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1 Einleitung
Die schnell fortschreitende technische Entwicklung landwirtschaftlicher Maschinen und die damit verbundene großflächigere Bewirtschaftung in den 2000er-Jahren erforderte die grundlegende Überarbeitung und teilweise Neufassung sowie Ergänzung der bisher geltenden „Richtlinien für den Ländlichen Wegebau“ (RLW), dem Arbeitsblatt der Deutschen Gesellschaft für Wasserbau, Abwasser und Abfallwirtschaft e. V. (DWA) DWA-A 904-1 aus dem Jahr 1999 [DWA 2005]. Für die zunächst am dringendsten anzusehenden Anforderungen, der Anpassung der Breiten von Fahrbahnen beziehungsweise Kronen und bei Unter- und Überführungsbauwerken, wurde zunächst der Teil 1 erarbeitet, abgestimmt und veröffentlicht. Um den neuen Wegekategorien, der Einteilung in Verbindungs-, Hauptwirtschafts- und Wirtschaftswege gerecht zu werden und die Brücke zu den beiden zeitgleich veröffentlichen Werken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswegen (FGSV), den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau Ländlicher Wege“ (ZTV LW) [FGSV 2016-1] sowie den „Technischen Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen, Baustoffe und Bauprodukte für den Bau Ländlicher Wege“ (TL LW) [FGSV 2016-2] zu schlagen, ist Teil 1 der neuen RLW mit „Richtlinien für die Anlage und Dimensionierung Ländlicher Wege“ (RLW 2016 Teil 1) [DWA 2016] überschrieben. Teil 2 beinhaltet unter anderem die Bauausführung und Dimensionierung der Ländlichen Wege. Er befindet sich noch in der Abstimmung der Gremien.
Die ZTV LW 16 [FGSV 2016-1] und die TL LW 16 [FGSV 2016-2] sind im August 2016 erschienen. Dabei gab es bei deren Erstellung, insbesondere hinsichtlich der TL LW, immer wieder Diskussionen, ob der Ländliche Wegebau eigenständige Regelwerke benötigt oder ob die besonderen Anforderungen beim Bau ländlicher Wege nicht in die allgemeinen Regelwerke des Straßenbaus aufgenommen werden können. Dies rührt sicherlich daher, dass viele Regelungen aus dem Straßenbau auch im Ländlichen Wegebau gelten. Daneben gibt es allerdings Besonderheiten im Ländlichen Wegebau, die bisher nicht über das bestehende Regelwerk des Straßenbaus abgebildet werden und daher das eigenständige Konstrukt aus ZTV LW 16 und TL LW 16 sehr wohl begründen. Ziel war es, ein geschlossenes Regelwerk für diejenigen zu fertigen, die üblicherweise Ländliche Wege bauen. Dies sind in erster Linie die Kommunen, die Forstverwaltungen und die Teilnehmergemeinschaften in Flurneuordnungen.
Mittlerweile hat der Arbeitsausschuss 6.5 „Ländliche Wege“ den Auftrag erhalten, die TL LW 16 fortzuschreiben und den Inhalt auf die spezifischen Regelungen für den Ländlichen Wegebau zu reduzieren. Dies soll im Dialog mit den anderen Regelwerken erfolgen.
Der folgende Beitrag soll dazu dienen, die besonderen Erfordernisse bei der Planung, der Dimensionierung und beim Bau von Ländlichen Wegen zu veranschaulichen und herauszustellen.
2 Ländliche Wege
Ländliche Wege werden heute multifunktional genutzt. Sie sind sowohl für die Land- und Forstwirtschaft als auch für die allgemeine Erschließung der ländlichen Räume und ihrer Ortschaften von essenzieller Bedeutung.
Funktional sind nach den RLW [DWA 2016] die einzelnen Wegearten ihrer Bestimmung nach in vier Kategorien abzugrenzen (vgl. Bild 1):
- Verbindungswege als Verbindungen zwischen einzelnen Betriebsstätten aber auch zu benachbarten Orten, mit sowohl allgemeinem ländlichen als auch ganzjährig mit hohen Achslasten fahrenden land- und forstwirtschaftlichem Verkehr
- Feldwege zur Erschließung der Feldflur mit je nach Funktion im Wegenetz, der Verkehrsbeanspruchung und der Erschließungsleistung zu unterscheidenden Hauptwirtschafts-, Wirtschafts- und Grünwegen
- Waldwege für Transport- und Erholungsleistungen; eingeteilt in Holzabfuhrwege, das heißt überwiegend ganzjährig mit Lkw, Pkw und Arbeitsmaschinen zu befahren, und Betriebswege für Pkw und Arbeitsmaschinen
- Sonstige Ländliche Wege ergänzen das Ländliche Wegenetz mit Geh-, Rad- und Wanderwegen sowie Viehtrieben
Bild 1: Arten Ländlicher Wege nach den RLW
3 Ländliche Wegenetze
Ländliche Wegenetze gliedern die Infrastruktur der Kulturlandschaft auf 80 % der Fläche in Deutschland. Sie dienen als Lebensadern für die Bewirtschaftenden bei der notwendigen Verbindung zwischen Hof und Feld beziehungsweise Feld und Aussiedlung sowie untereinander. Andererseits prägen sie das Landschaftsbild nicht nur in ästhetischer Hinsicht. Sie bieten neben der Nutzung zur Produktion von Lebensmitteln, dem Transport von Energieware und als Ver- und Entsorgung der Menschen auch Raum für Erholungssuchende und für sportliche Betätigung.
Anforderungen an ein funktionsfähiges aber auch entwicklungsfähiges Ländliches Wegenetz werden in besonderer Weise von den Bewirtschaftern der angrenzenden Flächen gestellt. Die Gemeinden als Akteure für eine nachhaltige Gemeindeentwicklung sind gefordert, Anpassungen an geänderte klimatische Voraussetzungen und infolge der Frage nach erneuerbaren Energien Rechnung zu tragen. Die landschaftsökologische Bedeutung des Wegenetzes hinsichtlich Wasserabfluss und Stofftransport ist groß. Die in der Regel langgestreckten Wegeführungen ermöglichen beispielsweise im Randbereich einen wichtigen Beitrag zur Biotopvernetzung in landwirtschaftlichen Strukturen. Erholungssuchende haben zusätzliche Anforderungen an das Ländliche Wegenetz in der Kulturlandschaft.
Die Multifunktionalität der Ländlichen Wege steht einer möglichst kostengünstigen und wirtschaftlichen Bauweise gegenüber.
Als Verdichtung vom Straßennetz unterliegt auch das Ländliche Wegenetz dem Anspruch an möglichst wirtschaftliche Erstellung und Unterhaltung. Das Ländliche Wegenetz hat neben der Trennwirkung von langsamem und schnellem Verkehr weitere Kennzeichen und ist beispielsweise möglichst kreuzungsfrei zum übergeordneten Netz zu gestalten. Es soll weitmaschig und dem Gelände sowie der Bewirtschaftungsstruktur angepasst werden. Dabei ist auf eine naturnahe und umweltschonende sowie landschaftsangepasste Planung und Ausführung zu achten. Landschaftsästhetik und Naturhaushalt stehen ebenso im Fokus wie Boden-, Gewässer-, Arten- und Biotopschutz sowie die Erhaltung des Landschaftscharakters.
Für die Erschließung von besonderen Lagen wie im Wald, in Weingegenden oder auf Deichen sind die jeweiligen topografischen Gegebenheiten, strukturelle Voraussetzungen auch in Hinblick auf die Höhe des Erschließungsgrads, die Bewirtschaftungsarten, die verwendete Arbeitstechnik, das Kleinklima sowie im Einzelfall vieles mehr zu bedenken.
4 Planung und Entwurf
Linienführung sowie Querschnittsgestaltung Ländlicher Wege sind u. a. abhängig von den naturräumlichen Gegebenheiten und von Art und Umfang des auf dem Weg erwarteten Verkehrs. Zu beachten sind auch die Funktion sowie bestehende besondere Anforderungen wie etwa bei besonderen Lagen im Wald und in Weinlagen oder in diese Gebiete hinein. Die rechtlichen Vorgaben zahlreicher Rechtsgebiete sind bei der Anlage eines neuen Wegenetzes zu beachten. Die Anlage eines Ländlichen Wegenetzes kann auch im Zuge eines Flurneuordnungsverfahrens geplant und umgesetzt werden.
Auf dem Ländlichen Wegenetz findet allgemeiner, land- und forstwirtschaftlicher Verkehr statt. Vorherrschend ist der Fahrverkehr mit Kraftfahrzeugen, Fahrradfahrern und Fußgängern, teilweise und regional aber auch das Reiten oder das Treiben und Führen von Tieren. Es findet gemischter Verkehr mit schnellen und langsamen Fahrzeugen aller Ausprägungen statt. Die Frequenz der land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge ist regional als auch jahreszeitlich bedingt sehr unterschiedlich. Weitere die Planung beeinflussende Faktoren sind z. B. Bewirtschaftungsart, Schlaggröße, Fruchtfolge, Transportfrequenz bei Zu- und Abtransport, auch mit Lkw etwa beim Anbau von Sonderkulturen. Für die Bewirtschaftung hat die höhere Technisierung mit breiteren und schwereren Maschinen eine ständig steigende Bedeutung.
Die Anforderungen an Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen auf öffentlichen Straßen und Wegen sind in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geregelt. Sie enthalten Ausnahmen und Einschränkungen sowie Sonderbestimmungen. Letztere sind in den Bundesländern teilweise weiter geregelt. Die für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr allgemein zugelassenen Abmessungen, Achslasten beziehungsweise Gesamtgewicht sind der RLW 2016 Teil 1 [DWA 2016] zugrunde gelegt. Für Traktoren gilt in der Regel eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit bis zu 40 km/h, teilweise auch darüber. In Einzelfällen gibt es Zulassungen von mehr als 60 km/h, wofür allerdings die Ländlichen Wege nicht bemessen sind.
Die Querschnittselemente Ländlicher Wege werden im Bild 2 dargestellt und in der RLW 2016 Teil 1 [DWA 2016] näher erläutert.
Bild 2: Querschnittselemente Ländlicher Wege
Grundsätzlich sind Ländliche Wege in ihrer Linienführung (Lage und Gradiente) an die örtlich vorhandenen Wege und das Gelände anzupassen; die Trassierung erfolgt grundsätzlich fahrgeometrisch. Besonders ist auch auf günstige Schlaggrößenverhältnisse, den Landschaftsbezug, Erosionsminderung und wasserrückhaltende Linienführung zu achten.
Für die Querschnittsgestaltung ist unter anderem die Seitenstreifengestaltung auf die Begegnungsfälle bei verminderter Geschwindigkeit abzustimmen und gegebenenfalls erforderliche Schutzeinrichtungen vorzusehen. Für den geregelten Wasserabfluss und die Verkehrssicherheit ist die jeweils geeignete Querneigung zu wählen.
Verbindungswege liegen mit der Planungsgeschwindigkeit je nach Schwierigkeitsgrad der Befahrbarkeit in der Regel zwischen 20 und 60 km/h. Kurvenmindestradius und Haltesichtweite bewegen sich zwischen 15 und 120 min r [m] beziehungsweise 35 bis 110 Sh [m]. Die Linienführung wird in der Regel durch Geraden und Kreisbögen festgelegt. Die Längsneigung soll 6 % möglichst nicht überschreiten. Verbindungswege sind in der Regel einstreifig (Beispiel im Bild 3) vorzusehen und nur bei starkem Begegnungsverkehr zweistreifig auszubauen.
Feldwege werden einstreifig gebaut. Zusätzliche Ausweichen sind nur beispielsweise bei beengten Platzverhältnissen oder eingeschränkten Sichtverhältnissen vorzusehen. Die jeweiligen naturräumlichen Gegebenheiten oder die Trassierung beim Ausbau auf vorhandenen Trassen, jeweils in Verbindung mit der Art und dem Umfang des zu erwartenden Verkehrs, bestimmen den Schwierigkeitsgrad der Befahrbarkeit und davon abhängig die Entwurfsparameter sowie die Art der Wegebefestigung. Für Hauptwirtschaftswege, Wirtschaftswege und Grünwege werden die jeweils erforderlichen Entwurfsparameter beschrieben. Hauptwirtschaftswege sind auf eine Planungsgeschwindigkeit von 40 km/h ausgerichtet; Wirtschaftswege ebenso aber nur auf gerader Strecke.
Bild 3: Begegnungsverkehr Traktor/Fußgänger (links) und Arbeitsmaschine/Kinderwagen (rechts) auf Hauptwirtschaftsweg bei Schrittgeschwindigkeit
Die Fahrbahnbreite von Hauptwirtschaftswegen beträgt 3,50 m mit beidseits jeweils mindestens 0,75 m Seitenstreifen; beim Feldweg beträgt die Fahrbahnbreite 3,00 m bei beidseits jeweils 0,50 m Seitenstreifen. Grünwege erhalten in der Regel eine Kronenbreite von 4,00 m.
Waldwege sind so anzulegen, dass sie ihre Mehrfachfunktion erfüllen. Ihnen wird eine Planungsgeschwindigkeit von 30 km/h zugrunde gelegt. Aus Gründen der Fahrsicherheit und zur Vermeidung hoher Wegeunterhaltungskosten ist in der Regel eine Höchstlängsneigung von bis zu 8 % und nur in begründeten Ausnahmefällen über max. 12 % einzuhalten. Holzabfuhrwege haben eine Fahrbahnbreite von 3,50 m mit einem beiderseits bis zum Seitenraum auslaufenden Seitenstreifen von max. 0,75 m Breite. Die Fahrbahnbreite von Betriebswegen ist 3,00 m bis 3,50 m mit jeweils beiderseitig zum Seitenraum auslaufenden Seitenstreifen von mind. 0,50 m. Regionale Bauweisen verzichten gegebenenfalls auf den (befestigten) Seitenstreifen zugunsten eines 0,50 m breiten (unbefestigten) Banketts.
5 Standardbauweisen für Wegebefestigungen
Die Wegebefestigungen sind bautechnische Anlagen des Oberbaus. Sie werden unterschieden in:
– Wegebefestigungen mit Schichten ohne Bindemittel:
● Ohne Deckschicht
● Mit Deckschicht
– Wegebefestigungen mit hydraulischen Bindemitteln und Beton:
● Fahrbahndecke aus Beton/Betonspuren
● Hydraulisch gebundene Tragdeckschicht (HGTD)
– Wegebefestigungen mit Asphalt:
● Asphaltbefestigung
● Asphaltspuren
– Wegebefestigungen mit Pflastersteinen oder Spurwegplatten:
● Pflasterdecke
● Betonsteinpflasterspur
● Spurwegplattenbelag
Bei der Wahl der Bauweisen mit ihren Varianten sind örtliche Gegebenheiten, ökologische Erfordernisse, technische und wirtschaftliche Gesichtspunkte, Änderungen in der Logistik sowie regionale Erfahrungen zu berücksichtigen. Die Beanspruchung der Wege resultiert aus den Komponenten Geschwindigkeit, Häufigkeit der Überrollungen sowie Achslasten und Gesamtgewicht, das heißt den Fahrzeugmassen und der Verkehrsbelastung.
Als bewährte Standardbauweisen stehen zur Verfügung:
Tabelle 1: Standardbauweisen
6 Dimensionierung der Standardbauweisen
Jeder Weg wird in einem Erschließungsnetz unterschiedlich belastet. Trotz sinkender Fahrtenhäufigkeit wächst die Belastung mit der Größe der zusammenhängenden Bearbeitungsflächen, da dort in der Regel ein leistungsfähigerer Maschinenpark mit schwereren Fahrzeugen eingesetzt wird. Hierbei hat auch die Art der Feldbestellung Einfluss auf die Belastung der Wege.
Ein weiterer Faktor für die Belastung der Wege ist die Änderung im Transportverhalten. Die An- und Abfuhr von Gütern erfolgt im Wesentlichen mit Lastkraftfahrzeugen. Aus einem großen Transportvolumen folgt eine erhöhte Beanspruchung der Wege. Voll beladene Transportfahrzeuge stellen über das Jahr gesehen mit Abstand den größten Anteil an der Beanspruchung der Wege dar. Infolge neuer Entwicklungen in der Land- und Forstwirtschaft muss innerhalb des Wegenetzes verursachungsgerecht und sorgfältig für jeden Weg die Anzahl der Überfahrten mit äquivalenten 10,0-t-Achse geprüft werden. Maßgebend für die Dimensionierung oder Wahl der Standardbauweisen ist die Häufigkeit der Überrollungen mit hohen Achslasten.
Wird eine Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B durchgeführt, sind die in der Tabelle 2 und in den Fahrzeugscheinen aufgeführten Achslasten die Grundlage dafür.
Für den Bau Ländlicher Wege kann eine Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Beanspruchung B mit nachstehender Gleichung durchgeführt werden:
B = N ∙ SÄF ∙ Fa ∙ f1 ∙ f2
Darin bedeuten:
B Dimensionierungsrelevante Beanspruchung als gewichtete äquivalente 10,0-t-Achsübergänge im zugrunde gelegten Nutzungszeitraum
N Anzahl der Jahre des zugrunde gelegten Nutzungszeitraumes; in der Regel 30 Jahre
SÄF Summe der Äquivalenzfaktoren (siehe Tabelle 2 oder Tabelle 15 der RLW)
Fa Anzahl der Fahrten pro Jahr
f1 Fahrstreifenbreitenfaktor (siehe Tabelle 13 der RLW)
f2 Steigungsfaktor (siehe Tabelle 14 der RLW).
Tabelle 2: Anzahl der Überrollungen für ausgewählte Fahrzeugarten (Auszug)
Für die Produktion von Silomais, Anwelkgut, Zuckerrüben und Wintergetreide sind Richtwerte für die Fahrten vom Hof zum Feld als einfache Fahrt für verschiedene Mechanisierungen und Schlagstrukturen für jeweils 20 ha angegeben. Zum Gülle- und Ernteguttransport wurde ein Einsatz von Lkw angesetzt.
Lässt sich für die Verkehrsflächen die dimensionierungsrelevante Beanspruchung B nicht ermitteln oder würde der Aufwand für deren Ermittlung zu groß werden, so kann die typische Beanspruchung den Wegearten gemäß Tabelle 3 zugeordnet werden.
Die Auswahl der Beanspruchung muss sich an der zu erwartenden Schwerverkehrsbelastung orientieren.
Tabelle 3: Wegearten und deren typische Beanspruchung
In den neuen „Richtlinien für die Anlage und Dimensionierung Ländlicher Wege“ (RLW 2016 Teil 2) sollen zwei weitere Beanspruchungsklassen (sehr hoch, besonders hoch) aufgenommen worden, um die Lücke der bestehenden RLW [DWA 2016] zur RStO 12 der FGSV zu schließen.
Weitergehende Ausführungen zu bautechnischen Themen wie etwa zum Erdbau, der Entwässerung aber auch Regionalen Bauweisen runden den Teil 2 der RLW ab.
7 Bau Ländlicher Wege
Beim Bau Ländlicher Wege kommen verschiedene Bauweisen zum Einsatz. Hergestellt werden Ländliche Wege als reine Grünwege (umgangssprachlich auch Erdwege), als Wege mit Befestigungen aus Schichten ohne Bindemittel, als Wege mit Pflasterdecken oder Plattenbelägen, als Wege mit Befestigungen aus hydraulischen Bindemitteln und Beton sowie aus Asphalt. Zu den Standardbauweisen der RLW kommen noch regionale Bauweisen hinzu.
Ländliche Wege sollen wirtschaftlich und sparsam geplant und gebaut werden. Überdimensionierungen sind demzufolge zu vermeiden. Gleichzeitig sollen die Wege möglichst langlebig sein und nur wenige Unterhaltungsarbeiten notwendig machen. Selbstverständlich ist, dass der aktuellste Stand der Bautechnik eingesetzt wird.
Beim Bau Ländlicher Wege sind jedoch nicht nur die bautechnischen Aspekte zu berücksichtigen, sondern insbesondere auch ökologische Belange. Ländliche Wege sollen möglichst naturnah ausgebaut werden. So soll beispielsweise die Versiegelung der Flächen gering gehalten werden und die zum Einsatz kommenden Baustoffe aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes naturverträglich sein, da unmittelbar neben den Wegen vor allem Nahrungsmittel produziert werden. Und nicht zuletzt sind die Interessen der unterschiedlichsten und besonderen Nutzergruppen wie z. B. der Land- und Forstwirte, der Radfahrer oder von Freizeitsportlern und Erholungssuchenden zu berücksichtigen. Bei der Erzielung eines Kompromisses spielt dann oft die Art der Wegebefestigung eine entscheidende Rolle.
Daneben bestehen die folgenden Randbedingungen: Nach den RLW als Planungsanleitung gilt bei den Ländlichen Wegen, mit Ausnahme der Verbindungswege in der Regel eine eingeschränkte ganzjährige Befahrbarkeit. Insbesondere werden hohe Lasten auf dem Großteil der Ländlichen Wege nur saisonal verstärkt transportiert, vor allem im Frühjahr zur Düngung und im Herbst zur Ernte. Daher ist im Regelfall kein frostsicherer Oberbau notwendig. Bei Fahrbahndecken aus Beton oder Asphalt ist die Verwendung von frostwiderstandsfähigem Gestein der Kategorie F1 nicht zwingend erforderlich.
Außerdem werden bei Ländlichen Wegen aufgrund des langsam fahrenden Verkehrs keine Ansprüche an die Griffigkeit der Oberfläche gestellt.
Ländliche Wege werden üblicherweise geländegleich und an die Topographie angepasst hergestellt. Damit liegen sie oft in Bereichen mit Grundwasserschwankungen oder auch in recht steilen Lagen, in denen aus technischen Gründen nur noch bestimmte Wegebauweisen eingesetzt werden können. Darüber hinaus finden sich bei allen Bauweisen des Ländlichen Wegebaus auch immer Bereiche innerhalb des Wegequerschnittes, die wasserdurchlässig und ungebunden („offene“ Bauweisen) befestigt sind. Gemeint sind hier insbesondere die ungebunden befestigten Seitenstreifen und ggf. die Zwischenstreifen bei Spurwegen, die mit Schichten ohne Bindemittel hergestellt werden. Dies bedingt erhöhte Anforderungen an die umweltrelevanten Merkmale der Baustoffe und Baustoffgemische.
8 Beispiele für Anforderungen und Besonderheiten beim Bau Ländlicher Wege
Im Allgemeinen werden im Ländlichen Wegebau für Erdarbeiten und die Herstellung von Erdbauwerken nur die Primärbaustoffe Boden und Fels verwendet. Werden im Ausnahmefall aufbereitete Böden (mit oder ohne Fremdbestandteilen), Rezyklierte Baustoffe (RC), Baustoffe aus industriell hergestellten Gesteinskörnungen und Gesteinskörnungsgemischen oder mineralische Baustoffe aus Bergbautätigkeit verwendet, so gelten hierfür die „Technischen Lieferbedingungen für Böden und Baustoffe im Erdbau des Straßenbaus“ (TL BuB E-StB). Im Übrigen gelten für Erdarbeiten die ZTV E-StB.
Da Ländliche Wege, wie zuvor bereits erwähnt, eine geländegleiche Gradiente aufweisen und in „offener“ Bauweise hergestellt werden, finden Erdarbeiten im Ländlichen Wegebau vielfach im Grundwasserschwankungsbereich, im Wiesengelände oder in Überflutungsbereichen statt. Daher werden im Ländlichen Wegebau erhöhte Anforderungen an die umweltrelevanten Merkmale gestellt und grundsätzlich eben nur die Primärbaustoffe Boden und Fels verwendet.
Erhöhte Anforderungen an die umweltrelevanten Merkmale gelten auch bei allen Befestigungen mit Schichten ohne Bindemittel, also für die Fahrbahnen von Schotterwegen genauso wie für die ungebunden befestigten Seiten- und Zwischenstreifen bei Asphalt- oder Betonwegen und für das Bettungs- und Fugenmaterial bei Pflasterdecken und Plattenbelägen aller Art, z. B. mit Rasenverbundsteinen. Daher liegt die Priorität auf der Verwendung von natürlichen Gesteinskörnungen. Werden zulässigerweise Baustoffgemische aus industriell hergestellten oder rezyklierten Gesteinskörnungen verwendet, wird zusätzlich zur Güteüberwachung durch den Hersteller eine Fremdüberwachung gefordert. Bei Baustoffgemischen aus ausschließlich natürlichen Gesteinskörnungen reicht die Güteüberwachung durch den Hersteller. Zugelassen sind an rezyklierten Gesteinskörnungen und RC-Baustoffen nur solche, die die Anforderungen der Klasse RC-1 der TL Gestein-StB erfüllen.
Im Unterschied zum Straßenbau ist bei den Baustoffgemischen für Kiestragschichten (KTS) beziehungsweise Schottertragschichten (STS) eine größere Bandbreite des lieferantentypischen Siebdurchgangs (SDV-Bereich) zulässig. Um bei diesen Schichten eine dichtere Tragschicht zu erhalten und so das Eindringen von Wasser zu reduzieren, gelten für den maximalen Feinanteil < 0,063 mm abweichende Kategorien. Baustoffgemische für Wege mit nicht frostsicherem Oberbau dürfen im Anlieferungszustand höchstens einen Feinanteil von 7 M.-% (Kategorie UF7) besitzen. Bei Verbindungswegen mit frostsicherem Aufbau sowie bei Wegen mit vollflächiger Befestigung aus Asphalt, Beton oder Pflaster ist maximal nur ein Feinanteil von 5 M.-% erlaubt (Kategorie UF5).
Die Möglichkeit, für bestimmte Anwendungen auch Tragschichten aus unsortiertem Gestein (TSuG) zu verwenden, trägt dem Grundsatz Rechnung, kostengünstige Wege zu bauen. Für die TSuG dürfen nur natürliche Gesteinskörnungen und/oder Böden verwendet werden. Dabei können geeignete, regional verfügbare und damit eben auch kostengünstigere Baustoffgemische (v. a. im Waldwegebau und für Schotterwege) eingesetzt werden. Als Anforderung gilt im Grunde nur, dass das Baustoffgemisch verdichtbar und tragfähig sein muss. Im Allgemeinen wird eine ausreichende Tragfähigkeit bei einem Feinanteil < 0,063 mm mit nicht mehr als 15 M.-% (im eingebauten Zustand) erreicht. Anforderungen an die Korngrößenverteilung bestehen nicht, außer dass das Größtkorn nicht größer als 60 % der Dicke der fertigen Schicht sein soll. Bevor eine gebundene oder ungebundene Schicht aufgebracht wird, muss die nach der RLW geforderte Tragfähigkeit sichergestellt sein, das heißt auf der Oberfläche der herzustellenden TSuG ist ein Ev2-Wert größer/gleich 80 [MPa] zu erreichen.
Für Deckschichten ohne Bindemittel (DoB) sind im Ländlichen Wegebau u. a. auch Gemische aus unsortiertem Gestein mit bindigen Anteilen zulässig. Die ungebundene Deckschicht schützt die ungebundene Tragschicht vor eindringendem Oberflächenwasser, der erhöhte Feinanteil „verklebt“ gleichsam die Deckschicht und wird wasserundurchlässig. Zudem kann dieses Baustoffgemisch bei Zwischenstreifen und bei Seitenstreifen an gebunden befestigten Wegen zum Einsatz kommen, um eine schnellere Begrünung zu erzielen. Dadurch wird die Erosionsgefahr dieser Streifen reduziert.
Ansonsten müssen DoB immer aus natürlichen Gesteinskörnungen hergestellt werden. RC-Baustoffe sind nicht zugelassen. Deckschichten mit RC-Baustoffen (z. B. mit Glas, Fliesen, Metallreste als Fremdbestandteile) könnten scharfe Kanten ausbilden. Dies ist für Radfahrer und Tiere problematisch. Zudem dienen die Ländlichen Wege der Freizeit- und Erholungsvorsorge. Deshalb ist ein möglichst naturnahes Erscheinungsbild für die Akzeptanz bei den verschiedensten Nutzern wichtig.
Als eine letzte Besonderheit bei den Befestigungen mit Schichten ohne Bindemittel seien noch die Regelungen zur Herstellung von Schichten aus Schotterrasen zu nennen, die neu in das Regelwerk aufgenommen wurden. Schichten aus Schotterrasen werden u. a. in Wiesenwegen, im Grundwasserschwankungsbereich sowie in Überströmungsbereichen bei Hochwasser zum Schutz gegen die Erosion eingebaut. Als Gerüstbaubaustoffe für das Einbaugemisch sind nur natürliche Gesteinskörnungen mit festgelegten Anforderungen an die Kornstufenverteilung zugelassen.
Neben diesen Eigenheiten bei den Befestigungen mit Schichten ohne Bindemittel sind vor allem noch auf einzelne Beispiele aus dem Asphaltbereich hinzuweisen.
So sind im Ländlichen Wegebau zum Teil jahrzehntelang bewährte Anforderungen an die Asphaltsorten festgelegt, die dazu führen sollen, eine lange Nutzungsdauer ohne großen Unterhaltungsaufwand zu erreichen und zudem kostengünstig bauen zu können. Die Asphaltschichten sollen möglichst dicht und flexibel und damit beständig gegen Rissbildung sein. Dazu muss das Asphaltmischgut bindemittelreich sein, hohlraumarm und mit weichem Bindemittel hergestellt werden. Als Bindemittel kommen für den Bau von Ländlichen Wegen ausschließlich Straßenbaubitumen 160/220 und 70/100 zum Einsatz, härtere Bitumensorten sind auch für das resultierende Bindemittelgemisch bei Verwendung von Asphaltgranulat ausgeschlossen. Angestrebt wird ein Mischgut mit geringem Verdichtungswiderstand. Ein daraus resultierender Verlust an Wärmestandfestigkeit hat im Ländlichen Wegebau eine nachrangige Bedeutung. Mit einer guten Verdichtbarkeit des Mischgutes lassen sich die Anforderungen an den Schichtenhohlraumgehalt des Asphaltes im Einbauzustand zuverlässig erreichen. Eine Verringerung des Hohlraumgehaltes begünstigt die Alterungsbeständigkeit, das Haftverhalten zwischen Bitumen und Gestein, die Ermüdungsbeständigkeit und die Rissresistenz bei Kälte. Aufgrund des langsam fahrenden Verkehrs sind keine Griffigkeitsanforderungen notwendig. Daher werden keine Anforderungen an den Polierwert der Gesteine gestellt. Ein Abstumpfen nach dem Einbau ist ebenso nicht erforderlich.
Über die Neuerungen in den TL LW und ZTV LW werden in [Ziesel, D. et al., 2017] kurz zusammengefasst.
9 Zusammenfassung
Der Beitrag hat das Ziel, für die Belange des Ländlichen Wegebaus zu sensibilisieren und deutlich zu machen, dass es im Ländlichen Wegebau einige Spezialitäten in den Bauweisen gibt, die eigenständige Regelungen unabdingbar machen. Dabei lag nicht die Absicht zugrunde alle Besonderheiten im Ländlichen Wegebau darzustellen, sondern diese Notwendigkeit anhand einzelner Beispiele, insbesondere aus dem Bereich der Schichten ohne Bindemittel, aufzuzeigen.
Literaturverzeichnis
[FGSV 2007]: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV 2007): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Befestigung ländlicher Wege 1999 mit Änderungen und Ergänzungen Ausgabe 2007 (ZTV LW 99/01), Köln, zurückgezogene Veröffentlichung
[FGSV 2016-1]: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV 2016-1): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau Ländlicher Wege, Ausgabe 2016 (ZTV LW 16), Köln (FGSV 675)
[FGSV 2016-2]: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV 2016-2): Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen, Baustoffe, Baustoffgemische und Bauprodukte für den Bau Ländlicher Wege, Ausgabe 2016 (TL LW 16), Köln (FGSV 676)
[DWA 2016]: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA 2016): Richtlinien für den Ländlichen Wegebau (RLW) – Teil 1: Richtlinien für die Anlage und Dimensionierung Ländlicher Wege, Ausgabe August 2016, DWA Verlag, Hennef
[Ziesel, D., et al., 2017]: H e r s e l, O.; L o r e n z l, H.; M ö n k e m e y e r, C.; O h e, H.; P f a r r, P.; P i c k - h a r d t, R.; R e i n h a r d t, I.; Z i e s e l, D.: Die neuen ZTV LW 16 und TL LW 16. Straße und Autobahn, 68, 7, Kirschbaum Verlag, Bonn, S. 515–524 |