FGSV-Nr. FGSV 002/126
Ort Karlsruhe
Datum 17.09.2019
Titel Klimaveränderungen – Ursachen und Wirkungen
Autoren Dipl.-Met. Friedrich Föst
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Kein anderes Thema beherrschte in den letzten Monaten die Schlagzeilen und die politische Diskussion so sehr wie der Klimawandel. Hierbei den Überblick in den oft hitzigen und von Lobbyisten beeinflussten Diskussionen zu behalten, fällt für Außenstehende zunehmend schwer. Der Artikel soll einen Überblick über die groben Zusammenhänge unseres Klimasystems liefern und welche spürbaren Auswirkungen der Klimawandel auf unser Wetter hat.

Insbesondere die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Wasserdampf sind hauptverantwortlich für die Erwärmung unserer Atmosphäre. Ohne Treibhausgase hätten wir eine globale Durchschnittstemperatur von -18 °C. Der große Teil der Treibhausgase ist natürlichen Ursprungs, doch es ist erwiesen: Auch der vom Menschen verursachte Anteil hat eine große Wirkung auf unser Klimasystem. Insbesondere hat die starke Erwärmung der Arktis unmittelbare Auswirkungen auf den Jetstream und somit direkt auch auf unser mitteleuropäisches Wetter, das sich dadurch häufiger in den extremeren Randbereichen dessen aufhält, was wir als „Normalwetter“ verstehen. Klimamodelle haben diese Szenarien bereits vor 20 bis 30 Jahren in guter Annäherung abgebildet, so dass ihre heutigen Prognosen für die nächsten Jahrzehnte als sehr aussagekräftig einzustufen sind. Und die Auswirkungen des Klimawandels sind spürbar: Die durchschnittlichen Temperaturen steigen weltweit an und zunehmende Extremwetterlagen wie langanhaltende Trockenheit und Starkregen, aber auch Starkschneefälle und mitunter länger andauernde Kältewellen stellen schon heute unsere Mobilität und Infrastruktur vor große Herausforderungen. Der Winter- und Sommerdienst muss sich auf diese Veränderungen einstellen. Dazu gehört insbesondere eine wettergestützte Einsatzplanung mit Hilfe spezialisierter Produkte und erfahrener Meteorologen.

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Was uns ein Volkslied über den Klimawandel verrät

Kennen Sie das deutsche Volkslied „Der Mai ist gekommen“ von Justus Wilhelm Lyra? Dort heißt es gleich in der ersten Zeile: „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.“ Nun wird sicherlich der ein oder andere etwas stutzig: „Moment mal! Die Bäume sind doch im Mai schon längst grün. Schlagen sie nicht schon im April aus?“ Diese Beobachtung ist zweifelsohne richtig und der Deutsche Wetterdienst kann dies statistisch belegen: In den letzten Jahrzehnten (genauer gesagt seit 1961) hat sich der Beginn der Blüte von Sträuchern und Bäumen nach vorne verschoben. Insgesamt hat sich die Vegetationszeit um rund zwei Wochen verlängert (vgl. Bild 1).

Bild 1: Die Vegetationsdauer in Deutschland hat zugenommen (Quelle: Deutscher Wetterdienst)

Nun ist es klar: Das Lied „Der Mai ist gekommen“ wurde 1842 am Ende der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ geschrieben, und da waren die Winter noch deutlich länger. Dieses Beispiel aus dem deutschen Liedgut zeigt: Es hat sich was getan. Und offensichtlich ist nicht nur bei uns in Deutschland die Temperatur angestiegen. Das Bild 2 zeigt, dass seit Ende der letzten „kleinen Eiszeit“ weltweit die Temperaturen deutlich angestiegen sind.

Doch warum steigen die Temperaturen und warum treten vermehrt Wetterextreme auf? Und welche Auswirkungen haben diese Wetterextreme auf die Arbeit im Sommer- und Winterdienst? Wir begeben uns auf eine kleine Forschungsreise.

Treibhausgase: Fluch und Segen

Nicht nur bei uns in Deutschland steigt die durchschnittliche Temperatur, sondern weltweit. Als Hauptgrund werden dabei die u. a. durch den Menschen freigesetzten Treibhausgase, allem voran Kohlendioxid (CO2) genannt. Doch was hat es damit auf sich?

Treibhausgase gibt es viele, davon sind die meisten natürlichen Ursprungs. Neben Kohlendioxid sind Methan und Wasserdampf von großer Bedeutung. Sie lassen die kurzwelligen Sonnenstrahlen auf die Erde durch, während sie die Wärmeabstrahlung der Erde behindern – wie in einem Treibhaus. Ohne Treibhausgase würde es kein Leben auf unserem Planeten geben. Die Erde wäre mit einer durchschnittlichen Temperatur von -18 ⁰C nicht gerade pflanzen- und tierfreundlich. Der Treibhauseffekt (vgl. Bild 3) bringt uns also spürbar angenehmere Temperaturen von global durchschnittlich +15 ⁰C, insgesamt also 33 ⁰C mehr.

Bild 2: Temperaturänderung auf den Kontinenten der Erde 1901-2018 (Quelle: Ed Hawkins)

Bild 3: Der Treibhauseffekt (Quelle: BHKW-Infozentrum)

Damit ist eines schon einmal klar: Kohlendioxid ist im natürlichen Ausmaß kein „Klimakiller“, sondern ein für unser Leben auf dem Planeten notwendiges Treibhausgas. Der Begriff „natürliches Ausmaß“ ist dabei entscheidend: Durch das Verbrennen fossiler Energien steigt der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre durch den Menschen um 40 Milliarden Tonnen jährlich! Klimaskeptiker argumentieren, dass das CO2 nur einen verschwindend geringen Anteil in unserer Atmosphäre ausmacht. Schaut man sich die Zusammensetzung unserer Atmosphäre an, dann wissen wir, dass 99 % unserer Luft aus Stickstoff und Sauerstoff besteht, beides sind keine Treibhausgase. Das CO2 macht einen in dieser Größenabschätzung geradezu vermeintlich „lächerlichen“ Anteil von 0,04 % aus, und ist davon auch noch zu 95 % natürlichen Ursprungs. Jedoch geht es gar nicht um die absolute Menge des Treibhausgases, sondern wie klimawirksam es ist. Ein Beispiel ist Fluorchlorkohlenwasserstoff (kurz FCKW): dieser kommt in der Atmosphäre ca. 1 Million Mal weniger vor als CO2. Dennoch hat diese fast schon verschwindend geringe Menge nachweislich ein 27 Millionen Quadratkilometer großes Loch in die Ozonschicht gerissen. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass bereits vermeintlich kleine Mengen von Treibhausgasen einen großen Effekt auf unsere Atmosphäre haben können. Nebenbei sei hier erwähnt, dass FCKW rein menschlichen Ursprungs ist. Die Auswirkungen der Treibhausgase hängen also nicht von ihrem prozentualen Anteil, sondern von ihrem Wirkungsgrad ab. Die ausgelösten Effekte auf unsere Atmosphäre werden in der Klimatologie in „positive“ und „negative“ Rückkopplungsprozesse unterteilt: Positiv ist hier nicht im Sinne von „gut“, sondern als einen Prozess „verstärkend“, das Adjektiv „negativ“ als einen Prozess "abschwächend“ zu verstehen. Ein ganz aktuelles Beispiel für einen positiven Rückkopplungsprozess ist auf der Nordhalbkugel zu finden: Die Arktis erwärmt sich derzeit etwa dreimal so schnell wie der Rest der Welt. Der Grund: Das Meereis schmilzt und der nun zu Tage tretende, dunkle Ozean nimmt wesentlich mehr Sonnenlicht auf als das zuvor herrschende Meereis, das den größten Teil des Sonnenlichts in den Weltraum reflektierte (Albedo). Der sich nun erwärmende Ozean gibt einen Teil seiner Wärme an die Luft wieder ab und verstärkt dadurch die Wirkung der Treibhausgase. In diesem Fall sprechen die Meteorologen vom „positiven Albedo-Eis-Rückkopplungsprozess“.

Was der Klimawandel mit der A 2 gemeinsam hat?

Wir bleiben beim „Albedo-Eis-Rückkopplungsprozess“, denn dieser ist maßgeblich daran beteiligt, dass sich unsere Wettermuster auf der Nordhalbkugel ändern. Unser typisches mitteleuropäisches Wetter ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Hoch- und Tiefdruckgebiete in mehr oder weniger rascher Abfolge die Klinke in die Hand geben. Ihre Aufgabe ist es, warme Luft nach Norden und kalte Luft nach Süden zu transportieren. In der oberen Troposphäre gibt es ein Starkwindband, das im Übergangsbereich von warmer zu kalter Luft liegt, der sogenannte „Jetstream“ (siehe Infobox).

INFOBOX Jetstream: Der Jetstream, auf Deutsch auch „Strahlstrom“ genannt, ist ein Starkwindband, das sich in den oberen Schichten der Troposphäre, also in unserer „Wetterschicht“ befindet und sich wellenartig um unsere Nordhalbkugel legt. Der Jetstream kann als „Trennlinie“ zischen warmer und kalter Luft verstanden werden. Die Lage und Zuggeschwindigkeit der Hoch- und Tiefdruckgebiete sind eng mit dem Jetstream verbunden. Wenn wir in Mitteleuropa vom Jetstream sprechen, meinen wir in der Regel den „Polarfront-Jetstream“. Des Weiteren gibt es noch den „Subtropen-Jetstream“, der in etwa auf der geografischen Breite zwischen 20 und 30° nördlicher Breite vorkommt und für unser Wetter nur selten relevant ist

Je größer die Temperaturunterschiede zwischen Pol und Äquator sind, desto stärker bläst der Jetstream. Nun ahnen Sie es schon: Das Eis der Arktis wird weniger, der zu Tage tretende Ozean speichert mehr Wärme und der Temperaturunterschied zwischen der arktischen und subtropischen Luft wird geringer. Dadurch hat sich die Geschwindigkeit des Jetstreams verringert und er ist störanfälliger in dem Sinne geworden, dass er statt in gewohnter West-Ost-Richtung stärker mäandriert und häufiger in Nord-Süd-Richtung verläuft.

Zum besseren Verständnis ein Vergleich mit der Autobahn A 2: Stellen Sie sich vor, Sie wollen auf der A 2 von Dortmund nach Berlin. Am frühen Sonntagmorgen kommen Sie – je nach Bauart ihres Fahrzeugs und ihres Fahrstils – mehr oder weniger zügig nach Osten voran. Das ist der „Normalfall“ des Jetstreams. Doch ausgerechnet heute ist Urlauber-Reiseverkehr. Alles läuft langsamer, Baustellen erschweren zudem den Verkehrsfluss. Sie umfahren Staus (weichen also nach Norden oder Süden aus) und machen zwischendurch auch mal eine Rast. Sie sind also langsamer unterwegs und halten sich dementsprechend auch länger in einer Region auf als Ihnen eigentlich lieb ist.

Unsere Hoch- und Tiefdruckgebiete orientieren sich eng an der Lage und Geschwindigkeit des Jetstreams (vgl. Bild 4). Jetzt wird es klar: In den meisten Fällen „rauschen“ die Hochs und Tiefs durch den starken Jetstream über Mitteleuropa nach Osten hinweg. Durch die Verlangsamung des Jetstreams und seine zunehmende Nord-Süd-Ausrichtung verweilen die Hoch- und Tiefdruckgebiete nun länger in unserem Raum. Eine längere Verweildauer eines Hochdruckgebiets bringt uns oftmals anhaltende Trockenheit, wenn nicht gar Dürre. Anders beim Tief über Mitteleuropa: Bleibt dieses länger, steigt das Risiko für lang anhaltende Regenfälle, Starkregen und Hochwasser. Das sind Szenarien, die die Klimamodelle bereits vor rund 20 Jahren prognostiziert haben.

Nun ist es aber nicht so, dass Trockenheit, Starkregen- und Hochwasserereignisse bei uns völlig neu sind! Solche Wetterlagen gab es schon immer und deren Folgen findet sich in so ziemlich jeder Dorfchronik. Was dort aber als Einzelfälle in 50- bis 100-jährigen Wiederauftrittszeiten dokumentiert ist, erleben wir in der heutigen Zeit deutlich regelmäßiger. Für die Wissenschaft ist es weiterhin schwer, einzelne Wetterereignisse eindeutig dem Klimawandel zuzuordnen. Die entscheidende Frage: Wäre das Ereignis auch ohne den Klimawandel aufgetreten? Hier gibt es noch keine eindeutige Antwort und wird derzeit erforscht.

Bild 4: Veränderung des Jetstreams durch den Klimawandel (Quelle: HR-Fernsehen)

Klar ist, und da sind sich die Wissenschaftler einig, dass die Veränderung des Jetstreams eine Folge des Klimawandels ist und dass Wetterlagen, die längere Trockenheit, Starkregen und Hochwasser fördern, weiter zunehmen werden. Diplom-Meteorologe Gregor Neubarth von der Wettermanufaktur wertete in diesem Zusammenhang die seit 1893 existierende Potsdamer Klimareihe aus und konnte nachweisen, dass die Zahl der „klassischen“ Westwetterlagen abgenommen hat. Insbesondere im Sommer häufen sich die Wetterlagen aus dem Süden, die anfällig für längere Trockenheit, aber besonders im Zuge von kräftigen Gewittern auch verantwortlich für Starkregenereignisse sind.

INFOBOX Wetter und Klima: Der Begriff „Wetter“ bezeichnet den Zustand der Atmosphäre an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dagegen bezeichnet der Begriff „Klima“ den durchschnittlichen Verlauf des Wetters über mindestens 30 Jahre. Klima ist also letztendlich nichts anderes als „gemitteltes“ Wetter an einem Ort. Erst dann kann man auch Aussagen darüber machen, inwiefern aktuelles Wetter vom statistischen Klima abweicht, also ob z. B. die Temperatur gegenüber dem Klimamittelwert (auch „Normalwert“ oder „langjähriges Mittel“ genannt) positiv oder negativ abweicht.

Immer häufiger wird das Wetter von unseren „Normalwerten“ abweichen. Hinsichtlich der Temperaturen bewegen wir uns immer öfter in dem vom Klimamittelwert positiv abweichenden, also „zu warmen“ Bereich (vgl. Bild 5).

Bild 5: Anomalie der Temperatur in Deutschland seit 1881 (Quelle: Deutscher Wetterdienst)

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass 8 der 10 wärmsten Jahre in Deutschland in den 2000ern liegen. Aus dem letzten Jahrhundert tauchen nur noch die Jahre 1994 und 1934 in dieser Statistik auf. Was sich hier auch zeigt: Der Klimawandel vollzieht sich nicht linear: nicht immer muss das aktuelle Jahr seinen Vorgänger überbieten. Von etwa 2000 bis 2010 blieben die durchschnittlichen Temperaturen ziemlich konstant, aber auf sehr hohem Niveau. Natürliche Faktoren wie z. B. El Niño, Vulkanausbrüche und Meeresströmungen (s. nächsten Absatz) können zeitweise der Erwärmung entgegenwirken und den Prozess abbremsen oder sogar für eine temporäre Abkühlung sorgen. So wird es auch in Zukunft immer mal wieder kühlere Jahre geben. Auch mehrere „zu kalte“ Jahre hintereinander in Deutschland sind kein Indiz dafür, dass die globale Erwärmung abnimmt und der Prozess reversibel verläuft. Denn diese natürlichen Faktoren können nur temporär für eine kurze Verschnaufpause sorgen, solange im Hintergrund weiter zusätzliche Treibhausgase emittiert werden.

Klimawandel und natürliche Faktoren

Was hat es mit den erwähnten „natürlichen Faktoren“ auf sich? Oft werden Klimatologen und Meteorologen mit der Aussage konfrontiert, dass die Erde schon zigfach Wechsel aus Warm-und Kaltzeiten erlebt hat ohne Zutun des Menschen, rein aus natürlichen Antrieben heraus. Nun, diese Aussage ist erstmal richtig. Die Sonne, die zusammen mit den Erdbahnparametern in den letzten Jahrtausenden maßgeblich an Warm- und Eiszeiten beteiligt war, ist derzeit aber kein bestimmender Faktor hinsichtlich des sich rasch vollziehenden Klimawandels. Ganz im Gegenteil! Sie geht langfristig in einen inaktiven Zustand über, müsste also eine „bremsende“ Wirkung auf die Globale Erwärmung haben. Letzteres ist aber nicht der Fall, so dass eindeutig andere Faktoren und hier insbesondere die Treibhausgasemissionen unser Klima verändern (vgl. Bild 6). Auch der bekannte Zyklus des „El Niño“, einer natürlich vorkommenden Temperaturanomalie im äquatorialen Pazifik kann zwar kurzfristig Einfluss auf unser Wetter, aber nicht auf unser Klima nehmen.

Und da gibt es ja noch jemanden, der für unser Klima in Europa in hohem Maße verantwortlich ist: Der Golfstrom! Was passiert, wenn der Golfstrom versiegen würde? Nun, auch das wäre nicht das Ende des Lebens auf dem Planeten. Denn es ist durchaus schon vorgekommen, und derzeit schwächelt der Golfstrom wieder. Der Golfstrom ist die „Fernwärmeheizung“ Europas: Er bringt karibische Wärme bis weit in den Norden Europas, so dass sogar der Hafen von Murmansk im Winter eisfrei bleibt. Es ist richtig: durch das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes, der Arktis und der Gletscher wird der Salzgehalt im Nordatlantik verringert. Folglich macht der Golfstrom schon weit vor Europa die Biege, so dass das warme, salzhaltige Wasser unsere Region nicht mehr erreicht.

INFOBOX Golfstrom: Der Golfstrom beginnt im Atlantik westlich von Afrika. Er fließt zum Golf von Mexiko und erwärmt sich dort. Erst mit dem Florida- und dem Bahamasstrom gemeinsam wird er zum eigentlichen Golfstrom, benannt nach dem Golf von Mexiko. Entlang der Küste Nordamerika fließt er weiter nach Norden, wobei er durch die Erdrotation Richtung Europa abgelenkt wird. Durch die Verdunstung wird das Wasser immer salzreicher, gleichzeitig kühlt es sich auf dem Weg Richtung Arktis immer mehr ab. Das Wasser wird durch den höheren Salzgehalt und durch die Kälte dichter und schwerer. Es sinkt in die Tiefsee hinab. Die Sogwirkung ist so stark, dass damit der Golfstrom angetrieben wird.

Nun stellt sich die Frage, wie stark sich dieser Effekt auf die Temperaturen in Mitteleuropa auswirkt und wie die Wechselwirkung mit anderen Prozessen wie z. B. erhöhte Treibhausgase verläuft. Hier liefert die Wissenschaft noch keine eindeutigen Ergebnisse. Klimatologen gehen aber davon aus, dass ein schwächerer Golfstrom als negativer Rückkopplungsprozess allenfalls eine „bremsende“ Wirkung, aber kein Stoppen der Erwärmung hätte.

Eines wird jetzt ganz deutlich: Unser Klimasystem ist ein komplexes Zusammenspiel aus vielen Rückkopplungsprozessen und Wechselwirkungen, die sich regional unterschiedlich auswirken können. So kann es durchaus sein, dass es, wie bereits oben erwähnt, durch negative Rückkopplungsprozesse regional abkühlen kann, während andernorts durch positive Wechselwirkungen neue Rekordtemperaturen gemessen werden. Das Kohlendioxid ist nicht der alleinige Faktor für den Klimawandel, sondern ein Teil von vielen, aber ein sehr gewichtiges! Somit ist der Mensch zwar nicht allein für die derzeitige Klimaentwicklung verantwortlich, ist aber auch nicht vollkommen unschuldig! Fakt ist: Das zusätzliche Kohlendioxid stellt einen wesentlichen Beitrag zur globalen Erwärmung dar.

Bild 6: Die Rolle der Sonne am derzeitigen Klimawandel (gelbe Kurve: Anzahl der Sonnenflecken, ein Indikator für die Sonnenaktivität) ist gering, stattdessen ist das Kohlendioxid (blau) maßgeblich an der steigenden Globaltemnperatur (rot) beteiligt

Wie verlässlich sind Klimamodelle?

Ortswechsel: Sie haben einen Grillabend mit den Nachbarn geplant und der Wetterbericht sagt gutes Wetter voraus. Doch dann regnet es plötzlich Bindfäden. Wie kann es sein, dass Meteorologen oft nicht mal drei Tage im Voraus das Wetter sicher vorhersagen können, aber Berechnungen der Klimamodelle ganze Jahrzehnte vorausgreifen und wir diesen auch noch „glauben“ sollen? Genauso wenig, wie man „Wetter“ und „Klima“ in einen Topf werden darf (siehe Infobox „Wetter und Klima“), sollte man dies auch bei „Wettermodellen“ und „Klimamodellen“ tun.

Wettermodelle haben mit Naturgesetzen zu tun, die laufend und kurzfristig anhand von meteorologischen Parametern wie Temperatur, Luftdruck, Dichte, Windrichtung und Windgeschwindigkeit den Zustand der Atmosphäre bestimmen. Klimamodelle hingegen liefern statistische Aussagen über einen langen Zeitraum hinweg: Es liefert in dem Sinne auch keine „Prognosen“, sondern eher eine „Wenn … dann“-Aussage. Dabei möchte man unter bestimmten Annahmen herausfinden, welche Wetterlagen zukünftig vorkommen und wie sich z. B. die Temperatur dabei verändert, wenn man z. B. die Treibhausgasemissionen erhöht. Die Klimamodelle bilden zwar noch längst nicht vollständig, aber schon in sehr guter Annäherung die Zusammenhänge unseres Klimasystems ab. Dazu gehört nicht nur die Atmosphäre. Es gehen auch Berechnungen zur Kryosphäre (alles was mit Schnee und Eis zu tun hat), Biosphäre (Pflanzen, Tiere, Menschen), Pedosphäre (Boden), Lithosphäre (Gestein) und chemische Prozesse (z. B. Ozonloch als Folge einer chemischen Reaktion). Zusätzlich gehen auch verschiedene Szenarien über das Umweltverhalten des Menschen in die Berechnungen ein. Bereits vor 30 Jahren waren die Vorhersagen der damals weniger komplexen Klimamodelle – wie man heute feststellen muss – sehr treffend. Daher sollte man davon ausgehen, dass die heutigen neuen, wesentlich sensibler gestalteten Modelle noch zuverlässiger die weitere Klimaentwicklung abbilden. Sie sind Grundlage für Bewertungen zukünftiger Risiken hinsichtlich der Klimaveränderung und Basis für Anpassungsstrategien beim Umwelt- und Klimaschutz.

Auswirkungen des Klimawandels auf den Winter- und Sommerdienst

Die Klimamodelle bilden recht einheitlich Szenarien ab, die mehrheitlich milde Winter in Deutschland hervorrufen. Das passt gut mit den Beobachtungen des Deutschen Wetterdienstes zusammen, die eine Abnahme von Frost- und Eistagen sowie die schwindende Bereitschaft des Schnees, sich mal für einen längeren Zeitraum auszubreiten, beinhalten. Die mil den Winter der Vergangenheit werden sehr gerne als Argument genutzt, um finanzielle Mittel insbesondere beim kommunalen Winterdienst zu streichen. Ein Trugschluss!

November 2005: Nasser Starkschneefall im sonst eher schneearmen Münsterland und Osnabrücker Land lässt Strommasten wie Streichhölzer umknicken (vgl. Bild 7). Viele Haushalte waren tagelang ohne Strom.

Bild 7: Abgeknickte Strommasten im Münsterland, November 2005 (Foto: Klaus Bingel)

Dezember 2010: Rekordkälte und Schneemassen bis ins Flachland halten Deutschland wochenlang fest im Griff! Nach wenigen Wochen Winter gingen die Salzvorräte zur Neige, sogar auf den für die Wirtschaft lebensnotwendigen Autobahnen wurde teils nur noch eine Spur geräumt und konnte nicht mehr gestreut werden! Es entstand ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden.

Januar 2019: Bayerische und österreichische Nordalpen. Es schneit wochenlang nahezu ohne längere Pausen. Es gab nicht nur für den Januar vielerorts neue Schneerekorde, sondern vereinzelt auch Allzeitrekorde bei über 100-jährigen Messreihen (z. B. Seefeld in Tirol). Letzteres ist insofern bemerkenswert, da die höchsten Schneedecken im Gebirge normalerweise erst zum Ende des Winters und nicht im Januar auftreten. Gleichzeitig gab es auch in den USA eine rekordverdächtige Kältewelle, die sämtliche „Klimaskeptiker“ laut aufschreien ließen: Schneemassen und Kälte inmitten der globalen Erwärmung sind doch ein völliger Widerspruch zu den Forschungsergebnissen der Wissenschaft! Dass es dagegen im isländisch-grönländischen Raum zeitweise außergewöhnlich warm war, wird gar nicht erwähnt.

Jetzt kommen wir noch einmal auf den Jetstream zurück: Wenn dieser im Winter so liegt, dass die Wettersysteme über Skandinavien und Osteuropa länger verharren, dann liegen wir in Mitteleuropa eben auch mal längere Zeit im Zustrom kalter Luftmassen. Kommen die dann auch noch vom Nordpolarmeer, reichern sie sich mit viel Feuchtigkeit an. Dann schneit es eben, und das nicht zu knapp. Zusätzlich kann sich die Luft über einer Schneelandschaft regional stark abkühlen, so dass auch neue Kälterekorde möglich sind.

Und jetzt kommt ein ganz wertvoller Satz, spätestens jetzt sollten Sie einen Textmarker nehmen: Kalte Winter und Klimawandel schließen sich nicht aus! Es wird auch zukünftig immer mal wieder kalte und schneereiche Winter bei uns geben, wenn auch nicht mehr in der Häufigkeit vergangener Jahrzehnte.

Neben solchen Rekordwintern haben wir es im Zuge des Klimawandels häufiger mit „überraschenden“ Starkschneefällen zu tun, die den Winterdienst vor große Herausforderungen stellen (vgl. Bild 8).

Bild 8: „Plötzlich“ auftretender Starkschneefall bei Lübbecke, Ostwestfalen. Vor 15 Minuten war hier alles noch grün… (Foto: Friedrich Föst)

Der Klimawandel bewirkt steigende Temperaturen. Warme Luft kann aber gleichzeitig viel Wasserdampf aufnehmen, so dass ein höheres Feuchteangebot der Atmosphäre zur Verfügung steht. Da kann es eben auch potenziell viel Schnee geben. Ein Phänomen, das sich nicht nur auf die Berge beschränkt, sondern auch im Flachland möglich ist. Die im Winterdienst erfahrenen Meteorologen der Wettermanufaktur haben in den letzten Jahren häufig beobachtet, dass bei stärkeren Niederschlagsereignissen aus Regen rasch Schnee wurde, der dann schnell zu winterlichen Straßenverhältnissen führte: Der Starkregen kühlt die vertikale Luftsäule so stark aus, dass aus Regentropfen große Schneeflocken werden. Die zuvor noch mit zarten Plusgraden versehenen Beläge auf Straßen-, Rad- und Gehwegen kühlen in kurzer Zeit aus und die Glättebildung setzt rasch ein.

Die Klimamodelle gehen zwar insgesamt bis Ende des Jahrhunderts von einer weiteren Abnahme an Schnee- und Kältetagen aus, sie zeigen aber auch eine Zunahme der Niederschläge in den Wintermonaten. Fallen diese kräftig aus, dann sind in kurzer Zeit auch Starkschneefälle möglich. Binnen nicht einmal einer Viertelstunde können mehrere Zentimeter nasser Neuschnee fallen. Damit nicht alle völlig überrascht vom plötzlichen Winter sind, braucht es auch in Zukunft gut aufgestellte Winterdienste.

Auch im Sommerhalbjahr werden die Herausforderungen sicherlich nicht weniger: Hitze und anhaltende Trockenheit im Wechsel mit Gewitter (vgl. Bild 10) und Starkregen sind Szenarien, die neue Strategien im Sommerdienst erfordern. Überhitzte Fahrbahnen mit Gefahr von sog. „Blow Ups“ (plötzlichen Hochklappen von überhitzten Betonplatten, vgl. Bild 9), knochenharte Böden, die den Starkregen nicht aufnehmen können und daraus resultierende Überflutungen stellen Entscheidungsträger vor neue Herausforderungen.

Bild 9: Durch extreme Hitze verursachter „Blow-Up“ auf einer deutschen Autobahn (Foto: Feuerwehr Langquaid)

Bild 10: Berechnete Gewitterzugbahnen zeigen an, ob und wann das Einsatzgebiet getroffen wird. (Quelle: Wettermanufaktur GmbH, www.einsatzwetter.de)

Um gut für zukünftige Wetterkapriolen aufgestellt zu sein, braucht es eine ganzjährig wetterorientierte Einsatzplanung. Die Wettermanufaktur widmet sich sehr intensiv dem Thema „Wie beeinflusst Wetter den Verkehr zu Land, zu Luft und auf der Schiene?“ sowie Mobilität im Allgemeinen und erarbeitet entsprechende Wetterlösungen. Für die Einsatzplanung z. B. von Winter- und Sommerdiensten sind die Informationen die gängige Wetterseiten oder Apps bieten, daher nicht ausreichend. Unser Anliegen ist es, die beste Wetterlösung für einen zuverlässigen Verkehr anzubieten. Seit November 2017 steht unser Online-Portal für Winter- und Sommerdienste www.einsatzwetter.de bundesweit zur Verfügung.

Die Wettermanufaktur bietet Straßen- und Winterdiensten die benötigten Informationen in Form von Spezial-Vorhersagen für das jeweilig individuell definierte Einsatzgebiet. Hierzu zählen unter anderem die Temperatur und der Zustand von Straßen, Brücken und Fußwegen. Um diese Parameter zur Verfügung stellen zu können, nutzen wir exklusiv ein eigenes Straßen-Oberflächenmodell. Das Portal ist eine verlässliche Informationsquelle für Einsatzleiter zur Planung von wirtschaftlichen und umweltverträglichen Winterdienst- und Sommerdiensteinsätzen. Es vereint alle wichtigen Informationen auf einer Oberfläche (vgl. Bild 11), die für die Einschätzung notwendig sind, ob Einsätze erforderlich werden oder nicht.

Bild 11: Beispiel für eine rasche Entscheidungshilfe im Winterdienst: Durch die farbliche Darstellung lässt sich schnell erfassen, in welchen Zeiträumen Glätte auftreten wird (Quelle: Wettermanufaktur GmbH, www.einsatzwetter.de)