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1. Hintergrund
Asphaltmischgut wird einerseits über seine Zusammensetzung und anderseits über physikalische Eigenschaften des Gemisches und der einzelnen Komponenten beschrieben. Diese Parameter werden im Bauvertrag definiert und müssen für alle Beteiligten, im Regelfall Auftragnehmer und Auftraggeber, und auch über den Liefervertrag dem Hersteller gegenüber überprüfbar sein. Während physikalische Asphaltmischguteigenschaften wie z. B. Hohlraumgehalt, Raumdichte, Verformungsbeständigkeit, einen rein mechanischen oder rechnerischen Umgang mit dem Asphaltmischgut erfordern, muss zur Analyse der Asphaltmischgutzusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten (wie z. B. Gesteinsart, Bindemittelgehalt, Korngrößenverteilung, Bindemitteleigenschaften) die Gesteinskörnung wieder vom Bitumen getrennt und das Bitumen rückgewonnen werden. Grundlage des Bauvertrages bildet dabei die europäische Normung, welche in Deutschland in den TL Asphalt-StB, den ZTV Asphalt-StB sowie in den TP Asphalt-StB national umgesetzt ist.
Weiterer Bedarf der Bestimmung der Asphaltzusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften der Einzelkomponenten ergibt sich infolge der Wiederverwendung von Ausbauasphalt. So kann der AG als Eigentümer des auszubauenden Materials Vorinformationen in die Ausschreibung integrieren, um den Bietern und potentiellen Auftragnehmern Sicherheit über den weiteren Umgang mit dem anfallenden Material zu geben. Spätestens jedoch der Asphaltmischguthersteller muss vor der Wiederverwendung des zu Asphaltgranulat aufbereiteten Ausbauasphaltes Kenntnis über die Eigenschaften des Materials haben. Mit diesen Informationen ist das Asphaltgranulat vor einem Einsatz in neuem Asphaltmischgut zu klassifizieren.
In den TP Asphalt-StB, Teil 1 „Bindemittelgehalt“ ist beschrieben, wie die Extraktion des Bitumens aus dem Asphalt im Labor zu erfolgen hat. Das Grundprinzip sieht dabei das Lösen und Herausspülen des Bitumens mit den Lösemitteln Trichlorethen (Tri) oder Toluol vor. Tri stellt dabei das im Asphaltlabor seit vielen Jahrzehnten in Deutschland meistverwendete Lösemittel dar. Das Lösemittel Toluol findet aufgrund seiner leichten Entzündbarkeit meist nur bei Sonderanalysen (z. B. Schiedsuntersuchungen an Asphalten ohne viskositätsveränderte Bitumen zur Bestimmung der Bindemitteleigenschaften) sowie in einigen wenigen RAP-Stra Prüfstellen standardmäßig Anwendung.
Tri ist ein gesundheitsgefährdender Chlorkohlenwasserstoff, welcher 2010 in die Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe (substances of very high concern, SVHC) der Europäischen Chemikalienverordnung REACH aufgenommen wurde. Im April 2013 wurde Tri rechtswirksam in die Autorisierungsliste (Anhang XIV) der REACH aufgenommen, somit ist für die Lieferung und Verwendung seit dem 21. April 2016 eine gesonderte Zulassung erforderlich. Diese Zulassung wurde durch die Dow Chemical Company (DOW) und Safechem Europe GmbH (damalige Tochter der DOW) bei der Europäischen Chemikalienagentur (EChA) mit einer Laufzeit bis zum 21.04.2023 erwirkt. Als Begründung der Notwendigkeit der Weiterverwendung von Tri wurde angegeben, dass bislang noch kein geeigneter Substituent gefunden wurde, jedoch intensiv nach einem gesucht wird. Auflage der Zulassungsverlängerung ist dabei die Risikominimierung des Kontaktes mit dem Lösemittel und den Lösemitteldämpfen. Aktuell scheint eine Verlängerung der Zulassung wenig wahrscheinlich, was zur Folge hätte, dass mit Ablauf des 21.04.2023 Tri in Asphaltlaboren nicht weiterverwendet werden darf.
Das unvorbereitete Verwendungsverbot von Tri würde die Abnahme der Bau- und Lieferleistung von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt signifikant beeinträchtigen und ist zwingend zu vermeiden.
2. Anforderungen an Lösemittel für die Bitumenextraktion aus Asphalt
An die zielgerichtete Verwendung eines Lösemittels im Asphaltlabor sind verschiedene Bedingungen geknüpft.
- Grundvoraussetzung ist eine gute Lösbarkeit der üblicherweise verwendeten Bitumenarten. In Deutschland sind dies im Asphaltstraßenbau überwiegend Straßenbaubitumen, Polymermodifizierte Bitumen und viskositätsveränderte Bitumen. Gegebenenfalls werden dem Asphalt oder dem Bitumen projektbezogen weitere Zusätze hinzugefügt.
- Grundlage für den Liefervertrag und die Abnahme der Bauleistung ist eine Reproduzierbarkeit der mit der Extraktion und Bindemittelrückgewinnung zusammenhängenden Prüfergebnisse. Eine hinreichende Wiederhol- und Vergleichpräzision der Verfahren muss daher gegeben sein, damit alle Beteiligten annähernd gleiche Voraussetzungen zur Bewertung der Ergebnisse haben.
- Im Rahmen der Rückgewinnung wird das Lösemittel im Labor wieder vom Bindemittel getrennt. An dem rückgewonnenen Bitumen lassen sich Eigenschaften bestimmen. Diese Bitumeneigenschaften sollten durch das Lösemittel möglichst gering beeinflusst werden, da andernfalls nur bedingt die Leistungsfähigkeit des Bindemittels beurteilt und dessen Übereinstimmung mit dem technischen Regelwerk geprüft werden kann.
- Die Arbeitssicherheit hat im Asphaltlabor einen hohen Stellenwert. Viele Lösemittel für Bitumen weisen einen niedrigen Flammpunkt auf oder bilden mit Luftsauerstoff leicht entzündliche Gemische. Ein schnelles Entflammen des Lösemittels oder ein hohes Explosionsrisiko ist zu vermeiden.
- Der Schutz von Mitarbeitern vor gesundheitsgefährdenden Stoffen hat einen bedeutenden Stellenwert. Ein ideales Lösemittel wäre somit hinsichtlich Gesundheitsschutz (Toxizität, Karzinogenität) als unbedenklich einzustufen.
- Nach dem Stand der Technik sind Lösemittelverluste im Asphaltlabor nicht in Gänze auszuschließen. Austretende Lösemittel könnten unter Umständen als Dämpfe oder in flüssiger Form in die Umwelt gelangen. Eine hinreichende Umweltverträglichkeit (z. B. Gewässerschutz, Ozonschutz) sollte daher bei der Wahl eines Lösemittels gegeben sein.
Ein für den Asphaltmischguthersteller wesentlicher Parameter ist die Zeitdauer des Prozesses aus Extraktion und Rückgewinnung. Im Rahmen der Werkseigenen Produktionskontrolle wird die Asphaltmischgutzusammensetzung laufend überprüft, wobei bei Abweichungen zwischen der Maschinenrezeptur und dem produzierten Asphaltmischgut korrigierend in den Produktionsprozess eingegriffen werden muss. Kurze Bauzeiten erfordern oftmals den Einbau großer Mengen Asphaltmischgut in einem engen Zeitfenster. Dies fordert Asphaltmischanlagen hohe Produktionsleistungen von bis zu 300 t/h ab. Je später eine Abweichung von der Sollzusammensetzung festgestellt wird, desto größer ist das vertragliche und monetäre Risiko einer möglichen Reklamation bzw. eines Schadenfalls.
Im Rahmen von Kontrollprüfungen, bei RC-Untersuchungen oder bei der Beschaffung von Vorinformationen, ist die Notwendigkeit der zeitnahen Ergebnisvorlage wesentlich geringer.
3. Entwicklung
Dass Tri ein Gefahrstoff ist und nach Möglichkeit substituiert werden sollte, ist seit langer Zeit international bekannt. Es liegen daher Berichte zur Erprobung diverser Lösemittel vor. Erprobt wurden bspw. die Lösemittel Dichlormethan, Benzol, Benzine, Xylol, 1.1.-Trichlorethan, Tetrachlorethan, Chloroform und n-Propylbromid. Als Gründe für deren nur bedingte Eignung der Anwendung im Asphaltlabor werden dabei oft die Explosionsgefährdung, Gesundheitsgefährdung oder die Umweltgefährdung angegeben. Die resultierenden Bindemitteleigenschaften zeigen sich dabei stets in Abhängigkeit des verwendeten Lösemittels.
Mit der Erkenntnis, dass von den bekannten bitumenlösenden Substanzen eine potentielle Gefahr für die Gesundheit ausgeht, begannen in den 1990er Jahren in Deutschland Bestrebungen, den Kontakt der Beschäftigten im Asphaltlabor zu dem Lösemittel Tri zu minimieren und die Prozesse weitestgehend in geschlossenen Systemen ablaufen zu lassen. Ein wesentliches Ergebnis waren erste gekapselte Extraktionsanlagen, die die Verfahren der Heißextraktion, manuelle Zentrifugierung und Trocknung der Gesteinskörnungen schnell ablösten (Wörner et al., 2002).
Eine hohe Lösemittelexposition im Asphaltlabor besteht zudem bei der Rohdichtebestimmung von Asphalt mit Tri. Eulitz und Lehné (2006) zeigten auf, dass bei sorgfältigem Aufschluss des Asphaltmischgutes durch Granulieren die Rohdichte ebenfalls mit Wasser hinreichend ermittelt werden kann. Hierbei ist zusätzlich ein Vakuumsystem für die Entlüftung vorzuhalten. Mit Einführung der TP Asphalt-StB, Teil 5, Ausgabe 2007 ist Tri bei der Bestimmung der Rohdichte vollständig durch Wasser substituiert.
Weitere wesentliche Schritte zur Reduzierung der Lösemittelemission im Asphaltlabor waren folgende Entwicklungen:
- Wassergehaltsbestimmung durch Ofentrocknung anstelle Auflösen mit Tri,
- Entwicklung gekapselter Geräte zur automatischen Arbeitsmittelreinigung mit Tri,
- gekapselte Befüllung und Entleerung der Extraktionsanlage mit Tri,
- Verwendung von ungefährlichen Reinigungsmitteln zur Arbeitsplatzreinigung anstelle von Tri.
Alle lösemittelerforderlichen Arbeitsvorgänge werden inzwischen in Abzugsschränken durchgeführt und vielfach erfolgt der Betrieb der Extraktionsanlage in einem vom restlichen Arbeitsbereich abgetrennten Raum. Ein offener Umgang mit Tri erfolgt nach aktuellen Stand lediglich bei der
- Analyse des Lösemittels (Bestimmung von PH-Wert und Alkalitätsreserve),
- Überführung des Verdampfungskolbens zum Rotationsverdampfer (nur bei Bindemittelrückgewinnung),
- Überführung von rückgewonnenem Tri aus dem Auffangkolben des Rotationsverdampfers in den Abfallbehälter (nur bei Bindemittelrückgewinnung).
Ein direkter Kontakt mit dem Lösemittel Tri ist nach aktuellem Standard kaum möglich und beschränkt sich weitestgehend auf Havariefälle.
Abbildung 1 zeigt ein übliches Asphaltlabor vor Umsetzung der Lösemittel-Schutzmaßnahmen ca. im Jahr 1980 (links) und ein nach aktuellem Stand ausgerüstetes Asphaltlabor (rechts).
Abbildung 1: Asphaltlabor ca. 1980 (links) und 2019.
Zeitgleich mit den technischen Entwicklungen wurden auch die Arbeitsplatzgrenzwerte für den Umgang mit Tri sukzessive reduziert. Galt 1996 noch ein Wert von 270 mg/m³ für die Maximale Arbeitsplatz-Konzentration, so gilt heute ein Wert von 33 mg/m³ als Akzeptanzkonzentration für Tri (TRGS 910, 2014). Eine weitere Reduzierung des Grenzwertes auf 3,3 mg/m³ ist zu erwarten. Von der BG RCI durchgeführte Messungen an eigenen Laborstandorten zeigen, dass eine Umsetzung des aktuellen Laborstandards hinreichend ist, um diese zu erwartenden Grenzwerte sicher einzuhalten.
4. Aktuelle Substitutionsbemühungen
In Deutschland wurden in den letzten Jahren Forschungstätigkeiten durchgeführt mit dem Ziel ein geeignetes und ungefährliches Lösemittel für das Asphaltlabor zu finden und die für Bau- und Liefervertrag sowie Herstellung notwendigen Prozesse sicher durchführen zu können.
Weingart & Krüger (2012) identifizierten aus zahlreichen organischen Verbindungen Octansäuremethylester (OME) als mögliches und ungefährliches Lösemittel.
Alisov und Wistuba (2015) dokumentierten Parameter für die Extraktion und Bindemittelrückgewinnung, unter denen mit OME die Zusammensetzung von Asphalt zielsicher, wiederholbar und vergleichbar und die Bindemitteleigenschaften nach Rückgewinnung näherungsweise bestimmt werden können. Voraussetzung sind jedoch eine extra auf dieses Lösemittel abgestimmte Extraktionsanlage – welche sich in technischer Hinsicht wesentlich von den derzeit im Umlauf befindlichen Extraktionsanlagen mit Tri als Lösemittel unterscheidet – sowie ein Rotationsverdampfer mit leistungsfähiger Vakuumpumpe. Es zeigte sich, dass die Prozessdauer bei Verwendung von OME als Lösemittel im Vergleich zur Verwendung von Tri als Lösemittel wesentlich erhöht ist. Als Ursachen werden dabei die schlechtere Lösungsfähigkeit von OME bei Bitumen und die deutlich höhere Siedetemperatur von OME gesehen (193 °C statt 87 °C). Unterschiede in den Bindemitteleigenschaften nach Rückgewinnung wurden insbesondere auf das Verbleiben geringer Lösemittelreste im Bitumen zurückgeführt. Die hohe Siedetemperatur führt zu sehr geringen Lösemittelverlusten.
Büchler und Wistuba (laufendes Forschungsvorhaben “Prozessoptimierung der Asphaltextraktion mit Octansäuremethylester“) erarbeiten derzeit eine Systematik zur Prozessoptimierung der Asphaltextraktion mit OME. Schwerpunkte sind dabei die Reduzierung der Prozessdauer und die vollständige Rückgewinnung des Lösemittels während der Destillation. Das nahezu abgeschlossene Forschungsvorhaben zeigt auf, dass eine Reduzierung der Prozessdauer mit OME nur bedingt möglich ist und in jedem Fall wesentlich höher liegt als mit Tri als Lösemittel. Weiterhin ist eine weitestgehend OME-rückstandsfreie Rückgewinnung des Bindemittels möglich, was bei Straßenbaubitumen zu gleichen physikalischen Eigenschaften führt wie nach Rückgewinnung mit Tri als Lösemittel. Bei PmB differieren die physikalischen Eigenschaften in Abhängigkeit vom verwendeten Lösemittel, was auf die unterschiedliche Lösbarkeit der Polymere zurückgeführt wird. Es wird festgestellt, dass mit OME rückgewonnene Polymermodifizierte Bitumen tendenziell weicher erscheinen als nach Rückgewinnung mit Tri, wenngleich keine OME-Rückstände mehr nachweisbar sind.
In beiden Forschungsarbeiten der TU Braunschweig wird herausgestellt, dass das Lösemittel OME infolge vielfacher Verwendung chemisch stabil bleibt und keine wesentlichen Änderungen in der Zusammensetzung detektiert werden können.
Da bisher noch nicht hinreichend dargelegt werden konnte, dass mit OME in der noch zur Verfügung stehenden Zeit bis 2023 eine zufriedenstellende vertragliche Abwicklung flächendeckend realisierbar ist, ist derzeit angedacht Tetrachlorethylen (Per, Perchlorethylen) als zusätzliche Möglichkeit für die Extraktion von Bitumen aus Asphalt zu erproben. Da Per ähnliche chemisch-physikalische Eigenschaften aufweist wie Tri, böte dies die Möglichkeit bestehende Laboreinrichtung mit gegebenenfalls geringer Modifikation weitestgehend weiternutzen zu können. Zur Schaffung eines nationalen Erfahrungshintergrundes ist daher ein Forschungsvorhaben im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprogrames 2019 des BMVI und der FGSV in Vorbereitung, welches die Verwendung von Per in der Kontrollprüfung thematisiert.
5. Ausrichtungsszenarien
Derzeit ist die vertragliche Abwicklung für Prüfungen von Asphaltmischgut nach dem 21.04.2023 unzureichend geregelt. Verschiedene Lösungsansätze liegen vor oder sind in Vorbereitung. In der Folge werden mögliche Ausrichtungsszenarien dargelegt und deren Konsequenzen aufgezeigt.
5.1. Abwarten und nichts tun
Gelingt es nicht rechtzeitig ein geeignetes Substitut für Tri zu identifizieren und das Regelwerk darauf abzustimmen, verbleibt Toluol als einziges zu verwendende Lösemittel im Asphaltlabor. In den TP Asphalt-StB, Teil 1 werden unter Verwendung von Toluol als Lösemittel die Heißextraktion, die Kaltextraktion und die Automatische Extraktion in einer geschlossenen Anlage aufgeführt. Hierbei ist ein hinreichender Explosionsschutz sicherzustellen. Dies gilt neben der Extraktionsanlage und dem Abzugsschrank auch für die Komponenten der Bindemittelrückgewinnung und der Arbeitsmittelreinigung. Da die meisten im Umlauf befindlichen Geräte keinen hinreichenden Explosionsschutz aufweisen, müssten diese neu beschafft werden, was neben hohen Anschaffungskosten auch einen hohen Zeitbedarf erfordern würde. Schätzungsweise würde die die bundesweite Umrüstung aller ca. 500 Asphaltlaborstandorte mit überschlägig 700 Extraktionsanlagen eine Dauer von mindestens drei Jahren erfordern.
Die hohen Investitionskosten bzw. die nicht ausreichende Verfügbarkeit neuer Extraktionsanlagen könnten dazu führen, dass Labore die – in den TP Asphalt enthaltenen – günstigeren Verfahren der Heiß- oder Kaltextraktion erneut etablieren. Dies wäre ein technischer Rückschritt und hinsichtlich Arbeits- und Gesundheitsschutz bedenklich.
Eine grundlegende Überarbeitung des nationalen Regelwerkes wäre bei der Verwendung von Toluol nicht erforderlich, da dieses Lösemittel bereits Anwendung findet. Mit Ablauf der Zulassung von Tri müsste ein Ausschluss dieses Lösemittels aus den TP Asphalt-StB, Teil 1 erfolgen. In diesem Zusammenhang müsste eine Lösung gefunden werden, die Eigenschaften rückgewonnener viskositätsveränderter Bindemittel sicher zu bestimmen.
5.2. Weiterverwendung von Tri
Um Tri über den Stichtag hinaus weiterhin verwenden zu dürfen, wäre eine erneute Zulassungsverlängerung erforderlich. Diese ist an verschiedene Bedingungen geknüpft, beispielsweise den Nachweis der Substitutionssuche. Da ein Erfolg bei der Suche nach einem Substitut schon beim aktuellen Verlängerungsantrag beinhaltet war, wird dieses Argument nach verstrichenen sieben Jahren möglicherweise nicht erneut glaubhaft vermittelt werden können. Eine Zulassungsverlängerung wäre allenfalls für einen beschränkten – wahrscheinlich deutlich kürzeren – Zeitraum möglich, das Problem des Verwendungsverbotes würde somit lediglich aufgeschoben. Allerdings böte die dann neu gewonnene Zeit die Möglichkeit notwendige Vorarbeiten der laufenden Substitutionssuche gesichert abzuschließen. Änderungen am derzeitigen Regelwerk wären für den Verlängerungszeitraum nicht erforderlich. Mit der Beantragung einer weiteren Zulassungsverlängerung müsste aufgrund des langen Vorlaufes bereits jetzt begonnen werden.
Das aus Arbeits- und Gesundheitsschutzgründen angestrebte Ziel, stark gesundheitsschädigende chlorierte Kohlenwasserstoffe aus dem Asphaltlabor zu verbannen, wäre durch die Weiterverwendung von Tri klar verfehlt. Es müssten weiter Anstrengungen unternommen werden, den Umgang mit dem Lösemittel Tri sicherer zu gestalten.
5.3. Substitution von Tri durch OME
Nach aktuellem Wissensstand würde eine Substitution von Tri durch OME weitreichende Veränderungen im Asphaltlabor erfordern. Notwendig wären neue und technisch aufwendigere Extraktionsanlagen (Extraktion bei starkem Unterdruck) und Geräte zur Arbeitsmittelreinigung sowie
veränderte Rotationsverdampfer mit leistungsstarker Vakuumpumpe (5 mbar). Die Durchführung der Extraktion im offenen Behälter (Heiß- oder Kaltextraktion) ist nicht möglich. Die schweren Tridämpfe sinken ab und werden in den vorhandenen Abzugsschränken unten abgesaugt. Die wesentlich leichteren OME-Dämpfe steigen hingegen auf, weshalb die Entlüftung der Abzugsschränke anzupassen wäre. Auch weisen die derzeit verfügbaren OME-fähigen Extraktionsanlagen größere Abmessungen auf so, dass sie nicht in Standardabzugsschränke zu integrieren sind. Folglich wären auch die Abzugsschränke vollständig umzurüsten oder zu ersetzen.
Schätzungsweise würde die die bundesweite Umrüstung aller ca. 500 Asphaltlabore und überschlägig 700 Extraktionsanlagen auf die Verwendung von OME als Lösemittel für die Asphaltextraktion einen Zeitraum von mindestens drei Jahren erfordern.
Die Extraktionsdauer mit OME erfordert im Vergleich zur Extraktion mit Tri als Lösemittel eine annähernd doppelte Zeitdauer. Bei gleicher Anzahl an Extraktionen wäre dieser Umstand durch den Einsatz mehrerer Extraktionsanlagen zu kompensieren. Andernfalls bliebe lediglich die Alternative der verringerten Untersuchungshäufigkeit.
Da das aktuelle Regelwerk die Verwendung von OME nicht vorsieht, wäre eine grundlegende Überarbeitung erforderlich. Es wären mindestens die Prüfvorschriften
- TP Asphalt-StB, Teil 1 Bindemittelgehalt,
- TP Asphalt-StB, Teil 2 Korngrößenverteilung und
- TP Asphalt-StB, Teil 3 Rückgewinnung des Bindemittels –Rotationsverdampfer
zu überarbeiten und Verfahrenspräzisionen zu bestimmen. In den ZTV Asphalt-StB wären Anforderungen und Grenzwerte insbesondere für die Eigenschaften rückgewonnener Bindemittel neu zu definieren. Hierbei müsste klar herausgestellt werden wie reproduzierbar sich Eigenschaften rückgewonnener PmB darstellen.
Ein Konflikt mit der europäischen Norm EN 12697-1 ist zunächst nicht erkennbar, da der Anhang D, in dem Lösemittel genannt sind, lediglich informativen Charakter hat.
5.4. Substitution von Tri durch Per
Per ist wie Tri ein chlorierter Kohlenwasserstoff und wird in europäischen Nachbarländern erfolgreich im Asphaltlabor zur Bindemittelextraktion eingesetzt. Bindemitteleigenschaften nach Extraktion mit Per werden in diesen Ländern offenbar in deutlich geringerem Umfang als in Deutschland bestimmt. Die chemisch-physikalischen Eigenschaften beider Lösemittel sind ähnlich, jedoch ist für Per derzeit kein Verwendungsverbot absehbar. Die Ähnlichkeit beider Stoffe lässt vergleichbare Prozesse und Abläufe im Asphaltlabor zu. Somit können – vorausgesetzt, dass ein gewisses Alter der Anlagen nicht überschritten ist – die vorhandenen Geräte verwendet werden. Die Prozessdauern für die Extraktion und Bindemittelrückgewinnung sind nahezu identisch. Aufgrund der höheren Siedetemperatur von Per (121 statt 87 °C) müssen jedoch Parameter der Extraktion und Bindemittelrückgewinnung angepasst werden. Übliche Laborgeräte lassen sich meist mit geringem Aufwand auf die erforderlichen Parameter einstellen, ein wesentlicher Eingriff in die technische Ausstattung nach aktuellem Stand ausgestatteter Asphaltlabore wäre nicht erforderlich. Dies ließe sich auch auf die Laborausstattung bezüglich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes übertragen. Ist ein im Rahmen des Standes der Technik gefahrloser Umgang mit Tri möglich, so ist dieses auch für den Umgang mit Per anzunehmen.
Per ist wie OME im nationalen Regelwerk nicht aufgeführt, folglich wäre der gleiche Aufwand zur Implementierung in den ZTV und TP Asphalt-StB erforderlich. Für Per wären jedoch Erfahrungen aus dem benachbarten Ausland nutzbar.
Ähnlich wie Tri ist Per ein stark gesundheitsschädigender chlorierter Kohlenwasserstoff, bei dem es grundsätzlich wünschenswert wäre, ihn aus Arbeits- und Gesundheitsschutzgründen aus dem Asphaltlabor zu verbannen. Es müssten zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, den Umgang mit dem Lösemittel ständig sicherer zu gestalten. Aufgrund der ähnlichen Stoffeigenschaften scheint Per aus aktueller Sicht jedoch eine in der noch zur Verfügung stehenden Zeit umsetzbare Alternative zu Tri, die Sicherheit in der vertraglichen Abwicklung mit dem Baustoff Asphalt bieten kann.
5.5. Verwendung unterschiedlicher Lösemittel für Hersteller, AN und AG
Denkbar wäre eine Mischlösung, die unterschiedliche Lösemittel der Vertragsparteien ermöglicht. Die zur Verwendung vorgesehenen Lösemittel wären gleichwertig in das Regelwerk zu integrieren, Korrelationen zwischen den Prüfergebnissen aufzuzeigen und je Lösemittel gegebenenfalls separate Anforderungswerte zu definieren. Dem Anwender wäre in Abhängigkeit der technischen und zeitlichen Randbedingungen die Wahl des geeigneten Lösemittels zu überlassen. Vorstellbar wäre z. B. Per für die Durchführung der Eigenüberwachung und OME für die Durchführung von Kontrollprüfungen zu verwenden. Auch der umgekehrte Fall wäre denkbar. Zur Bestimmung der Verfahrenspräzision wären Ringanalysen auf Basis von Verfahrensbeschreibungen erforderlich, die in eine Technische Prüfvorschrift zu überführen wären.
5.6. Neues Lösemittel suchen
OME ist ein ungefährliches Lösemittel für Bitumen, jedoch aufgrund seiner chemisch-physikalischen Besonderheiten nur bedingt geeignet für die routinemäßige Anwendung im Asphaltlabor. Es ist denkbar, dass es ein Lösemittel gibt, welches sämtliche in Abschnitt 2 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Langfristig kann es daher zweckmäßig sein, ein solches, ideales Lösemittel für das Asphaltlabor zu identifizieren und zu erproben. Dies erfordert ein systematisches Vorgehen im Rahmen von Grundlagenforschung und stellt daher keine kurzfristige Alternative dar.
5.7. Alternative Kontrollprüfung
Vielfach kritisiert wird die Systematik der konventionellen (Kontroll-)Prüfung an Asphaltmischgut durch Bestimmung der Zusammensetzung und Komponenteneigenschaften. National und international bestehen seit langem Bestrebungen, die Leistungsfähigkeit des Asphaltgemisches („Asphaltperformance“) zu bestimmen. Bislang ist es jedoch nicht gelungen Prüfverfahren und Parameter zu definieren, die eine sichere vertragliche Abwicklung ermöglichen. Fraglich ist zu dem inwiefern eine solche Systematik das derzeitige Vorgehen der WPK (schnelle Überprüfung der richtigen Anlageneinstellung mit Soll-Ist-Vergleich) ersetzen könnte.
Möglich wären die thermische Zersetzung des Bindemittels und die Analyse der verbleibenden mineralischen Gesteinskörnungen. Dieses Vorgehen steht jedoch in der Kritik, da die Bindemitteleigenschaften nicht prüfbar sind und physikalisch gebundenes Wasser in den Gesteinskörnern eine Kornverfeinerung und Verfälschung des Bindemittelgehaltes hervorrufen kann. Insbesondere bei der Mitverwendung von Asphaltgranulat scheint dieses Verfahren kritisch.
Eine mögliche Alternative kann auch die Verwendung von hochkomprimiertem Kohlenstoffdioxid als Lösemittel darstellen, welches durch einfachen Druckausgleich wieder vom gelösten Bitumen zu trennen ist. Diese Methode gilt derzeit jedoch als technisch äußerst komplex und derzeit sind keine Geräte verfügbar.
Sollte sich in den kommenden Jahrzehnten eine dieser alternativen Methoden durchsetzen, wäre eine grundlegende Überarbeitung des Regelwerkes erforderlich.
6. Erfordernisse für künftige Regelungen
Derzeit laufen Vorbereitungen zur weiteren Abwicklung von Prüfungen an Asphalt im Rahmen von Bau- und Lieferverträgen nach dem Stichtag 21.04.2023. Alle aufgezeigten Möglichkeiten haben erfordern einen weiteren Zeitbedarf bis zur praktischen Anwendbarkeit. Es ist daher zeitnah die Entscheidung für ein oder mehrere Tri-Substitute zu treffen.
Die Vergabe des Forschungsvorhabens zur Erprobung von Per im Rahmen von Asphaltprüfungen ist für Herbst 2019 vorgesehen; die geplante Projektlaufzeit beträgt 12 Monate. Im Anschluss sind Verfahrens- und Prüfanweisungen zu erarbeiten und über einen Ringversuch Verfahrenspräzisionen zu bestimmen (gilt für OME und Per). Auch hier ist eine Dauer von mindestens 12 Monaten anzunehmen. Die Ergebnisse von Forschungsvorhaben und Ringversuch (Grenzwerte, Toleranzen) sind in der Folge in das Regelwerk zu implementieren, was mindestens ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen wird. Das weitere intensive Arbeiten an einer soliden Entscheidungsgrundlage im Umgang mit dem absehbaren Verwendungsverbot von Tri ist somit unabdingbar, eine auch nur geringfügige Verschiebung oder Verlängerung der oben aufgeführten Zeiträume würde einen für die Asphaltprüfung ungeregelten Zustand hervorrufen.
Als Basis für die vertragliche Abwicklung von Bauverträgen obliegt die finale Entscheidung dabei dem Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe 7 Asphaltbauweisen innerhalb der FGSV. Der LA 7 ist dabei auf Zuarbeit des Arbeitsausschusses 7.1 Technische Vertragsbedingungen und des Arbeitsausschusses 7.6 Prüfverfahren angewiesen. Liegen dem LA 7 alle Informationen vor, um eine gesicherte Entscheidung zu treffen, wird diese dem BMVI als Vorschlag unterbreitet und bei Zustimmung z. B. über ein ARS eingeführt.
7. Zusammenfassung
Mit dem Ablauf der Zulassungsverlängerung droht im April 2023 das Verwendungsverbot von Tri im Asphaltlabor. Um auch weiterhin Asphaltmischgut im Labor analysieren zu können und somit eine Grundlage für die Abwicklung von Bau- und Lieferverträgen von Asphalt zu haben, werden seit einigen Jahren Forschungstätigkeiten zur Substitution von Tri durch OME durchgeführt. OME gilt dabei als ungefährlich, birgt jedoch aus technischer Sicht einige Risiken und die geringere Löslichkeit von Bitumen sowie der hohe Siedepunkt führen zu erheblich längeren Prozessdauern. Als weitere Alternative soll daher zusätzlich auch Per als mögliches Substitut erprobt werden. Als Vorteil von Per wird die Möglichkeit der Weiterverwendung der aktuellen Laboreinrichtung gesehen, während bei Umstellung auf OME Asphaltlabore technisch aufwendig umzurüsten wären. Per ist dabei wie Tri ein gesundheitsschädlicher chlorierter Kohlenwasserstoff, jedoch ist bereits heute mit entsprechender Laborausstattung nach dem Stand der Technik ein gefahrloser Umgang mit Tri möglich. Diese Annahme wird nach aktuellem Kenntnisstand auch für Per als zutreffend vorausgesetzt. Für beide Lösemittel wird den Betreibern von Asphaltlaboren empfohlen, laufend durch begleitende Messungen die Arbeitsplatzbelastung zu bestimmen und im gegebenen Fall Verbesserungen herbeizuführen.
8. Literatur
Alisov, A.; Wistuba, M. (2015): Bitumenextraktion mit dem nachwachsenden Rohstoff Kokosester (Octansäuremethylester). Schlussbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur FE 07.0272/2013/ARB. Institut für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig.
Büchler, S.; Wistuba, M. (laufend): Prozessoptimierung der Asphaltextraktion mit Octansäuremethylester (OME). Laufendes Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur FE 07.0289/2016/ERB. Institut für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig.
DIN EN 12697-1 (2012): Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 1: Löslicher Bindemittelgehalt. Deutsches Institut für Normung e. V, Berlin.
Eulitz, H.-J.; Lehné, R. (2006): Bestimmung der Rohdichte von Asphalt mit Wasser: Ergebnisse eines Ringversuchs. Straße und Autobahn 57 (2006) Nr. 12, S. 751-754.
FGSV (2018): Protokoll des Lenkungsausschusses LA 7, Herbst 2018 TRGS 910 (2014): Technische Regeln für Gefahrstoffe.
Weingart, W; Krüger, K. (2012): Bindemittelrückgewinnung nach Asphaltextraktion mit alternativen Lösemitteln aus nachwachsenden Rohstoffen. Schlussbericht im Auftrag der AiF über DAI zu IGF-Vorhaben Nr. 16287, Dessau, Rosslau.
Wörner, T.; Löcherer, L.; Kandlers, S.; Charif, K.; Reichelt, J. (2002): Untersuchung von lösemittelsparenden Verfahren Extraktion von Bitumen aus Asphalt im Vergleich zu DIN 1996‑6 und Bestimmung der Präzision. Forschungsbericht der Schriftenreihe Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 844, i. A. des Bundesministeriums für Verkehr, Bau‑ und Wohnungswesen, Bonn.
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