigt deutlich, dass die kostengünstigen Sensoren zwar nicht exakt die Werte der offiziellen LANUV-Messstation erreichen, die Trends der Daten allerdings gleich sind. Die Abweichungen können daher durch eine Kalibrierung ausgeglichen werden.

Abbildung 2: Qualitativer und quantitativer Vergleich zwischen Werten einer professionellen Messtation des LANUV (grün) sowie 2 möglichen „Low-cost“ Sensoren für mobile Zwecke.

Der entwickelte Sensorstack ist modular aufgebaut, um ihn nachträglich erweitern bzw. anpassen zu können. So wurde zu Beginn auch ein Sensor zur Erfassung von NO2 integriert. Dieser wurde jedoch nach ersten Tests wieder entfernt, da die erfassten Daten nicht verwertbar waren. Kostengünstige NO2 Sensoren, die für mobile Messungen eingesetzt werden, erreichen jedoch nicht die Datenqualität, die für eine zuverlässige Messung von NO2 nötig wäre, sodass diese Idee wieder verworfen wurde. Diese Erkenntnisse wurden durch weitere Experten und ein Testinstitut bestätigt (M. Hohmuth (Projektteam MyAQiNet), persönliche Kommunikation 28. Oktober 2020; AQ-SPEC, n. d.).

Die Fahrzeugflotten für das Vorhaben müssen so gewählt sein, dass das Stadtgebiet möglichst großräumig und regelmäßig abgefahren wird. Es liegt nahe, dass Fahrzeuge des ÖPNVs für eine feingranulare Erfassung der Luftqualität am geeignetsten sind. Hier kommt es auf die individuelle Stadtstruktur an: Während in einigen Städten nur Busse das ÖPNV-Netz befahren, sind in anderen Städten auch Straßenbahnen im Einsatz. In der Stadt Halle an der Saale beispielsweise, bilden Straßenbahnen das zentrale Beförderungssystem, während Busse lediglich eine Zubringerfunktion haben (P. Kolbert (Hallesche Verkehrs-AG), persönliche Kommunikation, 09. Dezember 2020). Erfahrungen aus einem ähnlichen Projekt, welches 2017 von Geotab in Houston (USA) durchgeführt wurde, zeigen, dass je nach Stadtstruktur 10-20 städtische Fahrzeuge ausreichen, um 70% des Stadtgebietes abzudecken (EDF, 2018). Erste Tests zeigen, dass im Falle der Stadt Aachen schon 13 Busse ausreichen, um innerhalb eines Tages 70% der für den Verkehr zugänglichen Flächen abzudecken.

Gleichzeitig werden auch Nachteile der Nutzung des ÖPNV-Systems zur mobilen Datenerfassung deutlich: Zum einen werden Fahrzeuge auf unterschiedlichen Routen eingesetzt und verlassen dabei teilweise auch das Stadtgebiet. Zum anderen gestaltet sich die Abdeckung von Nebenstraßen und öffentlichen Plätzen (z. B. Marktplätze, Fußgängerzonen) als problematisch. Folglich bedarf es einer sorgfältigen Auswahl geeigneter Flotten, welche sich oft schon aus der Stadtstruktur und dem darauf aufbauenden ÖPNV-Netz ergibt. Die Ergänzung durch die Ausstattung von beispielsweise Taxen, Fahrzeugen des Ordnungsamtes oder der städtischen Straßenreinigung mit Sensorik, kann zu einer höheren Abdeckung von Nebenstraßen beitragen. Allerdings sprechen der unregelmäßige Einsatz und ihre oftmals nicht vorhersehbaren Routen (vor allem bei Taxen und Fahrzeugen des Ordnungsamtes) gegen eine regelmäßige Befahrung mancher Straßen. Deswegen soll das AirQuality-Messnetz auch um stationäre Sensoren erweitert werden, um wichtige öffentliche Plätze, die nicht für motorisierte Fahrzeuge zugänglich sind, zumindest punktuell erfassen zu können. Da hierfür eine dauerhafte 12 Volt Stromversorgung nötig ist, wird derzeit an einer Solarbetriebenen Lösung gearbeitet.

Echtzeitdaten ermöglichen neue digitale Lösungen

Die mobil erfassten Luftqualitätsdaten werden in einer Heatmap, wie in Abbildung 3, visualisiert. Sie ermöglicht es, tages- und uhrzeitabhängig die Luftqualität des gesamten Stadtgebietes nachzuvollziehen. Hotspots können so erkannt, und die Effektivität von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität objektiv bewertet werden. Die aus den Karten gewonnenen Informationen können von Städteplanern zur Umsetzung von schadstoffreduzierenden Maßnahmen genutzt werden. Die Luftschadstoffe in der direkten Umgebung von Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäusern können erfasst und analysiert werden. Anwohner können über erhöhte Emissionen durch Heizöfen oder nach Großbränden informiert werden. Darüber hinaus eröffnen die Echtzeitdaten Chancen für neue digitale Lösungen: Lichtsignalanlagen können auf erhöhtes Verkehrsaufkommen und damit verbundener erhöhter Emissionen reagieren, um den Verkehr intelligent zu leiten. So können beispielsweise Bereiche mit hochsensitiven Bevölkerungsgruppen (Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Altenheime, etc.) entlastet werden. Die Luftqualitätsdaten in Echtzeit können die Grundlage für eine Routenoptimierung bieten, um Fußgängern, Sportlern, Hochrisiko-Gruppen und umweltbewussten Bürgern schadstoffarme Wege vorzuschlagen.

Abbildung 3: Visualisierung der Heatmap durch mobil erfasste Luftqualitätsdaten in der Stadt Aachen

Die Möglichkeiten der Verwertung der im Rahmen des AirQuality-Projektes erfassten hyperlokalen Echtzeitdaten zur Vermeidung und Reduzierung von Luftschadstoffen sind vielzählig. Als Ergänzung zu den bislang stationär erhobenen Messdaten können durch die mobile Messtechnologie dichtere Datennetze erzeugt werden, so dass Messdaten für Gebiete zur Verfügung stehen, die in bisherigen Messungen nicht erfasst und analysiert werden konnten. Durch eine mögliche Erweiterbarkeit des modularen Sensorstacks, können weitere relevante Parameter erfasst, und auf individuelle Herausforderungen eingegangen werden.

Mangelnde Luftqualität betrifft uns alle. Deswegen haben wir ein Interesse daran, das AirQuality-Projekt erfolgreich voranzutreiben und stetig weiterzuentwickeln. Wir sind offen für neue Ideen und Innovationen und freuen uns über einen regen Austausch mit verschiedenen Interessensgruppen. Sie sind Flottenbetreiber und können sich vorstellen, Ihre Fahrzeuge mit unseren AirQuality-Sensoren auszustatten und Daten über die Luftqualität zu erheben? Sie sind Experte für Sensorik und haben Erfahrung im Bereich der Optimierung und Datenvalidierung? Sie sind Städtepartner, App-Entwickler oder können sich vorstellen, dass mit unserer Lösung Ihre Herausforderung behoben werden kann? Dann setzen Sie sich mit uns in Verbindung!

Um weitere Informationen über das AirQuality-Projekt zu erhalten, besuchen Sie gerne die Projektwebseite: https://mobile-airquality.com/

Quellen:

Air Quality Sensor Performance Evaluation Center (AQ-SPEC). (n.d.). Field Evaluations.
Online unter: http://www.aqmd.gov/aq-spec/evaluations/field
Letzter Aufruf am 26.10.2020

Environmental Defense Fund (EDF). (2018, September). Future fleets: how clean air innovations are driving smarter, healthier cities.
Online unter: https://business.edf.org/insights/future-fleets/
Letzter Aufruf am 21.01.2021.

Umweltbundesamt (n.d.). Kartendienst zur Luftschadstoffbelastung in Deutschland.
Online unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1/dokumente/handhabung_kartendienst.pdf
Letzter Aufruf am 21.01.2021