FGSV-Nr. FGSV 002/84
Ort Karlsruhe
Datum 27.09.2005
Titel Tagesbaustellen und Stauvermeidung? Nutzung von Zeitfenstern für staufreie Arbeitsstellen in Baden-Württemberg
Autoren Helmut Weber (2005)
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

1 Ausgangslage

Auf dem hochbelasteten überregionalen Straßennetz, vorwiegend der Bundesautobahnen, führt die kleinste Beeinträchtigung im Verkehrsablauf zu Behinderungen.

Eine Auswertung von 13.000 Störmeldungen auf Bundesautobahnen in Baden-Württemberg im Jahr 2000/2001 zeigte, dass in 30 % der Fälle Baustellen Ursache von Staus waren. Da- bei waren längerfristige Baustellen zu 16 % und Tagesbaustellen (Arbeitsstellen kürzerer Dauer, AkD) zu 14 % der auslösende Faktor. Unter Berücksichtigung der gemeldeten Staulängen, Staudauer, Fahrspurzahl und Verkehrszusammensetzung entstanden in dem Be- trachtungszeitraum ca. 108 Mio. € volkswirtschaftliche Stauzeitkosten. Für die Baustellen wurde davon ein Kostenanteil von 44 %, das heißt 28 % für Dauerbaustellen und 16 % für AkD ermittelt. Somit ist erkennbar, dass 1/6 der Störungen auf Bundesautobahnen in Baden- Württemberg auf die Tätigkeiten des Straßenbetriebsdienstes, einschließlich Reparatur von Anlageteilen, zurückzuführen sind.

 

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Ausgangslage

Auf dem hochbelasteten überregionalen Straßennetz, vorwiegend der Bundesautobahnen, führt die kleinste Beeinträchtigung im Verkehrsablauf zu Behinderungen.

Eine Auswertung von 13.000 Störmeldungen auf Bundesautobahnen in Baden-Württemberg im Jahr 2000/2001 zeigte, dass in 30 % der Fälle Baustellen Ursache von Staus waren. Dabei waren längerfristige Baustellen zu 16 % und Tagesbaustellen (Arbeitsstellen kürzerer Dauer, AkD) zu 14 % der auslösende Faktor. Unter Berücksichtigung der gemeldeten Staulängen, Staudauer, Fahrspurzahl und Verkehrszusammensetzung entstanden in dem Betrachtungszeitraum ca. 108 Mio. € volkswirtschaftliche Stauzeitkosten. Für die Baustellen wurde davon ein Kostenanteil von 44 %, das heißt 28 % für Dauerbaustellen und 16 % für AkD ermittelt. Somit ist erkennbar, dass 1/6 der Störungen auf Bundesautobahnen in Baden-Württemberg auf die Tätigkeiten des Straßenbetriebsdienstes, einschließlich Reparatur von Anlageteilen, zurückzuführen sind.

Bild 1: Auswertung von Störmeldungen auf Bundesautobahnen in Baden-Württemberg [1]

1.1 Zurückliegende Regelungen

Die Frage ist, ob die Aussage „Tagesbaustellen und Stauvermeidung“ nicht ein Widerspruch in sich ist?

In den zurückliegenden Jahren gab es in Baden-Württemberg verschiedene Vorgaben, in denen Regelungen aufgeführt waren, die bei Baustellen, insbesondere bei Tagesbaustellen, zu beachten waren:

a)  Erlass des IM vom 25. März 1985 [2]

Tagesbaustellen sind nach Möglichkeit außerhalb der verkehrsintensiven Tageszeiten und außerhalb der Hauptreisezeit durchzuführen.

Bei längerer Staubildung sind die Arbeiten einzustellen.

b)   Maßnahmenkatalog Straßenunterhaltung und Betrieb MK 13 – Wege zur Verringerung der Verkehrsbeeinträchtigungen durch Unterhaltungsarbeiten auf Bundesautobahnen – März 1992 [3]

(unter Federführung des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg)

In dem Maßnahmenkatalog sind für den Betriebsdienst Regelungen für die Einrichtung und Durchführung von Tagesbaustellen aufgeführt. Ferner sind die Vorgaben zur Berücksichtigung betrieblicher Erfordernisse bei Planung und Bau enthalten:

  • Ersatz von Stahlschutzplanken durch Betongleitwände im Mittelstreifen
  • Einbau von Ferndetektoren
  • pflegeleichte Bepflanzung
  • pflegeleichte Entwässerungseinrichtungen.

c)  Erlass des VM vom 22. Januar 1992 [4]

Die Regelungen des MK 13 wurden in Baden-Württemberg im Vorgriff auf die bundesweite Einführung umgesetzt.

2 Maßnahmen zur Staureduktion

2.1 Regelungen im MK 13

In dem Maßnahmenkatalog „Wege zur Verringerung der Verkehrsbeeinträchtigungen durch Unterhaltungsarbeiten auf Bundesautobahnen“ sind für den Straßenbetriebsdienst die folgenden wichtigen Regelungen enthalten:

  • Abschätzung der Staugefahr bei AkD
  • Verlegung der Arbeiten in verkehrsarme Zeiten
  • Abbruch der Arbeiten bei größerer Staulänge
  • Verkehrsführung über den Standstreifen
  • Koordinierung und Zusammenfassung verschiedenartiger Arbeiten
  • Einrichten von Nachtbaustellen.

2.2 Pilotstudie Maßnahmen zur Staureduktion

In einer Pilotstudie in Zusammenarbeit zwischen der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, der Durth Roos Consulting GmbH und dem Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) wurden in einer „Analyse und Bewertung von Maßnahmen zur Staureduktion bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer“ verschiedene betriebliche Tätigkeiten auf Auswirkungen im Hinblick auf den Verkehrsablauf untersucht. [5, 6]

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind im Betriebsdienstkolloquium 2003 [7] vorgestellt worden.

Die folgenden Maßnahmen zur Staureduktion wurden bei Arbeiten der betrieblichen Straßenunterhaltung untersucht:

  • Unterbrechen der Arbeiten bei Staubildung
  • Mitbenutzung des Standstreifens für die Verkehrsführung
  • Verkehrsführung bei AkD rechts, Absicherung mit Verschwenkung
  • Durchführung der Arbeiten in zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsstellen
  • Durchführung der Arbeiten zu verkehrsschwachen Zeiten
  • Verlegung von Arbeiten in die Nachtstunden.

2.3 Kommission Staumanagement in Baden-Württemberg

Im Jahr 2002 war vom Landesverkehrsminister eine „Kommission Staumanagement“ eingerichtet worden.

In Unterarbeitsgruppen wurde neben einem DV-gestützten Baustellenkoordinierungs- und Informationssystems auch eine Untersuchung über die Einrichtung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen in Hinblick auf die Verkehrsbeeinträchtigungen gefordert.

2.3.1 Baustellenkoordinierungs- und Informationssystem (BIS) in Baden-Württemberg

Für die Koordinierung von Arbeitsstellen und zur Information für die Straßennutzer wurde das DV-gestützte System BIS [1] In mehreren Schritten soll eine Reduktion der Staugefahr bei Baustellen durch die folgenden Vorgehensweisen erzielt werden:

  • Abstimmung der neu geplanten Baustelle – auch Arbeitsstellen kürzerer Dauer „Tagesbaustellen“ – mit anderen Baustellen im Vorrangsnetz und auf den Ausweichstrecken
  • Verlegung der AkD in einem möglichst konfliktfreien Zeitraum
  • Information der beteiligten Behörden und Firmen
  • Netzüberlastungen prüfen und möglichst vermeiden
  • Information der Verkehrsteilnehmer über geplante Baustellen und die zu erwartenden Behinderungen vorsehen
  • Einstellung der Mitteilungen ins Internet (Adresse: http://baustellen.strassen.baden-württemberg.de:8080/index.html ).

2.4. Regelungen Baden-Württemberg (2002) zur Vermeidung von Verkehrsstaus

In einer verwaltungsinternen Regelung „Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen und zweibahnigen Bundesstraßen – Regelungen zur Vermeidung von Verkehrsstaus“ [8] sind die bisherigen Regelungen des Landes Baden-Württemberg mit den Erfahrungen der Pilotstudie [5] zu einer neuen Handlungsanweisung für den Straßenbetriebsdienst zusammengefasst worden. Folgende wichtige Regelungen sind in der Handlungsanweisung enthalten:

  • die Regelungen für AkD sind für die Arbeiten in Eigenregie sowie auch bei Aufträgen an Privatfirmen zu berücksichtigen.
  • Fahrstreifenzahl möglichst beibehalten, bei Erfordernis Verkehrsführung über den Standstreifen
  • Bei erforderlichen Fahrstreifensperrungen sind die Arbeiten in verkehrsschwächeren Zeiten (z. B. Nutzung von Zeitfenster, Verlagerung von Arbeitsstellen) ausführen
  • Vorgabe von generellen Anhaltswerten für die für verkehrsarme Zeiten maximal zulässige Vorbelastung
  • Mitteilung von Tagesganglinien für hochbelastete Streckenabschnitte
  • Bei ausreichend vorhandener Zeitfenster sind für die AkD zunächst die verkehrsarmen Zeiten bei Tageslicht außerhalb der vereinbarten Dienstzeiten der AM’en zu nutzen
  • Bei besonderen Zwängen soll mit den AkD auf die Nacht oder auf die Wochenend-tage ausgewichen werden
  • (In der verwaltungsinternen Handlungsanweisung sind auch Hinweise über die „Eignung von Tätigkeiten für Nachtarbeit“ enthalten)
  • Ferner wurden Regelpläne für Nachtbaustellen eingeführt.
  • Bündelung verschiedener Tätigkeiten zu einem Arbeitsprozess.
  • Zusammenlegung mehrerer Baustellen zu einer Baustelle
  • Konzentration von Arbeitskräften, Fahrzeugen und Geräten (andere Meistereien, private Firmen) bei Eingriff in den Verkehrsraum
  • Verwendung von Baustoffen die eine schnelle Verkehrsfreigabe zulassen
  • Bei Sperrung eines Fahrstreifens ist, bei einer Staulänge von 4 km (max. 10 km bei hoch ausgelasteten Autobahnen), die Arbeitsstelle kürzerer Dauer aufzuheben
  • Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit sind von den o. g. Regelungen ausgeschlossen und die Sofortmaßnahmen müssen auch nicht eingestellt werden.

3 Weitere Vorgehen zur Stauvermeidung bei AkD

3.1 Hochbelastete Strecken in Baden-Württemberg

Bild 2: Streckennetz in Baden-Württemberg                 

Bild 3:Verkehrsbelastungen im magischen Viereck A 5, A 6, A 8, A 81

Im UVM-Schreiben vom 29. Mai 2002 [8] sind für eine Richtungsfahrbahn die folgenden Anhaltswerte für die maximal zulässige stündliche Verkehrsbelastung bei einem 20%igen Lkw – Anteil für die Verkehrsmenge in verkehrsärmeren Zeiten vorgegeben worden:

  • bei zweistreifigen Richtungsfahrbahnen – 1.600 Kfz/h
  • bei dreistreifigen Richtungsfahrbahnen – 3.500 Kfz/h.

3.2 Ziele der Planung von AkD

Bei der Planung von Arbeitsstellen, die einen Eingriff in den Verkehrsraum erfordern, wird ein möglichst staufreies Arbeiten angestrebt. Mit Hilfe von streckenspezifischen Zeitfenstern für staufreies Arbeiten soll die Einsatzplanung unterstützt werden. Sofern erforderlich, müssen zusätzliche Maßnahmen zur Staureduktion eingesetzt werden. Sind Staus nicht zu vermeiden, sind die Verkehrsteilnehmer über die Medien und BIS zu unterrichten. Entsprechend [10] lassen sich somit 3 Stufen für die Einrichtung und Umsetzung der AKD benennen:

  1. Stauvermeidung (Zeitfenster)
  2. Staureduktion (Maßnahmen)
  3. Stauinformation (Auswirkungen).

3.2.1  Zeitfenster – Hilfsmittel für die Planung von AkD

Bei Einrichtung einer AkD steht der Verkehrsnachfrage die verbleibende mögliche Kapazität der Restfahrbahnbreite gegenüber.

Aus der Überlagerung der Verkehrsnachfrage und der Kapazität im Bereich der AkD lassen sich drei Typen von Zeitfenstern ablesen:

  1. Arbeiten sind möglich, es sind keine Staus zu erwarten
  2. Arbeiten sind kritisch, es sind Behinderungen zu erwarten
  3. Arbeiten sind nicht sinnvoll, es sind Staus zu erwarten.

Bild 4: Ablesen von Zeitfenstern; Überlagerungsdiagramm Verkehrsnachfrage/Kapazität [9]

3.2.2  Ermittlung der Zeitfenster für staufreies Arbeiten

Für vier ausgesuchte Autobahnmeistereien wurden für deren Streckenabschnitte mit hoher und mittlerer Stauwahrscheinlichkeit die Zeitfenster ermittelt. Die Bearbeitung wurde, wie die Erstellung der oben genannten Pilotstudie durch das Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) sowie der Durth Roos Consulting GmbH im Benehmen mit der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg, wissenschaftlich begleitet. [9]

a) Einteilung des Streckenabschnitts in Teilabschnitte

Das zu betreuende Steckennetz der Meistereien wurde dabei zunächst in Abschnitte ähnlicher Streckencharakteristik eingeteilt. Maßgebende Kriterien dabei waren:

  • LuKAS-Abschnitte
  • Veränderungen im Querschnitt
  • Veränderungen in der Verkehrsstärke
  • Veränderung aus verkehrlicher Sicht
  • größere Steigungen
  • schlechte Sichtverhältnisse
  • usw.

b) Ermittlung der Verkehrsnachfrage

Die Grundlage für die Verkehrsnachfrage zur Ermittlung der Zeitfenster sind die Daten der Dauerzählstellen der Bundesautobahnen. Diese Zählungen enthalten stundengenaue Tagesganglinien für den Gesamtverkehr und die Anzahl der Schwerlastfahrzeuge.

c) Ermittlung der Kapazität

In einem weiteren Schritt wurde für jeden der oben genannten Abschnitte die Kapazität des Engpasses bei Einrichtung einer Arbeitsstelle (Wegnahme eines Fahrstreifens) ermittelt. Grundlage dafür war ein Simulationsmodell der Uni Karlsruhe (TH).

Bild 5: Bestimmung von Kapazitäten mit Hilfe von Kapazitätslinien [10]

Die Kapazität im Engpass ist für einen konkreten Abschnitt die Verkehrsmenge, die bei Reduktion des Querschnittes um einen Fahrstreifen in Abhängigkeit vom SV-Anteil abgeleitet werden kann. Diese, für einen Streckenabschnitt ermittelte Kapazitätslinie dient als Grundlage, um bei wechselnder Verkehrsbelastung und wechselndem Schwerverkehrsanteil die Verkehrsmenge zu ermitteln, die im reduzierten Querschnitt abgeführt werden kann.

Im dargestellten Beispiel wird auf einem Streckenabschnitt eine Verkehrsstärke von 2.200 KFZ/h mit einem SV-Anteil von 14,5 % erwartet. Bei Einrichtung einer Baustelle auf dem linken Fahrstreifen bei einer 2-streifigen Richtungsfahrbahn ohne Benutzung des Standstreifens würde sich eine Kapazität von ca. 1.480 KFZ/h einstellen. Die Folge ist, es käme vor der AkD zu einem Stau.

d) Darstellung der Zeitfenster

Auf diesen Grundlagen

  • Einteilung Streckennetz
  • Verkehrsnachfrage zu bestimmten Zeiten
  • mögliche Kapazität

wurden für die Autobahnmeistereien

  • AM Herrenberg mit AST Kirchheim
  • AM Karlsruhe
  • AM Ludwigsburg
  • AM Walldorf.

für jeden Tag (24 Stunden), einschließlich Samstag und Sonntag, die Zeitfenster, für jeden einzelnen Streckenabschnitt in einem Plan dargestellt [9].

Bild 6: Zeitfenster für eine Autobahnmeisterei (am Beispiel der AM LB)

3.2.3  Arbeitsplanung

Um Informationen zu erhalten, welche Arbeiten in welchem Umfang und in welchem Zeitraum im Verkehrsraum anfallen, ist es neben einer wirtschaftlichkeitsorientierten Steuerung des Straßenbetriebsdienstes auch zwingend erforderlich, dass eine strategische Arbeitsplanung bei den Meistereien durchgeführt wird.

Bild 7: Arbeitsplanung-%-Verteilung der UI-Tätigkeiten (am Beispiel der AM LB)

Neben einer groben Arbeitsplanung auf Jahressicht ist eine weitergehende Planung erforderlich. In der Monatsarbeitsplanung werden die monatlich möglichen Arbeitsstunden des Straßenbetriebsdienstes einer AM auf die anfallenden Tätigkeiten und auf die Einzelabschnitte zielgerichtet verteilt. Mit diesen Angaben hat dann der Autobahnmeister, neben der Wahl von erforderlichen Zeitfenstern und der Festlegung von Maßnahmen zur Staureduktion, ein zusätzliches Hilfsmittel für die Planung der AkD. Somit leiten sich vier grundlegende Arbeitsschritte für die Arbeitsplanung einer AM ab [10]:

  1. Definition des zu unterhaltenden Streckennetzes
  2. Arbeitsplanung auf Basis vorhandener LuKAS-Daten und Erfahrungswerte in Abhängigkeit der vorhersehbaren betrieblichen Kapazität.(Personal, Fahrzeuge, Geräte und Haushaltsmittel)
  3. Verteilung des Arbeitsvolumens auf die einzelnen Abschnitte unter Anwendung pauschaler Schlüsse, die sich aus der Beschaffenheit des Abschnitts und der Art der Tätigkeit aufgrund von Erfahrungswerten ergeben
  4. Zusammenstellung der Arbeitsstellen für kritische Zeiten und Analyse eventueller Verlagerungsmöglichkeiten.

Für den Straßenbetriebsdienst in Baden-Württemberg stehen noch keine Bestandsdaten zur Verfügung. Um den Jahresumfang an Arbeiten zu ermitteln, muss auf die LuKAS-Daten [12] der letzten 2 Jahre zurückgegriffen werden. Zusätzlich müssen die Autobahnmeister den voraussichtlichen Arbeitsaufwand für die einzelnen Abschnitte abschätzen. Über das einer Meisterei zur Verfügung stehende Personal lässt sich die voraussichtlich mögliche Arbeitsleistung einer Meisterei unter Berücksichtigung aller Randbedingungen ermitteln.

4 Umsetzung in Baden-Württemberg

4.1 Allgemeines

Im Abschnitt 3 „Stauvermeidung bei AkD“ wurden die Voraussetzung und Hilfsmittel beschrieben, mit welchen die Autobahnmeister gezielter ihre Tätigkeiten vor Ort planen können, um möglichst Staus bei AkD zu vermeiden. Für die o.g. 4 ausgesuchten Meistereien wurde die Umsetzung und Anwendung der Hilfsmittel weiterhin durch das Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) und der Durth Roos Consulting GmbH in Zusammenarbeit mit der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg begleitet.

4.2 Vorgehensweise

a) Kapazitätsauslastung

Jede der vier beteiligten AM`en hat für ihre Betriebsstrecken und den Arbeitsstunden der zur Verfügung stehenden Mitarbeitern eine Jahres- und Monatsarbeitsplanung erstellt. Im Hinblick auf die Kapazitätsauslastung der AM’en mussten Arbeiten zum Teil von einem Monat zum anderen verschoben werden. Das Ergebnis ist beispielhaft im Bild 8 dargestellt.

Bild 8: Kapazitätsauslastung (am Beispiel der AM LB)

b) Planung von Arbeitsstellen im Rahmen der Stauminimierung

Die Arbeiten des Straßenbetriebsdienstes und der Fremdfirmen, die im Auftrag des Straßenbetriebsdienstes tätig sind, könnten teilweise ohne Eingriff in den Verkehrsraum, unter Beibehaltung der Anzahl der Fahrspuren durchgeführt werden. Daher ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die Stauvermeidung und für die Staureduktion, dass im Streckenabschnitt ein ausreichend breiter (mindestens 2,50 m), und vor allem aber ausreichend stark befestigter Standstreifen vorhanden ist.

Das Bild 9 zeigt in Abhängigkeit des Querschnitts den Umfang der AkD mit Eingriff in den Verkehrsraum (Eingriff in den Verkehrsraum bedeutet Wegnahme eines Fahrstreifens) auf:

Die Auswertung des Bildes 9 zeigt, dass ca. 2/3 der Arbeitsstunden des Straßenbetriebsdienstes auf Autobahnen außerhalb des Verkehrsraumes oder vom Standstreifen aus durchgeführt werden können.

Bild 9: Anteil der Arbeitsstunden im Verkehrsraum in Abhängigkeit vom Querschnitt

Bei den AkD mit einem Eingriff in den Verkehrsraum wurde zunächst geprüft, ob die Tätigkeit innerhalb der regulären Arbeitszeit ausgeführt werden können. Sofern für diese Arbeiten kein ausreichendes Zeitfenster während der regulären Arbeitszeit vorhanden war, wurden Maßnahmen zur Stauvermeidung geprüft

  • Standstreifenmitbenutzung
  • Abbrechen von Tätigkeiten
  • Zusammenfassen von Tätigkeiten
  • Einrichten von zwei Baustellen in einem Abstand
  • Durchführung der Arbeiten vor oder nach der regelmäßigen Arbeitszeit
  • Durchführung der Arbeiten in der Nacht
  • Durchführung der Arbeiten am Wochenende.

Sofortmaßnahmen sind grundsätzlich nicht planbar. Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist sofortiges Handeln erforderlich und somit erfolgt der Eingriff in den Verkehrsraum ohne Berücksichtigung von Zeitfenstern sofort.

5 Ergebnis „Tagesbaustellen und Stauvermeidung?“

Im Zeitraum von November 2003 bis Oktober 2004 wurde bei den vier bereits genannten Autobahnmeistereien in Baden-Württemberg in einem Praxistest geprüft, ob die theoretischen Untersuchungen und die Hilfsmittel in die Praxis umgesetzt werden können. Gleichzeitig sollte geprüft werden, ob damit bei den AkD auch Verkehrsstaus weitgehend vermieden werden können. Die Praxisphase wurde vom Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) und der Durth Roos Consulting GmbH begleitet und in die Ergebnisse in einem Bericht zusammengefasst. [11]

5.1 Vergleich der Arbeitsplanung mit den LuKAS-Daten

Bei den vier ausgesuchten Autobahnmeistereien hat sich bei der einjährigen Begleitung gezeigt, dass eine vorausschauende Arbeitsplanung im Straßenbetriebsdienst grundsätzlich möglich ist. Obwohl es im Einzelfall zu erheblichen Abweichungen zwischen Planung (soll) und Umsetzung (ist) kommen kann, ist der Anteil der nicht vorhersehbaren Leistungen insgesamt nicht so groß, dass eine Planung unmöglich ist.

Bild 10: Vergleich der geplanten und tatsächlichen durchgeführten Monatsstunden (am Beispiel der AM LB)

Die Gegenüberstellung der monatlichen Arbeitsplanung und der im Zeitraum rapportierten LuKAS-Daten [12] haben bei allen untersuchten Meistereien Abweichung gezeigt.

Verschiedene Tätigkeiten im Straßenbetriebsdienst, z. B. Sofortmaßnahmen oder Winterdienst, sind nicht planbar. Deshalb war die Systematik für die Arbeitsplanung bei den untersuchten Autobahnmeistereien unterschiedlich. Im Bild 10 wurden z. B. bei der AM Ludwigsburg für den Winterdienst, der nicht planbar ist, keine Planvorgaben vorgesehen. Damit sind die Abweichungen im Dezember bis März erklärbar.

Die Leistungen des Straßenbetriebsdienstes sind in Teilbereichen stark wetterabhängig. So wurden Leistungen bei den Meistereien entgegen der Arbeitsplanung witterungsbedingt vorgezogen oder in den nächsten Monat verschoben.

Weitere Abweichungen traten zwischen geplanter und erbrachter Arbeitsleistung bei der Leistung Grünpflege und Reinigung auf, die häufig in Kombination erbracht werden. Hier ist der Unterschied zwischen betrieblicher Planung und der Erfassung in den LuKAS-Aufträgen erkennbar.

Trotz dieser dargestellten Abweichungen hat sich bei den untersuchten Autobahnmeistereien gezeigt, dass eine Arbeitsplanung für den Betriebsdienst zielführend ist. Anzustreben wäre, dass über ein DV-gestütztes System die Arbeitsplanung wochen- bzw. tagesscharf abgebildet werden kann. Damit könnte die abschnittsbezogenen tägliche Planungen der Leistungen des Straßenbetriebsdienstes erleichtert werden, die bisher in der starren Monatsplanung nicht möglich war. Mit der Tagesarbeitsplanung könnten Zufälligkeiten ausgeschlossen werden, das wiederum zu einer weiteren Reduktion der Verkehrsbehinderungen durch AkD führen könnte.

5.2 Berücksichtigung von Zeitfenstern bei AkD

Mit Erarbeitung der Zeitfenster für die Planung von AKD wurde den Autobahnmeistereien ein Hilfsmittel an die Hand gegeben, dass sie neben ihrer persönlicher subjektiver Erfahrung auch eine Entscheidungshilfe auf objektiver Grundlage haben.

Mit dieser Grundlage kann auch bei größeren Behinderungen bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer die Notwendigkeit und der Zeitpunkt der Öffentlichkeit (Presse, Politiker, Führungskräfte von Firmen) transparenter dargestellt werden.

Das Bild 11 zeigt, dass von den Arbeitsstellen kürzerer Dauer ca. 24 % außerhalb des Verkehrsraumes liegen. Bei den untersuchten Autobahnmeistereien konnte dabei ermittelt werden, dass ca. 2/3 der Mannstunden außerhalb des Verkehrsraumes für die Leistungen des Straßenbetriebsdienstes erbracht werden.

Bild 11: Baustellen im Untersuchungszeitraum, bezogen auf die Lage im Verkehrsraum (am Beispiel der AM LB)

Von den Arbeiten, die innerhalb des Verkehrsraums zu erledigen sind, konnten bei der AM Ludwigsburg ca. 41 % der Arbeiten in Zeitfenster ohne Staugefährdung verlegt werden. Der hohe Anteil ist bedingt durch häufige Nachtarbeit und Wochenendarbeit bei der AM LB.

11 % der Arbeiten innerhalb des Verkehrsraums konnte in Zeitfenstern mit Staugefährdung mit zeitlicher Anpassung durchgeführt werden.

Bei 24 % der Maßnahmen im Verkehrsraum war keine Empfehlung möglich, da die Tätigkeiten im gesamten Streckennetz zu erbringen waren und somit kein Abschnittsbezug, mit der Möglichkeit einer Empfehlung zur Stauvermeidung möglich war.

Bei diesen Maßnahmen erfolgte ein kurzfristiger Wechsel des Einsatzortes. Die Mitarbeiter der Meistereien kennen aus ihren langjährigen Erfahrungen bei „ihrer Betriebsstrecken“ die Verkehrsabläufe sehr genau und können ihre Tätigkeiten spontan den verkehrlichen Belangen anpassen.

Bild 12: Angewandte Maßnahmen zur Staureduktion (am Beispiel der AM LB)

6 Zusammenfassung

Für 4 ausgewählte Autobahnmeistereien im hochbelasteten Streckennetz der A 5, A 6, A 8 und A 81 in Baden-Württemberg wurde das zu betreuende Steckennetz in Abschnitte mit gleicher Streckencharakteristik eingeteilt. Über ein Simulationsmodell der Uni Karlsruhe wurde für jeden Streckenabschnitt die mögliche Kapazität des verbleibenden Querschnittes ermittelt. Die Kapazität einer Arbeitsstelle kürzerer Dauer ist die Verkehrsmenge, die bei Wegnahme eines Fahrstreifens ohne Rückstau im verbleibenden Querschnitt abgeleitet werden kann. Die mögliche Kapazität und die nachgefragte Verkehrsbelastung wurden für jeden Streckenabschnitt überlagert. Dabei entstanden für jeden Streckenabschnitt sogenannte

„Zeitfenster“, das heißt Hinweise, bei denen Arbeiten ohne Staus möglich sind, bei denen Arbeiten, im Hinblick auf Stau, kritisch sind und bei denen Arbeiten nicht sinnvoll sind, da mit Stau zu rechnen ist.

Mit Hilfe der Monatsarbeitsplanung und den Angaben aus den Zeitfenstern wurde der Zeitpunkt der AkD und eventuell zu ergreifenden Maßnahmen festgelegt.

Im Zeitraum von einem Jahr wurde bei den AM`en die Arbeitsplanung, die Umsetzung und Abwicklung der AkD des Straßenbetriebsdienstes begleitet und die Auswirkungen dokumentiert. Die theoretischen Ansätze „Anwendung von Zeitfenstern“ haben sich bei der Umsetzung in die Praxis in dem Untersuchungszeitraum bewährt. Bei aller Theorie sollten die Erfahrung der Mitarbeiter der Meistereien nicht vergessen werden, die durch ihre jahrelangen Erfahrungen der Verkehrsabläufe „ihrer Betriebsstrecken“ zum Teil spontan ihre Tätigkeiten an die verkehrlichen Belange anpassen und somit Staus vermeiden oder verringern.

Von den untersuchten Arbeitsstellen mit Sperrung eines Fahrstreifens wurden 93 % der Baustellen in Zeiten für staufreies Arbeiten verlegt oder es wurden Maßnahmen zur Stauvermeidung angewandt. Bei nur 55 der 963 untersuchten Baustellen traten im Untersuchungszeitraum von einem Jahr tatsächlich Staus auf.

Literaturverzeichnis

  1. Holzwarth, J.; Heußer, O.; Bauer, P.: Baustellenkoordinierungs- und Informationssystem Baden-Württemberg – Einstieg in ein umfassendes Verkehrsmanagement Straßenverkehrstechnik, Heft 5, Bonn 2005
  2. Innenministerium Baden-Württemberg: Verwaltungsinterne Regelungen – Bauarbeiten an Bundesfernstraßen, hier: Insbesondere Tagesbaustellen vom 25. März 1985
  3. Länderfachausschuss Straßenunterhaltung und Betriebsdienst: Maßnahmenkatalog Straßenunterhaltung und Betrieb MK 13 – Wege zur Verringerung der Verkehrsbeeinträchtigungen durch Unterhaltungsarbeiten auf Bundesautobahnen, 1992
  4. Verkehrsministerium Baden-Württemberg: Verwaltungsinterne Regelung: Verringerung von Verkehrsbeeinträchtigungen durch Arbeits- und Baustellen auf Autobahnen vom 22. Januar 1992
  5. Roos, R.; Zimmermann, M.; Holldorb, C.; Kob, S.; Klein, A.: Verlegung von Arbeiten der betrieblichen Straßenunterhaltung in die Nachtstunden, Straßenverkehrstechnik, Heft 5, Bonn 2001
  6. Holldorb, C.; Norkauer, A.: Analyse und Bewertung von Maßnahmen zur Staureduktion bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer im Auftrag der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, Schlussbericht Januar 2004, unveröffentlicht
  7. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Straßenbetriebsdienst 2003, Kolloquium der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) am 9.-10. September 2003 in Karlsruhe
  8. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg: Verwaltungsinterne Regelung: Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen und zweibahnigen Bundesstraßen, hier: Regelungen zur Vermeidung von Verkehrsstaus vom 29. Mai 2002
  9. Holldorb, C.; Norkauer, A.: Wissenschaftliche Begleitung der Arbeitsplanung zur Stauvermeidung unter Berücksichtigung verkehrlicher Belange im Auftrag der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, Ergebnisse der Phase I, Oktober 2003, unveröffentlicht
  10. Holldorb, C.; Norkauer, A.: Wissenschaftliche Begleitung der Arbeitsplanung zur Stauvermeidung unter Berücksichtigung verkehrlicher Belange im Auftrag der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, Leitfaden für die Umsetzung der Ergebnisse, Mai 2004, unveröffentlicht
  11. Holldorb, C.; Zimmermann, M.: Wissenschaftliche Begleitung der Arbeitsplanung zur Stauvermeidung unter Berücksichtigung verkehrlicher Belange im Auftrag der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, Abschlussbericht der Phase II, Juli 2005, unveröffentlicht
  12. LuKAS = Leistungs- und Kostenabrechnungssystem ist ein betriebswirtschaftliches Programm für den Straßenbetriebsdienst in Baden-Württemberg, mit dem alle Leistungen des Straßenbetriebsdienst mit Personal-, Fahrzeug- und Geräteeinsatzzeiten einschließlich aller sonstigen Ausgaben erfasst werden