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1 Einleitung
In dieser Zusammenfassung soll erläutert werden, wie in den Niederlanden der Prozess der langfristigen Instandhaltungsplanung durchgeführt wird. Hierbei spielen die Oberflächeneigenschaften eine entscheidende Rolle.
Im Abschnitt 2 wird ein Überblick über die wichtigsten Kenngrößen des nationalen niederländischen Straßennetzes gegeben.
Im Abschnitt 3 wird der Prozess der langfristigen Instandhaltungsplanung erläutert. Hierbei werden neben den allgemeinen Grundlagen, insbesondere die Zustandserfassung und -bewertung sowie die Planungsmethode erläutert.
Zum Schluss wird im Abschnitt 4 über Neuentwicklungen hinsichtlich der automatischen Detektion von Kornausbruch, Griffigkeit und Tragfähigkeit berichtet.
2 Merkmale des nationalen Straßennetzes in den Niederlanden
Das Bild 1 gibt einen Überblick über das nationale Straßennetz in den Niederlanden. Die hierfür zuständige Straßenbaubehörde heißt „Rijkswaterstaat“ vom Ministerium für Infrastruktur und Umwelt.
Das nationale Straßennetz, hat eine Länge von 3.100 km, eine Oberfläche von 88 km2 und ca. 4.000 große und kleine Brücken.
Bild 1: Das nationale Straßennetz in den Niederlanden
Die prozentuale Verteilung der verschiedenen Belagsarten auf dem niederländischen Autobahnnetz ist wie folgt: Offenporiger Asphalt 85 %, Dichter Asphalt 14 % und Beton 1 %.
Der Offenporige Asphalt ist für das niederländische Autobahnnetz seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts ab einer Verkehrsbelastung von 35.000 Fahrzeugen pro Tag das Standardmischgut bei Instandhaltung und Neubau. Aufgrund der Vorgaben für die Minderung von Lärm wird seit dem Jahr 2012 nur noch auf Strecken mit engen Kurven ein dichter Belag benutzt. Es wird erwartet, dass sich innerhalb von vier Jahren der Anteil von Offenporigem Asphalt auf 92 % des niederländischen Autobahnnetzes erhöht.
3 Langfristige Instandhaltungsplanung
3.1 Allgemeines
Das Ziel der langfristigen Instandhaltungsplanung ist es, einen finanziellen Rahmen für die nächsten zehn Jahre für das ganze Netz zu fixieren. Dieser Finanzrahmen wird einerseits für die Verteilung des verfügbaren Jahresbudgets und andererseits für die langfristige Budgetierung verwendet.
Bei der Instandhaltungsplanung wird eine Planung pro Hektar eines jeden Fahrstreifens für das gesamte Netz gemacht. Jedes Jahr wird die Planung erneuert. Dies ist der grundsätzliche Unterschied zu der Vorgehensweise in Deutschland.
Die Planung für die Jahre eins bis fünf basiert auf den Zustandsgrößen einer Zustandserfassung. Die Planung für die Jahre sechs bis zehn basiert auf generellen Netzwerten, welche von der Belagsart und der Zahl der Fahrstreifen abhängig sind.
3.2 Zustandserfassung
Bei der Zustandserfassung werden die nachfolgenden Eigenschaften erfasst:
– Quer- und Längsebenheit
– Griffigkeit
– Kornausbruch und Risse.
3.2.1 Quer- und Längsebenheit
Diese Eigenschaften werden seit 1986 mit dem Messsystem ARAN durch RWS gemessen, (siehe Bild 2). Rijkswaterstaat hat seitdem dass dritte Fahrzeuge zur Verfügung; das erste ARAN Fahrzeug wurde im Jahr 1986 eingeführt, das zweite im Jahr 1996 und das dritte im Jahr 2006.
Das im Jahr 2006 eingeführte Fahrzeug ist wahrscheinlich das letzte Fahrzeug, das Rijkswaterstaat selber in Betrieb genommen hat. Die Absicht ist, dass in Zukunft die Messungen durch Firmen ausgeführt werden sollen.
Für die Querebenheit werden 100-m-Mittelwerte in mm gemessen und berechnet.
Für die Längsebenheit wird der International Roughness Index (IRI) als Mittelwert pro 100 m erfasst und berechnet.
Bild 2: ARAN Automatic Road Analyser
3.2.2 Griffigkeit
In den Niederlanden wird ein selbstentwickeltes Messsystem benutzt (siehe Bild 3). Das Original stammt aus dem Jahre 1929 und wurde mit Hilfe der Technischen Universität Delft entwickelt. Das Messsystem basiert auf der Ermittlung eines Längsreibungsbeiwertes. Hierbei wird der Kraftschlussbeiwert nach dem Prinzip des definiert gebremsten Messrades mit einem profillosen PIARC Messreifen mit 86 % Schlupf ermittelt.
Mitte der 1980er Jahre sind durch eine Firma zwei holländische Messgeräte gebaut worden. Im Jahr 2005 hat eine weitere Firma ein identisches System gebaut. Im Jahr 2010 sind wieder zwei Systeme gebaut worden.
Bild 3: RWS Griffigkeitsanhänger
Mitte der 1990er Jahre wurde begonnen, alle zwei Jahre die Griffigkeit auf allen Lkw-Fahrstreifen und teilweise auf den Überholfahrstreifen zu messen. Seit dem Jahr 2009 wird die Griffigkeit jedes Jahr gemessen.
Seit einigen Jahren wird das Messprogramm für die jährliche Zustandserfassung durch zwei Firmen ausgeführt. Das Messgerät von RWS wird hauptsächlich für Messungen zur Qualitätssicherung eingesetzt.
3.2.3 Kornausbruch und Risse
Kornausbruch (Ravelling) ist ein dominantes Kriterium beim Offenporigen Asphalt. 90 % der festzustellenden Schäden beim Offenporigen Asphalt basieren auf dem Schadensmerkmal Kornausbruch.
Bild 4: Kornausbruch bei Offenporigen Belägen
Bild 5: Inspektion
Das Schadensmerkmal Kornausbruch, in den Niederlanden Raveling genannt sowie Risse werden zum jetzigen Zeitpunkt noch durch visuelle Beurteilung durch Fachleute von Firmen beurteilt. Die visuelle Beurteilung wird mit einem langsam (5 km/h) fahrenden Fahrzeug vom Standstreifen aus durchgeführt (70 % aller zu beurteilenden Flächen). Für die übrigen 30 % der Flächen erfolgt die Beurteilung durch Frontbildaufnahmen des ARAN.
3.3 Die Bewertungsgrundlagen
Die Bestimmung der Restlebensdauer des Belages basiert auf einer direkten Einschätzung auf Basis der Zustandserfassung. Das heißt, in den Niederlanden wird keine Notenbeurteilung wie in Deutschland durchgeführt.
Für die Querebenheit wird eine Extrapolierung der letzen drei Jahre bis zur Grenze von 18 mm gemacht.
Für die Längsebenheit wird ebenfalls eine Extrapolierung der letzten drei Jahre bis IRI= 3,5 durchgeführt.
Bei der Griffigkeit findet keine Einschätzung der Restlebensdauer statt. Es findet eine Beurteilung des Griffigkeitsniveaus auf Basis der Messungen der letzten drei Jahre statt. Weiterhin wird, ebenso wie in Deutschland, ein Warn- und Schwellenwert benutzt.
Beim Erreichen des Warnwertes findet eine ingenieurmäßige Beurteilung statt. Wenn das Ergebnis negativ ist, ist es notwendig Warnschilder aufzustellen und die Planung von griffigkeitsverbessernden Baumaßnahmen ist einzuleiten.
Die Bestimmung der Restlebensdauer beim Schadensmerkmal Kornausbruch und Risse geschieht direkt bei der visuellen Inspektion.
3.4 Planung
Die Erhaltungsstrategie ist abhängig von Belagsart und Zahl der Fahrstreifen. Zum Beispiel wird bei Offenporigem Asphalt der Belag des ersten Fahrstreifens im Mittel aller elf Jahre erneuert. Die Deckschichten der anderen Fahrstreifen werden im Mittel nach ca. 16 Jahren erneuert. Wenn notwendig, wird auch eine Verstärkungsmaßnahme ausgeführt.
Mit Hilfe des Berechnungsprogramms IVON (Informatiesysteem Verhardings ONderhoud) werden Planungen durchgeführt (siehe Bild 6).
Bild 6: Überblick zum niederländischen Pavement-Management-System IVON
Das Rechenprogramm IVON führt für jeden 100-m-Abschnitt eine automatische Berechnung durch. Dann wird eine weitere Optimierung durch einen Straßenbauingenieur durchgeführt, indem von ihm sinnvolle Abschnitte für durchzuführende Bauprojekte zusammengefasst werden (siehe Bild 7).
Bild 7: Grafische Projektliste
Bei dieser Optimierung wird versucht, den Verkehrsteilnehmer möglichst wenig zu beeinträchtigen. Auf diese Weise wird eine Kostenberechnung für die nächsten 10 Jahre gemacht (siehe Bild 8).
Das oben beschriebene Verfahren dient der Erstellung einer langfristigen Instandhaltungsplanung. Diese ist geeignet, um ein netzweites Jahresbudget aufzustellen. Für die detaillierte Bestimmung auf Projektebene sind jedoch auch noch weitere Untersuchungen vor Ort notwendig.
Bild 8: Kostenüberblick einer Region
4 Neue Entwicklungen
4.1 Automatische Detektion Kornausbruch und Risse
Im Jahr 2008 wurde ein neues System (TNO) für die Messung des Schweregrades des Schadensmerkmals Kornausbruch entwickelt. Das System benutzt das kanadische Messsystem LCMS. Das Messprinzip basiert auf einer dreidimensionalen Darstellung der Straßenoberfläche mit Hilfe der Lasertriangulation.
Dabei wird (siehe Bild 9), eine Infrarot-Laser-Linie (rot im Bild) kontinuierlich auf die Straßenoberfläche projeziert. Dies wird mit einer Zeilenkamera (line-scan-camera) mit einer festen Frequenz und mehreren Bildzeilen (im Bild blau) unter einem kleinen Winkel aufgenommen. Auf diese Weise wird die Texturlinie beobachtet, wobei in Querrichtung pro 1 mm ein Höhenwert und in Längsrichtung pro 5 mm ein Höhenwert festgestellt werden kann. Es wird mit einer Messgeschwindigkeit von 120 km/h gearbeitet. Der Höhenwert wird mit einer Genauigkeit von 0,5 mm erfasst.
Bild 9: Messprinzip LCMS
Bild 10: Test Messung mit LCMS
Weiterhin wurde ein Auswertealgorithmus entwickelt, um den Schweregrad und Umfang von Kornausbruch festzustellen und gleichzeitig die Restlebensdauer in diesem Zusammenhang zu ermitteln. Dieser Algorithmus wurde für die niederländischen Standarddeckschichtarten OPA 0/16 und zweilagiger OPA 4/8 entwickelt. In den Jahren 2012 und 2013 wurde mit dieser Methode eine Untersuchung auf dem gesamten Streckennetz auf allen Fahrstreifen durchgeführt.
Zukünftig sollen aufgrund der 3-D-Bilder auch Risse detektiert werden.
4.2 Griffigkeit
In den Niederlanden wird zurzeit die Griffigkeit mit einem Längskraftmessverfahren ermittelt.
Aufgrund der Europäischen Standardisierung ist jedoch abzusehen, dass das Seitenkraftmessverfahren SKM/SCRIM sehr gute Chancen hat, als europäisches Standardverfahren fixiert zu werden. Es wird bereits heute in neun europäischen Ländern eingesetzt und es sind insgesamt mehr als 45 Messgeräte in Europa im Einsatz.
Aus diesem Grunde wird seit einem Jahr in den Niederlanden darüber nachgedacht, das Seitenkraftmessverfahren als Standardverfahren zu fixieren.
Der Vorteil hiefür wäre, dass RWS kein eigenes Messgerät mehr betreiben müsste und die Qualitätsüberwachung eventuell in einer Allianz mit Deutschland durchgeführt werden könnte.
Weitere Vorteile wären:
– RWS würde mehrere Arbeitsplätze einsparen.
– Da dieses Messsystem schon in neun europäischen Ländern benutzt wird, ist mit mehr Wettbewerb zu rechnen, wodurch wiederum Kosten für die netzweite Zustandserfassung eingespart werden könnten.
– Weiterhin wird die Vergleichbarkeit von Messdaten zwischen verschiedenen Ländern verbessert.
Um eine Vergleichbarkeit der Messdaten der beiden verschiedenen Messmethoden auf den niederländischen Belägen zu erreichen, wurde im letzten Sommer in einem Distrikt in der Nähe von Arnheim und Nijmwegen eine Vergleichsuntersuchung mit beiden Messsystemen durchgeführt. Insgesamt wurden Fahrstreifen mit einer Gesamtlänge von 300 km gemessen.
Bild 11: SKM beim Vergleichstest
Bild 12: RWS Griffigkeitsanhänger
Die Messergebnisse zeigten eine gute Vergleichbarkeit. Im Durchschnitt waren die SKM-Werte ca. 20 % höher als die Werte des niederländischen Messsystems. Auf Basis der Messergebnisse des Vergleichstests wurde eine Umrechnungstabelle erstellt. Diese Tabelle wurde so ausgerichtet, dass die Anforderungen an das Sicherheitsniveau in den Niederlanden weiterhin erfüllt werden.
Im Bild 13 wird ein Überblick über die umgerechneten Warn- und Schwellenwerte der niederländischen und deutschen Systeme bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h gegeben. Zu beobachten ist, dass die niederländischen Werte höher liegen als die deutschen Werte. Daher soll in den nächsten Monaten ebenfalls ein Abgleich mit den englischen Werten gemacht werden.
Bild 13: Vergleich Griffigkeitsnormierung in den beiden Ländern
4.3 Tragfähigkeit
Bis jetzt wird die Tragfähigkeit bei den jährlichen Zustanderfassungen nicht systematisch untersucht. Nur bei Beratung auf Projektebene wird manchmal die Tragfähigkeit erfasst.
Es ist geplant, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen netzweiten Überblick zu bekommen. Momentan wird untersucht wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Es wird darüber nachgedacht, im Rahmen der visuellen jährlichen Inspektion zusätzlich den Falling Weight Deflectometer einzusetzen (siehe Bilder 14 und 15).
Es wären auch dynamische Messungen möglich, jedoch ist die Genauigkeit dieser Verfahren noch nicht sicher bestimmt.
Bild 14: Falling Weight Deflectometer
Bild 15: Bohren von Kernen |