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1 Einführung
Die beiden letzten Winter haben für den Winterdienst der Kommunen ungewöhnliche Situationen gebracht.
Zunächst herrschte im Winter 2009/10 seit Januar eine flächendeckende und lang andauernde Kälteperiode mit intensiven Schneefällen vor. Seit 1978/1979 hatte es keinen so schneereichen Winter gegeben.
Der Winter 2010/2011 begann dann ungewöhnlich früh Ende November mit starker Kälte und intensiven, extremen Schneefällen. Der Dezember 2010 war damit der schneereichste Dezember seit langem.
In beiden Fällen führte die extreme Witterung nicht nur dazu, dass die Winterdienste einen erheblichen Aufwand zum Räumen und Streuen leisten mussten, sondern der Winterdienst wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass die Salzproduzenten die erheblich gestiegene Nachfrage an Streusalz nicht mehr erfüllen konnten. Viele Betriebe mussten daher einen Winterdienst ohne oder mit nur sehr geringen Salzmengen durchführen.
Im vorliegenden Aufsatz wird zu den Ursachen der Salzknappheit und den Möglichkeiten, diese von vornherein zu vermeiden, berichtet. Zudem werden Empfehlungen dazu gegeben, wie bei extremer Salznotlage der Winterdienst reagieren kann, um Verkehrsfluss und Verkehrssicherheit trotzdem noch möglichst gut aufrecht erhalten zu können.
Bild 1: Die großen Schneemassen in den Straßen waren kaum noch zu bewältigen
Grundlage der Ausführungen ist eine Analyse, die der FGSV-Arbeitsausschuss „Winterdienst“ nach Abschluss des Winters 2009/10 durchgeführt und auf der Basis der Erfahrungen des Dezembers 2010 fortgeschrieben hat. Als Ausgangspunkt diente unter anderem eine deutschlandweite Befragung von Winterdienst-Betrieben im Sommer 2010 zu den Streu- und Lagermengen sowie zu den Problemen und Erfahrungen des letzten Winters. Dies wurde sowohl bei Länderverwaltungen als auch bei den Kommunen abgefragt. Ergänzend wurden die Daten und Erfahrungen der deutschen Salzindustrie erfasst.
2 Probleme im Winterdienst und deren Ursachen
2.1 Versorgungsprobleme
Fast alle Winterdienst-Betriebe, sowohl bei den Ländern als auch bei den Kommunen, hatten Versorgungsprobleme mit Salz im Winter 2009/10 sowie im Dezember 2010. Diese Probleme traten unabhängig davon auf, ob die Betriebe Lieferverträge hatten oder nicht.
Der Unterschied bestand lediglich darin, dass die Länder bevorzugt beliefert wurden und die Kommunen ohne Lieferverträge früher bereits keine Lieferungen erhielten als die mit Verträgen und über einen langen Zeitraum gar nicht beliefert wurden, während die Betriebe mit Verträgen in der Regel noch in geringem Umfang kontingentiert Lieferungen erhielten. Allerdings wurden die Lieferfristen oder Mindestmengen der Verträge generell nicht eingehalten. Dabei wurden die Länderverwaltungen und insbesondere die Autobahnen von den Salzlieferanten bevorzugt beliefert, aber auch nicht vertragsgemäß.
Bei den Salzlösungen traten trotz erhöhter Mengen nur vereinzelt Lieferprobleme auf. Dies könnte damit zusammenhängen, dass infolge des steigenden Anteils der Eigenproduktion (NaCl-Lösung) der Bedarf nicht mehr so hoch ist wie in den letzten Jahren. Einige Kommunen haben in der Not des knappen Festsalzes den Lösungsanteil im Feuchtsalz erhöht bzw. sogar tageweise reine Lösung ausgebracht.
2.2 Witterungsverlauf in den Wintern
Eine der Ursachen für die Probleme der Salzversorgung war ohne Zweifel der ungewöhnliche Witterungsverlauf, der in dieser Form zuvor lange nicht da gewesen war.
Dabei spielten drei Faktoren eine Rolle:
– Deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt liegende Temperaturen.
– Intensive Schneefälle, auch bei sehr tiefen Temperaturen.
– Lang anhaltende Frostperioden ohne wesentliche Unterbrechungen.
– Flächendeckendes Auftreten der Witterungssituation, fast in der gesamten Bundesrepublik gleichzeitig, aber auch über Deutschland hinaus (vor allem auch in Regionen, in denen normalerweise wenig Schnee fällt und Frostperioden relativ kurz sind).
Dies hat jeweils zu flächendeckend hohem Salzverbrauch geführt, und es gab keine Unterbrechungen, um die Lager zwischendurch wieder aufzufüllen. Ersatz-Lieferungen aus direkten Nachbarländern waren nicht möglich, da hier ebenfalls Knappheit bestand.
Dabei war jeweils die Summe der Niederschlagsmengen nicht außergewöhnlich hoch im Vergleich zu bisherigen Wintern; die Besonderheit lag vielmehr in den wesentlich tieferen Temperaturen als gewöhnlich, so dass fast der gesamte Niederschlag des Winters in ganz Deutschland als Schnee herunter kam, sowie darin, dass praktisch keine Warmwetterperioden dazwischen lagen. Im Mittel lag die Temperatur in Deutschland im Winter 2009/2010 um über 2° unter dem langjährigen Schnitt, im Dezember 2010 sogar fast 4° darunter, so dass im Gegensatz zum langjährigen Schnitt die Durchschnittstemperatur insgesamt unter der Null-Grad-Grenze lag (Bild 2). Die Schneemengen erreichten in beiden Winterperioden im größten Teil Deutschlands Rekordmarken, die mindestens seit 1978/1979 nicht mehr erreicht worden waren.
Bild 2: Abweichung der Temperatur im Dezember 2010 gegenüber den Normalwerten (Quelle: Deutscher Wetterdienst)
Auch in den nördlichen und westlichen Nachbarländern Deutschlands lagen zeitgleich ähnliche Verhältnisse vor, also zum Beispiel in Benelux, Frankreich, Dänemark und Großbritannien, so dass auch hier im Vergleich zu bisherigen Wintern deutlich mehr Salz benötigt wurde.
Somit lag der Salzverbrauch sowohl im Winter 2009/2010 als auch im Dezember 2010 fast flächendeckend in Deutschland auf bisher nicht da gewesenem Rekordniveau. Im Mittel lag der Salzverbrauch im Winter 2009/2010 bei mehr als dem Doppelten des Durchschnitts der letzten Jahre, im Dezember 2010 war dies sogar mehr als das Dreifache des Üblichen (siehe Bild 3).
Zusätzlich ist davon auszugehen, dass ohne Versorgungsprobleme der Salzverbrauch insbesondere bei den Kommunen noch größer gewesen wäre; dies kann jedoch nicht beziffert werden.
Bild 3: Salzverbrauch der letzten Winterperioden im Vergleich
2.3 Vorsorge der Winterdienstbetriebe: Lieferverträge und Lagerhaltung
Bei der Analyse der Situation und der Ursachen der Salzlieferproblematik ist die Frage zu betrachten, inwieweit die Winterdienst-Betriebe ausreichend Vorsorge für einen strengen Winter getroffen haben.
Zum einen geschieht dies über Lieferverträge. Während diese bei den Länderverwaltungen Standard sind, hatten nur gut die Hälfte der Kommunen (ca. 60 %), insbesondere die großen, Lieferverträge mit Salzlieferanten abgeschlossen. Wie bereits ausgeführt, dienten die Verträge zwar zur Vorsorge, aber haben in den letzten Wintern nicht vor Lieferengpässen schützen können. Die Kommunen ohne Verträge wurden zwar gar nicht mehr beliefert, die Betriebe mit Verträgen erhielten aber auch keine vertragsgemäßen Lieferungen.
Sofern in den Ausschreibungen oder Verträgen eine Mindestlagermenge bei den Lieferanten verlangt wurde, so bietet diese ebenfalls keine Liefergarantie, da die Lieferanten zwar über entsprechende Lager verfügen, diese aber nicht kundenbezogen sind und verständlicherweise im Laufe des Winters auch geleert werden, das heißt nicht als Notreserve, sondern lediglich als Pufferspeicher dienen. Wegen der anhaltend kalten Witterung in ganz Nordeuropa wurden die Lager meist schon im Dezember 2009 geleert und weitgehend ins Ausland geliefert.
Verlässlicher und sicherer ist die Lagerhaltung der Winterdienst-Betriebe selbst. Diese ist allerdings höchst unterschiedlich. In den alten Winterdienst-Merkblättern wurde als Mindestmenge die Hälfte des durchschnittlichen Jahresverbrauchs empfohlen. Dies ist jedoch ein Wert, der angesichts der starken jährlichen Schwankungen des Bedarfs nicht geeignet ist. Er liefert gerade in Gebieten mit eher milder Witterung zu geringe Werte.
Daher empfahl das neue Winterdienst-Merkblatt bereits vor den Extremwintern, die Lagerkapazität nicht am jährlichen Durchschnittsbedarf, sondern am täglichen Maximalbedarf in Verbindung mit einer Lieferdauer zu orientieren. Dies ergibt in der Regel deutlich höhere Lagerkapazitäten als die erste Methode, insbesondere in Gebieten mit normal milder Witterung. Wobei selbst diese Methode noch eine ausreichende Nachlieferung unterstellt, die in den problematischen Wintern nicht gegeben war.
Der maximale tägliche Salzverbrauch ergibt sich dabei aus der maximalen Streumenge pro Einsatz, der mittleren Fahrbahnbreite sowie der maximalen Anzahl von Streudurchgängen pro Einsatztag und sollte individuell pro Betrieb abgeschätzt werden. Hierbei sind auch Nebenflächen, Abbiegespuren und Rampen nicht zu vergessen. Zugrunde gelegt werden muss dabei die Länge bzw. Fläche, die regelmäßig mit Salz bestreut wird, also insbesondere in Kommunen nicht das gesamte Straßennetz.
Vergleicht man die im Jahr 2010 vorhandene Salzlagerkapazität der Betriebe mit diesen für eine ausreichende Versorgung erforderlichen Lagerkapazitäten, so zeigt sich bereits ein Teil des Problems: Die Bundesländer, die in Regionen mit gewöhnlich relativ milder Witterung liegen, erreichten diese Lagerkapazitäten nicht, und auch bei den übrigen waren die Lagerkapazitäten großenteils nur knapp darüber. Noch kritischer war die Situation bei den Kommunen: Lediglich etwa 20 % der Kommunen hatten eine Lagerkapazität, die den obigen Werten entspricht bzw. diese überschreitet, fast die Hälfte der Kommunen erreichte noch nicht einmal die halbe Soll-Kapazität. Das heißt bei einem nicht unerheblichen Teil der Kommunen reichte die vorhandene Lagerkapazität nicht aus, um eine anhaltende Extrem-Winterperiode selbst bei frühzeitiger Bestellung und optimaler (vertragsgemäßer) Belieferung zu überbrücken. Sie reichte teilwiese nur für einen vollen Einsatztag.
2.4 Salzmengen-Management der Betriebe
Obige Mindest-Lagerkapazitäten setzen ein optimales Salzmengen-Management der Betriebe voraus. Dies bedeutet, dass rechtzeitig vor dem Winter alle Lager voll gefüllt sein müssen, im Laufe des Winters die Lager (einschließlich der externen Stützpunkte) laufend überwacht werden müssen und frühzeitig ausreichend nachbestellt werden muss, um die Lagerkapazitäten optimal auszuschöpfen. Und dies muss über die gesamte Woche einschließlich Wochenende und Feiertagen erfolgen, um keine Versorgungslücke entstehen zu lassen.
Hier liegt eine weitere Ursache für die Versorgungsprobleme der letzten Winter. Nicht alle Betriebe hatten alle Lager vor Beginn des Winters ganz gefüllt, teilweise auch weil wegen der strengen Vorwinter die Kassen leer waren. Die Lagermengen wurden nicht überall laufend kontrolliert, insbesondere bei externen Stützpunkten; ein systematisches Salzmengen-Monitoring war nur in den wenigsten Fällen vorhanden. Eine Nachbestellung müsste nach obiger Annahme spätestens erfolgen, wenn das Lager zu 20 % geleert ist, dies wurde aber in den seltensten Fällen so praktiziert. Außerdem müsste die Bestellung nach diesem System auch an Wochenenden und Feiertagen durch die Einsatzleiter veranlasst werden, was ebenfalls nicht bei allen Betrieben so vorgesehen und ohnehin meist nur bei festen Lieferverträgen möglich ist.
Hierdurch kumulieren sich die Salzbestellungen oft nach den Wochenenden oder nach Feiertagen sowie bei einsetzenden Schnee- und Kälteperioden. Diese Bestellungen, die sich dann bundesweit zu großen Mengen summieren, können dann nicht fristgerecht bedient werden und können gegebenenfalls zum Zusammenbruch des Systems führen, zumal dann auch noch Panikbestellungen hinzukommen.
2.5 Salzversorgung durch die Lieferanten: Lager- und Lieferkapazitäten
Selbst bei optimaler Lagerhaltung und rechtzeitiger ausreichender Bestellung kann das Gesamtsystem nur funktionieren, wenn die Salzlieferanten in der Lage sind, in extremen Witterungssituationen dann auch entsprechend der Bestellungen Nachschub zu liefern, das heißt im optimalen Fall müsste die Lieferkapazität pro Tag dem Verbrauch eines Volleinsatzes entsprechen. Dies ist jedoch bei weitem nicht der Fall.
Rechnet man den Verbrauch eines Volleinsatztages für die gesamte Bundesrepublik flächendeckend hoch, so ergäbe dies einen Tagesbedarf von etwa 200.000 t Salz für alle mit Salz behandelten Außerorts- und Innerortsstraßen. Dies kann von der deutschen Salzindustrie nicht im Geringsten geleistet werden. Nach Angaben des Verbandes der Kali- und Salzindustrie (VKS) können die Mitgliedsbetriebe im günstigsten Fall eine tägliche Menge von gut 40.000 t pro Tag produzieren und verladen, wobei in der Regel ein nicht unbeträchtlicher Anteil dieses Salzes auch noch exportiert wird.
Die Salzindustrie ist also nicht in der Lage, bei einer flächendeckenden extremen Winterwitterung ausreichend Salz nachzuliefern, die Kapazität würde gerade gut für das gesamte Autobahnnetz in Deutschland ausreichen. Oder anders ausgedrückt braucht die Salzindustrie etwa 5 Tage mit maximaler Produktion, um den Salzbedarf eines flächendeckenden Volleinsatzes in Deutschland abzudecken; und dies auch nur, wenn die Produktion komplett im Inland verbliebe.
Auch die Lagerkapazitäten der Salzindustrie, die derzeit etwa 1,4 Mio. t (ebenfalls für In- und Ausland) betragen, können hier nur kurz Überbrückung liefern, wenn diese nicht ohnehin schon für den normalen Bedarf verwendet wurden, zumal die Verladekapazitäten auch gesprengt würden. Ein weiteres Problem der Salzlager der Salzindustrie ist, dass diese zu einem nicht unerheblichen Teil unter Tage sind und damit der gleiche Engpass des Schachtes die Produktion und die Lagerbelieferung begrenzt.
Nennenswerte Möglichkeiten, Salz in größeren Mengen zu importieren, gibt es auch nicht. In die Nachbarländer wird wegen geringer dortiger Vorkommen eher exportiert, Österreich und die Schweiz brauchen ihre Mengen selbst. Größere Mengen kommen wirtschaftlich letztlich nur als Schiffstransport aus dem Mittelmeerraum oder aus Südamerika in Frage, hier sind allerdings die Lieferzeiten zu lang, um kurzfristig Versorgungsengpässe auszugleichen. Zudem sind die Salzqualitäten nicht immer ausreichend.
Natürlich ist eine solche anhaltende Extremwitterung relativ selten, und diese tritt nicht immer flächendeckend auf, aber die Abweichungen zwischen der theoretischen Soll-Liefermenge und der tatsächlichen maximalen Lieferkapazität sind doch schon sehr groß.
Bild 4: Mengengerüst Streusalz in Deutschland
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Betriebe im Extremfall nicht davon ausgehen können, fristgerecht von der Salzindustrie beliefert zu werden, denn diese ist mengenmäßig gar nicht dazu in der Lage. Die Betriebe müssen also selbst ausreichend Vorsorge treffen, um im Bedarfsfall eines extremen Winters eine längere Frist überbrücken zu können, das heißt größere Lagerkapazitäten bei den Betrieben.
3 Empfohlene Lagerkapazitäten
Wie bereits im Abschnitt 2.3 dargelegt, sollte sich die Bemessung der Lagerkapazitäten künftig am maximalen Tagesverbrauch und der Zeitdauer, die ohne Nachlieferungen abgedeckt werden soll, orientieren. Die Erfahrungen der letzten Winter haben zusätzlich gezeigt, dass hierbei nicht nur die vertragliche Lieferfrist zugrunde gelegt werden sollte, da diese im Extremfall nicht eingehalten wird. Ausgegangen werden sollte von mindestens 20 Volleinsätzen im gesamten Netz, die abgedeckt werden müssen.
Auf der Basis solcher Abschätzungen sowie der Erfahrungen der letzten Winterperioden werden nun in den Strategiepapieren zur optimierten Salzversorgung im Winter folgende Lagermengen empfohlen:
Tabelle in PDF
Die vorgenannten Werte sind naturgemäß nur Richtwerte, im Einzelfall ist natürlich auch eine detaillierte Abschätzung auf der Basis der Erfahrungen der letzten Winter (Tagesverbrauch, Lieferfristen) möglich. Zudem können auch topographische und regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Dies kann durchaus zu noch höheren Werten führen.
Bei den Autobahnen werden dabei 4-streifige Querschnitte als Bewertungs-km zugrunde gelegt, mehrstreifige Abschnitte und Rampen müssen entsprechend umgerechnet werden. Gleiches gilt für mehr als 2-streifige Abschnitte im nachgeordneten und im städtischen Netz. Wichtig ist, dass in den Städten natürlich nur das Netz zugrunde gelegt werden muss, das regelmäßig mit Salz bedient wird.
Die oben genannten Mindestwerte sind für die Sicherstellung der Versorgung vor Ort erforderlich, während die Notreserven für anhaltende strenge Winterwitterung auch zentral bzw. regional vorgehalten werden können, um nicht an jedem Standort die Kapazitäten einzeln ausbauen zu müssen.
Dabei gibt es auch Modelle, nach denen die Dienstleistung der Lagerung und Auslieferung von Salz in dezentralen Notlagern an Dritte ausgeschrieben und vergeben werden. Teilweise bietet auch die Salzindustrie direkt solche Dienstleistungen an.
Bei Kommunen, die keine ausreichenden Kapazitäten haben und diese auch nicht einfach erhöhen können, kann gegebenenfalls auch eine interkommunale Zusammenarbeit mit Nachbarbetrieben bei der Salzlagerung sinnvoll sein. Solche Modelle wurden im Laufe des Jahres 2011 an verschiedenen Stellen etabliert.
Wenn auch der Ausbau der Salzlagerkapazitäten nicht überall kurzfristig möglich ist, haben 2011 bereits viele Betriebe ihre Lagerkapazitäten erhöht, insgesamt dürfte dies zur deutlichen Entspannung der Lage beitragen. Abgesehen von der höheren Sicherheit gegen Salznotstand bieten größere Lager auch den Vorteil, nicht während des Winters in großen Mengen teures Salz nachkaufen zu müssen, das heißt die größeren Lager können sich durchaus amortisieren.
Unabhängig von den Maßnahmen der Winterdienstbetriebe sollte jedoch auch die Salzindustrie aus den Erfahrungen der letzten Winter Konsequenzen ziehen. Die Lager-, Verlade- und Lieferkapazitäten müssen ausgeweitet und Produktionskapazitäten kurzfristig angepasst werden können. Zudem sollten Lagerkapazitäten vermehrt oberirdisch angelegt werden, um diese auch unbeschränkt nutzen zu können. Die eingegangenen Verpflichtungen in den abgeschlossenen Lieferverträgen (tägliche Mindestliefermengen) müssen Maßstab für die Lagervorhaltung und die Produktionskapazität sein.
4 Optimierung des Salzmengen-Managements
Die oben dargestellten Mindest-Lagerkapazitäten setzen eine konsequente strategische Bewirtschaftung der Salzlager voraus, um diese optimal auszunutzen.
Hierzu gehören:
– Komplette Füllung aller verfügbaren Lager rechtzeitig vor Winterbeginn.
– Kontinuierliches Salzmengen-Monitoring, insbesondere auch bei externen Lagern und Stützpunkten.
– Frühzeitige, direkte Nachbestellung bei Leerung der Lager.
Eine Nachbestellung ist im genannten System spätestens dann erforderlich, wenn ein Extrem-Tagesbedarf verbraucht wurde, spätestens bei einem Füllstand von 80 %.
Wichtig ist, dass die kontinuierliche Beobachtung und Nachbestellung an allen Tagen, also auch an Wochenenden und Feiertagen erfolgt. Dafür ist sicherzustellen, dass das Personal, das an diesen Tagen den Einsatz leitet, die entsprechenden Befugnisse und Werkzeuge hat.
Eine solche kontinuierliche Beobachtung und Nachbestellung ist am besten mit einem Salzmengen-Management-System zu realisieren. Solche Systeme überwachen automatisch die Lagermengen und stellen sie auf einem Bildschirm dar. Bei Unterschreiten bestimmter vorgegebener Grenzen geben sie Warnungen ab und generieren gegebenenfalls automatisch Bestellungen. Wenn die Systeme mit dem Lieferanten verknüpft sind, kann die Bestellung online erfolgen, auch der gesamte Lieferprozess kann dann online überwacht werden und letztlich auf diesem Weg auch die Abrechnung erfolgen. Insofern sind zumindest für größere Betriebe solche Systeme zu empfehlen.
Bild 5: Beispiel für die Füllstandsüberwachung bei einem Stützpunkt mit WebCam
Ein solches System bietet dann auch die Möglichkeit, einen drohenden Salznotstand frühzeitig erkennen zu können. Denn nur so können rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden, mit denen der Salzverbrauch eingeschränkt wird; denn dies sollte nicht erst dann erfolgen, wenn praktisch kein Salz mehr verfügbar ist, denn auch bei Salznotstand muss immer noch eine minimale Menge gestreut werden, um Zwangssperrungen von Strecken auszuschließen.
Der Salznotstand ist dann erreicht, wenn die zu erwartenden Salzverbrauchsmengen in einem absehbaren Zeitraum die Liefermengen deutlich übersteigen und die vorhandenen Lagermengen nicht ausreichen, diese Differenz auszugleichen. Hierfür müssen landesweit oder regional die entsprechenden Verbrauchsmengen (Normalverbrauch pro Tag, maximaler Verbrauch pro Tag) sowie die minimalen Liefermengen bei Salzknappheit in die Abschätzung eingehen. Grundlage kann zudem für die nächsten 14 Tage die langfristige Wetterprognose sein.
Ziel ist es dabei, durch die rechtzeitige Umstellung des Winterdienstes auf den Salznotstand, die Verbrauchsmenge so zu reduzieren, dass die Salzbestände nicht ganz auf Null gehen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie die rechtliche Verantwortung aussieht, wenn wegen leeren Salzlagern die Streupflicht nicht mehr erfüllt werden kann. Hierzu gibt es, da diese Situation jetzt größtenteils erstmals aufgetreten ist, kaum vorliegende Urteile. Eines der wenigen vorhandenen Urteile stammt vom Landgericht Rottweil vom 28.1.2008. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob eine Kommune ihre Streupflicht verletzt hat, da diese wegen leerer Lager nicht mehr streuen konnte.
Das Gericht hat dazu ausgeführt: „Wenn eine Gemeinde alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um Streusalz zu beschaffen und unverschuldet keines mehr kaufen kann, verletzt sie die Verkehrssicherungspflicht nicht, wenn sie kein Salz auf eine Straße streut, bei der eine Verpflichtung zum Streuen mit Streusalz gegeben ist; z. B. eine besonders belebte Straße in einer Gefällstrecke. … Eine Gemeinde ist nur zu einer Vorratshaltung verpflichtet, die dem Verbrauch der vergangenen Jahre genügt hätte. … Eine nicht ausreichende Lagerung von Streusalz oder eine nicht rechtzeitige Bestellung bedeutet ein Organisationsverschulden und somit eine Verletzung der Streupflicht.“
Dies bedeutet, dass die Winterdienstbetriebe im Zweifel nachweisen müssen, dass sie ausreichend Salz eingelagert haben und auch im Laufe des Winters alles Erforderliche getan haben, um rechtzeitig und ausreichend Salz geliefert zu bekommen. Die Lagermengen müssen sich dabei an den Erfahrungen der letzten Winter orientieren, das heißt die hier genannten Lagerkapazitäten sind hierfür als Anhaltswerte geeignet.
5 Eingeschränkter Winterdienst bei extremer Salznotlage
Die erhöhten Lagerkapazitäten und das verbesserte Salzmengen-Management sollen dazu führen, dass ein Salznotstand künftig möglichst vermieden wird. Allerdings kann dieser nicht absolut ausgeschlossen werden, denn dies würde die Vorhaltung der maximal in einem Winter möglichen Salzmengen erfordern, was technisch und wirtschaftlich kaum machbar ist. Insofern müssen auch für den Extremfall der Salznotlage Vorkehrungen getroffen werden, auch wenn dieser künftig sehr unwahrscheinlich ist.
Im Rahmen des oben beschriebenen Salzmengen-Monitorings sollten der Salzverbrauch und die Liefermengen laufend kontrolliert werden. Sofern dabei absehbar ist, dass der vorhandene Lagerbestand in Anbetracht der zu erwartenden mittelfristigen Wetterentwicklung nicht mehr für einen vollen Winterdienst ausreicht, sollte rechtzeitig auf einen eingeschränkten Winterdienst umgestellt werden, um das absolute Ausgehen der Lagermengen zu vermeiden.
Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen sind dazu geeignet, im Falle des Salznotstandes den Salzverbrauch deutlich zu reduzieren, wobei der Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit so weit wie nur irgend möglich aufrecht erhalten bleiben sollen.
Alle Maßnahmen sollten vor Winterbeginn geplant und soweit erforderlich mit anderen Beteiligten abgestimmt werden, so dass sie im Bedarfsfall nur noch entsprechend in Kraft gesetzt werden müssen, gegebenenfalls ist dies auch je nach Problematik der Lage in einem Stufenkonzept möglich. Insbesondere die bezirksübergreifende Abstimmung (das heißt zwischen Meistereien, auch über Amts- und Landesgrenzen hinweg, sowie auch zu anderen Baulastträgern) der Maßnahmen ist vor Winterbeginn sehr wichtig. Entsprechende Noträumpläne bzw. Notstreupläne sollten vor Winterbeginn aufgestellt werden.
Geeignete Notmaßnahmen für einen eingeschränkten Winterdienst können sein:
– Beschränkung auf die gesetzliche Streupflicht
Die gesetzliche Streupflicht besteht für Straßenabschnitte, die sowohl verkehrsbedeutend als auch gefährlich sind. Häufig wird im normalen Winterdienst darüber hinaus gegangen, um Verkehrsfluss, Verkehrssicherheit und Wirtschaftlichkeit in einem zusammenhängenden Netz zu sichern. Im Falle des Salznotstands muss dann allerdings der Winterdienst auf dieses gesetzliche Mindestniveau reduziert werden.
– Verzicht auf nächtliche Streueinsätze
Ähnliches gilt für nächtliche Streueinsätze. Mit Ausnahme der Autobahnen besteht in der Nacht grundsätzlich keine gesetzliche Streuplicht. In vielen Fällen ist dennoch ein Einsatz in der Nacht technisch sinnvoll, um Glätte vorbeugend oder frühzeitig zu bekämpfen. Im Falle des Salznotstands muss gegebenenfalls hierauf verzichtet werden.
– Verzicht auf die Räumung bzw. Weißräumung ausgewählter Abschnitte
Auf Strecken mit relativ geringem Verkehrsaufkommen kann im Notfall auch auf die Räumung des Schnees verzichtet werden; dies signalisiert den Verkehrsteilnehmern noch besser, dass sie ihre Fahrweise anpassen müssen. Wird nämlich nur auf die Streuung auf sonst gestreuten Straßen verzichtet, besteht die Gefahr, dass dies die Verkehrsteilnehmer schlecht erkennen. Natürlich ist bei größeren Schneemengen ein Räumen erforderlich, allerdings sollte dies dann eine Weißräumung sein, bei der eine dünne Schneeauflage auf der Fahrbahn verbleibt.
– Verzicht auf die Räumung einzelner Fahrstreifen bei mehrstreifigen Richtungsfahrbahnen Bei mehrstreifigen Richtungsfahrbahnen kann relativ viel Salz eingespart werden, wenn einer der Fahrstreifen nicht gestreut wird; dies ist jedoch zu gefährlich, wenn die Verkehrsteilnehmer dies nicht erkennen. Ein solch eingeschränkter Winterdienst ist demnach nur möglich, wenn der gesamte Fahrstreifen bei Schneefall ungeräumt bleibt und so deutlich zu erkennen ist. Natürlich kann diese Maßnahme nur zusammenhängend über die gesamte Länge eines Fahrstreifens erfolgen, so dass keine gefährlichen Übergänge entstehen. Sofern eine Verkehrsbeeinflussungsanlage existiert, ist die Sperrung des betroffenen Fahrstreifens möglich. Im Dezember 2010 wurde diese Maßnahme sowohl im kommunalen Bereich als auch auf Autobahnen erfolgreich praktiziert (siehe Bilder 6 und 7).
– Streckensperrungen
Natürlich kann auch die komplette Sperrung einer Strecke zur Salzeinsparung im Extremfall beitragen. Diese Maßnahme kommt aber nur für Straßenabschnitte in Betracht, die keine Anlieger haben und für die eine Ausweichstrecke existiert; damit dürfte es sich nur um wenige Ausnahmen handeln.
Alle aufgeführten Maßnahmen sollten in jedem Falle durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit in den Medien begleitet werden, um den Verkehrsteilnehmern die Notwendigkeit, den Sinn und die Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen zu verdeutlichen und somit ein möglichst angepasstes Verhalten zu erreichen. Die letzten Winter haben gezeigt, dass die Bürger und die Verkehrsteilnehmer in kritischen Situationen durchaus Verständnis für begründete Einschränkungen haben.
Bild 6: Ungeräumter Fahrstreifen auf einer Autobahn
Bild 7: Durch Signalisierung gesperrter ungeräumter Fahrstreifen auf einer Autobahn
6 Allgemeine Maßnahmen zur Reduzierung der Salzmengen
Neben den genannten Maßnahmen zur Optimierung der Salzversorgung und zum eingeschränkten Winterdienst bei Salznotstand kann natürlich eine allgemeine Reduzierung der Salzmengen, das heißt bereits im normalen Winterdienst, ganz wesentlich zur Entspannung der Situation bei der Salzversorgung beitragen.
Auf der Basis der Forschung der letzten zwei Jahre sowie der praktischen Erfahrungen im Winterdienst mit schwieriger Salzversorgung ergeben sich folgende Maßnahmen, die bereits im normalen Winterdienst die Salzmengen reduzieren und somit generell angewendet werden sollten:
– Intensive mechanische Schneeräumung
Je mehr Schnee mechanisch von der Verkehrsfläche beseitigt wird, umso weniger Salz wird für das Auftauen der verbliebenen Schneereste benötigt. Daher sollte die Schneeräumung so aggressiv wie möglich erfolgen.
– Möglichst weitgehende vorbeugende Streuung
Wenn die Wettersituation eine Glättebildung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, kann mit einer vorbeugenden Streuung erheblich Salz eingespart werden, da weniger Salz zum Verhindern der Eisbildung als zum nachträglichen Auftauen benötigt wird.
– Einsatz von Salzlösungen zum vorbeugenden Streuen
Bei der vorbeugenden Streuung bis zu Temperaturen von −6°C hat eine Flüssigstreuung eine wesentlich bessere und länger anhaltende Wirkung bei deutlich verringertem Salzbedarf.
– Reduzierung der Streumengen bei Schneefall
Die Praxis hat in den letzten Wintern gezeigt, dass beim Streuen in den fallenden Schnee die Mengen reduziert werden können, ohne die Wirkung wesentlich zu verschlechtern. Das Salz muss nur das Zusammenbacken des Schnees verhindern, kann diesen aber ohnehin nicht komplett auftauen.
Die vorgenannten Maßnahmen wurden in praktische Empfehlungen für das Räumen und Streuen im Winterdienst umgesetzt, die für die Praktiker in Form einer zweiseitigen Tabelle für die verschiedenen Glättefälle die bevorzugte Räum- und Streustrategie sowie Anhaltswerte für die Streumengen nennen.
Wichtig ist hierbei natürlich auch die intensive Schulung der praktisch Verantwortlichen, um die Maßnahmen auch möglichst schnell und konsequent in die Praxis umzusetzen.
Literaturverzeichnis
Durth, W.; Hanke, H.: Handbuch für den Straßenwinterdienst, Kirschbaum-Verlag, Bonn 2004
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für den Winterdienst auf Straßen, Köln, 2010, FGSV 416
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Praktische Empfehlungen für ein effektives Räumen und Streuen im Winterdienst, Köln, 2011, FGSV 416 T
Hanke, H.: Ein Quantensprung in der Streutechnik – neue Empfehlungen für den praktischen Winterdienst In: Straße und Autobahn, Heft 1/2012
Hanke, H.: Streuen – rechtzeitig und ausreichend; Empfehlungen für den praktischen Winterdienst In: Straßenverkehrstechnik, Heft 1/2010
Länderfachgruppe Straßenbetrieb: Strategiepapiere Optimierung der Salzversorgung bei extremer Winterwitterung, Saarlouis 2011
Niebrügge, L.: Praktische Erfahrungen mit der Ausbringung von Tausalzlösungen, Vortrag Kolloquium Straßenbetrieb, September 2011, Karlsruhe |