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1 Ausgangssituation
Die Unterhaltung der Autobahnen und damit die Bereithaltung des wichtigsten Verkehrssystems in Nordrhein-Westfalen bedeuten besonders große Herausforderungen. Das mit 17,5 Mio. Einwohnern bevölkerungsreichste und am dichtesten besiedelte Bundesland ist auch das staureichste. Der offizielle Meldebestand der Landesmeldestelle der Polizei für den Verkehrswarndienst weist für die ca. 2.200 km Autobahnen in Nordrhein-Westfalen für 2016 insgesamt ca. 68.000 Staus mit einer Gesamtlänge von etwa 86.000 km aus (Bild 1). Nach anderen Quellen sind diese Werte teilweise noch größer. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die zugrunde liegenden Datenquellen, Erhebungsmethoden und auch das betrachtete Straßennetz teilweise voneinander abweichen. Eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Quellen ist deshalb nicht grundsätzlich möglich. Das Gesamtergebnis ist dennoch letztendlich immer das Gleiche und unterstreicht das, was jeder Autofahrer in Nordrhein-Westfalen erlebt: viele Streckenabschnitte des Autobahnnetzes sind regelmäßig von Verkehrsstörungen betroffen.
Die häufigsten Ursachen der Staus sind nach einer detaillierten Stauanalyse, die vom Lehrstuhl für Verkehrswesen – Planung und Management der Ruhr-Universität Bochum (Geistefeldt, Lohoff 2011) durchgeführt wurde, überwiegend hohes Verkehrsaufkommen und Baustellen (40 % bzw. 48 %) (Bild 2). Unfälle und Pannen verursachen 12 % der Staus. Der Anteil der durch schwere Unfälle verursachten Staus beträgt lediglich 5 %.
Bild 1: Entwicklung der Verkehrsstörungen (Anzahl der Staus und Gesamtstaulänge) auf Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen 2009 bis 2016
Bild 2: Geschätzte Anteile der Ursachen „Unfall/Panne“, „Baustelle“ und „hohes Verkehrsaufkommen“ am gesamten Ausmaß der Staus auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen (Geistefeldt/Lohoff 2011)
Was die räumliche Verteilung der Staus anbelangt, gibt es große regionale Unterschiede. Grund dafür ist die Struktur des Landes und in der Folge die Verteilung der Einwohner, die zu etwa 80 % in den Metropolregionen an Rhein und Ruhr leben. Insgesamt gibt es 29 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Dementsprechend hoch ist dort das regionale Verkehrsaufkommen, das vor allem von Berufspendlern erzeugt wird und zu erheblichen Teilen über das Autobahnnetz abgewickelt wird.
Auf der anderen Seite gibt es in Nordrhein-Westfalen aufgrund der geografischen Lage viele Streckenabschnitte mit hohem Fernverkehrsanteil. Das engmaschig angeordnete Autobahnnetz erfüllt nämlich eine bedeutende Verbindungsfunktion für den europäischen Fernverkehr zwischen den wichtigen Wirtschaftsräumen in den Benelux-Ländern (Rotterdam, Amsterdam, Antwerpen etc.) und Deutschland (Rhein-Ruhr, Rhein-Neckar, Rhein-Main etc.) sowie im östlichen und südlichen Europa. Dies gilt insbesondere für den Güterverkehr.
In der Folge ist das Autobahnnetz zu großen Teilen hoch belastet und in Stoßzeiten in zunehmendem Maße überlastet. Diese Situation wird sich durch den weiter zunehmenden Verkehr in Zukunft noch verschärfen – auch diese Aussage gilt besonders für den Güterverkehr. Zusätzlich gibt es mittlerweile neue punktuelle Einschränkungen – vor allem durch nicht mehr ausreichend tragfähige Brücken, wodurch die verfügbaren Ausweichstrecken zusätzlich belastet werden. Bekanntestes Beispiel dafür ist sicherlich die Leverkusener Rheinbrücke der A 1, die seit Juni 2014 nur noch von Fahrzeugen bis 3,5 t befahren werden darf.
Durch die Staus werden hohe volkswirtschaftliche Schäden verursacht. Die Angaben dazu, wie hoch diese Schäden tatsächlich sind, hängen von dem zugrunde liegenden Berechnungsmodell ab und schwanken daher stark. Geistefeldt und Lohoff (2011) nennen z. B. in ihrem Staugutachten einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von etwa 250 Mio. Euro pro Jahr. In der Machbarkeitsstudie zur Einrichtung der Verkehrszentrale NRW (2009) werden jährliche Staukosten in Höhe von 745 Mio. Euro genannt.
Um das Grundbedürfnis der Wirtschaft und der Bürger nach Mobilität bedienen zu können und damit die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Landes und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu sichern, ist die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur dringend erforderlich. Dem hat der Bund mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan, in den zahlreiche neue Maßnahmen zum Ausbau des Autobahnnetzes in Nordrhein-Westfalen aufgenommen wurden, Rechnung getragen. Klar ist, dass die Umsetzung dieses Programms aufgrund der aufwändigen Planungs- und Realisierungsprozesse sehr viel Zeit kosten wird.
Eine mindestens ebenso so große Herausforderung stellen die zwingend notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur dar. Im Gegensatz zum Neubau besteht hier in der Regel immer die Notwendigkeit, unter fließendem Verkehr zu bauen. Es liegt auf der Hand, dass dies in einem Netz, das kaum Kapazitätsreserven bietet, besonders problematisch ist. Hier können Maßnahmen zur intelligenten Verkehrsbeeinflussung ansetzen. Diese haben vielfach bewiesen, dass sie einen wertvollen Beitrag leisten können, um Kapazitätsprobleme zu lösen oder zumindest zu mindern, und so die vorhandene Straßeninfrastruktur bestmöglich genutzt werden kann.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen das Thema Mobilität mit dem besonderen Aspekt der Stauvermeidung im Fernstraßenbereich als ein zentrales verkehrspolitisches Ziel definiert. In der Umsetzung dessen hat das Landeskabinett im Jahr 2012 beschlossen, Planung, Bau, Betrieb und Steuerung sämtlicher verkehrstelematischer Systeme in einer neu einzurichtenden Verkehrszentrale zu bündeln, um den Verkehrsablauf auf den Autobahnen effektiver steuern zu können.
2 Die Verkehrszentrale NRW
Die neue Verkehrszentrale Nordrhein-Westfalen ist Teil des Landesbetriebs Straßenbau (Straßen.NRW) und wurde 2013 in Betrieb genommen. Sie ist zuständig für Planung, Bau und Unterhaltung sowie Betrieb sämtlicher Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den nordrheinwestfälischen Autobahnen. Vorher waren diese Aufgaben auf verschiedene Dienststellen von Straßen.NRW sowie auf die Bezirksregierungen Arnsberg und Köln verteilt.
Die Verkehrszentrale hat die Aufgabe, Verkehrsmanagementmaßnahmen zu entwickeln und mit Hilfe verschiedener Verkehrsbeeinflussungssysteme umzusetzen. Im Fokus stehen dabei die rund 2.200 km Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen. Zum 1. 1. 2014 wurden zusätzlich auch die Aufgaben des regionalen Verkehrsmanagements der ehemaligen Ruhrpilot-Besitzgesellschaft übernommen. Weitere Kernaufgaben der Verkehrszentrale sind die Themen Baustellenmanagement und Verkehrsinformation.
Technisch wurden in der Verkehrszentrale NRW sämtliche Anlagen und Prozesse von der Datenerfassung und Datenhaltung, über Netz-, Strecken- und Knotenbeeinflussungsanlagen, Zuflussregelungsanlagen und Anlagen zur temporären Seitenstreifenfreigabe bis hin zu Systemen für die Bereitstellung und Vermittlung von Informationen an die Verkehrsteilnehmer und an Dritte (z. B. Diensteanbieter) integriert. Mit der Verkehrszentrale ist es erstmalig in Nordrhein-Westfalen möglich, sämtliche telematischen Anlagen aus einer Hand zu unterhalten und zu steuern.
Um den Regierungsbeschluss zur Einrichtung der Verkehrszentrale von Anfang 2012 möglichst schnell umzusetzen, wurde am Standort der Autobahnmeisterei in Leverkusen zunächst ein so genanntes modulares Bürogebäude als Erstbetriebslösung errichtet (Bild 3). Parallel wurde der darin vorgesehene Kontrollraum für die Bedienung sämtlicher Anlagen konzipiert, die erforderliche technische Einrichtung ausgeschrieben und installiert. Die Umschaltung sämtlicher telematischer Anlagen auf die Verkehrszentrale erfolgte sukzessive, so dass der Kontrollraum ab Februar 2013 voll einsatzfähig war (Bild 4). Im Frühjahr 2013 konnte die Verkehrszentrale den Testbetrieb erfolgreich aufnehmen. Am 29. 4. 2013 erfolgt die feierliche Inbetriebnahme durch Michael Groschek, den Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Seitdem ist die Verkehrszentrale rund um die Uhr in Betrieb.
Bild 3: Gebäude der Verkehrszentrale in Leverkusen
Bild 4: Kontrollraum der Verkehrszentrale (Quelle: Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG)
3 Verkehrslenkung und -beeinflussung
Das übergeordnete Ziel der Verkehrszentrale ist die Sicherstellung eines möglichst sicheren und störungsfreien Verkehrs. Insgesamt betreibt sie im infrastrukturellen Bereich folgende telematischen Anlagen:
- 21 Streckenbeeinflussungsanlagen mit 538 Richtungskilometern Netzabdeckung,
- 2 Anlagen zur dynamischen Fahrstreifenzuteilung,
- 3 Anlagen zur temporären Seitenstreifenfreigabe,
- 96 Anlagen zur Zuflussregelung an Anschlussstellen,
- 86 dWiSta-Tafeln zur Netzbeeinflussung,
- 200 Webcams an 100 Standorten.
Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen für den Projektplan Straßenverkehrstelematik des Bundes gemeldet. Für die nächsten Jahre ist die Umsetzung folgender Maßnahmen bereits durch den Bund genehmigt (Bild 5):
- Neubau von Streckenbeeinflussungsanlagen auf der A 3 zwischen Autobahnkreuz Oberhausen und Autobahnkreuz Leverkusen,
- Anlagen zur temporären Seitenstreifenfreigabe auf der A 3 zwischen Autobahnkreuz Ratingen-Ost und Autobahnkreuz Hilden sowie auf der A 52 zwischen Anschlussstelle Mönchen Gladbach-Nord und Autobahnkreuz Neersen,
- 15 Anlagen zur Zuflussregelung an Anschlussstellen,
- Neubau von 90 dWiSta-Tafeln (vorwiegend im Ruhrgebiet).
Bild 5: Vorhandene und geplante Verkehrsbeeinflussungsanlagen im Ruhrgebiet
Die Schwerpunkte der neu eingerichteten Verkehrszentrale liegen auf der zentralen Koordination sämtlicher verkehrstechnischer Maßnahmen, der einheitlichen Parametrierung und Steuerung sowie der landesweiten Vereinheitlichung der Planungsstandards für die Errichtung von Telematiksystemen. Durch besser auf den Verkehrsfluss abgestimmte Schaltungen soll die Akzeptanz der Anlagen und damit ihre verkehrs- und sicherheitstechnische Wirkung deutlich gesteigert werden.
Wie wirksam Verkehrsbeeinflussungsanlagen im Hinblick auf Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss tatsächlich sind, wurde immer wieder durch Untersuchungen belegt. Bei einer Studie zur Wirksamkeitsuntersuchung einer Zuflussregelungsanlage auf der A 40 konnte ein Rückgang von Anzahl und Dauer der Störungen um ca. 50 % belegt werden. Das Geschwindigkeitsniveau konnte vor allem zu Spitzenzeiten deutlich angehoben werden (Trupat, Tepper et al. 2004).
Für eine Anlage zur temporären Standstreifenfreigabe auf der A 57 zwischen den AS Köln-Longerich und AS Köln-Bickendorf, die seit Mai 2011 in Betrieb ist, wurde die Stau- und Unfallentwicklung jeweils ein Jahr vor und nach Inbetriebnahme betrachtet. Dabei gingen sowohl die Gesamtzahl der Unfälle von vorher 30 pro Jahr auf 23 sowie die Unfälle mit Personenschaden von 12 auf 4 zurück. Die Anzahl der Staumeldungen verringerte sich von 376 auf 87 (-77 %!). Der Durchfluss konnte um 20 % gesteigert werden.
Ebenfalls als sehr wirksam haben sich die an vielen Stellen im Netz installierten dynamischen Informationstafeln erwiesen. Durch die Anzeigen werden den Autofahrern genaue Informationen zu Staus, Sperrungen und Störungsgrund sowie – soweit möglich – eine Umleitungsempfehlung gegeben. Die Verkehrsteilnehmer können sich dadurch auf eine Störung einstellen und ihre Route ggf. ändern. Die Beeinflussung des Verkehrs macht dabei nicht an den Grenzen Nordrhein-Westfalens halt. Bereits seit vielen Jahren kommen mit den benachbarten Bundesländern sowie Belgien und den Niederlanden abgestimmte Strategien zum Einsatz, mit denen der Verkehr bei größeren und länger andauernden Störungen weiträumig umgeleitet werden kann. Die Wirksamkeit solcher Wechselwegweisungsanlagen wurde u. a. für den Korridor Köln - Eindhoven (Witteveen+Bos, 2009) ermittelt. Der monetäre Nutzen aus vermiedenen Zeitverlusten wurde dabei für das Untersuchungsjahr 2007 mit mehr als 500.000 Euro beziffert. Weitere Nutzen der Netzbeeinflussung, wie die Verbesserung von Komfort und Sicherheit der Verkehrsteilnehmer oder die Vermeidung von Staus, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
4 Verkehrsinformation
Mit der Anzahl der Staus und Störungen steigt der Bedarf der Verkehrsteilnehmer an möglichst genauen und leicht zugänglichen Informationen. Weitere Kernaufgaben der Verkehrszentrale sind deshalb die Erzeugung, Aufbereitung und Bereitstellung von hoch genauen Verkehrs- und Baustelleninformationen einschließlich der Veröffentlichung über das Verkehrsinformationsportal Verkehr.NRW (Bild 6). Das Portal liefert den Nutzern neben der aktuellen Verkehrslage eine Reihe weiterer Informationen. Dazu gehören z. B. Informationen zu Baustellen einschließlich Angaben zur Verkehrsführung und der verfügbaren Restfahrbahnbreite. Der Entschluss, ein solches Portal einzurichten, stützt sich u. a. auch auf die Einschätzung unabhängiger Verkehrsexperten, die im Zuge der Mobilitätskonferenz der Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2011 in Düsseldorf Vorschläge für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in NRW erarbeitet haben. Die Einführung eines Verkehrsportals war eine der zentralen Empfehlungen.
Das Portal befindet sich seit Herbst 2015 im Regelbetrieb und bietet diverse Informationen und einen Routing-Dienst für den Individualverkehr, den öffentlichen Verkehr und das Rad. Für Busse und Bahnen können zudem im Bereich des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) und NRW-weit im Netz der Bahn AG aktuelle Abfahrtszeiten abgerufen werden. Dass das Portal gut ankommt, zeigt zum einen der kontinuierliche Anstieg der Nutzerzahlen. Zum anderen wurde es 2015 mit dem so genannten GIS Award der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement ausgezeichnet. Der Preis wird für beispielhaft umgesetzte GIS- Projekte vergeben.
Neben der Bereitstellung des Verkehrsportals erzeugt die Verkehrszentrale auf Basis der weitgehend flächendeckenden Verkehrserfassungsstellen im Autobahnnetz automatisch Verkehrsmeldungen, die laufend an die Landesmeldestelle der Polizei weitergegeben werden. Diese Meldungen bilden die Grundlage für den für den Verkehrswarndienst und das Radiodatensystem Traffic-Message-Channel (RDS-TMC), auf das Navigationsdienste verschiedener privater Anbieter aufsetzen. Die Bereitstellung der Verkehrsmeldungen sowie der aktuellen Verkehrslage und der Baustellenmeldungen für Dritte erfolgt über den so genannten Mobilitätsdatenmarktplatz des Bundes. Zusätzlich sind die Daten auch unter dem Portal Open NRW für jedermann freizugänglich.
Bild 6: Verkehrsportal Verkehr.NRW
5 Baustellenmanagement
Ein wesentlicher Aspekt, der mit der Einrichtung der Verkehrszentrale verfolgt wird, ist die Verbesserung des Baustellenmanagements. Baumaßnahmen sind für die Erhaltung und den Ausbau der Infrastruktur unerlässlich. Die Anzahl der Baustellen ist in den letzten Jahren gestiegen und sie wird weiter zunehmen. Grund dafür ist, dass der Bund als Straßenbaulastträger zunehmend mehr Geld für die erforderliche Unterhaltung und den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung stellt. Umso wichtiger ist die Zielsetzung von Straßen.NRW sowohl Tages- wie auch Dauerbaustellen so verkehrsverträglich wie möglich abzuwickeln. Wie oben bereits beschrieben, gibt es bereits eine große Anzahl von Staus durch tägliche Überlastung des Autobahnnetzes. Baustellen reduzieren die schon zu geringe Kapazität der Infrastruktur weiter.
Der Verkehrszentrale kommt im Bereich des Baustellenmanagements eine zentrale Rolle zu. Sie ist die Stelle bei Straßen.NRW, die die Auswirkungen geplanter Maßnahmen an Bundesautobahnen analysiert und aus verkehrlicher Sicht bewertet. Die dazu erforderlichen Grundlagen liegen in der Verkehrszentrale durch die netzweite Erfassung des Verkehrs und die systematische Auswertung der Messwerte vor. Für die meisten Streckenabschnitte stehen detaillierte Ganglinien der Verkehrsbelastung zur Verfügung. Die Verkehrszentrale verfügt zudem über entsprechende Methoden, aus diesen Daten z. B. Länge und Dauer von Staus an Baustellen einschätzen zu können.
Die Kenntnisse über die verkehrlichen Auswirkungen sind die Grundlage für die gemeinsame Abstimmung aller Baumaßnahmen (Aufstellung der Baubetriebsplanung) mit den bauausführenden Stellen bei Straßen.NRW sowie mit den anderen beteiligten Behörden. Dies sind in der Regel die Verkehrsbehörde für Autobahnen und die Polizei, teilweise auch betroffene Kommunen und Kreise und die Feuerwehr.
Der bei Straßen.NRW eingeführte Koordinierungsprozess ist mehrstufig aufgebaut. Anhand verschiedener Kriterien, die sich aus den einschlägigen Regelwerken und Vorgaben des Bundes ergeben, wird systematisch geprüft, inwieweit eine Maßnahme verkehrsbehindernd ist. Auf diese Weise wird der Fokus auf die bedeutenden Maßnahmen gerichtet. Aufgrund der langen Bauvorlaufzeiten und der vielen anderen zu berücksichtigenden Abhängigkeiten ist es dabei sehr wichtig, dass dieser Koordinierungsprozess so früh wie möglich beginnt. Handlungsspielräume ergeben sich aus Varianten der zeitlichen und/oder räumlichen Reihung von Baumaßnahmen im Netz oder aus alternativen Baustellenverkehrsführungen. Grundsätzliche Zielsetzung bei der Planung von Baustellen sind u. a. die Beibehaltung der Anzahl der Fahrstreifen auch in der Baustelle und die Aufrechterhaltung von Fahrbeziehungen. Wenn möglich wird in verkehrsärmere Zeiten, wie z. B. Schulferien, Wochenenden oder Nächte ausgewichen. Darüber hinaus können auch die Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den Autobahnen dazu beitragen, den Verkehr besser im Netz zu verteilen. Über die dynamischen Informationstafeln können die Autofahrer z. B. auf Störungen hingewiesen und wenn möglich umgeleitet werden. Aus diesem Grund ist die netzweite Betrachtung der Baustellen besonders wichtig (Bild 7).
Bild 7: Netzmaschen im nordrhein-westfälischen Autobahnnetz
In Einzelfällen kann es jedoch auch sinnvoll sein, Streckenabschnitte komplett zu sperren, um so notwendige Baumaßnahmen deutlich schneller durchführen zu können als es bei einer konventionellen Baustellenverkehrsführung möglich wäre. Bekanntestes Beispiel, dass ein solches Konzept sehr gut funktionieren kann, ist sicherlich die Sperrung der A 40 im Bereich der Stadt Essen, die 2012 für drei Monate komplett gesperrt wurde. Sperrungen kürzerer Dauer – nachts oder übers Wochenende – sind mittlerweile an der Tagesordnung. Zumindest im Sommerhalbjahr gibt es praktisch keine Wochenenden ohne baustellenbedingte Einschränkungen. Um die Auswirkungen solcher Baustellen möglichst gering zu halten, ist die Bereitstellung von aktuellen Verkehrs- und Baustellenmeldungen ein wichtiger Aspekt. Dazu dienen die bekannten Informationskanäle, wie der gesprochene Verkehrswarndienst, TMC-Meldungen, die in Navigationsgeräten automatisch verarbeitet werden, und natürlich das bereits angesprochene Verkehrsportal Verkehr.NRW. Genau aus diesem Grund verfügt das Verkehrsportal zusätzlich über einen News-Block, über den sich der Autofahrer vor Fahrtantritt einen schnellen Überblick über aktuelle baustellenbedingte Sperrungen oder besondere Störfälle verschaffen kann.
Viele Großbaustellen zeigen allerdings auch, dass verkehrliche Maßnahmen und Verkehrsinformationen alleine nicht ausreichen. Eine intensive begleitende Öffentlichkeitsarbeit durch die Zentrale Kommunikation des Landesbetriebs und der jeweils bauausführenden Niederlassung kommt deshalb eine immer größere Bedeutung zu. Nur so kann zumindest ein Teil der Verkehrsteilnehmer dazu gebracht werden, ihr Mobilitätsverhalten entsprechend anzupassen - z. B. durch Vermeidung von Fahrten, Wahl anderer Fahrzeiten oder anderer Verkehrsmittel, Bildung von Fahrgemeinschaften etc. Ein gutes Beispiel, dass dies auch tatsächlich funktioniert, war die Sanierung der Fahrbahnübergänge an der Bonner Nordbrücke der A 565 in den Sommerferien 2014. Aus baulichen Gründen war es unausweichlich, beide Fahrtrichtungen jeweils auf einen Fahrstreifen zu reduzieren. Zweifellos hat die Maßnahme sehr große Verkehrsprobleme für den Bonner Raum bedeutet. Das durch Modellrechnungen prognostizierte völlige Zusammenbrechen des Verkehrs ist hingegen ausgeblieben. Das Mobiliätsverhalten vieler Verkehrsteilnehmer konnte in diesem Fall also ganz offensichtlich durch intensive Öffentlichkeitsarbeit entscheidend beeinflusst werden. Gleichzeitig macht dieses Beispiel aber auch deutlich, dass solche Effekte mit den üblichen Verkehrsmodellen praktisch nicht abgebildet werden können.
6 Zusammenfassung
Die Unterhaltung der Autobahnen in Nordrhein-Westfalen bedeutet große Herausforderungen. Grund dafür ist, dass das Autobahnnetz in vielen Bereichen bereits ohne Baustellen überlastet ist. Fast jeder Eingriff verursacht deshalb eine zusätzliche Störung des Verkehrs. Vor diesem Hintergrund ist die bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur mit Hilfe von Verkehrsmanagementmaßnahmen, einem systematischen Baustellenmanagement und möglichst genauen Verkehrs- und Baustelleninformationen besonders wichtig. Um die Effizienz des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen in diesen Bereichen zu steigern, hat die Landesregierung 2012 die Einrichtung einer integrierten Verkehrszentrale beschlossen. In der Verkehrszentrale, die ihren Betrieb Anfang 2013 aufgenommen hat, werden sämtliche Aktivitäten des Landebetriebs in diesen Aufgabenfeldern gebündelt. Für das Baustellenmanagement wurde ein gestuftes Vorgehen eingeführt, das eine systematische Prüfung sämtlicher Baumaßnahmen im Hinblick auf ihre verkehrliche Wirkung einschließlich der Wechselwirkungen vorsieht. Ziel ist dabei, die Baumaßnahmen räumlich und zeitlich besser zu reihen sowie nach Möglichkeit Optimierungen bei den einzelnen Baustellenverkehrsführungen zu erreichen. Die Verkehrsbeeinflussungsanlagen werden gegebenenfalls unterstützend eingesetzt – vor allem zur Information und bei großräumiger Umleitung des Verkehrs. Begleitend dazu wurde mit dem Verkehrsportal Verkehr.NRW ein neues Informationsangebot für die Verkehrsteilnehmer aufgebaut. Baumaßnahmen mit besonders großem Einfluss auf den Verkehrsablauf begleitet der Landesbetrieb mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit. Insgesamt betrachtet sind die beschrieben Instrumente inzwischen bei Straßen.NRW etabliert und als Bestandteile eines modernes Infrastrukturmanagement unverzichtbar.
Literaturverzeichnis
- Geistefeldt, J.; Lohoff, J. (2011): Stausituationen auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen. Studie des Lehrstuhls für Verkehrswesen der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bau, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, 2011
- Kreuzberg, B.; Kirschfink, H. (2009): Machbarkeitsstudie Verkehrszentrale NRW. Studie im Auftrag des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, 2009
- Trupat, S.; Tepper, M.; Colmer, H. SSP (2004): Begleituntersuchung der Zuflussregelungsanlagen Essen-Frillendorf und Essen-Kray. Gutachten der SSP Consult Beratende Ingenieure GmbH, 2004
- Witteveen+Bos, (2009): Cross Border Management Evaluation: Eindhoven – Cologne, Rotterdam – Antwerp, Arnhem – Oberhausen. Gutachten im Auftrag von Rijkswaterstaat VCNL und Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, 2009
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