FGSV-Nr. FGSV B 33
Ort Berlin
Datum 19.06.2019
Titel Multiskalenmodellierung AKR-induzierter Schädigung in Betonfahrbahndecken
Autoren Andreas Wiedmann, Engin Kotan, Harald S. Müller, Tagir Iskhakov, Jithender Jaswant Timothy, Günther Meschke
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Betonfahrbahnen unterliegen neben den klimatisch (wechselnd thermisch und hygrisch) bedingten und überlagerten mechanischen Einwirkungen auch zusätzlichen Beanspruchungen, die sich aus konstruktiven Gegebenheiten bzw. aus der Bauweise ergeben. Treffen auf den gegebenen Ausgangsbeanspruchungszustand die Auswirkungen einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) in Form von eingeprägten Dehnungen, als Folge der einhergehenden Treiberscheinungen, besteht die Gefahr der Rissbildung. Zur Quantifizierung des schädigenden Effekts infolge AKR wird ein mehrskaliger Ansatz zur Prognose AKR-induzierter Schäden in Fahrbahnen aus Beton vorgeschlagen. Das Berechnungsmodell ist gekennzeichnet durch eine Synthese aus mikromechanischen Teilmodellen und Finite-Elemente-Modellen. Die mehrphasigen und mehrfeldrigen numerischen Simulationen auf der Ebene der Fahrbahndecke können relevante mikromechanische Prozesse (Mikrorissbildung, Diffusion, Reaktionen) durch mehrstufige Homogenisierung einschließlich dem Bruchverhalten von Fahrbahndeckenbeton berücksichtigen. Die Möglichkeiten des Modells werden durch ausgewählte, validierte Beispiele veranschaulicht.

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1 Einführung und Motivation

In den vergangenen Jahren sind im Autobahnnetz der Bundesrepublik Deutschland vermehrt Schäden aufgetreten, die in Verbindung mit der Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) gebracht werden. Diese Schäden und die damit verbundene drastische Herabsetzung der Dauerhaftigkeit von Betonfahrbahnen haben zu einer Intensivierung der Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet geführt. Allein in Deutschland verursacht eine schädigende AKR jährliche Reparaturkosten im Millionenbereich. Im Bild 1 (Voland, 2016) sind typische AKR-Schadensbilder dargestellt.

Die Risse können hierbei netzförmig im Bereich der Längs- und Querfugen oder orientiert in Fahrtrichtung (Längsrisse) auftreten. Die im Rahmen dieses Beitrags vorgestellten Untersuchungen sollen zum besseren Verständnis der AKR dienen.

Bild 1: Fortgeschrittenes Stadium von AKR-Schäden in Form von Netzrissbildung im Fugenbereich (links) und Längsrissbildung (rechts) (Voland, 2016)

2 Experimentelle Untersuchungen

Die experimentellen Untersuchungen dienen maßgeblich zur wirklichkeitsnahen Beschreibung des Widerstandes von Beton gegenüber einer Rissbildung bzw. -entwicklung. Hierfür ist es notwendig die zeitliche Veränderung der Festigkeits- und Verformungseigenschaften eines typischen Straßenbetons zu ermitteln. Zudem müssen die aus einer AKR-provozierenden Lagerung resultierenden Dehnungen bestimmt werden.

Die Beschreibung und Darstellung erster Ergebnisse dieser experimentellen Untersuchungen sind in (Wiedmann et al., 2017) enthalten. Nach einer mechanischen Vorschädigung und 12 Zyklen der FIB-Klimawechsellagerung (FIB-KWL) mit NaCl-Prüflösung auf der Oberseite von kleinen Balken wurden resultierende Dehnungen mit einem Maximalwert von 1,26 mm/m gemessen. Die damit einhergehenden Veränderungen der mechanischen Eigenschaften wurden u. a. anhand von zentrischen Zugversuchen bestimmt. Ausgehend von der gemessenen Spannungs- Verformungsbeziehung konnten die Kennwerte der Nettozugfestigkeit fct,n und der Bruchenergie GF ermittelt werden. Im Vergleich zur Referenzlagerung (ohne mechanische Vorschädigung und Verwendung von Wasser auf der Oberseite der kleinen Balken in der FIB-KWL) wurde die Nettozugfestigkeit um etwa 40 % reduziert.

3 Modellierung AKR-induzierter Betonschädigung

Anhand der Alkalien- und Feuchteprofile (Przondziono et al., 2017) kann die lokalisierte AKR-induzierte Degradation und Expansion in bestimmten Tiefen der Betonfahrbahndecke berechnet werden. Dafür wurden ein numerisches Modell auf Mesoebene und ein analytisches mikromechanisches Modell entwickelt. Das FEM-Modell auf der Mesoebene beschreibt die Entwicklung des Alkali-Kieselsäure-Gels in und um die reaktionsfähigen Gesteinskörner.

Wenn genug Feuchtigkeit vorhanden ist, schwillt das Gel an und verursacht einen internen Druck, welcher Spannungen und damit das Mikrorisswachstum bewirkt. Das mikromechanische Modell beschreibt das Mikrorisswachstum, das sowohl die Degradation als auch die Expansion des Betons in der Makroebene charakterisiert.

3.1 Modellierung der AKR-Kinetik und der Gelbildung auf Mesoebene

Die Verteilung des Alkali-Kieselsäure-Gels in einem repräsentativen Elementarvolumen (REV) in der Mesoebene, die durch die in der porösen Zementsteinmatrix eingebetteten kugelförmigen Gesteinskörner charakterisiert ist, wird mit Hilfe eines FEM-Modells bestimmt. Der Reaktionsprozess wird in drei Schritten beschrieben. Der erste Schritt beinhaltet eine Hydrolyse des reaktionsfähigen Siliciumdioxids durch Hydroxidionen, welche durch die folgende Reaktion beschrieben wird.

Gleichung (1) siehe PDF

Im zweiten Schritt reagiert die Kieselsäure mit den Hydroxidionen zu Alkali-Kieselsäure-Gel und Wasser:

Gleichung (2) siehe PDF

Im dritten Schritt nimmt das Alkali-Kieselsäure-Gel die in den Poren vorhandene Feuchte auf:

Gleichung (3) siehe PDF

Mit Kennzeichnung der Konzentration von Reaktionsmittel und Reaktionsprodukt durch Großbuchstaben (A – Siloxane, B – Alkalien, C – Alkali-Kieselsäure-Gel, D – Kieselsäure, E – Feuchte, F – expandiertes Alkali-Kieselsäure-Gel) kann der oben genannte chemische Prozess folgendermaßen beschrieben werden:

Gleichung (4) siehe PDF

wobei t die Zeit und k1, k2, k3 die Geschwindigkeitskonstanten der oben genannten drei Reaktionen sind. Der Zusammenhang zwischen den drei Geschwindigkeitskonstanten kann wie folgt angenommen werden k1: k2: k3 = 1: 30: 60 (Saouma et al., 2015). D eff ist der effektive Diffusionskoeffizient des Reaktionsmittels oder Reaktionsprodukts j = A, B, C, D, E, F; ∆ ist der Laplace-Operator. Der effektive Diffusionskoeffizient berechnet sich nach (Timothy & Meschke, 2016a):

Gleichung (5) siehe PDF

wobei Dj der Diffusionskoeffizient des Reaktionsmittels oder Reaktionsprodukts j, φ die Porosität und τ die Tortuosität des Materials, die die Diffusion beeinflusst, ist. Für die Gesteinskörnung (G) und die Zementsteinmatrix (Z) werden folgende Werte angesetzt: φG = 1 %, τG = 170, φZ = 20 %, τZ = 170. In der Tabelle 1 sind die Diffusionskoeffizienten angegeben.

Tabelle 1: Parameter für die Modellierung der AKR-Kinetik

Durch das Lösen des Gleichungssystems (4) unter der Berücksichtigung der in Tabelle 1 gegebenen Anfangswerte der Konzentrationen von Siloxane, Alkalien und Feuchte wird die zeitliche Entwicklung der AKR ermittelt (Bild 2). Hierbei sind die Gleichungen (4) in der Mesoebene diskretisiert (Bild 3). Anhand der Konzentration und des Molvolumens Mgel = 21,5 cm3/mol (Qian et al., 2016) kann das Volumen des Alkali-Kieselsäure-Gels bestimmt werden.

Bild 2: Zeitliche Entwicklung der Alkali-Kieselsäure-Reaktion. Die Diagramme zeigen sowohl die Konzentrationen der Reaktions- bzw. Reaktionszwischenprodukte der AKR als auch die Konzentration des expandierten, Mikroriss verursachenden AKR-Gels

Bild 3: Modell zur Beschreibung der AKR auf Mesoebene (links) und anfängliche Verteilung der Reaktionsmittel im Gesteinskorn und in der Zementsteinmatrix (rechts)

3.2 Homogenisierung der Betonexpansion und -degradation

Das im Abschnitt 3.1 bestimmte Volumen des expandierten Alkali-Kieselsäure-Gels wird nun für die Berechnung der AKR-induzierten Betondehnungen herangezogen. Hierfür wurde ein Mehrskalenmodell entwickelt (Iskhakov et al., 2018), (Bild 4).

Bild 4: Charakterisierung von Beton in verschiedenen Ebenen:
a) strukturelle Ebene
b) Betonebene (repräsentatives Elementarvolumen), bestehend aus der Zementsteinmatrix mit eingebetteten kugelförmigen Gesteinskörnern
c) Zementstein-/Gesteinskornebene mit verteilten „ellipsenförmigen“ Mikrorissen
d) „ellipsenförmiger“ Mikroriss

Die Berücksichtigung der REV erfolgt hierbei auf zwei Betrachtungsebenen: in der Betonebene und in der Gesteinskorn-/Zementsteinebene. Das REV in der Betonebene ist charakterisiert durch die verteilten kugelförmigen Gesteinskörner, welche in der Zementsteinmatrix eingebettet sind. Das REV in der Gesteinskorn-/Zementsteinebene ist charakterisiert durch Mikrorisse, eingebettet im intakten, homogenen Gesteinskorn und in dem Zementstein. Die Mikrorisse werden an dieser Stelle als „ellipsenförmig“ mit den Abmessungen w und c (c << w) angenommen, welche sich durch einen internen Druck, verursacht durch anschwellendes Alkali-Kieselsäure-Gel, entwickeln können. Dieser Mikrorissvolumenanteil charakterisiert die Porosität des Gesteinskorns und der Zementsteinmatrix. Der interne Druck, welcher zur stabilen Mikrorissausbreitung führt, berechnet sich durch die Griffith Energiebilanz. Die berechneten Drücke sind zur Gewinnung der volumetrischen Expansion des Gesteinskorns und des Zementsteins durch das Wachstum der bereits vorhandenen Mikrorisse in die Zustandsgleichung der Poromechanik (Dormieux et al., 2006) einzufügen. Durch Vernachlässigung der externen Last lassen sich diese Expansionen als Eigendehnungen des Gesteinskorns und des Zementsteins betrachten. Diese werden mit Hilfe der Levin’s Theorie homogenisiert, um die gesamte, spannungsfreie Expansion des Betons in der Makroebene zu erhalten. Die Steifigkeit des Betons in der Strukturebene lässt sich durch „Mean-Field-Ansätze“ (Timothy & Meschke, 2016b) mit der Annahme eines kugelförmigen Gesteinskorns mit der Steifigkeit Ca, eingebettet in der Zementsteinmatrix mit der Steifigkeit Cc, bestimmen. Der Steifigkeitstensor des Gesteinskorns Ca und des Zementsteins Cc beinhaltet die Verteilung der Mikrorisse.

Zur Bestimmung der zeitabhängigen makroskopischen Expansion des Betons durch AKR werden die zwei beschriebenen Modelle kombiniert. Gegeben sei die zeitliche Entwicklung des expandierten Alkali-Kieselsäure-Gels Vgel(t) und das Mikrorissvolumen im Anfangszustand Vc. Die Mikrorisse wachsen nicht, wenn das Gelvolumen Vgel(t) < Vc ist. Wenn Vgel(t) > Vc ist, dann kommt es zum Wachstum der Mikrorisse. Nach einem Update der Mikrorissgröße ist der makroskopische Abbau und die Expansion des Betons (Bild 5) mit dem Mehrskalenmodell bestimmbar. Die externe Zufuhr von Alkalien in Beton führt zur Zunahme der Degradation und der Expansion von Betonbauteilen, welche im Bild 5 abgebildet sind.

Bild 5: Links: Expansion und Degradation von AKR betroffenem Beton im Zeitverlauf. Rechts: Einfluss von externer Alkalizufuhr auf die Expansion des Betons sowie Vergleich zwischen den experimentellen Untersuchungen (Giebson, 2013) und den Modellvorhersagen.

Anhand der zeitlichen und räumlichen Entwicklung der Konzentration von externen Alkalien im Querschnitt der Betonfahrbahndecke werden die AKR-induzierte Degradation und Expansion mit Hilfe des Mehrskalenmodells in verschiedenen Tiefen im Querschnitt bestimmt. Die erhaltenen Dehnungsprofile werden für numerische Untersuchungen von Betonfahrbahndecken auf Makroebene verwendet.

4 Numerische Untersuchungen

Die numerischen Untersuchungen dienen zur Analyse und Prognose der Bildung makroskopischer Risse in Betonfahrbahnen unter Verwendung eines geeigneten Rechenmodells.

4.1 Berechnungsmodell der Betonfahrbahn

Die numerischen Berechnungen werden unter Verwendung des Finite-Elemente-Programms DIANA durchgeführt. Zu diesem Zweck wird das numerische Modell (Müller et al., 2010) weiterentwickelt und angewendet. Das im Modell dargestellte Verbundsystem der Betonfahrbahn besteht aus Betondecke, Geotextil (Vlies), hydraulisch gebundener Tragschicht (HGT), Frostschutzschicht (FSS) und entspricht der Bauweise für Fahrbahnen aus Beton der Belastungsklasse Bk100 nach RStO 12 (RStO 12, 2010) (Bild 6). Die im numerischen Modell betrachtete Fahrbahnplatte hat eine Länge von 5,0 m und eine Breite von 4,26 m. Um die im Bild 1 dargestellten Längsrisse numerisch erfassen zu können, erfolgte die Betrachtung eines Segments der Betonfahrbahn, senkrecht zur Fahrtrichtung.

Die im Rahmen des vorliegenden Beitrags durchgeführten Berechnungen beschränken sich auf die aktuell gültige Bauweise „ohne Verbund“, bei der keine Verbundwirkung zwischen Betondecke und hydraulisch gebundener Tragschicht angenommen wird. Diese Eigenschaft sowie die Steifigkeit des Unterbaus werden unter Verwendung von 6-Knoten-Interfaceelementen mit einem äquivalenten Bettungsmodul von ks = 0,087 N/mm3 modelliert, welcher dem Verhältnis aus der normalen Bodenspannung σ0 [N/mm2] und der Setzung der Betonplatte s [mm] entspricht. Die detaillierte Bestimmung des Bettungsmoduls ist in (Ludt, 2016) dargestellt.

Die Fahrbahndecke wurde in erster Näherung als Kontinuum aus unbewehrtem Straßenbeton mit quadratischen 8-Knoten-Kontinuumselementen abgebildet. Im Rahmen der Berechnungen wurde ein Beton mit einer mittleren Druckfestigkeit von fcm = 45 N/mm2 und einer mittleren Zugfestigkeit von fctm = 3,7 N/mm2 verwendet. Diese Materialeigenschaften wurden im Alter von 28 Tagen experimentell bestimmt.

Bild 6: Schematische Darstellung des betrachteten Fahrbahnquerschnitts sowie das verwendete FE-Netz der Betonfahrbahndecke

Bei den numerischen Analysen wird vorwiegend der obere Querschnittsbereich einer Betonfahrbahn, die Betondecke, untersucht. Dabei steht die 2D-Modellierung im Vordergrund. Grund hierfür ist der Sachverhalt, dass die komplexen Prozesse des gekoppelten Feuchte- und Wärmetransports in Verbindung mit einer Rissbildung unter der Berücksichtigung des rheologischen Betonverhaltens bislang nur in einer zweidimensionalen Betrachtung analysierbar sind.

Die Simulation der Rissbildung und -ausbreitung erfolgte unter Verwendung der nichtlinear- elastischen Bruchmechanik nach Bažant und Oh (Bažant, 1983). Zur Abbildung des Nachbruchverhaltens des Betons gelangte die bilineare Beziehung gemäß dem fib Model Code 2010 (Walraven, 2013) zur Anwendung. Die Berücksichtigung der Heterogenität des Betons bzw. der Streuung der Materialeigenschaften erfolgte durch die Variation der den Elementen zugewiesenen Zugfestigkeiten und Bruchenergien. Die detaillierte Beschreibung des Modellansatzes ist in (Mechtcherine, 2000) zu finden. Ferner berücksichtigt die numerische Analyse das viskoelastische Materialverhalten von Beton durch die Einführung des effektiven Elastizitätsmoduls, um die bei Langzeitbetrachtungen auftretenden Kriecheffekte abbilden zu können.

4.2 Beanspruchungen von Fahrbahndecken aus Beton

In den nachfolgenden Abschnitten werden Verformungen und Spannungen analysiert und als Ergebnis unterschiedlicher individueller Ursachen betrachtet. Auf die Überlagerung der einzelnen Effekte wird an anderer Stelle eingegangen (Wiedmann, 2019); siehe auch Abschnitt 5 dieses Beitrags.

4.2.1 Dehnungen und Risse infolge einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR)

Der vorliegende Beitrag beinhaltet zwei Ansätze, um infolge eine AKR mögliche makroskopische Rissbildung und -entwicklung numerisch zu untersuchen.

Der sogenannte globale AKR-Ansatz basiert auf einem modifizierten Berechnungsansatz nach (Maliha, 2006) und (Müller et al., 2010). In (Maliha, 2006) wurde im Rahmen numerischer Untersuchungen die aus der Treibreaktion resultierende Volumenexpansion gleichmäßig über den gesamten Querschnitt der Betonfahrbahndecke angenommen. Hierbei fand eine lineare Zunahme der Dehnungen über den Querschnitt innerhalb der ersten fünf Jahre nach Herstellung statt.

Die Untersuchungen ergaben, dass es lediglich zu einer Rissbildung in der Betonfahrbahndecke kommt, wenn den Berechnungen die Bauweise „mit Verbund“ (voller Verbund zwischen Betonfahrbahndecke und hydraulisch gebundener Tragschicht) und „ohne Zwang“ (Expansion und Kontraktion in horizontaler Richtung möglich) zugrunde gelegt wird. In (Müller et al., 2010) wurde die Zunahme der Dehnungen innerhalb von zehn Jahren in zwei Phasen, aufgrund der von außen zugeführten Alkalien (Taumitteln), an der Oberseite doppelt so groß wie an der Unterseite der Fahrbahn angenommen. Rissbildungen infolge AKR-Dehnungen waren bei den Bauweisen mit und ohne Verbund nicht zu beobachten.

Da die genaue zeitliche Entwicklung der AKR-Dehnungen über den Fahrbahnquerschnitt über einen Zeitraum von 20 Jahren unbekannt ist, wurde im Rahmen der numerischen Untersuchungen an der Oberseite der Fahrbahnplatte der maximale, experimentell ermittelte Dehnungswert von 1,26 mm/m angenommen. Hinsichtlich der Verteilung der AKR-Dehnungen über den Fahrbahnquerschnitt wurde in Anlehnung an (Müller et al., 2010) eine lineare Abnahme angesetzt. Die aufgebrachten Dehnungen des globalen AKR-Ansatzes sind im Bild 7 dargestellt.

Bild 7: Globaler AKR-Ansatz zur Berücksichtigung der durch eine AKR hervorgerufenen Dehnung: AKR-Dehnungen an Plattenober- und Plattenunterseite (links) sowie über die Plattenhöhe (rechts) für einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren

Die Oberseite der Fahrbahnplatte erfährt innerhalb der ersten fünf Jahre eine Ausdehnung von 0,12 mm/m pro Jahr, die Unterseite der Fahrbahnplatte hingegen nur halb so viel (0,06 mm/m pro Jahr). Im Vergleich dazu reduziert sich in den folgenden 15 Jahren der Zuwachs der Ausdehnung der Plattenober- und Plattenunterseite, das Verhältnis der Dehnungen von Ober- zu Unterseite wird jedoch beibehalten.

Als schwierig gestaltet sich die Übertragbarkeit der im Labor zeitraffend aufgebrachten klimatischen Bedingungen auf die Lebensdauer von Betonfahrbahndecken in der Praxis. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Betonzusammensetzung, insbesondere aber die Einwirkungen auf die Fahrbahn (z. B. externe Alkalizufuhr durch das Aufbringen von Streusalz sowie klimatische Randbedingungen). Untersuchungen für zwei ausgewählte Betonzusammensetzungen und den dazugehörigen Streckenabschnitten in (Seyfarth et al., 2009) ergaben, dass 7 bis 8 Zyklen der FIB-KWL einer Lebensdauer der Betonfahrbahn von 8 bis 12 Jahren entsprechen. Des Weiteren besteht offenbar kein linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Zyklen im Labor und der Lebensdauer (in Jahren) in der Praxis. Aus diesem Grund wurde die oben beschriebene Annahme getroffen.

Aus den aufgebrachten Dehnungen im globalen AKR-Ansatz resultiert eine Aufwölbung der Betonplatte (Bild 8, links). Nach 20 Jahren wird in Plattenmitte eine maximale Vertikalverformung der Plattenoberseite von 3,5 mm erreicht. Am Rand senkt sich die Plattenoberseite um 0,9 mm ab. Hierbei entstehen an der Oberseite der Fahrbahnplatte Druckspannungen, an der Unterseite Zugspannungen (Bild 8, rechts), welche einen Wert von 1,2 N/mm2 nicht überschreiten. Da die Zugfestigkeit des Betons nicht erreicht wird, besteht keine Gefahr der Rissbildung.

Auf Grundlage der sich unter Anwendung des globalen AKR-Ansatzes einstellenden Aufwölbung und den Auswertungen von Dünnschliffen hinsichtlich auftretender AKR-Merkmale (Giebson et al., 2017) wurde im Weiteren ein lokaler AKR-Ansatz verfolgt, welcher die gleiche Gesamtverformung (Aufwölbung) der Fahrbahnplatte und eine mögliche Rissbildung hervorruft. Der lokale AKR-Ansatz berücksichtigt die Gel-Bildung sowie eine dadurch mögliche Volumenvergrößerung durch die lokalen Ausdehnungen einzelner Elemente. Hierzu wurden im Rahmen der numerischen Untersuchungen zwei Varianten (V1 und V2) betrachtet, welche ähnliche Vertikalverformungen der Oberseite der Fahrbahnplatte wie bereits zuvor für den globalen AKR-Ansatz hervorrufen sollten.

Bild 8: Vertikalverformungen der Plattenoberseite infolge AKR-Dehnungen unter Anwendung des globalen AKR-Ansatzes nach 5, 10, 15 und 20 Jahren (links) sowie Spannungsverteilung nach 5 und 20 Jahren (rechts); Bauweise „ohne Verbund“ unter Berücksichtigung des Eigengewichts der Fahrbahnplatte

Zunächst erfolgte die Einteilung der Fahrbahnplatte über die Höhe in fünf Bereiche. Da im Rahmen der Dünnschliffuntersuchungen keine Gel-Bildung im oberflächennahen Bereich identifiziert werden konnte, erfuhren die Elemente in diesem Bereich keine lokalen Ausdehnungen. Während Variante 1 ausgehend von der Plattenoberseite zunächst ein Anstieg und dann bis zur Unterseite eine Abnahme der Ausdehnungshäufigkeit aufweist, treten bei Variante 2 nur im Bereich der Plattenhöhe von 210 mm bis 260 mm lokale Ausdehnungen auf. Die Tabelle 2 beinhaltet fünf Bereiche in Abhängigkeit der Plattenhöhe sowie den Anteil an Elementen mit lokaler Ausdehnung für beide Varianten des lokalen AKR-Ansatzes.

Tabelle 2: Bereiche der Fahrbahndecke aus Beton in Abhängigkeit der Plattenhöhe unter Angabe des Anteils der Elemente mit lokaler Ausdehnung

Die Auswahl der Elemente innerhalb der angegebenen Bereiche 1-5 mit lokaler Ausdehnung erfolgte zufällig. Das Bild 9 zeigt die Vertikalverformungen der Plattenoberseite, welche sich unter Anwendung des lokalen AKR-Modells ergeben. Es ist zu erkennen, dass bei Variante 2 im Vergleich zu Variante 1, unabhängig vom Betrachtungszeitpunkt, es in Plattenmitte (Symmetrieachse) zu einem unerheblich größeren Abheben kommt und am Plattenrand eine geringfügig stärkere Einsenkung vorliegt.

Im Vergleich zum globalen AKR-Ansatz wird nun, bei gleichen Vertikalverformungen der Plattenoberseite, unabhängig von der betrachteten Variante des lokalen AKR-Ansatzes, die Zugfestigkeit des Betons erreicht, so dass es zur Rissbildung in der Betonfahrbahnplatte kommt.

Bild 9: Vertikalverformungen der Plattenoberseite infolge AKR-Dehnungen unter Anwendung des lokalen AKR-Ansatzes (Variante 1, links und Variante 2, rechts); Bauweise „ohne Verbund“ nach 5, 10, 15 und 20 Jahren unter Berücksichtigung des Eigengewichts der Fahrbahnplatte

Die Bilder 10 und 11 zeigen die Rissdehnungen für beide Varianten des lokalen AKR-Ansatzes. Die maximale rechnerisch ermittelte Rissbreite bei Variante 1 beträgt wcr,V1,max = 43 µm, bei Variante 2 wcr,V2,max = 31 µm. Die Risse bei den jeweiligen Varianten treten an der Oberseite im Bereich 1 der Fahrbahnplatte auf. Während Variante 1 über den gesamten Querschnitt der Fahrbahnplatte Risse aufweist, sind bei Variante 2 lediglich Risse in der oberen Hälfte der Fahrbahnplatte vorhanden.

Bild 10: Rechnerische Rissdehnungen (εknn) infolge AKR unter Anwendung des lokalen AKR-Ansatzes nach 20 Jahren: Variante 1

Bild 11: Rechnerische Rissdehnungen (εknn) infolge AKR unter Anwendung des lokalen AKR-Ansatzes nach 20 Jahren: Variante 2

Als Folge der Rissbildung wurde im nächsten Schritt die im Rahmen der experimentellen Untersuchungen ermittelte Reduzierung der Zugfestigkeit um 40 % berücksichtigt. Hierzu wurde die Annahme getroffen, dass im oberen Bereich der Fahrbahnplatte (220 mm bis 270 mm) eine reduzierte Zugfestigkeit fct,red = 0,6 · fct (eine Abnahme in zwei Phasen über einen Zeitraum von 20 Jahren) vorliegt.

Während die verminderte Zugfestigkeit beim globalen AKR-Ansatz zu keiner Veränderung der resultierenden Spannungsverteilung und Vertikalverformung der Fahrbahnoberseite führte, erhöhte sich die Anzahl der Risse mit einer Rissbreite von wcr > 30 µm an der Oberseite der Fahrbahnplatte bei beiden Varianten des lokalen AKR-Ansatzes (Bilder 12 und 13). Unabhängig von der betrachteten Variante fand somit im oberen Bereich der Fahrbahnplatte mit reduzierter Zugfestigkeit eine Zunahme der Rissbreite statt. Die maximale Rissbreite bei Variante 1 beträgt nun wcr,V1,max,neu = 57 µm und ist daher um den Faktor 1,3 angestiegen. Bei Variante 2 kommt es annähernd zu einer Verdreifachung der maximalen Rissbreite auf wcr,V2,max,neu = 86 µm.

Bild 12: Rechnerische Rissdehnungen (εknn) infolge AKR unter Anwendung des lokalen AKR-Ansatzes nach 20 Jahren unter Berücksichtigung einer reduzierten Zugfestigkeit im oberen Bereich der Betonfahrbahndecke: Variante 1

Bild 13: Rechnerische Rissdehnungen (εknn) infolge AKR unter Anwendung des lokalen AKR-Ansatzes nach 20 Jahren unter Berücksichtigung einer reduzierten Zugfestigkeit im oberen Bereich der Betonfahrbahndecke: Variante 2

Durch die im globalen AKR-Ansatz und lokalen AKR-Ansatz getroffenen Annahmen zur Abbildung einer AKR resultiert eine Aufwölbung der Betonfahrbahnplatte für die hier betrachtete Bauweise „ohne Verbund“. Risse hingegen entstehen nur, wenn die AKR durch lokale Ausdehnungen berücksichtigt wird. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist nun zu klären, inwiefern die weiteren Beanspruchungen das Verformungsverhalten von Fahrbahndecken aus Beton beeinflussen und ob sich diese günstig oder ungünstig hinsichtlich einer Rissbildung auswirken.

4.2.2 Verkehr

Aus der Verkehrsbeanspruchung resultiert eine annähernd lineare Spannungsverteilung mit Druckspannungen an der Oberseite und Zugspannungen an der Unterseite der Fahrbahnplatte. Die auftretenden Spannungen liegen unterhalb der Zugfestigkeit des Betons, verursachen daher keine Rissbildung und werden maßgeblich von den Eigenschaften des Untergrundes beeinflusst. Grundsätzlich gilt: je steifer der Untergrund, desto niedrigere Biegespannungen treten in der Fahrbahnplatte auf.

4.2.3 Thermische Beanspruchung

Die aus den thermischen Beanspruchungen resultierenden Spannungen werden maßgeblich vom Zeitpunkt der Herstellung der Betonplatte beeinflusst. So ergeben sich hohe Zugspannungen an der Oberseite der Fahrbahnplatte bei der Herstellung im Sommer. Diese entstehen, wenn sich tagsüber durch eine intensive Sonneneinstrahlung die Fahrbahn aufheizt und am Abend eine Abkühlung einsetzt. Als Folge kommt es zu einer Aufschüsselung der Platte, da an der Oberseite im Vergleich zur Unterseite eine geringere Temperatur vorliegt. Bei der Herstellung im Winter stellen sich, bedingt durch die abfließende Hydratationswärme, hingegen Zugspannungen an der Unterseite der Fahrbahnplatte ein, woraus eine Aufwölbung resultiert.

4.2.4 Hygrische Beanspruchung

Infolge der hygrischen Beanspruchungen ist die nach der Herstellung stattfindende Austrocknung als kritisch einzustufen, da zu diesem Zeitpunkt die Festigkeitsentwicklung des Betons sich noch in der Anfangsphase befindet. Bedingt durch das Schwinden besteht eine extrem hohe Gefahr der Rissbildung an der Oberseite der Fahrbahnplatte. Wird bei den Berechnungen eine „schlechte Entwässerung“ an der Unterseite der Fahrbahnplatte angenommen, resultieren durch die damit verbundene Feuchteaufnahme Druckspannungen an der Unterseite der Fahrbahnplatte. Zugspannungen entstehen dort nur bei der Annahme einer „guten Entwässerung“. Diese liegen aber unterhalb der Zugfestigkeit und stellen somit keine Gefahr für eine mögliche Rissbildung dar.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Wird nun das gleichzeitige Einwirken der zuvor einzeln betrachteten Beanspruchungen untersucht, so ergibt sich Folgendes: die aus thermischer und hygrischer Beanspruchung an der Oberseite der Fahrbahn resultierenden Zugspannungen (Herstellung im Sommer) können bei gleichzeitigem Einwirken von Verkehr und dem Auftreten von AKR-Dehnungen unter Berücksichtigung des globalen AKR-Ansatzes verringert und somit das Risiko der Rissbildung reduziert werden. Allerdings ist zu beachten, dass das Risiko der Rissbildung infolge Austrocknung unmittelbar nach der Herstellung im jungen Betonalter vorliegt, die aus den AKR-Dehnungen resultierenden Druckspannungen hingegen erst nach mehreren Jahren ansteigen und somit im fortgeschrittenen Betonalter erst eine Verringerung der Zugspannungen hervorrufen können. Die Herstellung im Winter in Kombination mit einer „guten Entwässerung“ kann bereits in sehr jungem Betonalter zur Rissbildung an der Unterseite der Betonfahrbahndecke führen. Analog zum vorherigen Fall stellen sich die aus dem globalen AKR-Ansatz resultierenden Zugspannungen an der Unterseite der Fahrbahnplatte erst im hohen Betonalter ein und führen aufgrund des großen zeitlichen Versatzes zu keinem erhöhten Risiko der Rissbildung.

Die Berücksichtigung von AKR-Dehnungen durch den lokalen AKR-Ansatz verursacht ebenfalls eine Aufwölbung der Fahrbahnplatte. Allerdings kommt es hierbei unabhängig von anderen Beanspruchungen zur Entstehung von Rissen und somit insgesamt zur Erhöhung des Risikos der Rissbildung. Diese Bildung von Rissen ist von der Anzahl und von dem Ort der Elemente mit lokaler Ausdehnung abhängig und wird gleichzeitig von der, den zufällig ausgewählten Elementen aufgebrachten, Größe der Dehnungen beeinflusst. Zur Festlegung dieser Parameter des lokalen AKR-Ansatzes besteht zukünftig noch weiterer Untersuchungsbedarf.

Zur zielsicheren Prognose der Rissbildung und -entwicklung von Fahrbahndecken aus Beton unter den in der Praxis gegebenen komplexen Beanspruchungen sind weitere experimentelle Untersuchungen notwendig. Diese sollen Erkenntnisse hinsichtlich der zeitlichen Veränderung weiterer Materialeigenschaften, wie z. B. der Steifigkeit (Elastizitätsmodul) sowie des Kriechverhaltens, bei fortschreitender AKR liefern und zur wirklichkeitsnahen Beschreibung der Widerstandsseite im Rahmen numerischer Berechnungen dienen. Zusätzlich sind weitere Beanspruchungsszenarien zu betrachten und das daraus resultierende AKR-Schädigungspotenzial zu beurteilen.

Von besonderem Interesse ist ebenfalls die zeitliche Entwicklung der AKR-induzierten Dehnungen über den Querschnitt der Betonfahrbahndecke. Zu diesem Zweck wird neben den experimentellen Untersuchungen das in diesem Beitrag beschriebene mehrskalige AKR-Modell mit einem hygromechanischen Transportmodell für den gekoppelten Feuchte-Alkali-Transport verbunden. Angesichts der Alkalien- und Feuchteprofile auf makroskopischer Ebene werden die Kinetik der AKR auf mesoskopischer Ebene und die daraus resultierende Verteilung lokaler Ausdehnungen im Querschnitt der Betonfahrbahndecke infolge des Mikrorisswachstums durch Gelbildung simuliert. Mit Hilfe des beschriebenen gekoppelten AKR-Berechnungsmodells können zuverlässigere Vorhersagen sowohl über die räumlich-zeitliche Entwicklung der AKR-Dehnungen als auch über die Bildung von makroskopischen Rissen in Fahrbahndecken aus Beton vorhergesagt werden.

Danksagung

Weitere Informationen über die DFG-Forschergruppe 1498 „Alkali-Kieselsäure-Reaktionen in Betonbauteilen bei gleichzeitiger zyklischer Beanspruchung und externer Alkalizufuhr“ befinden sich auf der Homepage der Forschergruppe http://www.for1498.sd.ruhr-uni-bochum.de. Die Autoren bedanken sich bei allen Mitgliedern und Instituten für die intensive und enge Zusammenarbeit, insbesondere bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung dieser Forschungsaktivitäten.

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