| FGSV-Nr. | FGSV 002/138 |
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| Ort | Köln |
| Datum | 28.02.2024 |
| Titel | Georeferenzierung - Warum die Erde manchmal eine Scheibe ist |
| Autoren | Enrico Romanschek, Christian Clemen |
| Kategorien | OKSTRA |
| Einleitung | Der Beitrag zeigt, dass die sogenannte „Low Distortion Projection“ (LDP) eine wichtige Rolle bei der Integration von Vermessung und GIS in BIM-Projekten spielt. Als konkretes Beispiel wird von der Einführung lokaler Koordinatenreferenzsysteme für die Planung von Personenbahnhöfen bei der DB Station & Service berichtet. Die dreidimensionale Planung und Modellkoordination von Teil- und Fachmodellen ist neben dem Informationsmanagement das wesentliche Moment des Building Information Modeling (BIM). Die dreidimensionale Vermessung des vorhandenen Baubestandes bildet die Grundlage der dreidimensionalen Modellierung. Allerdings arbeitet die in der BIM-Methode eingesetzten 3D-Autoren- und Koordinationssoftware meistens nicht mit geodätischen Koordinaten, sondern mit „normalen“ kartesischen Koordinatensystemen, oder – überspitzt formuliert: „BIM denkt, die Erde sei eine Scheibe“. Die systematischen Abweichungen bis zu 100 cm/1 km bei UTM-Koordinaten entstehen derzeit, weil 3D-Planungssoftware die Erdkrümmung nicht berücksichtigt. Bei kleinräumigen Projekten, zum Beispiel bei einem Brückenbauwerk ist es sinnvoll lokale, dreidimensionale Koordinatensysteme zu verwenden. Dadurch werden die geodätischen Anforderungen mit der fachlichen Sicht der Architektur und des Bauingenieurwesens sowie den mathematischen Anforderungen der Bauinformatik und CAD in Einklang gebracht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Volumenkörpermodellierung der CAD/BIM-Software zukünftig die gekrümmten geodätischen Koordinaten, wie die Koordinatenbezugssysteme im ETRS89/UTM, mathematisch korrekt verwenden. Also müssen die geodätischen Koordinaten so umgeformt werden, dass die systematische Abweichung zwischen 3D-Planung und Vermessung durch die optimale Definition eines Koordinatenbezugssystems minimiert wird. |
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| Volltext | Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.1 Einleitung und ProblemstellungIn der Praxis ergeben sich keine Schwierigkeiten bei der Georeferenzierung, solange die Gewerke in ihren eigenen Koordinatensystemen arbeiten. Geodäten sind versiert im Umgang mit raumbezogenen Koordinatenreferenzsystemen, sei es im Liegenschaftskataster, in der Landesvermessung oder in der Ingenieurgeodäsie. Architekten und Bauingenieure können problemlos dreidimensionale Berechnungen in lokalen Bauwerkskoordinatensystemen durchführen. Die Probleme der Georeferenzierung treten auf pragmatischer Ebene hervor, insbesondere wenn Daten zwischen diesen Fachbereichen ausgetauscht werden. Im ungünstigsten Fall erfolgt dieser Austausch ohne Kenntnis der spezifischen Anforderungen und mathematischen Methoden. Im besten Szenario erfolgt der Austausch jedoch mit umfassendem Verständnis für alle Transformationsparameter auf mathematischer, pragmatischer und Datenaustauschebene. Im Anschluss werden praxisorientierte Lösungsvorschläge für verschiedene Anwendungsfälle vorgestellt. 1.1 Relevanz und AnwendungsfälleDie Georeferenzierung ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche BIM/GIS-Interoperabilität in allen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes. Für die Modelle der gebauten Verkehrsinfrastruktur ist die Georeferenzierung unabdingbar – und zwar in allen Lebenszyklusphasen: In der Entwurfs- und Planungsphase ist die gemeinsame Visualisierung von Gebäudemodellen und zugehörigen Geodaten von entscheidender Bedeutung. In einer „BIM to GIS“-Konvertierung können Gebäudemodelle für die räumliche Analyse verwendet werden, wie z. B. für Baugenehmigungsverfahren, Verkehrssimulationen oder Umweltanalysen. In einem „GIS to BIM“-Szenario kann der nahe gelegene geografische Kontext für den Gebäudeentwurf (Ausrichtung auf Grundstücksgrenzen, Gelände und Boden oder Platzierung von Gebäudepolygonen) in einem BIM-Autorenwerkzeug verwendet werden. Auch während der Bauphase ist eine Georeferenzierung erforderlich, z. B. für die Absteckung und Maschinenführung mit hohen Genauigkeitsanforderungen, die Bauüberwachung (z. B. mit georeferenzierten Punktwolken) und das Flächenmanagement auf der Baustelle (Lagerplatz). Darüber hinaus spielt die Georeferenzierung in der Betriebs- und Instandhaltungsphase von Gebäuden eine wichtige Rolle. Anwendungsfälle sind eine nahtlose Indoor-Outdoor-Navigation oder ein integriertes „Indoor- und Outdoor“ Asset Management. Für beide Aufgaben ist die Verwendung eines gemeinsamen Koordinatensystems erforderlich. Bei der Indoor-Outdoor-Navigation wird das gemeinsame System für die korrekte Handhabung der Positionierungsgeräte während der Navigation benötigt, während beim Facility Management alle Objekte einer Anlage korrekt verortet (georeferenziert) werden müssen. Mit Koordinaten werden Punkte im Raum beschrieben. Ein Koordinatensystem beschreibt die mathematischen Regeln, wie die Koordinaten den Punkten zugewiesen werden. Ein Koordinatenreferenzsystem ist darüber hinaus fest mit einem realen Objekt (z. B. dem Erdkörper oder Bauwerk) verbunden. Die Festlegung der Verbindung von Erdkörper und Koordinatenreferenzsystem nennt man Datum. In BIM-Projekten müssen Vermessungs- und Geodaten mit oft unterschiedlichen Koordinatenreferenzsystemen gemeinsam genutzt werden. Amtliche Basisdaten, Geofachdaten und topografische Vermessungen liegen typischerweise in einem
vor. 3D-Bauwerksmodelle werden im Hochbau hingegen fast immer in einem
erstellt. Wird das objektbezogene Koordinatenreferenzsystem mittels geometrischer Transformation zum übergeordneten geodätischen Koordinatenreferenzsystem in Bezug gesetzt, spricht man von Georeferenzierung. Bei einer solchen Transformation können systematische Abweichungen entstehen. Das Ausmaß dieser Abweichungen hängt von folgenden Faktoren ab:
Je nach Genauigkeitsanforderungen und Anwendungsfall muss beurteilt werden, ob die resultierenden Abweichungen vernachlässigt werden können oder nicht. Aus diesem Grund müssen bereits zu Beginn des Bauvorhabens neben der Wahl des Projektkoordinatensystems Überlegungen zur Transformation ins übergeordnete Koordinatenreferenzsystem - also zur Georeferenzierung - angestellt werden. 1.2 Stand der Forschung und TechnikMittels Georeferenzierung erhalten Modellkoordinaten einen Erdbezug. Die Koordinaten beziehen sich also nicht auf „irgendein“ Koordinatensystem, sondern sind einem erdfesten geodätischen Datum zugeordnet. Der GIS-Standard zur Georeferenzierung ist DIN EN ISO 19111 (DIN, 2019). ISO 19111 spezifiziert alle wesentlichen Konzepte und Begriffe für geodätische, vertikale oder lokale Koordinatenreferenzsysteme, unterschiedliche Möglichkeiten, ein geodätisches Datum festzulegen sowie den Umgang mit kartesischen, ellipsoidischen, polaren, linearen und anderen Koordinatensystemen. Beim Übergang zwischen verschiedenen Koordinatenreferenzsystemen unterscheidet ISO 19111 zwischen dem Begriff der „Datumstransformation“ (Übergang von einem Datum zu einem anderen) und der „Koordinatenumformung“ (unter Beibehaltung des Datums). Entscheidend für die praktische Arbeit ist, dass geodätische Koordinatenreferenzsysteme in der Örtlichkeit zum Beispiel mit vermarkten Vermessungspunkten physikalisch realisiert werden können. Für die standardisierte und computerinterpretierbare Darstellung als „well known text“ (WKT) von Koordinatenreferenzsystemen wird der Standard ISO 19162 (ISO, 2019) von GIS Software verwendet. Eine umfassende Beschreibung sämtlicher, weltweit genutzter Koordinatenreferenzsysteme bietet das Kompendium „Geomatics Guidance Note, Coordinate Conversions and Transformations including Formulas“ (International Association of Oil & Gas Producers, 2019), das als Referenzwerk, zum Beispiel für die Softwareentwicklung, sehr geeignet ist. Diese gut entwickelten Standards müssen als Leitlinie für alle zukünftigen Entwicklungen herangezogen werden, wenn es um die Georeferenzierung von BIM-Modellen geht. Neben den Standards wird das Thema „Georeferenzierung“ in zahlreichen berufspraktischen und wissenschaftlichen Publikationen diskutiert, vor allem dann, wenn ein Infrastrukturdatenmanagement mit BIM und GIS durchgeführt werden soll. Einen Überblick über die umfassende Literatur von BIM und Georeferenzierung bietet z. B. das Kapitel „Georeferenzierung“ von Clemen et al., 2022 im „Leitfaden Geodäsie und BIM“ (DVW e.V.; Runder Tisch GIS e.V., 2022). Das Grundproblem ist, dass die BIM-Modellierungssoftware und Kollaborationsplattformen ausschließlich mit rechtwinkligen, kartesischen Koordinatensystemen arbeiten (Jaud et al., 2022). Die Erdkrümmung bleibt in diesen Softwaretypen und den dazugehörigen Austausch formaten unberücksichtigt. Aufbauend auf diesen geodätischen Grundlagen konstatieren Jaud et al., 2020 ebenfalls, dass die in der Ingenieurgeodäsie bekannten Methoden erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe des BIM haben, insbesondere wenn Koordinatenreferenzsysteme für langestreckte Anlagen im Tief- und Verkehrswegebau angewendet werden. Das Grundproblem ist die konzeptuelle Diskrepanz zwischen
Jaud et al., 2020 zeigen mit beispielhaften Rechnungen, dass sich diese Diskrepanz auch auf aus der Geometrie abgeleitete Größen wie Längen und Volumina auswirkt. Ziel der Ansätze ist es stets, ein geodätisches Koordinatenreferenzsystem zu schaffen, das sowohl in andere Koordinatenreferenzsysteme transformiert werden kann als auch die systematischen Abweichungen zwischen „gekrümmter Erde“ und „flat-earth“ BIM minimiert. In der wissenschaftlichen und technischen Literatur finden sich zahlreiche Verfahren für lokale KRS, die alle das Ziel haben, die Verzerrungen aufgrund der Erdkrümmung lokal zu minimieren. Dennis (2015) zeigt, wie sich im Kontext von Low Distortion Map Projections unterschiedliche Projektionstypen auswirken. Andere Autoren, z. B. (Baselga, 2021), entwickeln komplexe Verfahren für Gebiete großer Höhe, indem sie die Ellipsoiddimension (a, b) für lokale Messungen anpassen. Einen Überblick über die unterschiedlichen Konzepte der Ellipsoidanpassung geben Rollins und Meyer (2019). Wichtige Argumente für die Berücksichtigung der Höhe bei der KRS-Konzeption beschreiben die älteren Untersuchungen zur erforderlichen Höhengenauigkeit bei der Bestimmung des Maßstabfaktors k0 von Burkholder (2004). Ein praktischer Ansatz wird z. B. beim Bau des Brenner Basistunnels (BBT) gewählt (Windischer et al., 2019). Der Mittelmeridian der Kartenprojektion (Transversal Mercator) wird so angepasst, dass das neue Koordinatenreferenzsystem „BBT_TM-WGS84“ im Projektgebiet keinen relevanten Maßstab aufweist und die Koordinaten deswegen direkt – auch in BIM -Software – verwendet werden können. Der Ansatz, die Transformationsparameter der Projektion BIM spezifisch anzupassen, wurde in Deutschland zuerst für die Verkehrsstation Hbf Hannover umgesetzt (Manthe; Clemen, 2015). Diese Ansätze bilden die Grundlage für die Low-Distortion Projektion, wie sie in Clemen; Romanschek; Fleischer, 2023 und Abschnitt 3 “Low Distortion Projection – Beispiel DB Station & Service“ beschrieben wird. Den praktischen Einsatz lokaler Projektionen bei BIM-Projekten für Wasserwege beschreibt Heuer (2022). Eines der derzeit größten Probleme im BIM-Bereich liegt im Schema des IFC-Standards (DIN EN ISO 16739-1). Der IFC-Standard ist bezüglich der Georeferenzierung nicht eindeutig. Die vielen Varianten und Ausprägungen der Georeferenzierung erschweren den Datenaustausch von Bauwerksmodellen zwischen BIM und GIS erheblich. Die LoGeoRef-Klassifikation der „Level of Georeferencing“ (Clemen; Görne, 2019), die auch im ISO SO/TR 23262:2021 „GIS (geospatial)/BIM interoperability“ ausgewiesen ist, spezifiziert fünf mögliche Ebenen (LoGeoRef: 10, 20, 30, 40 und 50) in einer IFC-Datei. (DIN, 2021) Je höher der Level, desto besser ist die Georeferenzierung konzeptionell modelliert. Die Level beziehen sich nicht auf die Qualität (Richtigkeit, Genauigkeit) der Transformationsparameter, sondern nur auf die verwendeten IFC-Konzepte. Bild 1: LoGeoRef – Die einfache Metrik für die IFC-Konzepte der Georeferenzierung kann bei der Informationsbestellung verwendet werden, um die Teil- und Fachmodelle von Bauwerken im Infrastrukturdatenmanagement zu koordinieren Tabelle 1: Beschreibung und Bemerkungen zu den LoGeoRef nach Clemen; Görne (2019) Für das Informationsmanagement reicht es mit den derzeitigen Standards also nicht aus, die Georeferenzierung zu fordern. Zusätzlich muss das zu verwendende IFC-Konzept genannt werden. Sollen die Modelle nur mit einfachen Metadaten zur geografischen Koordinate (Länge, Breite, Höhe) annotiert werden, reicht Level 20. Für die exakte und einheitliche Koordination sollte LoGeoRef 50 (IfcMapConversion mit IfcProjectedCRS) verwendet werden. Level 30 und 40 sind nur notwendig, wenn eine Zielsoftware verwendet wird, die den IFC-Standard nicht vollumfänglich umsetzt. Das Zusammenspiel von Geodäsie, Vermessung, Geoinformation und BIM ist neben der Georeferenzierung von vielen weiteren Faktoren abhängig. Einen umfassenden Überblick liefert hier zum Beispiel Herle et al. (2020) und Blankenbach et al. (2022). 1.3 Eine Phänomenologie der GeoreferenzierungDer Problembereich der Georeferenzierung für die BIM-Methode ist vielschichtig. Die unterschiedlichen Perspektiven sollen in der folgenden Phänomenologie nach Jaud et al. (2022) kurz in drei Ebenen zusammengefasst werden:
1.4 Ursachen für die Abweichungen – Die Erde ist keine Scheibe!Zur „Planung und Umsetzung von Bauvorhaben mit amtlichen Lage- und Höhenkoordinaten“ beschreibt Heunecke (2017) die nötigen Reduktionsformeln für den Projektmaßstab mP aufgrund der Kartenprojektion (UTM) und der Projekthöhe. Es werden auch die Änderungen ∆mP des Projektmaßstabes sowie die Nichtparallelität der Z-Richtungen problematisiert. Die Umsetzung dieser ingenieurgeodätischen Methoden in der verwendeten BIM-Software sollte möglichst frühzeitig, also auch schon in der Planungsphase, berücksichtigt werden, damit in der Bauphase, bei der Übertragung der Planung in die Örtlichkeit, keine systematischen Abweichungen entstehen. Im Folgenden werden die Ursachen für eine Abweichung zwischen geodätischen Lagereferenzsystemen des Vermessungswesens und den dreidimensionalen Kartesischen Koordinaten des (lokalen) Bauwerksmodells zusammengengefasst. Eine ausführliche Beschreibung findet sich zum Beispiel in Clemen et al. (2022) - noch grundlegender - in Witte et al. (2020). Höhenkorrektion Da die Lagekoordinaten auf dem Referenzellipsoid gerechnet werden, muss die Höhenlage der Baumaßnahme berücksichtigt werden. Aufgrund der Divergenz/Verjüngung der Lotlinien (ungefähr Richtung Erdmittelpunkt) nimmt die tatsächliche Distanz zwischen zwei Punkten mit der Höhe über dem Bezugsellipsoid zu. Gemessene horizontale Distanzen sind daher beim Übergang von der Realität in das (Lage-) Koordinatenreferenzsystem zu reduzieren. Die Höhenkorrektion beträgt bei NHN-Höhen bis 1000 m bis zu –16 cm/km beim Übergang von der Örtlichkeit in das Modell: sHred = sH* (1 – hellipsoid/R) mit der Höhe h über dem Ellipsoid und dem mittleren Erdkrümmungsradius R (= ca. 6381 km). Bei der Berechnung der Höhenkorrektion muss zusätzlich die Höhenanomalie (Differenz zwischen Quasigeoid und Referenzellipsoid) berücksichtigt werden. Abbildungskorrektion Unter einer Abbildung versteht man in der Geodäsie die Umrechnung von geographischen bzw. ellipsoidischen Koordinaten (Φ, Λ) in kartesische Koordinaten (y, x). Gekrümmte Oberflächen, wie die des Rotationsellipsoids, lassen sich nicht ohne das Auftreten von Verzerrungen in ebene Flächen abbilden. Bei geodätischen Referenzsystemen auf dem Rotationsellipsoid mit konformen Abbildungen, wie Universalen Transversalen Mercator- Koordinaten (UTM) oder Gauß-Krüger-Koordinaten (GK), wird zugunsten der Winkel- auf die Streckentreue verzichtet. Diese aus der Projektion resultierenden Verzerrungen müssen als Korrektionen bei der Überführung von tatsächlichen (Natur)strecken in die jeweilige Abbildung angebracht werden. Bild 2: Auf der Baustelle gemessene Horizontalstrecken müssen aufgrund der Höhe in die Berechnungsebene projiziert werden (Clemen; Romanschek; Fleischer, 2023) Bild 3: Die kartographische Abbildung beschreibt eine funktionale Abbildung der ellipsoidischen Koordinaten (links) auf die verebneten/projizierten Koordinaten, (z. B. UTM oder GK). Bei der Projektion ändert sich das geodätische Datum (z. B. ETRS89) nicht (Clemen; Romanschek; Fleischer, 2023) Erdkrümmungskorrektion Als Erdkrümmungskorrektion wir die Differenz der tatsächlich gebogenen Linie gleicher Höhe zur Länge der Linie in einer (Tangential-)Ebene angenommen. Bei Distanzen bis zu 10 km beträgt die Differenz jedoch nicht mehr als 1 mm und kann in der Baupraxis i. d. R. vernachlässigt werden (Witte et al., 2020) . Gesamtreduktion Die Gesamtreduktion setzt sich additiv aus allen Korrekturwerten zusammen:
wobei sich die Korrektionen kumulieren oder teilweise gegeneinander aufheben können. Ein Beispiel aus dem „Leitfaden Geodäsie und BIM“ (DVW e.V. & Runder Tisch GIS e.V., 2022) zeigt am höchsten Punkt Nordrhein-Westfalens, dem Langenberg, nahe des Mittelmeridians (ETRS89/UTM-Koordinaten: E = 32469200,000, N = 5680660,000 auf einer NHN-Höhe von 843 m), eine Abbildungsreduktion von –40 cm/km und eine Höhenreduktion von –14 cm/km, zusammen also eine resultierende Reduktion von –54 cm/km und damit einen Projektmaßstab von 0,999460 von der Örtlichkeit in das Koordinatenreferenzsystem ETRS89/UTM. Diese Korrektionen müssen beim Übergang zwischen
angebracht werden. Allerdings bleibt die Transformation nicht auf den Maßstab der Lagekoordinaten beschränkt. Insbesondere müssen bei lokalen BIM-Projekten ein Einfügepunkt für die Translation (Verschiebung) und die Drehung (Rotation) festgelegt werden. Die Nordrichtung, also die Rotation zwischen Bauwerkskoordinatensystem und projizierten Koordinatenreferenzsystem bezieht sich auf das sogenannte „Gitternord“, was gegebenenfalls Abweichungen zur geographischen Nordrichtung (Meridiankonvergenz) nach sich zieht. Für große, langgestreckte Strukturen müssen zusätzlich umfassende geodätische Konzepte aufgrund der Erdkrümmung, gegebenenfalls auch Lotabweichung (Gravitationsrichtung) angewendet werden (Heunecke, 2017). Die nach der BIM-Methode üblichen Transformationen (siehe Abschnitt 2 Lösungsvarianten für die Transformation) gelten nur für lokal begrenzte Bereiche von 100 m bis 5 km. Eine langgestreckte Anlage (Straße, Schiene, Wasserweg) muss gegebenenfalls in Teilabschnitte zerlegt werden. Dabei müssen Übergangszonen zwischen den Teilbereichen definiert werden. Dazu empfehlen Jaud et al. (2020) u. a. eine gleichmäßige, auf eine Übergangszone beschränkte, Approximation des Projektmaßstabs zwischen den räumlich getrennten Teilprojekten entlang der Trasse. 2 Lösungsvarianten für die TransformationZur Vereinfachung werden im Folgenden geodätische Koordinatenreferenzsysteme (KRS), die zwischen Lage und Höhe trennen „2D+1D“ genannt, geozentrisch-kartesische Koordinatensysteme werden mit „3D“ gekennzeichnet. 3D-topozentrische Systeme haben ihren Ursprung im Projektreferenzpunkt des lokal begrenzten BIM Projektes. Die wichtigsten Transformationsparameter sind:
Zu beachten ist weiter, ob sich der Satz der Transformationsparameter auf das gesamte BIM- Projekt (Quartier, Bauabschnitt, Werksgelände) oder nur auf ein einzelnes Bauwerk (Gebäude, Brücke, Straßenabschnitt) mit begrenzter Ausdehnung bezieht. Bild 4: Übersicht zu den vorgestellten Varianten (V1, V2, V3) für pragmatische Ansätze zur Georeferenzierung von BIM-Modellen (Clemen et al., 2022) V1: Vermessung/Geodaten und BIM mit identischen KoordinatensystemenBei Variante 1 verwenden beide Domänen das identische Koordinatensystem. Dies passiert im Infrastrukturbereich, wenn die BIM-Planung z. B. nur in amtlichen, georeferenzierten Koordinatenreferenzsystemen (1a) durchgeführt wird. Oder, wie zum Beispiel in der Denkmalpflege, die Vermessung direkt im Bauwerkskoordinatensystem (1b) durchgeführt wird. Weitere Geodaten können im BIM-Projekt nicht verwendet werden. Eine derzeit nur in Forschungsprojekten, z. B. (Wunderlich, 2021), untersuchte Variante wäre es, gemeinsam in einem geozentrischen, kartesischen 3D-Koordinatenreferenzsystem (1c) zu planen. Der Vorteil wäre eine maßstabsfreie Georeferenzierung, die sich allerdings durch die Nutzung eines deutlichen weniger intuitiv verwendbaren Koordinatensystems bzw. weniger anschaulichen Koordinatenwerten erkauft würde. V2: Transformationsparameter (2D+1D) zwischen Vermessung/GIS und BIMDie Varianten 2a, 2b und 2c beziehen sich jeweils auf die Transformation zwischen amtlichen Geodaten/Vermessung und einem Bauwerkskoordinatensystem. Die Transformationsparameter für die Lage des Projektbasispunktes (X0, Y0) im Koordinatenreferenzsystem werden im BIM-Projekteinheitlich festgelegt und angewendet. Die Nordrichtung α, die in der Regel der Winkel zwischen geodätischem Gitternord und y-Achse des Bauwerkssystems ist, wird ebenfalls festgelegt. Es muss aber sichergestellt sein, dass alle beteiligten Softwaresysteme die Nord-Rotation richtig anbringen. BIM-Software setzt die Drehrichtung aufgrund der Orientierung (Links vs. Rechtssystem) und Drehrichtung (Uhrzeigersinn vs. gegen Uhrzeigersinn) teilweise falsch um. Problematisch ist die Auswirkung des Projektmaßstabs MP, weil der Maßstab in „typischer“ Hochbau-BIM-Software bei der Transformation nicht angebracht wird. Es stellt sich also die Frage, wie groß diese Abweichungen zwischen Vermessung/Geodaten und BIM sind. Und ob diese noch tolerierbar sind. Diese Frage muss für jedes BIM-Projekt gesondert beantwortet werden, weil der Projektmaßstab MP stark von der Art der Projektion (GK, UTM), der geografischen Lage des Bauwerks (Abstand vom Mittelmeridian) und der Geländehöhe abhängt. V3: Doppelte Transformation zwischen GIS Vermessung/Sondernetz BIMHoch- und Ingenieurbauprojekte werden im Gegensatz zu Infrastrukturbauprojekten in BIM immer maßstabsfrei (1:1) und in einem ebenen, kartesischen Projektkoordinatensystem entworfen und geplant. Um die maßstabsfreie BIM-Planung spannungsfrei in die Örtlichkeit zu übertragen, werden mit einer (ersten) Transformation gesonderte Baulagenetze (Sondernetze) mit einem projektbezogenen Koordinatensystem im Maßstab MP= 1 angelegt. Der pragmatische Vorteil für BIM ist, dass die (zweite) Transformation zwischen Sondernetz und Bauwerkskoordinatensystem die Variante 2a, f(X0, Y0, α ,H), also eine Transformation ohne Maßstab angewendet werden kann. Zwischen der Vermessung im Sondernetz und BIM Modell gibt es keine systematischen Abweichungen. Die Bestimmung der (ersten) Transformationsparameter vom georeferenzierten System in das Sondernetz ist jedoch etwas komplizierter. Zunächst müssen die vorliegenden oder geodätisch neu bestimmten Festpunkte in der Örtlichkeit spannungsfrei vermessen und ausgeglichen werden. Für kleinere Projekte (< 1 km) kann es dann ausreichen, eine 2D-Helmert-Transformation (x0 , y0 , δ, m) für die Umrechnung zwischen (amtlichen) Lagekoordinaten und BIM-Projektkoordinaten anzusetzen. Dieses Vorgehen wird zum Beispiel von buildingSMART AUSTRALASIA (2020) vorgeschlagen. Diese Variante ist in Abbildung 4 unter 3a aufgeführt. Für größere (> 1 km) Projekte empfehlen wir Variante 3b. Hier müssen die vorliegenden oder geodätisch neu bestimmten Festpunkte zunächst in ein neues, georeferenziertes Koordinatenreferenzsystem (KRS) umgerechnet werden. Dieses KRS wird lokal und vorhabenbezogen angelegt. Dafür müssen festgelegt werden: Geodätisches Datum (z. B. ETRS89, DB_REF und Referenzellipsoid) und Projektion (Ursprung (Φ, Λ), Art der Projektion (z. B. Transversal Mercator, Maßstab wegen Höhe und Offsetwerte). Die Transformation von Geodaten in das Vermessungssystem kann durch Standard- Vermessungs- und GIS-Software durchgeführt werden, wenn die genannten Transformationsparameter vom amtlichen Landessystem (z. B. ETRS89/UTM) in das lokale geodätische Bezugssystem publiziert werden. 3 Low Distortion Projection (LDP) – Beispiel DB Station & ServiceIm „Leitfaden Geodäsie und BIM“ erläutern Reifenhäuser und Wunderlich (2022) die spezifischen BIM-Anforderungen für die Verwendung des Koordinatenreferenzsystems DB_REF in der Eisenbahninfrastruktur. Die Autoren plädieren für einen „einheitlichen Ansatz, der die homogene und maßstabstreue Integration aller BIM-Modelle gewährleistet“. Sie betonen, dass die Trassierung gemäß kartographischer Abbildung erfolgen muss, selbst bei Anwendung der BIM-Methode, aufgrund der Anforderungen der Regelwerke. Im „3D-BIM“ für lokale Planungen, wie zum Beispiel Ingenieurbauwerke, kann die Trasse in eine 3D-Raumkurve umgewandelt werden. Dabei wird durch Passpunkte ein lokales, kartesisches Koordinatensystem erstellt, dessen Z-Achse die Lotrichtung approximiert. Die barrierefreie Erneuerung von 5.400 Personenbahnhöfen wird seit dem 1.1. 2017 durch Building Information Modeling (BIM) unterstützt. BIM fokussiert sich auf die dreidimensionale Planung und Modellkoordination. Allerdings arbeiten 3D-Softwarelösungen nicht mit geodätischen Koordinaten, was systematische Abweichungen verursacht. In lokalen Projekten, wie der Planung von Ingenieurbauwerken oder Personenbahnhöfen, ist die Verwendung kartesischer Koordinaten unerlässlich, da diese die Grundlage der Planungssoftware für Architekten, Bau-, Elektro- und Maschinenbauingenieure bilden. Die Lösung besteht darin, geodätische Koordinaten in ein optimiertes Koordinatenbezugssystem umzuwandeln. Dieses Verfahren wurde standardisiert und für alle 5.400 Verkehrsstationen implementiert, um systematische Abweichungen (siehe Abschnitt 1.4) zu minimieren und das DB_REF-Datum für den Trassenbezug zu nutzen. Dadurch wird eine präzise Nutzung von geometrischen Informationen ermöglicht, die Überführung in andere Koordinatensysteme erleichtert und das direkte Abstecken von Bauvorhaben aus dem Modell unterstützt. Die Herausforderung besteht darin, die geodätische Perspektive für die qualifizierte Trassierung im Rahmen schneller Zugfahrten (DB_REF; GIS-Systeme) mit der kartesischen Perspektive der lokalen Bauwerksplanung (3D; CAD-Systeme) zu verbinden. Die Lösung liegt in der Umformung (nicht Transformation!) der geodätischen Koordinaten, um systematische Abweichungen zwischen 3D-Planung und Vermessung durch die optimale Definition eines Koordinatenbezugssystems (KRS) zu minimieren. Es wird pro Verkehrsanlage eine „Low-Distortion-Projection“ (LDP) eingefügt. Bild 5: Statt der ganzzahligen GK-Mittelmerididane (3°,6°,9°12°,5°) legt das VA-System die transversal Zylinderprojektion durch die ellipsoidische Koordinate der Verkehrsanlage (VA) (Clemen, Romanschek & Fleischer, 2023) Durch dieses neue einheitliche und standardisierte Verfahren wurde für alle 5400 Verkehrsstationen ein lokales KRS erstellt und auf der Infoplattform als Datenbank zur Verfügung gestellt. Dieser Typ von KRS wird als lokales Koordinatensystem Personenbahnhöfe (kurz VA-System) bezeichnet. Die Umformung der lokalen VA-Systeme zum DB_REF ist einfach mit GIS- und CAD-Software umzusetzen und basiert auf gängigen IT-Standards. VA-System und DB_REF/GK unterscheiden sich nur wenig: Statt einer globalen Gauß-Krüger Abbildung mit 3°-Meridianstreifen findet beim VA-System pro Verkehrsstation eine lokal optimierte kartographische Projektion statt, wodurch die systematische Abweichung auf maximal 2 mm/1 km minimiert wird. Das lokale Koordinatensystem Personenbahnhöfe nutzt als Grundlage das einheitliche geodätische Datum DB_REF, wodurch der Trassenbezug besonders gewährleistet ist. Die hohe Netzqualität (absolut 1 cm / relativ 5 mm) des DB_REF bleibt im Koordinatensystem Personenbahnhöfe erhalten. Mit diesem neuen standardisierten Verfahren können geometrische Informationen auch in den Jahren nach der Planung lagerichtig weiterverwendet sowie in andere KRS überführt und integriert werden – das geodätische Datum bleibt unverändert und es werden im Gegensatz zur Helmert-Transformation über Passpunkte keine heuristischen Annahmen eingeführt. Die Parameter in der erstellten VA-System Datenbank parametrieren eine automatisierte Umformung von DB_REF Koordinaten zum lokalen System und zurück. Die Parameter (Werte der VA-System Datenbank) wurden unter folgenden Prämissen berechnet:
Mit diesen Prämissen wird das Ziel erreicht, die systematischen Abweichungen zwischen Vermessung und 3D-Software zu minimieren. Wenn die Vermessungsmodelle (Festpunkte, topographische Aufnahme, 3D-Punktwolke) im VA-System vorliegen, können diese direkt von 3D-BIM Software verwendet werden. Die Erde darf – überspitzt gesagt – für BIM eine Scheibe bleiben. Um systematische Abweichungen zwischen Vermessung und 3D-Modellierung zu minimieren, erfolgt die Umformung der Koordinaten DB_REF → VA-System zeitlich zwischen Netzverdichtung und anlassbezogener Vermessung im Maßnahmenbereich:
Abbildung 6: Die übergeordnete Netzverdichtung und Trassierung finden im DB_REF statt. Die lokale Verdichtung, Objektvermessung und Modellierung im VA-System. Der komplette Werkzeugkasten für die Umsetzung des VA-Systems in Projekten, incl. der Datenbank (den Definitionsdateien für 5400 Verkehrsstationen) findet sich auf der Informationsplattform Bau, Anlagentechnik, IT/TK der Personenbahnhöfe frei zugänglich im Internet. Die VA-System Datenbank führt für jede Bahnhofsnummer einen eigenen Ordner, der die kleinen Definitionsdateien enthält. Es werden neben den ISO Standards ISO 19162:2019 auch WKT-Dialekte für ESRI und ein spezielles Format für Autodesk und Bentley Produkte bereitgestellt. Mit wenigen Klicks oder Standardbefehlen im GIS- oder CAD System wird die passende WKT-Datei eingebunden. Die Software ist dann in der Lage das VA-System gemeinsam mit DB_REF/GK bzw. den Koordinatenbezugssystemen der Landesvermessung zu verwenden. 4 FazitDie dreidimensionalen BIM-Modelle schaffen die Voraussetzung dafür erst digital zu planen und dann real zu bauen. Mit dem beispielhaft vorgestellten VA-System „passen“ nun Geodaten, Vermessung und Modell geometrisch im Koordinationsmodell exakt zueinander. Das VA-System ist die massenhafte, praktische Umsetzung einer „Low Distortion Projection“ (LDP). Durch die standardisierte Anwendung der Koordinatenumformung und die einfache Bereitstellung der Datenbank wird die digitale Planung einfacher und schneller. Das VA- System ermöglicht, dass künftig Punkte und Achsen direkt aus dem Ausführungsmodell auf der Baustelle abgesteckt werden können. Die derzeit genutzten Umrechnungen mit Einfügepunkt bzw. Offset können zukünftig entfallen. Weil die Absteckung zukünftig modellbasiert ist, sind keine gesonderten Absteckungspläne mehr erforderlich. Die Methode kann problemlos von Personenbahnhöfen auf andere lokal begrenzte Bauwerke wie Brücken und Tunnel übertragen und auch von anderen Verkehrsträgern angewendet werden. Damit BIM geometrisch genau funktioniert, darf die Erde lokal eine Scheibe bleiben, aber nur, wenn die Geodäsie die Voraussetzungen dafür schafft! BekanntmachungEinzelne Textfragmente dieses Beitrages wurden von den Autoren in den Publikationen (Clemen et al., 2022), (Clemen, Romanschek & Fleischer, 2023) und (Clemen, Gruner & Pfeifer, 2023) bereits veröffentlicht und basieren auf der fachlichen Zusammenarbeit mit den jeweiligen Ko-Autoren. 5 Literaturverzeichnis
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