FGSV-Nr. FGSV 002/120
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2017
Titel Stand von Arbeitssicherheit und Gefährdungsbeurteilung in den Ländern
Autoren Dipl.-Ing. Michael Höhne
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Wie schon in einigen Vorträgen in den vergangenen Jahren verdeutlicht wurde, ist das Unfallgeschehen in den Straßenbauverwaltungen der Bundesländer davon geprägt, dass besonders schwere Unfälle im Bereich des Betriebsdienstes registriert werden. Wenn von 283 Unfällen im Jahr 2016 in Nordrhein-Westfalen ca. 4 % dem Bereich Fremdverschulden zugerechnet werden können, klingt das nicht besonders hoch. Jedoch ist zu bedenken, dass in diesen 4 % bis 8 % (aus den vergangenen Jahren) die tödlichen Unfälle stecken, die die Straßenbauverwaltung in NRW zu beklagen hatte. Dieser Unfallkategorie wird seit jeher eine hohe Aufmerksamkeit zuteil, wenn es darum geht, tödliche Unfälle zu vermeiden.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

NRW hatte 19 tödliche Arbeitsunfälle seit 1993 (inkl. Vorgängerverwaltungen) in den vergangenen Jahren zu beklagen. Es ist allerdings unbestritten, dass deutschlandweit mehr Beschäftigte ums Leben kamen. Denn Presseberichte und einschlägige Einträge in den sozialen Medien zeigen immer wieder schwere Unfälle, bei denen Beschäftigte nicht nur leicht verletzt wurden oder mit dem Schrecken davonkamen, sondern das solche Unfälle auch tödlich ausgingen. Daher müssen wir uns auch immer wieder vor Augen führen, dass das Risiko, bei einem Unfall im Betriebsdienst ums Leben zu kommen, 13-mal höher ist als in einem gewerblichen Betrieb.

Viele Lösungen zur Verringerung des Risikos sind hier schon angesprochen worden.
Es sind zu nennen:

– Einführung von Warnschwellen in Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD),

Einführung von CB-Warnfunk,

– Erhöhung der Sichtbarkeit durch LED-Technik und erhöhte optische Reize,

– Sensibilisierung des Personals durch moderne Fortbildungstechniken (Risikoparcours),

etc.

Bild 1: Unfälle durch Fremdverschulden bei Straßen.NRW

Natürlich suchen alle Straßenbauverwaltungen auch weiterhin nach Methoden, um das Risiko zu minimieren. Aber gerade vor dem Hintergrund einer staatlichen Bundesinfrastrukturgesellschaft erscheint es sinnvoll, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Arbeit einer Straßenwärterin oder eines Straßenwärters sicherer zu machen. Hierzu kam es im Jahr 2016 auf Initiative von Herrn Jürgen Porwollik als Leiter der Fachabteilung „Betrieb und Verkehr“ bei Straßen.NRW zu der Idee, die Menschen, die sich in den Bundesländern mit dem Thema Arbeitssicherheit beschäftigen, zusammen zu holen und sich über einzelne Themen beraten zu lassen. Mit dankenswerter Hilfe von Herrn Dr. Horst Hanke und Unterstützung von Frau Sauerwein-Braksiek konnte am 13. September 2016 der erste Erfahrungsaustausch der Fachkräfte für Arbeitssicherheit durchgeführt werden.
Dieser hatte die Themen:

– Stand und aktuelle Herausforderungen des Arbeitsschutzes im Straßenbetrieb am Beispiel NRW,

– kurzer Bericht aus allen Bundesländern über den aktuellen Stand des Arbeitsschutzes,

Erfahrungsaustausch, Identifikation gemeinsamer Probleme,

– Diskussion und Beschluss über weiteres Vorgehen zur Schöpfung länderübergreifender Synergien

Bild 2: Erfahrungsaustausch Fachkräfte Arbeitssicherheit (FASI) Bund, 2016 in Köln

Schnell war allen Beteiligten klar, dass so ein Austausch von Ideen und Informationen sehr wichtig ist, um das Rad nicht in jedem Bundesland neu zu erfinden und auf bewährte Strategien in anderen Bundesländern zurückgreifen zu können.

Im Rahmen der Diskussionen herrschte auch Einigkeit darüber, dass Unfallzahlen einmal bundesweit zusammengestellt werden sollten, damit eine bundeseinheitliche Aussage zum Risiko getroffen werden kann. Dieses bundesweite Risiko wird auch von der Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten immer wieder bestätigt, jedoch fehlte es auch hier an entsprechendem Zahlenmaterial. Die erste Zusammenkunft schloss mit dem Wunsch die Unfallzahlen für die beiden besonderen Bereiche „Fremdverschulden“ und „Grün- und Gehölzpflegeunfälle“ zusammenzutragen. Aus den Rückmeldungen ließ sich das folgende Chart zusammenstellen.

Es ist also ersichtlich, dass sich die Erkenntnisse der Unfallstatistiken aus NRW auch bundesweit widerspiegeln.

Bild 3: Unfälle bundesweit 2016

Im zweiten Erfahrungsaustausch am 26. Juli 2017 in Koblenz wurden die Themen dann vertieft und es kam Nachfolgendes zur Diskussion:

– Erstellen von Gefährdungsbeurteilungen,

– Qualifizierung von Gerätebedienern,

Beauftragung von Gerätebedienern,

Durchführen von Unterweisungen,

Sachstand zu einer Austauschplattform.

Auch hier haben die Teilnehmer der Sitzung festgestellt, dass es viele unterschiedliche Lösungsansätze zur Bewältigung einzelner sicherheitstechnischer Fragestellungen gibt, aber dass es sinnvoll sein kann, sich gegenseitig die Informationen nicht vorzuenthalten. So reifte, wie allerdings schon in der ersten Sitzung vorgetragen, der Wunsch nach einer Austauschplattform, um gegenseitig auch Dokumente, die nicht einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, anderen Bundesländern, die vielleicht noch nicht so weit in der Lösung einzelner Probleme fortgeschritten sind, zugänglich zu machen.

Weiterhin erschien es sinnvoll, sich gegenseitig über den Stand der Erstellungen von Gefährdungsbeurteilungen zu informieren.

In der Zwischenzeit ist es gelungen die Austauschplattform des Bundes auf dem Shared-Workspace-Server (BSCW) soweit einzurichten, dass es dort nun einen Arbeitsbereich gibt, auf dem jetzt noch Rechte zugewiesen werden. Dann kann jedes Bundesland seine Daten, die für einen Austausch geeignet sind, sortiert und eigenverantwortlich einstellen und verwalten. Vielen Dank dafür an Herrn Dr. Stöckert vom BMVI (Referat StB 11 – Straßenverkehrstechnik, Straßeninfrastruktursicherheit, Straßenbetriebsmanagement).

Schlussendlich kann dann auch einer der unserer Ansicht nach wichtigsten Austausche stattfinden, nämlich der zur Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz.

In der Bunderepublik Deutschland ist im Arbeitsschutzgesetz und im Rahmen der Allgemeinen Deutschen Arbeitsschutzstrategie festgelegt, dass

– Arbeitsbereiche festgelegt, Gefährdungen ermittelt und beurteilt werden müssen,

– Schutzziele und konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen sowie Verantwortlichkeiten festgelegt und auf Wirksamkeiten überprüft werden müssen,

– eine einmal gemachte Gefährdungsbeurteilung (GBU) immer wieder aktualisiert werden muss.

Bild 4: Gefährdungsbeurteilung NRW

Bei der Zusammenstellung der einzelnen Maßnahmen der Bundesländer fiel hier auf, dass jedes Bundesland dieses Thema anders angeht und jedes Bundesland in einer oder mehr der sieben o.g. Vorgaben der Allgemeinen Deutschen Arbeitsschutzstrategie durchaus Lücken aufweist. Es erscheint als sehr wichtig, dass grade in den Zusammenstellungen der Gefährdungsbeurteilungen der einzelnen Bundesländer noch ein großes Potenzial schlummert, um die Arbeit des Betriebsdienstpersonals noch sicherer zu machen und die Praktikabilität des formalen „Druckwerks“ zu optimieren.

Bei allen Bundesländern steht die „Arbeitsschutzmaßnahme“ im Vordergrund und es ist unbestritten, dass viele sehr gute Maßnahmen zur Verringerung von Unfallhäufigkeit und -schwere entwickelt worden sind, aber der Weg bis zu einer Einzelmaßnahme nur unzureichend beschrieben sein kann. In NRW wird nun ein mit der Unfallkasse NRW (UKNRW) abgestimmtes Verfahren zur Beschreibung der Gefährdungen nach obigen Schema innerhalb von Gefährdungsbeurteilungen vollzogen. Die Inhalte anderer Gefährdungsbeurteilungen sind dafür sehr hilfreich. Für mehr als 200 Tätigkeiten, Arbeitsmittel und Arbeitsumgebungen werden dann entsprechende Tabellen vorhanden sein, die auch von anderen Bundesländern im Rahmen der Austauschplattform genutzt werden können.

Wir erhoffen uns durch die regelmäßige Zusammenarbeit eine im Bund einheitliche und koordinierte Vorgehensweise bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und die Möglichkeit der weiteren Senkung von Unfallzahlen und Risiken.