FGSV-Nr. FGSV 002/109
Ort Bergisch Gladbach
Datum 04.03.2015
Titel Feinstaubmessungen mit der Sensorplattform HORUS
Autoren Lucas Günther, Dr. Frank Steinert
Kategorien Luftqualität
Einleitung

„Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen.“ - japanisches Sprichwort -

Diese Lebensweisheit trifft auch auf das Ingenieurwesen zu, denn der Einsatz innovativer Messsysteme kann helfen, bestehende Grenzen zu überwinden. Beispielsweise erlauben sogenannte UAS (Unmanned Aerial Systems) neue Perspektiven für die Erfassung von Messdaten und Bildaufnahmen. Aus diesem Grund wurde am Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Kooperation mit der Airclip GmbH die schwebende Sensorplattform HORUS („HOvering Remote controlled Ultra-light Sensor platform“) entwickelt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1. Einleitung

„Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen.“ - japanisches Sprichwort -

Diese Lebensweisheit trifft auch auf das Ingenieurwesen zu, denn der Einsatz innovativer Messsysteme kann helfen, bestehende Grenzen zu überwinden. Beispielsweise erlauben sogenannte UAS (Unmanned Aerial Systems) neue Perspektiven für die Erfassung von Messdaten und Bildaufnahmen. Aus diesem Grund wurde am Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Kooperation mit der Airclip GmbH die schwebende Sensorplattform HORUS („HOvering Remote controlled Ultra-light Sensor platform“) entwickelt.

Diese Plattform ermöglicht es, Messgeräte mit einer Masse von bis zu 5kg frei im Luftraum zu positionieren und auch auszurichten. Dabei können sowohl dynamische Flugrouten als auch statische Messpunkte vom Bediener vorgegeben und von der Plattform eigenständig absolviert werden.

Diese Eigenschaften ermöglichen es nun auch Feinstaub-Sensorik unkompliziert, kostengünstig und wiederholgenau an beliebige Orte zu befördern um somit neue Daten für die Dokumentation von aktuellen Zuständen aber auch für die Erstellung noch detaillierterer Modelle zur Entstehung und Ausbreitung von Feinstaub zu erheben.

2. UAS HORUS

Für die effektive Datenerfassung mit Hilfe einer fliegenden Sensorplattform in unmittelbarer Nähe zu Verkehrsinfrastruktur werden an das Gesamtsystem verschiedene Anforderungen gestellt.

· Sicherheit: Das zur Anwendung kommende Fluggerät muss ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten, sodass weder Passanten, Fahrzeuge auf den Straßen oder Bauwerke im Messareal noch die Bediener selbst zu irgendeinem Zeitpunkt während der Messung einer Gefahr ausgesetzt sind.

· Automatisierung: Während der Messdatenerfassung muss das Fluggerät eigenständig agieren. Der Bediener kann somit während des Fluges seine Aufmerksamkeit auf die eigentliche Messung richten, diese starten, überwachen oder im richtigen Zeitpunkt beenden. Die Wiederholbarkeit der Messung wird ebenfalls durch einen automatischen Flug gewährleistet.

Abbildung 1: UAS HORUS während einer Messung

2.1 Sicherheit

Ein besonders wichtiges Merkmal des UAS HORUS ist die absolute Redundanz des gesamten Systems. Auf der mechanischen Seite ist dies durch die Anzahl der Rotoren gewährleistet. Fällt durch Berührung oder durch einen Fehler in einem der Motoren oder der separaten Motorregler ein oder mehrere Propeller aus, bleibt das System weiterhin voll flugfähig und steuerbar. Die systemeigene Diagnose erkennt die Art des Fehlers und meldet diesen über den Telemetriekanal an die Bodenstation. Das System reagiert bei Eintreten eines Fehlers selbständig und HORUS kehrt automatisch zum Startpunkt zurück. Da für einen geregelten Flug nur vier Rotoren benötigt werden, dürften je nach Nutzlast bis zu vier der installierten acht Rotoren ausfallen.

Alle Rotoren erhalten ihre Drehzahlvorgaben von einer zentralen Steuerplatine, auf der sowohl die Lage- und Positionssensoren von HORUS, als auch die Regelalgorithmen zur Bewegungskontrolle des Systems installiert sind. Ein Ausfall dieser Steuerplatine ist dementsprechend dringend abzusichern.

Realisiert wird dies - wie auch in der manntragenden Luftfahrt üblich - über eine zweite identische Regelungselektronik, die im Ernstfall bei Fehlern der primären Elektronik das Regime übernimmt. Ein Schema des Aufbaus ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Redundante Elektronik im HORUS

Dem Bediener wird bei Eintreten einer solchen Situation ebenfalls eine Diagnosemeldung über die Telemetrie ausgegeben. HORUS bleibt in jedem Fall stabil in der Luft und kann weiterhin gesteuert werden. Die oft recht wertvolle Nutzlast ist mit maximaler Sicherheit und minimalem Risiko unterwegs.

2.2 Automatisierung

Der HORUS Autopilot erlaubt es, vorprogrammierte Missionen automatisch abzufliegen. Zur Erstellung der einzelnen Missionen kommt eine Software zum Einsatz, welche direkt auf dem Bodenstations-Notebook installiert ist. Damit werden Missionen im Voraus vom Start bis zu Landung geplant und Flugrouten erstellt, die von HORUS Wegpunkt für Wegpunkt abgeflogen werden. Die Wegpunkte selbst können hierbei manuell auf einer Karte per Mausklick gesetzt oder automatisch als Raster über einem Areal erzeugt werden (Abbildung 3). Darüber hinaus lassen sich die Wegpunkte mit Aktionen und Parametern verknüpfen.

Aktionen können einfache Befehle, wie "warte hier für fünf Sekunden" oder "Messdatenerfassung starten", sein. Neben den Aktionen gibt es viele Parameter, die sich für jeden Wegpunkt separat einstellen lassen. Beispiele sind die Geschwindigkeit sowie die Steig- und Sinkrate, mit der der nächste Wegpunkt angeflogen werden soll oder der Winkel der Kamera oder des Messgerätes.

Abbildung 3: Kartendarstellung der Wegpunkte

Natürlich lassen sich die einzelnen Wegpunkte sowie komplette Missionen auf der Festplatte des Bodenstations-Notebooks speichern. Dadurch wird es möglich, die gleiche Mission zu beliebiger Zeit zu wiederholen. Dabei sorgt der Autopilot dafür, dass die Strecken genau wie die vorhergegangenen abgeflogen werden.

Die gleiche Mission wieder und wieder abzufliegen, ist eine effiziente Methode, wiederkehrende Messdatenerfassungen durchzuführen. Sei es um den Fortschritt einer Baustelle, das Wachstum von Pflanzen oder Veränderungen der Partikelzusammensetzung in der Atmosphäre zu dokumentieren. Piloten aus Fleisch und Blut werden natürlich auch beim Einsatz von HORUS gebraucht. Sicherheitsanforderungen gebieten es, dass auch automatische Befliegungen von erfahrenen Piloten überwacht werden. Dies ermöglicht es, jederzeit einzugreifen, die Mission abzubrechen oder die "Befehle" des Autopiloten zu überschreiben. Darüber hinaus ist es üblich, Start und Landung manuell durchzuführen und dem Autopiloten den Rest zu überlassen. Während der Autopilot HORUS steuert, kann sich der Pilot komplett auf die Durchführung und Überwachung der eigentlichen Messaufgabe konzentrieren.

3. Fidas Flight

Die Firma Palas GmbH ist spezialisiert auf Aerosol-Technologie und weltweit führend im Bereich Feinstaubmessungen im Mikro- und Nanometerbereich. Deren Sensorenfamilie Fidas® verwendet das Messprinzip der optischen Lichtstreuung am Einzelpartikel und ist mit einer Weißlicht-LED-Lichtquelle mit hoher Lichtstabilität und langer Lebensdauer ausgestattet. Durch die patentierte T-Blendentechnik und die entsprechende digitale Signalverarbeitung wird eine äußerst akkurate Partikelmessung auch in hohen Konzentrationen garantiert.

Der Sensor misst simultan die umweltbedingten Massefraktionen PM1, PM2,5, PM4, PM10, TSP oder die alveolengängigen, thorakalen und einatembaren Massefraktionen nach DIN EN 481. Zusätzlich misst es die Partikelanzahl und – wenn gewünscht – die Partikelgrößenverteilung in bis zu 64 Größenklassen im Partikelgrößenbereich von 0,18 – 18 µm oder 0,4 – 40 µm. Für kontinuierliche Messungen kann die Zeitauflösung von einer Sekunde bis Stunden- oder Tagesmittelwerte eingestellt werden.

Der neuste Fidas®-Sensor ist viel leichter und kleiner als die bewährten Laborgeräte und somit besonders für den mobilen Einsatz prädestiniert. Die Baugröße und die Masse des Sensors machen es möglich, diesen in ein Sensormodul für das UAS HORUS zu integrieren und somit Messungen im dreidimensionalen Raum zu realisieren.

3.1 Elektronische Integration

Das bisher zur Anwendung kommende Bedienkonzept der Fidas®-Sensoren funktioniert über einen Touch-Screen-Bildschirm. Um die Bedienung auch im Rahmen einer Messkampagne in luftigen Höhen zu ermöglichen, war die Implementierung einer Schnittstelle zwischen Sensor und HORUS notwendig. Das so entstandene System ist im Schema in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Schematischer Aufbau des Fidas Flight-Moduls

Die Schaltzentrale des Fidas Flight bildet ein kompakter Ein-Platinen-PC, der die Schnittstelle zwischen dem Fidas-Sensor, HORUS und weiteren peripheren Komponenten darstellt. Dieser PC stellt auch eine WLAN-Schnittstelle zum Bodenstationsrechner bereit, auf welchem die Konfiguration der Messkampagne durchgeführt werden kann. Weiterhin wird die WLAN-Funkstrecke zum Download der während der Kampagne aufgezeichneten Messdaten genutzt. Die Reichweite der WLAN-Funkstrecke kann leider nicht auf die große Reichweite von HORUS selbst ausgeweitet werden.

Aus diesem Grund muss die Steuerung des Sensors während der Messung über eine alternative Funkstrecke zwischen Bodenstation und HORUS erfolgen, die auch zur direkten Steuerung der Bewegung von HORUS im manuellen Flugmodus genutzt wird.

Zur Übersetzung der Signale von der Bodenstation über HORUS zum FidasSensor wird ebenfalls der Ein-Platinen-PC genutzt. Da sich der Sensor am HORUS nun frei im Raum positionieren lässt, muss während der eigentlichen Messung auch dessen aktuelle Position ständig und absolut synchron zur Partikelmessung mit erfasst werden. Dazu dient ein GPS-Empfänger, der sowohl die aktuelle Position und Geschwindigkeit des Sensors erfasst, als auch eine sehr genaue, weltweit identische Zeitbasis zur Verfügung stellt. Auch dieser GPS-Empfänger ist an den Ein-Platinen-PC angeschlossen.

3.2 Mechanische Integration

Um Fidas Flight mechanisch im HORUS zu integrieren, kommt das in einer Vielzahl von Projekten erfolgreich eingesetzte Modulkonzept zur Anwendung. Am HORUS stehen im Front- und Heckbereich zwei flexibel nutzbare Modul-Steckplätze zur Verfügung. Der Fidas Flight wird im vorderen Modulsteckplatz installiert. Die Luftproben können je nach Anforderungen an die Messung entweder in unverwirbelter Luft 1,5m oberhalb oder 1,5m vor HORUS durch zwei Messrohre angesaugt werden. Das gesamte Gehäuse ist aus Kohlefaser-Verbund-Platten aufgebaut und schließt den Sensor luft- und regendicht ab.

Abbildung 5: Fidas Flight am HORUS

4. Messungen

4.1 Verfügbarkeit

Sollen Messungen über einen langen Zeitraum hinweg oder an sehr vielen Messpunkten im Gebiet durchgeführt werden, muss das Fluggerät eine ausreichend lange Flugzeit und sehr kurze Nachladezeiten am Boden gewährleisten. Dazu ist HORUS mit einem Akkuwechselsystem ausgerüstet. Die Flugakkus sind besonders leicht zugänglich in separaten Akkumodulen installiert. Der Tausch eines Flugakkus dauert somit weniger als zehn Sekunden.

Abbildung 6: Darstellung des quasikontinuierlichen Betriebs von HORUS

Mit einem Akkusatz sind je nach Nutzlast Flugzeiten von bis zu 40 Minuten möglich. Während des Fluges werden an der Bodenstation simultan zwei Flugakku-Sets nachgeladen. Mit dieser Nachlade-Betriebsart ist ein quasikontinuierlicher Betrieb, wie in Abbildung 6 dargestellt, über mehrere Stunden möglich. [1]

4.2 Messkampagne

Um die aktuelle Verteilung von Feinstaub in der Luft über einem bestimmten Gebiet zu erfassen, bietet sich eine 3D-Rasterbefliegung an. Hierbei wird das Areal nicht wie in Abbildung 3 dargestellt, mäanderförmig in einer Ebene überflogen sondern, wie in Abbildung 7 gezeigt, in mehreren Ebenen übereinander.

Jeder der dargestellten Messpunkte wird automatisch angeflogen und ca. 60 Sekunden lang gehalten. Bei Erreichen des jeweiligen Messpunktes wird die Messung von HORUS gestartet. Die Messdaten werden direkt ausgewertet und zusammen mit dem aktuellen Zeitstempel und der GPS-Position zusammen abgelegt. Ist die Messung an einem Punkt abgeschlossen, wird der nächste Messpunkt angeflogen. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis alle Messpunkte absolviert wurden. Falls der Ladezustand des Flugakkus währenddessen zu weit sinkt, wird der Ablauf, wie oben beschrieben, für wenige Minuten für den Wechsel der Flugakkus unterbrochen.

Abbildung 7: Messpunkte für die 3D-Rasterbefliegung eines Areals

5. Fazit

Zivile Drohnen auf Basis von Multikoptern haben sich in den letzten Jahren zu vielseitigen Werkzeugen für die Messdatenerfassung entwickelt. Durch die gute Steuerbarkeit, die unkomplizierte Handhabung und die geringen Kosten der Systeme können etablierte Messverfahren neugestaltet werden. Die freie Beweglichkeit der Systeme im dreidimensionalen Raum ermöglicht die Aufzeichnung von Daten in bisher kaum möglicher Dichte und Qualität. Ein Beispiel für eine Anwendung, die genau von diesen Möglichkeiten profitiert, stellt die Feinstaubmessung mit der Sensorplattform HORUS dar.

Dabei wird das UAS HORUS genutzt, um ein speziell für die Drohnenanwendung entwickeltes Feinstaubmessgerät der Firma Palas im Luftraum zu positionieren.

Das Fidas Flight-Modul misst simultan die umweltbedingten Massefraktionen PM1, PM2,5, PM4, PM10, TSP oder die alveolengängigen, thorakalen und einatembaren Massefraktionen nach DIN EN 481. Zusätzlich misst es die Partikelanzahl und die Partikelgrößenverteilung in bis zu 64 Stufen.

Durch die hohen Sicherheitsstandards des UAS HORUS, bei dem besonderes Augenmerk auf vollständige Redundanz aller relevanten Systeme gelegt wurde, ist es möglich die Messungen auch in der Nähe zu Bauwerken oder öffentlichen Straßen durchzuführen, ohne Dritte oder den Sensor selbst einer besonderen Gefahr auszusetzen.

Die Messungen können in Form eines dreidimensionalen Rasters durchgeführt werden und liefern damit Daten in bisher nicht realisierbarer örtlicher Auflösung im freien Luftraum. Dieses Vorgehen eignet sich dadurch sehr gut zur Parametrierung und zur Validierung von Feinstaub-Ausbreitungsmodellen sowie zur Aufklärung lokaler Schichtungsphänomene.

Literaturverzeichnis

[1]  LIPPOLD CH., VETTERS A., STEINERT F. (2013): Aktualisierung des Überholmodells auf Landstraßen - I. Zwischenbericht. Dresden