Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Bauprodukte im Sinne der europäischen Bauproduktenrichtlinie (BPR) sind Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die dauerhaft in bauliche Anlagen des Hoch- und Tiefbaus eingebaut werden sowie vorgefertigte Anlagen, wie zum Beispiel Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos. Sowohl die europäische Bauproduktenrichtlinie (BPR) als auch die am 4. April 2011 veröffentlichte Bauproduktenverordnung (BPV), die die bisherige BPR ersetzt, fordern, dass die auf dem europäischen Binnenmarkt gehandelten Bauprodukte allen "Wesentlichen Anforderungen", zum Beispiel an die Standfestigkeit, die Feuersicherheit und die Gebrauchstauglichkeit entsprechen. Neben diesen traditionell im Baurecht verankerten Anforderungen fordern die BPR und die BPV explizit, dass die aus den Bauprodukten herzustellenden Bauwerke die am Verwendungsort geltenden Anforderungen an die Hygiene, die Gesundheit und den Umweltschutz erfüllen und die Gesundheit der Bewohner und der Anwohner nicht gefährden (Wesentliche Anforderung Nr. 3).
Da bisher nur wenige nationale Regelungen für Bauprodukte die Freisetzung gefährlicher Substanzen umfassen, sind zurzeit in den verabschiedeten harmonisierten europäischen Technischen Spezifikationen (Normen oder Zulassungen) nur allgemeine Hinweise auf bestehende nationale Anforderungen enthalten. Um die "Wesentliche Anforderung Nr. 3" bei der zukünftigen Aus- und Überarbeitung harmonisierter Technischer Spezifikationen stärker zu berücksichtigen, hat die Europäische Kommission am 16. März 2005 das Mandat M/366 "Entwicklung horizontaler genormter Bewertungsmethoden für harmonisierte Konzepte zu gefährlichen Stoffen gemäß der Bauproduktenrichtlinie (BPR) Emissionen in Raumluft, Boden, Oberflächenwasser und Grundwasser" herausgegeben. Das Mandat sieht vor, dass das Europäische Komitee für Normung (CEN) die notwendigen horizontalen Prüf- und Bewertungsverfahren erarbeitet. Die konkreten Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Bauprodukte sind jedoch weiterhin national durch die einzelnen Mitgliedsstaaten festzulegen.
Zur Bereitstellung der erforderlichen generischen, horizontalen Prüf- und Bewertungsverfahren hat das CEN im Jahr 2006 das Technische Komitee CEN/TC 351 "Bauprodukte: Bewertung der Freisetzung gefährlicher Substanzen" etabliert. Dieses Komitee soll bestehende, voneinander abweichende nationale Prüfmethoden oder europäische Methoden aus anderen, angrenzenden Rechtsbereichen zu harmonisierten Prüfmethoden zusammenführen (Ilvonen, Kirchner 2010). Dabei ist vorgesehen, dass diese Normungsarbeiten auch weiterhin unter den Bedingungen der Bauproduktenrichtlinie (BPR) fortgesetzt werden und nicht unter den erweiterten Bedingungen der Bauproduktenverordnung (BPV). Im CEN/TC 351 sind neben den nationalen Normungsinstituten die Europäische Organisation für Technische Zulassungen (EOTA), der Europäische Umweltverband (ECOS) und verschiedene Industrieverbände vertreten. Weiterhin besteht eine intensive Zusammenarbeit mit einer Vielzahl europäischer technischer Komitees (Bild 1). Die Literatur (Ilvonen, Spanka et al. 2011) gibt einen Überblick über die derzeitigen Aktivitäten des CEN/TC 351.
Bild 1 : Überblick über die am CEN/TC 351 beteiligten Ausschüsse und Organisationen (Ilvonen, Kirchner 2010) Von wesentlicher Bedeutung für die anstehenden Normungsarbeiten ist, dass in dem Mandat M/366 ein mehrstufiges Nachweiskonzept vorgesehen ist. Dieses Konzept soll sicherstellen, dass nur dort Nachweise gefordert werden, wo dies für das jeweilige Bauprodukt tatsächlich notwendig ist. Im Einzelnen sind die folgenden Nachweiskonzepte vorgesehen:
– Nachweis ohne Prüfung (Without Testing), sog. "WT-Produkte",
– Nachweis ohne weitere Prüfung (Without Further Testing), sogenannte WFT-Produkte.
Die Europäische Kommission geht dabei davon aus, dass für eine große Anzahl von Bauprodukten nachgewiesen werden kann, dass sie keine regulierten, gefährlichen Substanzen enthalten oder diese nicht in Mengen oberhalb der in einem Mitgliedsstaat festgelegten Grenzen in Boden, Grund- und Oberflächenwasser oder die Innenraumluft freisetzen.
CEN/TC 351 hat in den letzten Jahren drei Entwürfe für harmonisierte Prüfnormen ausgearbeitet. Zwei dieser Normen sind für die Untersuchung der Auslaugung anorganischer und organischer Substanzen aus Bauprodukten vorgesehen. Dies sind ein Tanktest für monolithische Bauprodukte "Generic horizontal dynamic surface leaching test (DSLT) for determination of surface dependent release of substances from monolithic or plate-like or sheet-like construction products" und ein Säulentest für körnige Bauprodukte "Generic horizontal up-flow percolation test for determination of release of substances from garnular construction products" (Bild 2). Die dritte Prüfmethode behandelt die Prüfung der Freisetzung flüchtiger Verbindungen in die Innenraumluft anhand von Prüfkammermessungen "Determination of emissions into indoor air". Bild 2: Foto eines Betonwürfels im Tanktest (links); Foto eines körnigen Bauprodukts im Säulentest (rechts, Quelle: FEhS, Duisburg) Bevor die vom CEN/TC 351 erarbeiteten Prüfmethoden den Status einer Europäischen Norm erlangen können, sind Robustheitsprüfungen und in einem zweiten Schritt Ringversuche erforderlich. Nach den Robustheitsprüfungen werden die Normentwürfe gegebenenfalls entsprechend den Prüfergebnissen angepasst und als Technische Spezifikation (TS) zur Veröffentlichung eingereicht. Da die Finanzierung der Validierungsuntersuchungen durch die Europäische Kommission im Jahr 2009 noch nicht feststand, wurde vom Umweltbundesamt (UBA) ein Forschungsvorhaben zur Robustheitsprüfung des Tanktests für Beton und Mörtel an den Verein Deutscher Zementwerke e. V. gemeinsam mit dem Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University vergeben, um den Prozess zu fördern (Nebel, Spanka 2011).
2 Durchführung des Forschungsvorhabens
2.1 Beton
2.1.1 Betonherstellung
Für die Robustheitsprüfung des Tanktests wurden 28 Betonwürfel mit 100 mm Kantenlänge entsprechend dem Teil II der Grundsätze zur "Bewertung der Auswirkungen von Bauprodukten auf Boden und Grundwasser" des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) hergestellt und gelagert (DIBt 2009). Für die Betonherstellung wurde ein Portlandzement CEM I 42,5 R eingesetzt. Die Tabelle 1 zeigt die chemische Zusammensetzung und die Tabelle 2 die Spurenelementgehalte des Zements. Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung des Portlandzements CEM I 42,5 R (Röntgenfluoreszenzanalyse, Angaben glühverlusthaltig)
Tabelle 2: Gehalt der Spurenelemente in dem Portlandzement CEM I 42,5 R
2.1.2 Auslaugergebnisse für den Beton
In einem ersten Schritt wurden acht Betonwürfel entsprechend dem Normentwurf für den Tanktest (DSLT) ausgelaugt. Das Alter der Probekörper bei Beginn des Auslaugversuchs betrug 56 Tage. Die gewonnenen Eluate wurden entsprechend den DIBt-Grundsätzen hinsichtlich der anorganischen Parameter untersucht, für die ein Geringfügigkeitsschwellenwert definiert wurde (siehe dazu Tabelle 4). Außerdem wurden die Natrium- und Kaliumkonzentration sowie der pH-Wert und die elektrische Leitfähigkeit ermittelt. Bei den Auslaugversuchen mit den weiteren 20 Betonwürfeln wurden die Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3 variiert. Diese Versuche erfolgten jeweils als Doppelbestimmung.
Tabelle 3: Variation der Prüfbedingungen bei den Betonversuchen (Doppelbestimmung)
Die Auswertung der Auslaugergebnisse für die Achtfachbestimmung hat gezeigt, dass die kumulierte Freisetzung für die Elemente Kalium, Natrium, Selen und Vanadium gut übereinstimmt. Bei den anderen Parameter werden dagegen teilweise größere Streuungen beobachtet. Die Bilder 3 und 4 zeigen exemplarisch den zeitlichen Verlauf der kumulierten Freisetzung für die Parameter Chlorid und Kalium. Die große Streuung für einige Parameter muss jedoch auch im Zusammenhang mit den in vielen Fällen sehr geringen Konzentrationen, die häufig in der Nähe oder unterhalb der Bestimmungsgrenze der eingesetzten empfindlichen Analysenmethoden liegen, gesehen werden. In den Tabellen 4 und 5 sind dazu die einzelnen Eluatkonzentrationen für die in den Bildern 3 und 4 dargestellten Parameter zusammengefasst. In der Tabelle 6 sind die relativen Standardabweichungen (Variationskoeffizient V) der kumulierten Freisetzungsmengen bei der Achtfachbestimmung für alle untersuchten Parameter aufgelistet. Die Bilder 5 und 6 zeigen exemplarisch den zeitlichen Verlauf der kumulierten Chrom- und Natriumfreisetzung bei der Variation der Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3. Außerdem sind in den Bildern die Mittelwerte der Achtfachbestimmung mit aufgeführt. Aus den Bildern 5 und 6 geht hervor, dass die Auslaugergebnisse für die Parameter Chrom und Natrium, die entsprechend der niederländischen Norm NEN 7375 (NEN 2004) und dem DAfStb-Langzeit-standtest erhalten wurden, in etwa in der Mitte des Streubereichs aller durchgeführten Versuchsvarianten liegen. Bild 3: Chloridfreisetzung bei der Achtfachbestimmung Bild 4: Kaliumfreisetzung bei der Achtfachbestimmung
Tabelle 4: Gemessene Chloridkonzentrationen bei der Achtfachbestimmung
Tabelle 5: Gemessene Kaliumkonzentrationen bei der Achtfachbestimmung
Tabelle 6: Relative Standardabweichung (Variationskoeffizient V) bei der Achtfachbestimmung für alle untersuchten Parameter
Bild 5: Chromfreisetzung bei der Variation der Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3 sowie die Mittelwerte der Achtfachbestimmung Bild 6: Natriumfreisetzung bei der Variation der Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3 sowie die Mittelwerte der Achtfachbestimmung
2.2 Mörtel
2.2.1 Mörtelherstellung
Für die Robustheitsprüfung des Tanktests für Mörtel wurde ein Armierungsputz mit einem hohen Anteil eines organischen Zusatzstoffes verwendet, um die Eignung des Tanktests auch für die Untersuchung der Abgabe organischer Substanzen (TOC-Freisetzung) festzustellen. Aus der Fertigmischung des Putzes wurden 16 Mörtelwürfel mit 100 mm Kantenlänge entsprechend dem Teil II der DIBt-Grundsätze hergestellt und gelagert (DIBt 2009). Das Wasser/ Feststoff-Verhältnis betrug entsprechend den Herstellerangaben 1 zu 5,3. Die Tabelle 7 zeigt die chemische Zusammensetzung und die Tabelle 8 die Spurenelementgehalte des Armierungsputzes. Tabelle 7: Chemische Zusammensetzung des Armierungsputzes (Röntgenfluoreszenzanalyse, Angaben glühverlusthaltig)
Tabelle 8: Gehalt der Spurenelemente in dem Armierungsputz
2.2.2 Auslaugergebnisse für den Mörtel
In einem ersten Schritt wurden zwei Mörtelwürfel entsprechend dem Normentwurf für den Tanktest DSLT ausgelaugt. Das Alter der Probekörper bei Beginn des Auslaugversuchs betrug 56 Tage. In den gewonnenen Eluaten wurden die gleichen Parameter ermittelt wie bei den Betonversuchen, zusätzlich wurde die TOC-Freisetzung bestimmt. Bei den Auslaugversuchen mit den weiteren 14 Mörtelwürfeln wurden die Prüfbedingungen gemäß Positionen Nr. 1, 3, 5, 6, 7 und 8 der Tabelle 3 variiert. Das Bild 7 zeigt exemplarisch den zeitlichen Verlauf der kumulierten Natriumfreisetzung und das Bild 8 den der TOC-Freisetzung. Bild 7: Natriumfreisetzung bei der Variation der Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3 sowie der Mittelwert der Doppelbestimmung Bild 8: TOC-Freisetzung bei der Variation der Prüfbedingungen gemäß Tabelle 3 sowie der Mittelwert der Doppelbestimmung
3 Fazit
Die Ergebnisse der Achtfachbestimmung für die Betonauslaugung zeigen eine relativ große Streubreite für einige Spurenelemente und Anionen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Messwerte nahe oder unterhalb der Bestimmungsgrenze der eingesetzten empfindlichen Analysemethoden liegen. Dagegen zeigen die Auslaugergebnisse für die Parameter Kalium und Natrium, also für Elemente, die in größeren Mengen und weitgehend vollständig gelöst im Porenwasser vorliegen und deren Auslaugung im Wesentlichen diffusionskontrolliert erfolgt, bei allen Prüfungen eine sehr gute Übereinstimmung. Hier liegt die relative Standardabweichung unter 15 %. Auch die Variation der Prüfbedingungen hat nur einen geringen Einfluss auf die Auslaugmengen. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Tanktest an sich robust ist. Ob die größeren Streubreiten für einige Spurenelemente und Anionen auf den Auslaugtest, auf Inhomogenitäten des Betons oder Mörtels oder auf die chemische Analytik zurückzuführen sind, konnte in dem UBA-Forschungsvorhaben nicht geklärt werden. Hier besteht auf jeden Fall noch Klärungs-/Forschungsbedarf.
Die Ergebnisse für den Armierungsputz bestätigen die Ergebnisse für den Beton. Anhand der festgestellten TOC-Freisetzung kann gefolgert werden, dass der Tanktest auch für die Untersuchung der Freisetzung organischer Substanzen aus zementgebundenen Bauprodukten geeignet ist. Ein weiteres wesentliches Ergebnis des UBA-Forschungsvorhabens ist, dass die Auslaugergebnisse für die Parameter Kalium, Natrium und TOC, die entsprechend der niederländischen Norm NEN 7375 und dem DAfStb-Langzeitstandtest erhalten wurden, im Streubereich aller durchgeführten Versuchsvarianten liegen. Dies zeigt, dass eine Übertragung der Auslaugergebnisse dieser beiden Tests auf den 36-Tage-Standtest gemäß dem europäischen Normentwurf (DSLT) relativ einfach möglich sein sollte. Weiterhin kann aus den Untersuchungsergebnissen gefolgert werden, dass keine Änderungen des europäischen Normentwurfs bezüglich der Spannweiten der vorgesehenen Prüfbedingungen erforderlich sind.
Danksagung
Dieses Forschungsvorhaben wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des Umweltforschungsplanes Förderkennzeichen 370995 303 erstellt und mit Bundesmitteln finanziert. Der umfassende Abschlussbericht wurde vom Umweltbundesamt in elektronischer Form veröffentlicht und ist als Download unter http://www.uba.de/uba-info-medien/4153.html verfügbar.
Literaturverzeichnis
Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (2005): DAfStb-Richtlinie: Bestimmung der Freisetzung anorganischer Stoffe durch Auslaugung aus zementgebundenen Baustoffen. Teil I: Grundlagenversuch zur Charakterisierung des Langzeitauslaugverhaltens, Ausgabe Mai 2005. Beuth Verlag, Berlin und Köln, Vertriebsnummer 65039
Deutsches Institut für Bautechnik (2009): Grundsätze zur Bewertung der Auswirkungen von Bauprodukten auf Boden und Grundwasser Teil I, Mai 2009. DIBt Mitteilungen 4, Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 116134. Teil II, Juli 2009 und Teil III, Mai 2009. DIBt Mitteilungen 5, Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 169-179
I l v o n e n, O.; K i r c h n e r, D. (2010): Europäische Harmonisierung der Prüfnormen für die Freisetzung gefährlicher Stoffe aus Bauprodukten auf dem Weg zu einer CE-Kennzeichnung mit Emissionsklassen. DIBt Mitteilungen 4, Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 151-158
I l v o n e n, O.; S p a n k a, G.; W i e n s, U. (2011): Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Baustoffen aus europäischer Sicht ein Statusbericht zu CEN/TC 351. Mauerwerk 15, Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 13-21
N e b e l, H.; S p a n k a, G. (2011): Validierung eines europäischen Auslaugtests für Bauprodukte. Cement International 6, Verlag Bau + Technik, Erkrath, 52-65
NEN 7375:2004 "Leaching characteristics Determination of the leaching of inorganic components from moulded or monolithic materials with a diffusion test solid earthy and stony materials" |