FGSV-Nr. FGSV 002/100
Ort Karlsruhe
Datum 13.09.2011
Titel Praktische Erfahrungen mit der Ausbringung von Tausalzlösungen
Autoren Dipl.-Ing. Ludwig Niebrügge
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Ausbringverluste bei der Taustoffausbringung, bedingt durch vielfältige Einflüsse, sind aus der Praxis und vielen Untersuchungen im Rahmen von praxisnahen Streumaschinentests aus der jüngsten Zeit bekannt. Durch begleitende Forschung (Hausmann, G.) zum Winterdienst konnten die quantitativen Taustoffverluste unter Einbeziehung der Verluste durch Verkehrseinfluss nach der Ausbringung ermittelt werden. Die ermittelte Höhe der Verlustraten auf Bundesautobahnen – vor allem nach Präventiveinsätzen – hat dabei überrascht und die Notwendigkeit verdeutlicht, möglichst effiziente Alternativen zum FS 30 zu nutzen.

Als Alternative für den Präventiveinsatz wurde die Ausbringung von flüssigen Taumitteln, das sogenannte Flüssigstreuen, identifiziert. Ab dem Winter 2008/2009 sind daher beim Landesbetrieb Straßenbau in Nordrhein-Westfalen Flüssigstreuen im Winterdienst auf BAB erprobt worden. An den Erprobungen beteiligten sich in Folge weitere Bundesländer, die im Rahmen eines Forschungsauftrages der BASt ab 2009 begleitet wurden.

Die vielfältigen Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsauftrages, mit dem Schwerpunkt, die Liegezeiten bzw. die Verlustraten nach der Ausbringung von Flüssigstreustoff sowie die wesentlichen Einflüsse zu ermitteln, wurden nach dem Winter 2010/2011 abgeschlossen. Die Ergebnisse haben die subjektiven Erkenntnisse aus der Praxis bestätigt, sind überaus positiv und haben die Erwartungen übertroffen.

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1 Ausgangssituation

Den Anwendern ist aus Beobachtungen bekannt, dass vor allem auf schnell befahrenen Straßen ein Teil des ausgebrachten Taustoffes, insbesondere bei trockenen oder leicht feuchten Fahrbahnen, verdrängt wird. Um genauere Erkenntnisse über Verteilqualität und Wirkung zu erhalten und um auch Hinweise zur richtigen Taustoffdosierung zu erhalten, wurde hierzu 2006 von der Bundesanstalt für Straßenwesen ein Forschungsauftrag vergeben und die Ergebnisse in einem Abschlussbericht (Hausmann 2009) vorgelegt.

Folgende wesentlichen Erkenntnisse sind bei den Untersuchungen auf einer Bundesautobahn aus zwei Winterperioden erzielt worden:

–    Das Streusalz wird sehr schnell aus den Rollspuren verdrängt.

–    Bei feuchten oder nassen Fahrbahnen kommen nur ca. 25 bis max. 50 % der mit dem FS 30-Verfahren ausgebrachten Taustoffmenge zur Wirkung.

–    Bei präventiver Streuung mit FS 30 auf trockenen oder leicht feuchten Fahrbahnen liegt der Wirkanteil nur bei ca. 15 %.

–    Die verbleibenden Tausalzanteile reichten zumeist zur Vermeidung einer gefährlichen Glättebildung aus.

Im Bild 1 ist die Problematik der Verdrängung des Taustoffes nach der Ausbringung auf trockener Fahrbahn (simulierter Präventiveinsatz) durch Verkehrseinfluss sehr gut erkennbar. Die Ergebnisse im Rahmen dieses Forschungsauftrages sind in dieser Ausprägung nicht erwartet worden, zumal das Streusalz generell im FS 30-Verfahren ausgebracht wurde. Sie gaben Anlass, nach alternativen Methoden – insbesondere für den präventiven Winterdienst – zu suchen, da der präventive Winterdienst auf Bundesautobahnen zur Sicherstellung der Mobilität eine hohe Bedeutung hat.

Bild 1: Salzverlagerung 6 min. nach Ausbringung (Quelle: BASt)

2 Forschungsprojekt und Praxistest Flüssigstreuen

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW hat zum Winter 2008/2009 Praxistest mit einem Flüssigstreuer durchgeführt und gemeinsam mit der BASt eine begleitende Untersuchung beim Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung angestoßen und von der BASt beauftragt (FE 04.0224/2008/DRB). Die begleitende Forschung wurde Anfang 2009 aufgenommen. Auf dem Kolloquium Straßenbetriebsdienst 2009 (Niebrügge 2009) wurde hierzu berichtet.

Die folgenden wesentlichen Forschungsziele wurden verfolgt:

–    Vertiefung und Festigung der Erkenntnisse zum Einsatz von Taustofflösungen,

–    Sichere Erkenntnisse zu Streudichten unter Berücksichtigung von Randbedingungen (Wasserfilmdicken, Temperaturen),

–    Ermittlung Liegedauer,

–    Qualität der Taustoffausbringung der eingesetzten Sprühmaschinen,

–    Differenzierte Vorgaben zur Streudichte,

–    Abschätzung Investitionsbedarf,

–    Abschätzung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen.

Für die Ermittlung der Liegedauer sind umfangreiche Feldversuche auf verschiedenen Autobahnabschnitten mit unterschiedlichen Fahrbahnbelägen und Verkehrsbelastungen durchgeführt worden.

2.1 Feldversuche

Im Rahmen von Feldversuchen sollte die Liegedauer des ausgebrachten flüssigen Taustoffes unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen ermittelt werden. Beteiligt waren die Autobahnmeistereien Erkner (Brandenburg), Herford (Nordrhein-Westfalen), Mendig (Rheinland-Pfalz) und Rottweil (Baden-Württemberg). Neben den Feldversuchen wurden subjektive Erkenntnisse aus Praxiseinsätzen von einigen Autobahnmeistereien aus Bayern ausgewertet. Messungen, die im Auftrag der Berliner Städtereinigung (BSR) durchgeführt wurden, sind ebenfalls mit bewertet worden. Hier war das Interesse in Bezug auf die Wahl des flüssigen Taustoffes ausgerichtet, da die BSR im Gegensatz zu den Feldversuchen bei den Autobahnmeistereien Calciumchlorid-Lösung anstelle von Natriumchlorid-Lösung einsetzt.

Bei den Feldversuchen erfolgte die Ausbringung des flüssigen Taustoffes (Bild 2) im Regelfall bei trockenen Fahrbahnverhältnissen und geringer Windgeschwindigkeit. Die Ausbringmenge wurde zwischen 10 g/m² und 20 g/m² variiert. Die Einsatzgeschwindigkeit war mit 60 km/h festgelegt.

Bild 2: Taustoffausbringung im Feldversuch

Nach der Ausbringung wurde der rechte Fahrstreifen gesperrt und die Aufnahme (Bild 3) des Taustoffes zur Ermittlung der vorhandenen Taustoffmenge in der Fahrstreifenmitte und in der rechten Rollspur des rechten Fahrstreifens (Bild 4) durchgeführt. Anschließend erfolgte die Verkehrsfreigabe. Nach 30 Minuten Verkehrseinfluss wurde wiederum der rechte Fahrstreifen für die Taustoffaufnahme gesperrt. Dieser Vorgang erfolgte in einen Zeitraum von 4 Stunden mehrfach. In einigen Fällen wurden nach 22 Stunden bzw. nach 44 und 48 Stunden Liegezeit

–   teilweise mit einer zusätzlichen Ausbringung von flüssigem Taustoff – Taustoffaufnahmen durchgeführt, um Langzeiterkenntnisse zu gewinnen.

Bild 3: Aufnahmegerät System ESG                    

Bild 4: Aufnahmeflächen im Fahrstreifen

Mit dem Aufnahmegerät von der Fa. ESG konnte die jeweils vorhandene Tausalzlösung und bzw. oder auch die bereits aus der Tausalzlösung kristallisierten Salzanteile aufgenommen werden. Anschließend wurden die aufgenommenen Tausalzanteile durch Leitwertmessungen bestimmt. Über die Messreihen konnte dann der Taustoffverlust über die Zeit ermittelt werden.

2.2 Ergebnisse aus den Feldversuchen

Im Zeitraum von 2 Jahren wurde an insgesamt 35 Messtagen eine Vielzahl von Einzelmessungen durchgeführt. Die Mittelwerte (Hausmann 2011) der Ergebnisse aus den Feldversuchen in den Aufnahmequerschnitten zeigen auf, dass in der Rollspur erwartungsgemäß der Taustoff schneller verdrängt wird und somit ein höherer Verlust eintritt als zwischen den Rollspuren (Bild 5). Außerhalb des rechten Fahrstreifens auf der Standspur konnten keine oder nur sehr geringe Taustoffanteile ermittelt werden. Daher sind nach dieser Erkenntnis auf diesen Flächen keine Messungen mehr durchgeführt worden.

Bild 5: Restsalz (relativ) im rechten Fahrstreifen nach 1 und 4 Stunden Verkehrseinfluss

Bild 6: Restsalz im Vergleich Soleausbringung und FS 30 nach verschiedenen Zeiten der Verkehrseinwirkung

Den Ergebnissen aus den Feldversuchen mit flüssigem Taustoff wurden Ergebnisse (Hausmann 2011) aus Untersuchungen zur Liegezeit bzw. zu Tausalzverlusten beim FS 30-Verfahren gegenübergestellt (Bild 6). Hier werden die Vorteile des Flüssigstreuens bei Präventiveinsätzen deutlich. Es sind wesentlich weniger Taustoffverluste durch Verkehrseinwirkung zu verzeichnen. Aus der Praxis ist bekannt, dass die im FS 30-Verfahren ausgebrachten Streusalzmengen im Regelfall zur Vermeidung der Glättebildung ausreichen. Berücksichtigt man die heute bekannten Verluste, ergibt sich, dass mit weniger Taustoff die Präventiveinsätze erfolgreich gefahren werden können. Voraussetzung ist, dass der ausgebrachte Taustoff auch auf der Fahrbahn verbleibt und dort wirksam werden kann.

Im Bild 7 sind die Mittelwerte (Hausmann 2011) der absoluten Taustoffverluste aus einer Modellrechnung im Vergleich dargestellt. Hier zeigt sich, dass nach einer Stunde Verkehrseinfluss aus der Tausalzlösung mehr Taustoff auf der Fahrbahn verbleibt als aus der FS 30-Streuung, obwohl beim FS 30 effektiv mehr ausgebracht wurde. Visuelle Beobachtungen bei den Feldversuchen zeigten deutlich eine sehr schnelle Verfrachtung des angefeuchteten Streusalzes an den Straßenrand. Dieser Vorgang dauert weniger als 15 Minuten. Der im Bild 7 dargestellte Verlauf der Taustoffabnahme verläuft daher in der Realität (gestrichelte Linie) schneller.

Im Rahmen der Feldversuche wurden die Sprühdichten variiert. Hierbei konnte man feststellen, dass höhere Sprühdichten auch zu höheren Verlusten führen. Variiert wurde zwischen 20 g/m² und 40 g/m² Sprühdichte. Im Bild 8 (Hausmann 2011) sind die Ergebnisse (Mittelwerte) im Vergleich dargestellt. Hier zeigt sich deutlich, dass mit höheren Sprühdichten auch mit höheren Verlusten zu rechnen ist.

Bild 7: Zeitlicher Verlauf (Modellrechnung und Beobachtung) der absoluten Taustoffverluste durch Verkehrseinwirkung auf Autobahnen im Vergleich nach präventiver Streuung

Bild 8: Abnahme der Salzmengen im Vergleich unter Verkehrseinfluss bei unterschiedlichen Sprühdichten

Interessant sind auch die Ergebnisse aus Langzeitmessungen. Am Beispiel im Bild 8 zeigt sich, dass in dem Zeitraum nach 4 Stunden Liegezeit bis 22 Stunden Liegezeit nur noch geringere Taustoffverluste ermittelt werden konnten. Die Ergebnisse sind bei allen Messungen tendenziell ähnlich. Die größten Verluste treten unmittelbar nach der Ausbringung und dann im Zeitraum bis zu 4 Stunden nach dem Einsatz auf.

2.3 Einflussfaktoren und Auswirkungen auf Liegezeit

Die Einflussfaktoren, die die Liegzeit des Taustoffes und damit den Taustoffverlust bestimmen sind vielfältig. Zur Ermittlung der Auswirkungen ist eine Vielzahl von Messungen bei immer gleichen Randbedingungen erforderlich, damit Überlagerungen von wechselseitigen Einflüssen vermieden bzw. berücksichtigt werden können. Dieser Aufwand war im Rahmen der angeführten Forschungsaufgabe nicht umfänglich leistbar. Dennoch konnten aus den vorliegenden Messergebnissen und Beobachtungen Aussagen abgeleitet und qualitative Bewertungen vorgenommen werden.

Erwartet und untersucht wurden als wesentliche Einflussfaktoren

–    der Verkehr (Anzahl Überfahrten und Fahrgeschwindigkeit),

–    die Art der Fahrbahnoberfläche und

–    die Witterung (relative Luftfeuchte, Luft- und Belagstemperatur).

2.3.1 Faktor Taustoffart, Restsalz und Verteilqualität

Die Einflüsse durch die in der Taustofflösung eingesetzte Taustoffart (NaCl- im Vergleich mit CaCl2-Lösung) und der vorhandene Restsalzgehalt aus vorhergehenden Einsätzen wurden ebenfalls untersucht. Ein weiterer, allerdings indirekter Einfluss, ist in der Verteilqualität der

Taustofflösung durch die eingesetzte Sprühtechnik zu sehen.

2.3.2 Faktor Verkehr

Der Verkehr hat über den Reifenkontakt mit der Fahrbahnoberfläche einen großen Einfluss auf die Liegezeit und damit auf den Taustoffverlust. Aus den Messungen ergibt sich der größte Anteil des Taustoffverlustes in der ersten Stunde nach der Ausbringung. Aus den Beobachtungen im Rahmen der Feldversuche wird abgeleitet, dass bereits in den ersten Minuten der größte Teil verlustig ist. Das geschieht durch die Verwirbelungen (Sogwirkung) hinter den Fahrzeugen und das Anhaften an den Fahrzeugen. Es reichen bereits einige wenige Fahrzeuge aus. Aus den Beobachtungen und Ergebnissen wird abgeleitet, dass beim Verkehrseinfluss die gefahrene Geschwindigkeit eine größere Bedeutung hat, als die Verkehrsstärke selbst.

2.3.3 Faktor Fahrbahnoberfläche

Die Oberflächenstruktur ist auf den Fahrbahnen, bedingt durch Material und Abnutzung unterschiedlich. Eine eindeutige, wie auch tendenzielle Aussage war aus den Messergebnissen nicht ableitbar.

2.3.4 Faktor Witterung

Bei den Witterungsfaktoren, relative Luftfeuchte, Luft- und Belagstemperatur sind keine eindeutigen Aussagen möglich. Tendenziell haben höhere Luftfeuchten keine positive Wirkung auf die Liegezeiten.

2.3.5 Faktor Taustoff

Bei den Liegezeitmessungen wurde überwiegend Natriumchlorid-Lösung eingesetzt. Einige Messungen erfolgten mit einer Calciumchlorid-Lösung. Die Ergebnisse im Vergleich, zeigen tendenziell geringere Verluste beim Einsatz mit Calciumchlorid-Lösung auf. Diese sind aber statistisch nicht abgesichert.

2.3.6 Faktor Restsalz

In einem „Langzeitversuch“ wurde ermittelt, wie sich die Liegedauer bzw. die Verluste über einem Zeitraum von 44 Stunden darstellen, wenn zwischenzeitlich wiederholt Einsätze gefahren werden. Der Versuch wurde auf der BAB A 2 bei Herford in beide Fahrtrichtungen durchgeführt. Die Sprühdichten wurden hierbei so variiert, dass in Summe der drei Einsatzfahrten in allen Messquerschnitten die gleiche Menge Salzlösung (80 g/m²) beaufschlagt wurde. Im Bild 9 (Hausmann 2011) sind die Ergebnisse enthalten und die jeweiligen Sprühdichten angeführt. Gemessen wurde jeweils in der Rollspur. Die BAB A 2 hat in diesem Abschnitt eine tägliche Verkehrsbelastung von 64.800 Kfz mit einem Schwerverkehrsanteil von 19,3 %. Die Ergebnisse sind schon überraschend, da hier die Verluste geringer ausfallen als bei Messungen ohne vorhandenes Restsalz. Der Forschungsnehmer spricht im Abschlussbericht von einem Imprägniereffekt. Eine Erklärung hierzu wurde nicht gefunden. Dieser Effekt tritt auch nur ein, wenn nach vorhergehenden Einsätzen zwischenzeitlich kein wesentlicher Niederschlag eintritt.

Bild 9: Ergebnisse Langzeitmessung Restsalz mit drei Sprüheinsätzen unterschiedlicher Sprühdichte (nur Rollspur)

2.3.7 Faktor Verteilqualität der Taustofflösung

Die Verteilqualität ist wesentlich für einen effektiven Winterdiensteinsatz. Das gilt umso mehr, wenn mit geringen Dosierungen gearbeitet wird, es bei der Flüssigstreuung der Fall ist. Treten darüber hinaus im Sprühquerschnitt lokal Überdosierungen auf, so kann das zu höheren Verlusten führen, da wie bereits unter Abschnitt 2.2 ausgeführt, bei höheren Sprühdichten und damit einer höheren Taumittelbeaufschlagung in Teilflächen eine schnellere Verdrängung des Taustoffes eintreten kann. Dieser Effekt konnte bei einer Taumittelbeaufschlagung von ca. 40 g/m² gegenüber 20 g/m² ermittelt werden (Bild 8). Diese Anteile fehlen in den anderen Flächenteilen.

Zusammenfassend (Bild 10) sind die vorstehenden Faktoren mit ihren Auswirkungen auf die Liegezeit dargestellt. Zusätzlich ist hier die Aussagesicherheit angegeben, die aus den Ergebnissen der durchgeführten Feldversuche und Beobachtungen ableitbar ist.

Bild 10: Auswirkung von Einflussfaktoren auf Liegezeit (Hausmann 2011)

2.4 Praxiserfahrungen Meistereien

Insgesamt beteiligten sich 9 Meistereien, indem Einsatzdaten nach Vorgabe durch den Forschungsnehmer aufgezeichnet wurden. Zusätzlich wurden die subjektiven Einsatzerfahrungen der Meistereien abgefragt. Für die Einsätze sind den Meistereien Dosierempfehlungen (Bild 11) zur Verfügung gestellt worden, die der Landesbetrieb Straßenbau NRW für seinen Pilotversuch aufgestellt hatte. Diese basierten auf eine Auswertung von skandinavischen Dosierempfehlungen (Niebrügge 2009) in Verbindung mit theoretisch ermitteltem Taustoffbedarf für verschiedene Wassermengen (Wasserfilm) und Temperaturen auf der Fahrbahnoberfläche. Insgesamt wurden 216 Einsätzen ausgewertet.

Bild 11: Dosierempfehlungen für Flüssigstreuen (Straßen.NRW)

Aus den Einsatzerfahrungen konnten folgende wesentlichen Aussagen abgeleitet werden:

–    bei allen 216 dokumentierten Einsätzen wurde mit Ausnahme eines Einsatzes das Einsatzziel erreicht,

–    der flüssige Taustoff kann mit höherer Geschwindigkeit (ca. 60 km/h) als beim FS 30 ausgebracht werden,

–    der flüssige Taustoff wird randscharf abgelegt,

–    bei vorhandener Glätteschicht trat Wirkung fast unmittelbar ein,

–    dünne Schneeschichten konnten schneller beseitigt werden, als mit FS 30 (diese Aussage beruht auf wenige Einsätze),

–    Einsätze mit flüssigen Taustoff in Kombination mit FS 30 hat auf offenporigen Belag (OPA- Belag) einen schnellen und nachhaltigen Effekt gezeigt (Beobachtungen in Bayern, keine Messungen).

Aus den Aufzeichnungen wurde eine durchschnittliche Dosierung von ca. 14 g/m² ermittelt. Das bedeutet, dass durchschnittlich nur ca. 2,8 g/m² Taustoff (20 %-ige Lösung) ausgebracht wurden. Mit geringen Ausnahmen ist in einer Bandbreite zwischen 10 g/m² und 20 g/m² der Taustoff dosiert worden. Höhere Dosierungen – bis zu ca. 70 g/m² – wurden z. B. bei Einsätzen auf dünnen Schneeschichten vorgenommen.

2.5 Taustoffbedarf Flüssigstreuen im Vergleich zum FS 30-Streuen

Der Taustoffbedarf war bei den Präventiveinsätzen mit dem Flüssigstreuen über alle aufgezeichneten Praxiseinsätze um ca. 60 % geringer als beim FS 30-Streuen. Hier zeigt sich deutlich, dass aufgrund der geringen Feuchtigkeitsmengen, die bei Präventiveinsätzen vor Gefrieren zu schützen sind, auch sehr geringe Taustoffmengen ausreichen. Diese Erkenntnis ist durch theoretische Betrachtungen belegbar. Da mit dem Flüssigstreuen die Taustoffverluste sehr stark reduziert sind, ist bei den aufgezeichneten Winterdiensteinsätze der beteiligten Meistereien auch mit den geringen Taustoffmengen – mit einer Ausnahme – das jeweilige Einsatzziel, die Glättevermeidung oder -beseitigung auch erreicht worden. Die Ausnahme ergab sich bei einem Einsatz bei −5 °C auf einer nassen Fahrbahn auf einer Brücke. Der Grund konnte nicht eindeutig geklärt werden.

2.6 Akzeptanz bei den Meistereien

Das Flüssigstreuen hat bei den teilnehmenden Meistereien eine hohe Akzeptanz gefunden. Allerdings besteht die Notwendigkeit, die vorhandene Befülltechnik und gegebenenfalls auch die Lagerkapazitäten anzupassen. Durch Löseanlagen mit hoher Durchsatzleistung kann die benötigte Salzlösung kostengünstig bereit gestellt und die erforderliche Lagerkapazität für Salzlösung begrenzt werden. Die Befüllung der Flüssigstreuer, die mit bis zu ca. 11 m³ Salzlösung zu befüllen sind, muss in 10 bis max. 15 Minuten möglich sein. Das erfordert eine Befüllleistung von ca. 1.000 Liter pro Minute. Die Gerätetechnik muss mit einer ausreichend genauen aber robusten Verteiltechnik ausgestattet sein.

3 Einsatzstrategie Glättebekämpfung

Aus den gewonnen Erfahrungen mit dem Flüssigstreuen und der begrenzten Einsetzbarkeit (Temperaturgrenze ca. −6 °C und nur sehr dünne Glätteschichten) können vorerst folgende Einsatzstrategien für die Glättebekämpfung (Bild 12) abgeleitet werden:

Der Einsatz bei dünnen Schneeschichten ist nur nahe 0 °C möglich, da durch die Auflösung des Schnees eine starke Verdünnung bzw. starke Absenkung der Lösungskonzentration erfolgt.

Bild 12: Abgeleitete Einsatzstrategien aus Einsatzerfahrungen Flüssigstreuen

Auf OPA-Belägen ist nach den vorliegenden ersten Praxiserkenntnissen aus Bayern (Hausmann 2011) das Flüssigstreuen in Kombination mit FS 30 scheinbar eine interessante Möglichkeit deutliche Verbesserungen bei der Glättebekämpfung zu erzielen. Hier sind sicherlich noch weitere Erfahrungen und Untersuchungen notwendig, um die optimale Einsatzstrategie hierfür zu ermitteln.

In Einsatzbereichen mit häufig wechselnden Einsatzbedingungen, wie z. B. im Bergland, kann der Einsatz von Kombimaschinen sinnvoll sein, um die Taustoffausbringung zwischen nur Flüssigstreuen oder Flüssig- mit FS 30-Streuen kombiniert und nur FS 30-Streuen variieren zu können. Allerdings ist hierbei die Einschränkung der Taustoffkapazitäten durch die beschränkte Nutzlast der bisher im Winterdienst eingesetzten Trägerfahrzeuge nachteilig.

Die Einsatzstrategie für die Taustoffausbringung in flüssiger oder angefeuchteter (FS 30) Form bzw. beide Verfahren kombiniert, werden sicherlich mit den zunehmenden Erfahrungen aus Winterdiensteinsätzen Anpassungen und gegebenenfalls auch weitere Differenzierungen erfahren.

4 Gerätebedarf und Investitionsaufwand

Um das Flüssigstreuen in einem Meistereibezirk durchführen zu können, sind entsprechende Geräteausstattungen erforderlich. Hier wird beispielhaft (Bild 13) an einer „Standardautobahnmeisterei“ mit 70 km Betriebsstrecke (jeweils 140 km Fahrstreifenlänge) in Abhängigkeit der Anzahl Fahrstreifen eine Taustoffbedarfs- und Transportkapazitätsermittelung vorgenommen. Vorgegeben ist eine Taustoffdosierung mit 15 g/m² NaCl-Lösung (20 %-ige Konzentration) und zwei Geräte:

Bild 13: Taustoffbedarf und Transportkapazität für 70 km BAB-Betriebsstrecke

Anhand vorstehender Ermittlungen wird deutlich, dass durch das Flüssigstreuen erhebliche Transportkapazitäten mit Nutzlastbedarfe bei den Trägerfahrzeugen erforderlich sind. Bei drei Fahrstreifen sind aufgrund der erforderlichen Nutzlast, 3-Achsfahrzeuge mit einem technisch zulässigem Gesamtgewicht von ca. 29 t erforderlich. Das bedeutet im Regelfall, das Fahrzeuge mit mindestens 26 t zulässiges Gesamtgewicht benötigt werden, die gegebenenfalls noch für den Winterdienst mit einer Ausnahmegenehmigung auf 29 t zulässiges Gesamtgewicht aufgelastet werden müssen.

Beim Einsatz von Kombigeräten, stellt sich bei einer Bedienung von drei Fahrstreifen die Problematik des Nachladens von Taustoff während eines Einsatzumlaufs. Zur Vermeidung des Nachladens sind bei den Trägerfahrzeugen entweder zulässige Gesamtgewichte von 33 t erforderlich, oder es müssen zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden.

4.1 Investitionsaufwand für Umsetzung Flüssigstreuen auf BAB

Die Ergebnisse der begleitenden Forschung und die Praxiserfahrungen sprechen für eine deutschlandweite Einführung des Flüssigstreuens auf Bundesautobahnen. Nachfolgend wird daher der erforderliche Investitionsaufwand abgeschätzt:

Berechnungsansätze für Abschätzung:

–    Anzahl Autobahnmeistereien (AM):                        185

–    Streufläche BAB (ca. 12.800 km BAB):                 280 Mio. m²

–    Bemessungsstreudichten:                                      15 g/m² und 20 g/m²

–    Nutzvolumen 11 m³ Flüssigstreuer:                        10.800 Liter

–    Mehrkosten Geräte- Fahrzeugausstattung:            45.000 €/Gerät

–    Anpassung Infrastruktur Meisterei                          15.000 €/AM

(Pumpleistung, Zusatzanschlüsse für Beladung etc.; Salzlöseanlage vorhanden)

Vorstehende Kostenansätze ergeben sich aus vorliegenden Erfahrungswerten. In Abhängigkeit der weiteren Kostenentwicklung sind mittelfristig Kostensenkungen zu erwarten. Die Anpassung der Infrastruktur auf den Meistereien ist sicherlich sehr unterschiedlich. Hier sind zur Vereinfachung Annahmen zur vorhandenen und zur ergänzenden Infrastruktur getroffen worden. In Abhängigkeit der Bemessungsstreudichte ergeben sich auf der Grundlage der vorstehenden Berechnungsansätze folgende Investitionsaufwendungen (Bild 14) für die Ausstattung der Autobahnmeistereien in Deutschland:

Im Rahmen der Abschätzung des Investitionsvolumens ist es sinnvoll die höhere Bemessungstreudichte von 20 g/m² zu wählen, da die Bedienung der BAB mit höheren Streudichten sicher gestellt sein muss.

Es ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung von weiteren Randbedingungen das Investitionsvolumen sogar noch höher ausfallen wird, als hier im Rahmen von Durchschnittswerten ermittelt wurde. Das Investitionsvolumen wird daher mit ca. 25 Mio. € eingeschätzt.

Bild 14: Abschätzung Investitionsaufwand Autobahnmeistereien Deutschland

5 Investitionen unter betriebswirtschaftlichen Aspekten

Die ermittelten Investitionen sind mit ca. 25 Mio. € nicht unerheblich. Bezogen auf alle Autobahnmeistereien mit ca. 135.000 € pro AM und bezogen auf die Bundesautobahnen in Deutschland mit ca. 2.000 € pro Betriebs-km aber überschaubar. Eine schnelle Einführung erscheint daher möglich und ist zur effektiven Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie betriebswirtschaftlich, wie nachfolgend dargestellt, sinnvoll.

5.1 Salzeinsparung durch Präventiveinsatz mit Flüssigstreuen

Unter Abschnitt 2.5 wurde angeführt, dass ca. 60 % Taustoff mit dem Flüssigstreuen bei den Praxiseinsätzen eingespart werden konnten. Für die Ermittlung der durchschnittlichen Salzeinsparung im gesamten deutschen Autobahnnetz werden folgende Einschätzungen vorgenommen:

–    Anteil Präventivstreuen über alle Einsätze auf BAB: ca. 40 %

–    Reduzierung Taustoffbedarf durch Flüssigstreuen: ca. 60 %.

Die Annahme des Anteils Präventivstreuens mit ca. 40 % von allen Einsätzen auf BAB in Deutschland ergibt sich aus der Einschätzung, dass das Präventivstreuen im Flachland einen Anteil von 70 % und mehr sowie im Mittel- und Hochgebirge im Durchschnitt ca. 30 % einnimmt.

Im Rahmen des Forschungsauftrages wurde eine Modellrechnung entwickelt, mit der die Salzeinsparung beim Flüssigstreuen in Abhängigkeit des Anteils Präventiveinsätze an den Gesamteinsätzen über eine Winterperiode ermittelt werden kann. Hierbei wird davon ausgegangen, dass bei den Kurativeinsätzen mit FS 30 etwa 50 % mehr Taumittel ausgebracht werden als bei den Präventiveinsätzen (Hausmann 2011).

Bild 15: Salzeinsparung pro Winterperiode durch Anteil Flüssigstreuen

Im Bild 15 (Hausmann 2011) ist das Ergebnis der Modellrechnung dargestellt:

Mit den o. a. Annahmen ergeben sich durch das Flüssigstreuen mit einem Anteil von 40 % insgesamt eine Einsparung von 20 % Tausalz pro Winterperiode.

Auf den deutschen Autobahnen wurden über einen Zeitraum von 10 Winterperioden (Winter 2000/01 bis 2009/10) durchschnittlich 440.000 t Tausalz pro Winterperiode ausgebracht (Der Elsner 2012). Die 20 % Taustoffeinsparung bedeuten eine durchschnittliche Verbrauchsreduzierung von ca. 88.000 t pro Winterperiode.

5.2 Kosteneinsparung und Amortisation der Investitionen

Der Forschungsnehmer hat für die Ermittlung der Kosteneinsparung ein Berechnungsschema als Exceltabelle dem Abschlussbericht zum Forschungsauftrag (Hausmann 2011) beigefügt. Unter Berücksichtigung der eingesparten Taumittel, den Beschaffungskosten für Taumittel und den Kosten für die Eigenherstellung einer NaCl-Lösung für das Flüssigstreuen ergibt sich unter Verwendung dieses Berechnungsschemas (Bild 16) ein durchschnittliches Einsparpotenzial von ca. 6 Mio. € pro Winterperiode.

Die ermittelten Investitionen von ca. 25 Mio. € amortisieren sich somit in einem Zeitraum von ca. 4 Jahren. Zu berücksichtigen ist, dass diese Betrachtung ein Durchschnittswert über alle Autobahnmeistereien in Deutschland ist und die Einsparpotenziale sehr stark von den jeweiligen Winterverläufen abhängen. Winterperioden mit hohem Schneefallanteil reduzieren den Anteil der Präventiveinsätze, erhöhen aber den Taustoffdurchsatz. Bezogen auf einzelne Meistereibezirke kann der Amortisationszeitraum nach eigenen Einschätzungen auch bis zu 8 Jahre betragen.

Bild 16: Berechnung durchschnittlicher Kosteneinsparung pro Winterperiode BAB Deutschland

6 Zusammenfassung und Resümee

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes und die Praxiserfahrungen haben die Effektivität und Effizienz des Flüssigstreuens für Präventiveinsätze im Winterdienst aufgezeigt.

Die Vorteile sind zusammengefasst wie folgt:

–    geringere Tausalzverluste bzw. längere Liegezeit,

–    Taustoffeinsparung bei den Präventiveinsätzen bis zu 60 %,

–    schnelle Flächenwirkung und hohe Wirksicherheit und damit erhöhte Verkehrssicherheit,

–    randscharfe Ausbringung,

–    Ausbringung mit höherer Einsatzgeschwindigkeit als beim FS 30 Streuen,

–    Flüssigstreuen ist effektiv und wirtschaftlich,

–    hohe Akzeptanz beim Einsatzpersonal.

Tendenziell ist aus den bisherigen Erfahrungen aus der Praxis ableitbar, dass mit dem kombinierten Einsatz – FS 30 mit Flüssigstreuen – auf OPA-Belägen bessere Wirkungen erzielbar sind als mit dem reinen FS 30 Streuen. Hier sind noch weitere Untersuchungen erforderlich.

Zu beachten ist die Einsatzgrenze beim Flüssigstreuen von ca. −6 °C.

Das Flüssigstreuen ist durch die erzielbaren Einsparungen, aufgrund der geringen Verluste durch Verdrängung, ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Die schnelle und flächenhafte Wirkung erhöht darüber hinaus die Verkehrssicherheit.

Die relativ schnelle Amortisation der Investitionen erleichtert die Einführung der Winterdiensttechnologie Flüssigstreuen für den Einsatz auf Bundesautobahnen. Obwohl bisher noch keine Untersuchungen in Bezug auf Einsätze auf Bundes- und Landesstraßen erfolgten, ist davon auszugehen, dass auch hier entsprechende Vorteile zu erzielen sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, die bereits parallel aufgenommene Einführung des Flüssigstreuens in einigen Kommunen von Deutschland. Auch hier ist man von den Vorteilen des Flüssigstreuens überzeugt.

Bei der Verwendung unterschiedlicher Techniken der Taustoffausbringung ist es wichtig, eine gesicherte Bewertung des vorhandenen und zu erwartenden Straßenzustandes sicher zu stellen, damit die jeweils richtige Taustoffausbringung zur Anwendung kommt. Das erfordert eine gute Einsatzsteuerung auf der Basis gesicherter Erkenntnisse mittels entsprechender Technologien wie z. B. dem Straßenzustands- und Wetterinformationssystem (SWIS). Unter diesen Voraussetzungen ist mit der Flüssigstreutechnik der Winterdienst noch differenzierter und effizienter durchführbar als bisher.

Literaturverzeichnis

Der Elsner 2012 (2011): Handbuch für Straßen- und Verkehrswesen, Teil I Straßenbetriebsdienst, Otto Elsner Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Dieburg, S.1035–1036

Hausmann, G. (2009): Verteilung von Tausalzen auf der Fahrbahn: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Heft V 180

Hausmann, G (2011): Wissenschaftliche Validierung eines im Winter 2008/2009 beginnenden Modellvorhabens zur Ausbringung von Taustoffen mittels Taustofflösungen und Empfehlungen zum richtigen Aufbringen von Tausalzlösungen; unveröffentlichte Abschlussberichte Forschungsthemen FE 04.0224/2008/DRB und FE 04.0238/2010/KRB

Niebrügge, L. (2009): Versuche zur Verteilung von Taustofflösungen im Winterdienst, Kolloquium Straßenbetrieb 2009, Karlsruhe